Protokoll:
Verwaltungsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
127
2
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
18.04.2018
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Kuhn
Berichterstattung:
der Vorsitzende, Herr Stammler (VVS)
Protokollführung:
Herr Häbe
pö
Betreff:
VVS-Tarifzonenreform
- mündlicher Bericht -
Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.
Die Vorträge des Vorsitzenden und von Herrn Stammler sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.
OB
Kuhn
:
"Ich möchte heute den Zwischenstand der VVS-Tarifreform darstellen und mit Ihnen besprechen.
Der VVS ist ein sehr erfolgreicher Verkehrsverbund. Im Verbundgebiet ist das Wachstum doppelt so hoch wie in allen anderen Verbünden in Deutschland (Wachstumsrate in den Jahren 2012 bis 2017 um 12,9 % / bundesdeutscher Durchschnitt in diesen Jahren 5,6 %). Trotzdem ist durch die vielen Staus, durch die Luftreinhaltungsproblematik usw. der Druck in unserer Stadt extrem groß, den ÖPNV weiter zu stärken. Der ÖPNV wird übrigens von vielen als zu teuer und zu kompliziert empfunden. Ob dies zutrifft, hängt von den Vergleichsmaßstäben ab.
Wichtig ist mir vorab zu betonen, nur die ÖPNV-Tarife zu vereinfachen und zu senken, würde in unserem Verkehrsverbund ohne zusätzliche Investitionen in Schienen und Busse keinen Erfolg bringen, da dann zusätzliche Kunden auf volle Stadtbahnen, Busse oder S-Bahnen stoßen würden. Die 72 Mio. €, die der Gemeinderat für die SSB zur Verfügung gestellt hat, bringen zum Ausdruck, dass eine verbesserte Tarifstruktur von kontinuierlichen Investitionen in die Infrastruktur begleitet werden muss. Ich sage das mehr in Richtung Region und Metropolregion, im Stuttgarter Gemeinderat besteht darüber meines Erachtens Konsens.
Diskutiert wurden verschiedene Modelle. Der Beschluss des Stuttgarter Gemeinderates, dass wir in Stuttgart statt zwei Tarifzonen nur noch eine Zone wollen, hat sich als produktiv erwiesen. Für diese eine Stuttgarter Zone (mit Mischpreis) hat der Gemeinderat 9 Mio. € beschlossen. So würde es auch Verlierer geben. Nun hat sich der VVS-Aufsichtsrat nach eingehenden Diskussionen klar für die sogenannte große Lösung ausgesprochen (Stuttgart eine Zone zum Preis der Tarifstufe 01 sowie eine Zonenvereinfachung im gesamten Verbund). Von der Umsetzung soll die gesamte Region profitieren.
Bisher hatten Tarifdiskussionen immer eine Art Zieldreieck zum Inhalt (einfacher, gerechter und ergiebiger Tarif). Dies wurde nun zu einem Viereck ausgeweitet. Der vierte Punkt heißt, die Lenkungswirkung muss vom Tarif ausgehen. Die Tarifreform soll dazu führen, dass mehr Personen den ÖPNV nutzen können.
Aufschlussreich sind Zahlen zum Verhältnis Auto - ÖPNV. Am Stuttgarter Kesselrand ist das Verhältnis ÖPNV zu Autoverkehr 51 : 49 %. D. h. am Kesselrand sind schon mehr Leute im ÖPNV als im Auto. Aber am Stadtrand ist das Verhältnis noch immer 26 % ÖPNV und 74 % Autoverkehr. D. h. unser großes Problem sind die vielen Menschen, die aus der Region (Verbandsgebiet) und letztlich auch aus der Metropolregion, mit dem Auto nach Stuttgart fahren (müssen). Daraus leitet sich ab, dass sich die Verhältnisse in der Stuttgarter Innenstadt (Verkehr, Luftqualität) erst dann entscheidend verändern, wenn wir hier Verbesserungen in diesen Verkehren erzielen können. Daher der Punkt Lenkungswirkung im Tarifmodell.
Der VVS-Aufsichtsrat hat mich als Aufsichtsratsvorsitzenden aufgefordert, sozusagen die Finanzierungsgespräche zu führen. Denn dieses Modell kostet in der Summe zwischen 38,5 und 42,5 Mio. € jährlich. Diese Spanne hat mit einer annehmbaren unterschiedlichen Preiselastizität zu tun. Klar ist, diese jährlichen Mittel können wir nur aufbringen, wenn das Land uns unterstützt. Dazu habe ich Gespräche geführt. Die genauen Ergebnisse kann ich heute noch nicht öffentlich darstellen. Aber es wird eine Unterstützung vom Land geben. Diese wird abschmelzen, also in den ersten Jahren größer sein und dann irgendwie aufhören. Damit müssen wir umgehen, weil wir uns natürlich die Frage stellen müssen, was passiert und wer trägt die abschmelzenden Beträge. Aber immerhin, das Land steigt ein.
Es wird allgemein erwartet, das kann man auch nachvollziehen, dass der Beitrag der Landeshauptstadt mehr sein sollte als die 9 Mio. €. Wenn man ein Modell hat, das keinen Mischpreis mehr vorsieht, ist das ja irgendwie auch logisch. Ich würde trotzdem bitten, aus unseren Reihen keine Summen zu nennen. Diese würden sofort eingepreist.
Die Gespräche mit den Landräten laufen gut. Diese sind sehr entschlossen, dass diese Reform zustande kommt. Es gibt natürlich in der Region immer mal wieder z. B. auch Oberbürgermeister, die sagen, warum sollen wir dafür Geld bezahlen, da würde doch nur Stuttgart profitieren. Ich teile diese Sichtweise nicht, weil, wenn ein Bürger irgendeiner Stadt in unserer Region günstiger und besser nach Stuttgart fahren kann, profitiert ja nicht nur Stuttgart, sondern in erster Linie der Bürger, also der Stadtbürger der Städte. Deswegen appelliere ich an alle, eine Tarifreform, ein Verbundtarif, ist ein Gemeinschaftswerk.
Ich werbe dafür, dass wir die große Lösung finanziert bekommen. Da gibt es noch ein paar offene Fragen. Dazu komme ich wieder, wenn ich Ihnen das darstellen kann. Aber ich glaube, es wäre wirklich toll, wenn wir diese Lösung realisieren könnten.
Zum Zeitpunkt - das Land sagt mir, es will, wenn es uns einen Zuschuss gibt, dass wir möglichst früh starten. Dies wäre natürlich ein guter Beitrag zu der Fahrverbotsdiskussion; bekanntlich beinhaltet ein Gerichtsurteil das Datum 01.09.2019. Deswegen sollten wir deutlich vorher starten. Ich sage, am liebsten zum 01.01.2019. Andererseits sagt der VVS, für die Umsetzung wird eine bestimmte Zeit benötigt, sodass ein Zeitraum ab 01.04.2019 am realistischsten erscheint. Aber das Ziel ist, so früh wie irgend möglich.
Nicht einfach ist die viel diskutierte Frage, wie verhält sich diese deutliche Tarifsenkung zu den jährlichen Tarifsteigerungen, die die Verkehrsbetriebe auch aufgrund der Kostenentwicklung benötigen? Bisher ist der Diskussionsstand der, dass wir nicht zwei Tariferhöhungen machen können, die die Tarifsenkung umrahmen, sondern maximal eine. Also nicht zum 01.01.2019 erhöhen, dann in 2019 die Tarifsenkung und zum 01.01.2020 wieder erhöhen. Das wäre schwierig. Aber Sie müssen wissen, dass die Tariferhöhungen ja nicht nur einmalige Erhöhungen sind, sondern sich in den Jahren aufbauen. Darauf weist mich die SSB immer hin. Diese Frage ist noch offen, aber ich will sie angesprochen haben, weil dies auch eine Frage für das Umfeld ist. Es bleiben trotzdem Tarifsenkungen, aber aus der Steuerpolitik der letzten 10, 15 Jahre weiß man, dass die Bevölkerung den Trend hat, sich an Steuererhöhungen zu erinnern, während Steuersenkungen vergessen werden. Da wir eine Lenkungswirkung erzielen wollen, müssen wir dies berücksichtigen.
Ich hoffe also auf einen Beschluss im Sommer. Bis dahin sind allerdings noch viele Diskussionen zu führen.
Zum Abschluss will ich noch ein Thema ansprechen, welches mich stört. Bei den Einnahmesteigerungen, die ja die Verkehrsbetriebe benötigen, unterscheiden die bestehenden Vertragsverhältnisse nicht zwischen Verkehrsunternehmen wie der SSB, die Einnahmesteigerungen durch Tariferhöhungen investieren, und solchen, die diese Gelder nicht investieren. Das ist ungut.
Ich bitte den Rat um Unterstützung für die Grundrichtung."
Anschließend geht Herr Stammler, unterstützt durch die Präsentation, auf die Details der Tarifstruktur ein.
Herr
Stammler
:
"Wir beginnen jetzt nicht im Jahr 2018, uns über günstige Tarife für unsere Fahrgäste Gedanken zu machen. Im Grunde wurde seit 2013 jedes Jahr ein großes Angebot für eine bestimmte Zielgruppe auf den Markt gebracht. Ich erinnere an das Firmenticket mit Arbeitgeberanreiz. Zwischenzeitlich sind 80.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem Firmenticket in der Region unterwegs. Große Erfolge sind zudem das Seniorentickt, das Sozialticket, welches Sie ja beschlossen haben, das Ausbildungs-Abo sowie das zuletzt deutlich verbesserte 9 Uhr-Ticket, das wir auch in die Konditionen des Firmen-Abos übernommen haben. All diese Maßnahmen haben Wirkung gezeigt und sind unsere Wachstumsmotoren bei der positiven Entwicklung, die der Oberbürgermeister dargestellt hat.
Nun wollen wir noch einen weiteren Schritt machen, nämlich eine allgemeine Strukturreform des VVS-Tarifes. In seiner Struktur ist der Tarif seit 40 Jahren eigentlich unverändert. Der Gemeinderat hat mit seinem Beschluss, der sich im Doppelhaushalt 2018/2019 mit dem Ziel der Zusammenfassung der Zonen 10 und 20 manifestiert hat, den großen Anreiz gegeben, für eine allgemeine Tarifreform im gesamten VVS. Das war auch Intention des Antrags der drei Fraktionen, dass wir Kontakt aufnehmen mit unseren Partnern im Verbund und mit ihnen sprechen, wie wir das gesamte Tarifsystem vereinfachen können.
Wenn wir jetzt in Stuttgart eine Zone schaffen, dann schaffen wir damit auch ein Stück Normalität. In den großen Städten in Deutschland gibt es in aller Regel schon Einheitstarife, z. B. in Berlin, in den großen Städten des Ruhrgebietes, in Frankfurt. Auch die Stadt München hat einen Grundsatzbeschluss für einen Einheitstarif gefasst.
Wie sieht unsere Lösung aus? Wir haben den Tarifzonenplan deutlich aufgeräumt. Ganz Stuttgart ist eine Zone, und in den vier Verbund-Landkreisen sind es noch vier Außenringe. Die bisherigen 52 Zonen werden im Grunde durch 5 Ringzonen ersetzt. Bei den wenigen außerhalb gelegenen Zonen, die weit in den Landkreis Calw bis nach Altensteig reichen, müssen wir natürlich weiterhin mit Extrazonen arbeiten.
Was sind die Vorteile dieser Tarifzonenreform? Wie gesagt nur noch 5 Ringzonen, Stuttgart eine Einheitszone. Davon profitiert von den Gelegenheitskunden unmittelbar etwa die Hälfte aller Kunden, die mit den Einzeltickets, Vierertickets unterwegs sind. Etwa die Hälfte dieser Gruppe fährt über die Tarifzonengrenze in Stuttgart, die andere Hälfte fährt innerhalb einer Zone. 80 % der Zeitkartenkunden haben aber 2 Zonen. Diese profitieren unmittelbar, weil sie eben weniger bezahlen. Aber selbst die, die Zeitkarten für eine Zone haben, haben zwar hinterher den gleichen Preis, aber eine höhere Leistung; sie müssen, wenn sie mal in die andere Zone fahren, nicht mehr aufbezahlen. Sie haben sich im Grunde Freiheit für ganz Stuttgart eingekauft.
Mit der wichtigste Aspekt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Luftreinhaltung, ist, dass es für alle Einpendler nach Stuttgart günstiger wird. Diese sparen eine Zone, Größenordnung 20 bis 25 % des Fahrpreises. Damit haben wir einen ganz erheblichen Anreiz für Einpendler, in Zukunft nicht mehr mit dem Auto in den Talkessel zu fahren, sondern mit dem ÖPNV. Deswegen ist es für das Land auch so interessant. Wir haben ja 14 verschiedene Varianten untersucht, fünf letztlich sehr vertieft. Letztlich blieben noch zwei übrig, und in allen Gremien, ist eine klare Tendenz für die große Lösung, und auch eine Bereitschaft, diese entsprechend mitzufinanzieren, festzustellen.
Nicht vergessen werden darf, wir haben immer mehr Auspendler. Menschen die gerne in Stuttgart wohnen, die aber beispielsweise bei IBM in Gärtringen arbeiten. Auch für diese wird ein Anreiz geschaffen, den ÖPNV zu nutzen.
Zu den Preisbeispielen - Basis ist der Tarif 2018. Wir wollen keine Verlierer produzieren. Wer heute ein Einzelticket für 2,90 € kauft, der kann künftig eins für 2,50 € (Einsparung Größenordnung 14 %) erwerben. Bei den Zeitkarten ist es sogar eine Größenordnung über 20 %, 22 %.
Seitens des Herrn Oberbürgermeisters wurde zu den Kosten der Reform schon das Wesentliche gesagt. Wir bewegen uns zwischen 38 und 42 Mio. € jährlich. Wir müssen jetzt von diesem Betrag den Beitrag des Landes abziehen. Dieser muss noch im Detail ausgehandelt werden. Unsere Marschrichtung ist natürlich so viel wie möglich und so lange wie möglich. Der Restbetrag muss zwischen den VVS-Finanzierungspartnern aufgeteilt werden. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das gelingt.
Am 24.07.2018 tagt der VVS-Aufsichtsrat. Bis dahin wollen wir alle Gremienbeschlüsse zusammen haben. Bis dahin muss natürlich die Aufteilung der Kosten stehen. Oberbürgermeister Kuhn hat bezüglich der Umsetzung (als Größenordnung) den Termin 01.04.2019 genannt. Verkehrsminister Herrmann will es noch etwas früher. Da sind wir gerade dabei, dies mit den 40 Verkehrsunternehmen im VVS zu eruieren. Angesichts der Vielzahl an Umsetzungsmaßnahmen geht das aber leider nicht von heute auf morgen."
In der sich anschließenden Aussprache steht für alle Fraktionen die Notwendigkeit weiterer Investitionen in den ÖPNV außer Frage.
Im Namen der CDU-Gemeinderatsfraktion signalisiert StR
Sauer
(CDU) Zustimmung zu der Vorlage. Die nun angestrebte große Lösung bringe für jeden ÖPNV-Nutzer im VVS-Gebiet Vorteile. Mit einem deutlich übersichtlicheren Tarifzonenplan werde die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs attraktiver, einfacher und transparenter. Neben Stuttgart profitierten auch die Nachbarlandkreise. Der in den Haushaltsplanberatungen beschlossene Betrag von 9 Mio. € habe noch auf einem Mischpreis in Höhe von 2,70 € basiert. Dieser Preis könne nun deutlich unterschritten werden. Die Hälfte der Stuttgarter ÖPNV-Nutzer, diese nutzten ein 2-Zonen-Ticket für 2,90 €, sparten künftig pro Fahrt 40 Cent. Die Ersparnis bei einer Monatskarte belaufe sich auf knapp 22 % (derzeit 86,50 €, künftig 67,60 €). In der Summe sei das künftige Tarifmodell nicht nur ein historisch einmaliger Schritt im VVS-Verbund, 40 Jahre nach Einführung des Gemeinschaftstarifs im Jahr 1978, sondern auch ein spürbarer und wirksamer Beitrag zur Luftreinhaltung in der Landeshauptstadt sowie in Städten wie Ludwigsburg und Esslingen. Diese Städte seien ja ebenfalls mit Klagen der Deutschen Umwelthilfe aufgrund hoher Stickoxidbelastungen konfrontiert. Mit dem Geplanten lasse sich nach neuesten Berechnungen die Anzahl der Fahrten im ÖPNV-Verbund um knapp 9 Mio./Jahr steigern.
Das Beratungsthema stellt für StR
Stopper
(90/GRÜNE) "einen großen Wurf" dar. In Erinnerung ruft er, dass es sich beim derzeitigen Sachstand um einen Zwischenstand, der unter Gremien- und Finanzierungsvorbehalt steht, handelt. Zu diesem Zwischenstand könne dem Herrn Oberbürgermeister und den beiden VVS-Geschäftsführern gratuliert werden. Die Strategie des Push and Pull gehöre konsequent fortgesetzt. Trotz der steigenden Fahrgastzahl im VVS-Verbund sei es noch nicht gelungen, aus der Region und aus der Metropolregion große Umstiegsbewegungen vom Automobil auf den ÖPNV zu realisieren. Daher müssten Projekte wie Parkraummanagement weiterbearbeitet werden. Zudem seien die Projekte "Lebenswerte Innenstadt", "Busspuren" und "Mobilitätspass" voranzutreiben. Dies bedeute eine Priorisierung zugunsten des ÖPNV im Umverteilungskampf bei den Verkehrsflächen.
Von StR
Körner
(SPD) wird unterstrichen, nun ergebe sich eine Riesenchance für die Verkehrswende in Stuttgart und für eine gerechtere Finanzierung des Nahverkehrs. Dass es keine Verlierer geben werde, sei für die Akzeptanz der Reform wichtig. Ebenso bedeutsam sei, dass es keinen Mischpreis mehr geben werde. Als Wermutstropfen empfindet er den Wegfall des Umwelt-Tagestickets für 4,50 €. Natürlich müsse dies im Verhältnis zu dieser großen Tarifreform gesehen werden, aber diesen Wegfall könne er in der Sache nicht nachvollziehen. Schließlich gebe es in Stuttgart nicht nur in der Feinstaubperiode ein Luftreinhalteproblem. Das Stickoxidproblem bestehe ganzjährig. Bei diesem Umwelt-Tagesticket habe es sich um ein hoch erfolgreiches und sehr populäres Produkt gehandelt.
Zum ÖPNV-Ausbau hebt er auf die Stadt Wien sowie auf den neuen Bahnknoten S 21 ab. Weiter bezieht er sich auf die schon besprochenen Verbesserungen bei Bussen und der Stadtbahn. In diesem Zusammenhang kritisiert er mit Nachdruck, dass vom Land die Beschaffung von neuen Schienenfahrzeugen nicht finanziell unterstützt wird. Andere Bundesländer würden solche Förderungen vornehmen.
StR
Rockenbauch
(SÖS-LINKE-PluS) teilt mit, das heute Vorgestellte sei für die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS ein großer und guter Schritt.
Als zwingend notwendig erachtet StRin
von Stein
(FW) die geplante Tarifreform. Sie verspricht sich gerechtere Tarife. Die auftretenden Einnahmeausfälle müssten anderweitig finanziert werden. Ausbaubedarf gebe es bei den Park + Ride-Plätzen an der Stuttgarter Gemarkungsgrenze. Erst wenn solche Parkmöglichkeiten in ausreichendem Umfang bereitstünden, würden Autofahrer auf den ÖPNV umsteigen. Als weitere relevante Aspekte nennt sie die Zuverlässigkeit und die Bequemlichkeit von Bussen, Stadt- und S-Bahnen. Laufende Ausfälle im Bereich der S-Bahn könnten nicht länger toleriert werden.
Obwohl sich die FDP-Fraktion im Regionalparlament für eine noch umfassendere Tarifreform ausspricht, zeigt sich StR
Dr. Oechsner
(FDP) mit dem heute Vorgestellten zufrieden.
Zustimmend äußert sich ebenfalls StR
Klingler
(BZS23). Kritik übt er an der Zuverlässigkeit der S-Bahn sowie an Komfort und Bequemlichkeit des gesamten ÖPNV. Seiner Einschätzung nach müssen alle Verkehrssysteme ausgebaut werden. Vermieden gehörten Fahrverbote und City-Maut.
Davon, dass der entscheidende Impuls zu dieser großen Lösung durch das von der CDU-Gemeinderatsfraktion, der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion und der SPD-Gemeinderatsfraktion getragene Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung ausgegangen ist, geht StR
Sauer
aus. Nachdem sich StR
Körner
entsprechend geäußert hat, vertritt StR
Rockenbauch
die Meinung, dass erst bürgerschaftliches Engagement zu Druck via Gerichtsurteilen geführt hat. Dieser Druck münde nun in die heute präsentierte Entwicklung. Nach Wahrnehmung von StR
Klingler
haben insbesondere Initiativen von StR Körner zu Fortschritten beigetragen. Seitens des Oberbürgermeisters wird erklärt, eine Tarifreform in einen Mischverbund mit vielen Fahrzeugbetrieben, Landkreisen, dem Verband Region Stuttgart und der Landeshauptstadt sei stets ein Gemeinschaftswerk.
Zur Finanzierung des jährlichen Einnahmeverlustes von ca. 42 Mio. € ist für StR
Sauer
ein namhafter finanzieller Beitrag des Landes unabdingbar. Aufgrund der Zuständigkeit des Landes in Sachen Luftreinhaltung sieht er hier das Land auch in der Pflicht. Eine Finanzhilfe des Landes über zwei Jahre sei nicht ausreichend. Die CDU-Gemeinderatsfraktion stelle sich über fünf Jahre einen gleichhohen finanziellen Beitrag des Landes vor. Für ihn ergibt sich die Frage, weshalb das Land jährlich nicht 10 Mio. € bereitstellt. Bezug nimmt er dabei auf die Landesaufwendungen für das Umwelt-Tagesticket in Höhe von 5 Mio. € in der vergangenen 6-monatigen Feinstaubsaison. Zudem sei allerdings notwendig, und dies sei eine wichtige Botschaft an die Landkreise und die anderen Finanzierungspartner im VVS-Verbund, dass der Stuttgarter Gemeinderat seinen bereits beschlossenen Beitrag von 9 Mio. € erhöhe. Zunächst gelte jedoch für Stuttgart die Verkehrsumlage, mit der auch der VVS-Verbund finanziert werde. Als noch von 36 Mio. € Kosten für eine große Lösung ausgegangen worden sei, habe sich der Finanzierungsbeitrag der Landeshauptstadt auf 26 % (9 Mio. €) belaufen. Für StR
Stopper
(90/GRÜNE) muss die Landeshauptstadt einen angemessenen, fairen Finanzierungsanteil übernehmen. Es sei derzeit noch nicht der richtige Zeitpunkt, Summen zu nennen, da jede Summe, die nun die Stuttgarter Seite nenne, als bereits gesetzt angesehen werde. Erforderlich sei eine finanziell nachhaltige Lösung. Sollte sich in Zukunft die derzeitig gute Einnahmesituation der Landeshauptstadt und der Landkreise verändern, dürfe die große Tarifreform nicht in Gefahr geraten. Ohne Landesbeteiligung lasse sich diese große Reform nicht auf den Weg bringen. Die Unterstützung des Landes gehe auf die Zuständigkeit des Landes in Sachen Luftreinhaltung zurück.
Er, so StR
Körner
, könne mit der Kritik leben, dass er die Meinung vertrete, die Stadt sollte bis zu 15 Mio. €/Jahr für die große Tarifreform aufwenden. Die SPD-Gemeinderatsfraktion fordere seit zwei Jahren, den Nahverkehr gerechter zu finanzieren. Fahrpreiserhöhungen habe man abgelehnt und es sei darauf hingewiesen worden, dass die Fahrgäste einen immer höheren Beitrag zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs leisteten (mittlerweile über 60 %). Insbesondere mit Abonnenten sei in den letzten Jahren beim Thema Feinstaubalarm ungerecht umgegangen worden, da diese nicht an der finanziellen Leistung für das Feinstaubticket/für das Umwelt-Tagesticket partizipiert haben. Nun bestehe die Chance beim Jobticket im 9 Uhr-Umweltbereich auf das Niveau von 365 € für ein Jahresticket zu kommen. Die Bereitschaft des Landes, sich offensichtlich mit einem namhaften finanziellen Beitrag zu engagieren, lobt StR Körner. Andererseits sei dies "nur recht und billig", da die Landesregierung nun mal für den Luftreinhalteplan in Stuttgart zuständig sei. Seines Erachtens sollte das Land 10 Mio. €/Jahr für die große Tarifreform bezahlen, und zwar so lange, bis es gelungen ist, die Stickoxidgrenzwerte zu unterschreiten. Vom Grundsatz her sollte diese Regelung auch für die anderen Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg gelten, schließlich gebe es nicht nur in Stuttgart ein Luftreinhalteproblem. Der Oberbürgermeister habe dieser Tage in einem Interview völlig zu Recht die Aussage getätigt, dass er hier auch mehr Engagement seitens des Bundes erwarte. Mit der nun vorgesehenen Finanzierung des Nahverkehrs erfolge ein wichtiger Schritt in die Richtung, dass die Fahrgäste 50 % und die öffentliche Hand ebenfalls 50 % der finanziellen Belastungen übernehmen. Die SPD-Gemeinderatsfraktion sei bereit, perspektivisch über innovative Finanzierungsinstrumente nachzudenken. Präferiert würden eher Modelle wie in der Stadt Wien, nämlich, dass Unternehmen für ihre Mitarbeiter/-innen Beiträge für ein verpflichtendes Jobticket übernehmen. Dabei könne durchaus über Staffelungen für kleinere Unternehmen nachgedacht werden. Dies wäre ein nächster Schritt hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren Finanzierung des Nahverkehrs.
Laut StR
Rockenbauch
folgt die große Lösung dem Motto "freie Fahrt für freie Bürger". Gewollt werde 1 Zone im VVS, und dass in dieser Zone die ÖPNV-Nutzer nichts mehr bezahlten, sondern eine Finanzierung aus einer Luftreinhalteabgabe und einer solidarischen Nahverkehrsabgabe erfolge, die Wirtschaft, Touristen und Arbeitgeber leisteten. Bei einem solchen Finanzierungsmodell sei ihm wichtig, dass ein Beitrag des Landes im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung und Beiträge von Autofahrern, z. B. in Verbindung mit der Idee eines Mobilitätspasses, für einen ÖPNV-Ausbau herangezogen werden. Das Geld des Landes werde ja nicht dauerhaft fließen. So könne ein Nulltarif ermöglicht und ein langfristiger Ausbau sichergestellt werden. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS wolle den Oberbürgermeister beauftragen, seitens der Landeshauptstadt die Finanzmittel bereitzustellen, die erforderlich seien. Seines Erachtens nach könnte sofort ein 365 €-Jahresticket im Bereich des 9 Uhr-Tickets eingeführt werden. Angesichts der Bedeutung des ÖPNV für Ökologie und Lebensqualität in der Stadt ist für ihn bei der Bewertung der ÖPNV-Finanzierung primär keine marktwirtschaftliche Einschätzung, sondern die Daseinsvorsorge von Bedeutung.
Der derzeit 60 %ige Finanzierungsanteil der ÖPNV-Nutzer ist für StR
Dr. Oechsner
(FDP) zu hoch. Abhebend auf die nachhaltige Finanzierung von Bundesstraßen, Autobahnen und Landstraßen stellt sich für ihn die Frage, weshalb es für den ÖPNV keine nachhaltige Finanzierung gibt. Im Verlauf der Aussprache betont StR
Klingler
, für ihn sei unabdingbar, dass sich die Verbundgemeinden in der Region an dieser Reform beteiligten. Schließlich sei die ÖPNV-Anbindung ein wichtiger Standortfaktor.
Seitens des
Oberbürgermeisters
erfolgt der Hinweis, dass eine 60 %ige Nutzerfinanzierung nur dann zutrifft, wenn Sonderzahlungen aus öffentlichen Haushalten (z. B. Jobticket, Sozialticket, GVG-Zuschüsse etc.) nicht berücksichtigt werden. Generell treffe es allerdings zu, dass in den letzten Jahren die Nutzerfinanzierung angestiegen sei. Durch das Stuttgarter Jobticket und das Stuttgarter Sozialticket stelle sich dies in der Landeshauptstadt allerdings etwas anders dar.
Gegenüber StR
Sauer
merkt er an, die große Mehrheit im VVS wolle keine Finanzierung über die Regionalumlage, sondern über bestehende Strukturen. Hierzu sei auch noch die eine oder andere Rechtsfrage zu klären. Bedeutsam sei die Frage, wie künftige Veränderungen der Tarifstruktur finanziert würden und wer dazu die Entscheidungen treffe. Hierzu existierten gültige Verträge mit dem VVS. Erfreut zeigt er sich darüber, dass Einvernehmen über den Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur herrscht.
Gesprächsbedarf besteht für StR Sauer zu der Frage, ob vor der Tarifreform und danach Fahrpreissteigerungen erfolgen sollen. Seine Fraktion habe sich hier noch nicht festgelegt. Einiges spreche dafür, für das Jahr 2019 auf eine Fahrpreiserhöhung zu verzichten, und diesbezüglich erst nach der Tarifreform tätig zu werden. Für die SPD-Gemeinderatsfraktion spricht sich StR
Körner
dafür aus, in den Jahren 2019 und 2020 auf Tariferhöhungen zu verzichten. Angesichts der auch im letzten Jahr wiederum übertroffenen Erwartungen beim Fahrgastzuwachs müssten dies die Verkehrsunternehmen finanzieren können. Dieser Beitrag werde seitens der SPD-Gemeinderatsfraktion von den Verkehrsunternehmen erwartet.
Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben schließt OB
Kuhn
diesen Tagesordnungspunkt ab.
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