Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 04.05.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Maier
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Eisenbraun (Polizeipräsidium Stuttgart)
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: "Waffenverbotszone für Stuttgart als ein Baustein für mehr Sicherheit"
- Antrag Nr. 106/2022 vom 01.04.2022 (CDU)

Der im Betreff genannte Antrag und die dazu ergangene Zwischennachricht des Herrn Oberbürgermeisters vom 19.04.2022 sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Dieser Antrag wird durch StR Dr. Reiners (CDU) erläutert.

Danach informiert BM Dr. Maier, mittlerweile würden folgende drei Anträge vorliegen, die sich im weitesten Sinne mit dem Beratungsthema befassten:
- Antrag Nr. 106/2022 (siehe Betreff)
- Antrag Nr. 112/2022 "Sachstandsbericht zur Problematik Gewaltdelikte mit Messern" vom 05.04.2022 (90/GRÜNE - Behandlung in der JHA-Sitzung am 09.05.2022 unter Beteiligung der Mobilen Jugendarbeit)
- Antrag Nr. 145/2022 "Eine sichere Innenstadt ohne Videoüberwachung und ohne pauschale Verbote, Änderungsantrag zu GRDrs 224/ 2022" vom 02.05.2022 (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei).

Er schlägt vor, den letztgenannten Antrag heute noch nicht aufzurufen. Sollte ein Aufruf jedoch einvernehmlich gewünscht werden, könnte die Verwaltung kurzfristig einige Auskünfte geben.


Zudem merkt der Ordnungsbürgermeister an, da die rechtliche Einschätzung seitens des Landes zu einer Waffenverbotszone noch ausstehe, könne die Verwaltung heute im Detail noch nicht darlegen, welche Voraussetzungen notwendig sein werden, um eine Waffenverbotszone einzuweisen. Vermutet werde ein relativ niedrigschwelliger Ansatz, sodass der Bereich des City-Rings sowie der Stadtgarten zu einer solchen Zone erklärt werden könnten. Die Festlegung einer Waffenverbotszone habe vermutlich der Gemeinderat zu beschließen, da wohl eine Rechtsverordnung erlassen werden müsse. Hierzu lege die Verwaltung eine Vorlage vor, sobald Klarheit über die rechtlichen Grundlagen bestehe.

Die Verwaltung erachte eine Waffenverbotszone als gutes Instrument, um einen sicheren Aufenthalt in der Innenstadt zu ermöglichen. Seiner Überzeugung nach ist es nicht notwendig, ein Messer mit 10 cm Klinge mitzuführen, um einen schönen Abend in der Stadt Stuttgart zu verbringen. Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) sei sicher genug, dass man sich nicht selbst verteidigen müsse. Dafür sorge die Polizei. Eine solche Zone werde dazu beitragen, dass sich keine Waffen und keine gefährlichen Gegenstände im Umlauf befinden.

Die Einschätzungen des Stellvertretenden Polizeipräsidenten Herrn Eisenbraun sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

Herr Eisenbraun:
"In der letzten Verwaltungsausschusssitzung (VA 06.04.2022, NNr. 116) kam etwas das Credo auf "Warum überhaupt eine Waffenverbotszone, nachdem die Kriminalstatistik einen positiven Trend aufzeigt". In der Kriminalstatistik taucht immer wieder Stuttgart-Mitte auf. Wir haben 152 Stadtteile und 23 Stadtbezirke. Von den 10 Stadtteilen des Stadtbezirks Mitte wollen wir zum Thema Waffenverbotszone den City-Ring, also nur 4 Stadtteile (Rathaus, Neue Vorstadt, Bahnhof und Oberer Schlossgarten), etwas genauer betrachten. Natürlich könnte ich argumentieren, in der Stadt ist an sich von den Straftaten her im letzten Jahr ein deutlicher Rückgang festzustellen. Das ist auch im Bereich Stuttgart-Mitte der Fall. Das ist allerdings nicht der Wahrheit letzter Schluss.

Da die Kriminalstatistik einige Nachteile hat, wurde von uns ein aktuelles Lagebild ausgewertet. Bei der Kriminalstatistik handelt es sich um eine sogenannte Ausgangsstatistik. Dort werden nur Straftaten erfasst, die quasi ausermittelt sind und der Staatsanwaltschaft vorliegen. Das heißt, die zwischenliegenden Ermittlungszeiten sind quasi ein gewisser Nachzug. Die aktuelle Lage gibt also die Kriminalstatistik nur mit einem gewissen zeitlichen Verzug wieder. Deswegen haben wir darüber hinaus bei der Polizei noch ein sogenanntes Lagebild. Auf dessen Basis haben wir uns die Situation zum Thema Messer genauer angeschaut. Demnach hatten wir im Stadtgebiet Stuttgart ca. 42.000 Straftaten von März 2021 bis März 2022 zu verzeichnen; der Zeitraum deckt sich nicht mit dem der Kriminalstatistik. Davon sind im Gesamt-Stadtgebiet 1.048 Delikte im Zusammenhang mit Messern geschehen. Und wenn ich das dann etwas fokussiere, dann habe ich im Bereich des City-Rings insgesamt knapp 25 % aller Straftaten, die mit Messern geschehen sind. Bezogen auf den Flächen-/Bevölkerungsanteil ist das ein deutlich erhöhtes Anzeichen.

Genauer betrachtet werden zudem Rohheits-, Sexualdelikte und Straftaten gegen das Leben. Diese drei Deliktsgruppen nehmen wir in den Fokus, da sich diese gegen die körperliche Unversehrtheit richten. Diese haben eine besondere Auswirkung auf das Sicherheitsgefühl der ganzen Stadtbevölkerung. Dazu möchte ich Ihnen ein kleines Beispiel geben. Wenn ich in den vergangenen sechs Monaten 9 versuchte Tötungsdelikte zu verzeichnen habe, die mit Messer begangen worden sind, und davon mittlerweile 5 innerhalb dieses City-Rings passieren, dann zeigt sich wieder eine gewisse Massierung. Drei davon waren im Stadtgarten, und die anderen waren dann in den weiteren Bereichen. Das heißt, wenn ich den City-Ring und den Stadtgarten nehme, das wären nämlich die Bereiche, die wir uns als Waffenverbotszone vorstellen würden, dann habe ich dort insgesamt im letzten halben Jahr ca. 30 % aller Messerdelikte.

Mir geht es darum, Ihnen unseren Eindruck, den wir bei Kontrollmaßnahmen in der Innenstadt haben im Rahmen der Sicherheitskonzeption Stuttgart, mit Zahlen zu hinterlegen, damit Sie sich nicht nur auf eine Gefühlsaussage von Einsatzkräften oder von der Polizei verlassen müssen. Wir stellen bei unseren Kontrollmaßnahmen vermehrt fest, dass junge Menschen, überwiegend Männer, Messer mitführen. Auf das Thema angesprochen, warum sie diese mitführen, wird gesagt "ich muss mich schützen". Also ich sehe dieses Schutzbedürfnis so eigentlich nicht. Man muss eher dazusagen, wenn ich ein Messer zu meinem Schutz mitführe, dann gehe ich von einer gewissen Tendenz aus, dieses auch unter Umständen, wenn ich mich angegriffen fühle, objektiv oder subjektiv, dann auch einzusetzen. Das nimmt immer mehr zu. Und dem würden wir Einhalt gebieten.

Dann war die These, wenn eine Waffenverbotszone eingerichtet wird, würde die Polizei anlasslos alle jungen Menschen kontrollieren. Dem möchte ich eindeutig widersprechen. Zum einen bietet eine Waffenverbotszone von Grund weg noch gar keine Rechtsgrundlage für eine Personenkontrolle oder gar für eine Durchsuchung einer Person. Dafür sind andere Rechtsgrundlagen erforderlich, die im Übrigen schon seit Längerem für diesen City-Ring bestehen, nämlich der sogenannte temporär gefährliche Ort nach § 27 Polizeigesetz, der davon ausgeht, wenn eine erhöhte Kriminalitätsbelastung vorliegt in einem Bereich, und das definieren wir auch immer wieder anhand gerichtlicher Entscheidungen bzw. überprüfen das immer wieder regelmäßig (auch jährlich), ob dies der Fall ist, dann kann ich diese anlasslosen Kontrollen durchführen. Wir hätten somit rein theoretisch diese Möglichkeiten schon seit Langem, diese Kontrollen durchzuführen. Es geht uns mit der Waffenverbotszone eher darum, wenn ich Kontrollen durchführe, die wir bisher ja schon machen, aber nicht ich sag mal mit dem Fischernetz, dass wir dann die Waffen aus dem Spielfeld nehmen können. Damit diese gefährlichen Situationen bei entsprechenden Ansammlungen, bei entsprechenden Auseinandersetzungen nicht dazukommen, weil wir es als eine Gefahrenerhöhung ansetzen. Das ist für die Polizei der eigentliche Knackpunkt einer Waffenverbotszone. Eine solche Zone wäre ein ergänzendes Mittel zu den bereits bestehenden rechtlichen Möglichkeiten.

Ich habe diese Woche noch mal mit dem Revierleiter des Innenstadtreviers über das Thema Waffenverbotszone gesprochen. Auch da kam noch mal die klare Botschaft rüber, dass wir durch die Ausweisung einer solchen Zone nicht in einen erhöhten Kontrolldruck für junge Menschen kommen. Das ist überhaupt nicht unser Ansinnen. Sondern wenn wir Kontrollen durchführen und Waffen feststellen würden, wenn eine Waffenverbotszone bestünde, dann geht es darum, diese Waffen wie gesagt aus dem Spiel zu nehmen. Aber nicht einen Kontrolldruck zu erhöhen. Im Gegenteil. Weil wir ja auch wissen um die Diskussionen, warum finden polizeiliche Kontrollen statt, warum finden sie nicht statt? Wir haben es ja an anderer Stelle immer wieder betont, wir setzen insbesondere unsere Kommunikationsteams ein, um Maßnahmen auch zu erklären, um für Verständnis auch für polizeiliche Maßnahmen "zu werben". Unsere polizeilichen Einsatzkräfte, die in der Innenstadt sich bewegen, sind sich sehr wohl bewusst, dass wir hier immer wieder differenzieren müssen zwischen den Personen, die sich hier in der Innenstadt befinden, den jungen Menschen. Wir haben einen überwiegenden Teil an Vergnügungsuchenden, die in die Stadt kommen. Über deren Verhalten kann man sich sicherlich unterhalten, aber diese begingen per se keine Straftaten/Ordnungswidrig-keiten oder sonst irgendwas die Ordnung Störendes. Das ist der überwiegende Teil. Wir haben aber, und das gehört zur Wahrheit dazu, einen erklecklichen Anteil an Personen, die teilweise in die Stadt kommen von außerhalb und die Auseinandersetzung suchen. Nicht nur die Auseinandersetzung mit der Polizei, auch untereinander, wo das Thema Alkohol mit eine Rolle spielt.

Wenn ich die Messerdelikte anschaue, die ich Ihnen vorher in der Zahl genannt habe, dann entfallen bei den Tatverdächtigen von 14 bis 24, also diese 10-Jahres-Kohorte, die insbesondere in der Stuttgarter Innenstadt in den Freitag- und Samstag-Nächten eine Rolle spielt, 40 % dieser Messerdelikte auf diese Zielgruppe. Das finde ich einen durchaus erklecklichen Anteil. Das zeigt, dass dieses Thema Messer mitführen, unter Umständen auch Messer einsetzen nicht von der Hand zu weisen ist.

Ich möchte weiter ergänzen, wie dargestellt haben wir die Örtlichkeit für eine Waffenverbotszone eingegrenzt. Das Gleiche würde ich gerne zeitlich machen. Eine Waffenverbotszone soll eben nicht gelten, wenn Samstagmorgen der Wochenmarkt auf dem Schillerplatz ist oder auf dem Marktplatz, sondern sie soll wie andere Maßnahmen auch in den Freitag- und Samstag-Nächten zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr als ergänzende Maßnahme gelten. Hier gilt der temporär gefährliche Ort, den ich vorhin beschrieben habe.

Dazu weitere Zahlen. Mehr als 70 % der Kriminalität dieser drei Deliktsgruppen, die ich vorhin angesprochen habe - Rohheitsdelikte, Straftaten gegen das Leben und Sexualdelikte - geschieht ungefähr in dieser Zeit. Versucht wird seitens der Polizei, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einfach die Lupe zeitlich wie örtlich genau darauf zu fokussieren, wann eine Notwendigkeit für eine Waffenverbotszone besteht.

Zum Thema feststellbare oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge von mehr als 4 cm gibt es Festsetzungen im Waffengesetz. Ein sogenanntes kleines Schweizer Taschenmesser, das ich aufklappen und ganz einfach wieder zuklappen kann, ohne feststehende Arretierung, wäre von einer Waffenverbotszone eben nicht subsummiert. Es geht um andere Messer."

BM Dr. Maier bedankt sich für diesen Bericht. Seines Erachtens muss im Detail darüber gesprochen werden, ob es kommunikativ Sinn macht, zeitlich zwischen Freitagabend und Freitagvormittag zu differenzieren. Angestrebt gehöre, die betroffene Zielgruppe über das Geplante zu informieren, um vielleicht die eine oder andere Kontrolle überflüssig zu machen. Dieses und weitere Themen wolle die Verwaltung aufarbeiten. Das Ergebnis werde dem Rat bei dessen weiterer Befassung vorlegt und begründet.

Um ein gut abgestimmtes Vorgehen sicherzustellen, habe ihre Fraktion, so StRin Rühle (90/GRÜNE), eine Beratung im Jugendhilfeausschuss (JHA) beantragt. Die Sorge, dass zusätzliche anlasslose Kontrollen zu größeren Problemen führen, als mit einer Waffenverbotszone gelöst werden könnten, sei berechtigt.

Für StR Kotz (CDU), der die Unaufgeregtheit des Berichts von Herrn Eisenbraun lobt, gibt es nicht "die" Lösung, um die beschriebene Situation vollständig und nachhaltig zu lösen. Für ihn gibt es keinen Grund, solche Messer im Alltag mitzuführen. Von daher wäre für ihn eine Waffenverbotszone in jeder Stadt die richtige Antwort auf die Entwicklung. Seine Fraktion gebe das politische Signal, dass solche Waffen im gesamten Stadtgebiet unerwünscht seien. Solche Waffen könnten nicht Teil des Zusammenlebens sein. Dieses gehöre auf dem Weg zu einer Beschlussfassung im Gemeinderat diskutiert.

Die Ratsmitglieder StR Perc (SPD), StRin Schumann (PULS) und StR Ebel (AfD) bedanken sich ebenfalls für den Bericht des Polizeivizepräsidenten.

Die Aussage, dass Messer in der Stadt nichts zu suchen haben, ist für StR Perc nachvollziehbar. Die Mitnahme solcher Messer setze die potenzielle Gewaltspirale in Gang.

Durch StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) wird betont, Messer und andere Waffen seien nie die Lösung von zwischenmenschlichen Konflikten. Über diese Aussage hinaus gehe die Einführung eines neuen ordnungspolitischen Rahmens für die Innenstadt, dessen Ergebnis sein solle, Messer einzuziehen. Der in Rede stehende neue ordnungspolitische Rahmen werde neue Anlässe für polizeiliches Eingreifen und Handeln schaffen. Eine Abwägungsdiskussion darüber solle ja im JHA stattfinden. Daher sei heute auch keine Abstimmung über den Antrag Nr. 145/2022 seiner Fraktionsgemeinschaft notwendig. Dieser beschreibe viele alternative und präventive Maßnahmen, die als zielführender angesehen würden, damit die schon jetzt sehr sichere Innenstadt nicht nur in punkto Messerdelikte, sondern insgesamt vielleicht noch sicherer gemacht werden könne. Eine Waffenverbotszone würde sich negativ auf eine belebte Innenstadt auswirken. Die dargestellte Häufung von Messerdelikten müsse dahingehend überprüft werden, ob es sich um einen momentanen Effekt handle. Zudem müsse abgewartet werden, ob nicht eine Durchmischung der vielen guten Präventionskonzepte positive Auswirkungen habe.

StRin Yüksel (FDP) berichtet, ihre Fraktion habe bekanntermaßen Probleme mit den avisierten ordnungsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere mit der Messerverbotszone. Angesichts der objektiven Zahlen des baden-württembergischen Innenministeriums von Anfang März 2022 werde eine Messerverbotszone für völlig unverhältnismäßig angesehen. Aus dem Bericht, und dies habe sie auch selbst nachgelesen, gehe hervor, dass es bei sogenannten Hotspots schon heute für die Polizei möglich sei, verdachtsunabhängig zu kontrollieren und verbotene Waffen einzuziehen. Dieses werde teilweise ja auch gemacht. Um nicht verbotene Waffen, deren Mitführung nach Bundesrecht erlaubt sei, abnehmen zu können, müsse das Bundesgesetz geändert werden. Objektiv werde eine Waffenverbotszone nicht benötigt. Bezweifelt wird von ihr, dass Hinweisschilder mit der Aufschrift "Hier betreten Sie die Waffenverbotszone" zu einem erhöhten subjektiven Sicherheitsempfinden führen. Dazu könnten die bereits auf den Weg gebrachten ordnungspolitischen Maßnahmen beitragen.

Ziel der ins Auge gefassten Aktivitäten sollte nach Auffassung von StRin von Stein (FW) sein, dass sich alle Altersgruppen der Bevölkerung gerne auch freitags und samstags in der Stadt aufhalten und sich dabei subjektiv sicher fühlen. Viele aus ihrem Bekanntenkreis fühlten sich allerdings unsicher, wenn sie sich in der Innenstadt aufhalten. Ähnliche Aussagen erreichten sie von jungen Frauen. Wenn sich ein dauerhaftes Entziehen von Waffen nur durch eine Waffenverbotszone ermöglichen lasse, könne sie der Ausweisung einer solchen Zone vieles abgewinnen. Zunächst müsse aber deren Definition abgewartet werden. So sollte bei der Definition das subjektive Sicherheitsempfinden von ÖPNV-Nutzerinnen/-nutzern berücksichtigt werden, die im Oberen Schlossgarten und insbesondere am Hauptbahnhof in großer Zahl in Erscheinung treten.

Mit einer Ausnahme ergibt sich für StR Ebel Einigkeit darüber, dass es für Stuttgart nützlich, richtig und gut wäre, wenn feststehende Messer mit einer Klingenlänge von mehr als 4 cm verboten werden. Da viele Alltagsgegenstände und auch Körperteile als Waffen genutzt werden könnten, werde es nie eine waffenlose Zone geben, sondern eine Messerverbotszone. Wenn es gelinge, das Mitführen feststehender Messer einzuschränken, ergäbe sich zumindest graduell eine erhöhte Sicherheit. Das von der Polizei Skizzierte wäre ein erster Schritt zu mehr Sicherheit, und zwar in einem Gebiet, welches es nötig habe.

Momentan, so BM Dr. Maier, werde davon ausgegangen, dass die Rechtsverordnung eine Zonenausweisung an sehr belebten Orten und an Orten mit einem erhöhten Gefahrenbild ermögliche. Die Frage von StRin Yüksel nach der Verhältnismäßigkeit müsse bis zur Vorlage der Gesetzesgrundlage zurückgestellt werden. Ziel einer Zonenausweisung ist für den Bürgermeister nicht, Messer zu entziehen, sondern deren Mitführen zu vermeiden (präventive und keine repressive Wirkung).

In den Sitzungen des Bezirksbeirats Mitte hat die Polizei in der Vergangenheit, so StR Perc, immer wieder berichtet, dass es zu keiner signifikanten Erhöhung der Straftaten gekommen sei. Er fragt, ob es Zahlen gibt zu der Entwicklung von Straftaten.

Laut StRin Yüksel beziehen sich die Zahlen des baden-württembergischen Innenministeriums, die nach Messerdelikten etc. aufgeschlüsselt sind, auf die angeführten Stadtteile (Neue Vorstadt, Oper, Schlossgarten, Rathaus, Hauptbahnhof). Heute seien von der Polizei zu den letzten 6 Monaten allerdings andere Zahlen genannt worden. Nach den Ministeriumszahlen gebe es mit 50 Messerdelikten ein Fünf-Jahres-Tief und insgesamt für die Stadt, auch für den City-Ring, eine positive Entwicklung. Demgegenüber habe Herr Eisenbraun von 250 Delikten gesprochen. Diese Diskrepanz könne sie nicht nachvollziehen. Des Weiteren bittet sie darzustellen, ob in den Messerdeliktszahlen, sowohl von Herrn Eisenbraun als auch vom Innenministerium, Geschehnisse des öffentlichen Raums sowie des Bereichs häusliche Gewalt abgebildet sind.

Um Auskunft darüber, weshalb verschiedene Deliktsarten herangezogen werden, um eine Waffenverbotszone zu begründen, und wie viele der 30 % an Delikten, die im City-Ring stattfinden, in Verbindung mit Messern stehen, bittet StRin Schumann. Sie trage die Einschätzung von StRin Yüksel, bezogen auf das Fünf-Jahres-Tief bei Messerdelikten, mit.

Die StRe Kotz und Perc sowie die StRinnen Yüksel und Schumann bitten darum, die von Herrn Eisenbraun genannten Zahlen schriftlich übermittelt zu bekommen. Dabei sollte nach Meinung von StRin Yüksel auch auf die März-Zahlen des Innenministeriums sowie auf die Erfahrungen anderer Städte mit Waffenverbotszonen eingegangen werden. Zu den gewünschten Zahlen etc. schlägt der Vorsitzende vor, diese dann mit einer Vorlage vorzulegen, wenn die Thematik erneut auf die Tagesordnung gesetzt wird. Zur Entwicklung der Messerdelikte vertritt er die Auffassung, selbst eine etwas rückläufige Tendenz sei noch nicht ausreichend, um nicht zu handeln. Da es bislang nicht möglich gewesen sei, eine Messerverbotszone auszusprechen, habe man entsprechend auch nicht tätig werden können. Wenn eventuell in Kürze diese Möglichkeit bestehe, sollte dieses Instrument, um zu einer besseren Sicherheitslage zu kommen, genutzt werden.

Auch von Herrn Eisenbraun wird zugesagt, die nachgefragten Zahlen zu liefern. Dabei werde dann aufgezeigt, dass es keinen Widerspruch zu den Zahlen des Innenministeriums gebe. Entscheidend sei der Fokus und was betrachtet werde. Die von ihm angeführten Zahlen hätten sich auf Messerdelikte der letzten 6 Monate bezogen.

Zu den Erfahrungen in anderen Städten informiert Herr Eisenbraun, das Polizeipräsidium nehme an einer sogenannten Vergleichsringsitzung teil. Dort seien auch Städte vertreten, die bereits Waffenverbotszonen eingeführt hätten. Zu den dort gesammelten Erfahrungen gebe es noch keine Zahlen, da Waffenverbotszonen erst seit dem letzten Jahr möglich seien. Beispielsweise habe es in Nordrhein-Westfalen (NRW) ab Dezember 2021 erste Umsetzungen gegeben. Mündlich werde jedoch von positiven Präventions- und Abschreckungswirkungen berichtet.

StR Perc kann nicht nachvollziehen, weshalb eine Waffenverbotszone möglicherweise nur freitags und samstags gelten sol. Messer würden nicht nur an Freitagen und Samstagen nicht benötigt. Nach Auskunft der Mobilen Jugendarbeit, und dies nehme seine Fraktion sehr ernst, könne die Wahrnehmung von Ungleichbehandlung problematisch sein. Beispielhaft führt er dazu aus, dass unter der Woche Wochenmarktbesucher, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, Messer mit sich führen könnten. Wenn sich dann aber am Wochenende die Jugend in der Stadt treffe, gelte dies nicht mehr. Seine Fraktion befürworte die Ausweisung einer Waffenverbotszone. Diese sollte dann aber nicht nur an Freitagen und Samstagen, sondern konsequent im beschriebenen abgegrenzten Bereich gelten. Es dürfe nicht zwischen Opernbesuchern und Clubbesuchern unterschieden werden. Von StRin Schumann wird bestätigt, dass bei jungen Menschen das Ungleichbehandlungsgefühl ein großes Thema ist. Prävention erachtet sie als bedeutsamer als eine Zonenausweisung. Erst wenn es keine andere Möglichkeit gebe, sollte aus pädagogischer Sicht ein Verbot ausgesprochen werden. Laut BM Dr. Maier befindet sich die Verwaltung zu einer zeitlich beschränkten Gültigkeit einer Waffenverbotszone sowie zu der befürchteten Ungleichbehandlung junger Menschen noch in einer Überlegungsphase.

Außer Frage steht für Herrn Eisenbraun, dass eine zeitlich beschränkte Anwendung einer Waffenverbotszone kommuniziert werden muss. Natürlich könne das Mitführen von Messern tagsüber erlaubt werden. Dies wäre dann eine Ungleichbehandlung zur Nachtzeit. Andererseits könne aber argumentiert werden, dass nachts die Notwendigkeit bestehe, das Mitführen zu untersagen. Gewollt werde seitens der Polizei kein höherer Kontrolldruck. Man wolle die Thematik mit den jungen Menschen kommunizieren und um Verständnis werben.

Die StRinnen Rühle und Schumann fragen nach, welche Waffen kann die Polizei schon heute konfiszieren und welche werden "neu" hinzukommen. Konkret fragt StRin Schumann, ob unter ein Verbot auch Opinel-Messer fallen. Diese wiesen eine Arretierung auf. Zudem betont sie, neben vielen schlechten gebe es durchaus auch gute Gründe, ein solches Messer mit in die Innenstadt zu nehmen (z. B. Obst schneiden bei einem Picknick). Sie wolle nicht allen Personen, die ein solches Messer mitführen, unterstellen, dass diese planen, jemanden anzugreifen. Im selben Zusammenhang thematisiert StRin von Stein japanische Kochmesser. Hierzu stellt sie die Frage, ob es innerhalb einer Waffenverbotszone Differenzierungsmöglichkeiten gibt. Für StR Ebel stellen Opinel-Messer Waffen dar. Dass es Menschen gibt, die Opinel-Messer zu Angriffen nutzen, gibt der Vorsitzende zu bedenken. Wie z. B. mit einem neu gekauften Brotmesser oder mit japanischen Messern, die zum Kochen mitgeführt werden, umgegangen werde, müsse noch genau in den Blick genommen werden. Die Polizei soll schon noch Spielräume bei Beschlagnahmemaßnahmen haben. Grundsätzlich wäre es jedoch so, wenn eine Person in einer Waffenverbotszone mit einem dort verbotenen Messer angetroffen werde, werde dieses Messer zum Tatgegenstand, und damit sei eine Einziehung möglich.

Nach Aussage von Herrn Eisenbraun sind selbstarretierende Springmesser und Messer mit doppelseitig geschliffenen Klingen, die nicht für den Hausgebrauch geeignet sind, schon heute verboten. Zu japanischen Messern gebe es in den Rechtsverordnungen in NRW, Berlin und Sachsen Ausnahmeregelungen. Üblicherweise würden sich neu erworbene Küchenmesser noch in einer Verpackung befinden, und wenn kein "offener Transport" stattfinde, sondern solche Messer in einem Behältnis, welches einen sofortigen Zugriff nicht zulasse, mitgeführt würden, seien diese ausgenommen. Ausgenommen seien zudem Einwohner*innen mit Wohnsitz in der Zone. Es gebe also durchaus Möglichkeiten, Ausnahmen zu definieren. Dass allerdings Obstschneiden im Rahmen eines Picknicks als Ausnahme gelte, sei ihm bislang nicht bekannt.

Von StRin Rühle wird die Bedeutung hervorgehoben, dass sich im Vorfeld einer Zonenausweisung alle Akteure abstimmen. Besonders erwähnt sie dabei die Mobile Jugendarbeit. Dem schließt sich StR Kotz an, indem er die Bedeutung präventiver Ansätze unterstreicht. Allerdings könne die Stadt die von außerhalb Kommenden mit ihren Präventionsmöglichkeiten nur sehr eingeschränkt erreichen. Angesichts der Mobilität der Jugend gehöre der kommunal übergreifende Ansatz in der Jugendarbeit verstärkt. Seine Fraktion habe dies bereits mit einer Anfrage thematisiert. Er fragt, ob es entsprechende erste Ansätze diesbezüglich bereits gibt. Hier erinnert BM Dr. Maier daran, bei der Vorstellung des Konzepts für eine sichere Innenstadt habe er mehrfach betont, dass Prävention stets das bevorzugte Mittel sei. Prävention sei der bessere Weg, um nachhaltig und langfristig Verbesserungen zu erreichen. Es sollte aber das eine getan werden, ohne das andere (ordnungsrechtliche Maßnahmen) zu lassen. Mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen könnten kurzfristig an Brennpunkten Verbesserungen erzielt werden. Zu einer überregionalen Zusammenarbeit der Mobilen Jugendarbeit trägt er weiter vor, diesen Aspekt werde er an die Mobile Jugendarbeit weiterleiten, damit diese darauf in der kommenden JHA-Sitzung eingehen könne.

Eine Waffenverbotszone ist für Herrn Eisenbraun "ein Teil eines Besteckkastens". Die Polizei begrüße präventive Ansätze und stelle durchaus positive Effekte der Präventionsarbeit fest (z. B. Bespielen des Kleinen Schlossplatzes). Gehofft werde auf eine Verstetigung der Präventionsarbeit.
Der Ordnungsbürgermeister teilt StRin Rühle zum Planungsstand des Hauses des Jugendrechts mit, die Suche nach geeigneten Liegenschaften zusammen mit dem Land dauere an. Das Land werde dieses Gebäude überwiegend nutzen. Sobald es Fortschritte gebe, werde darüber informiert.

Gegen Ende der Aussprache trägt StR Rockenbauch vor, zwischenzeitlich gebe es durch das baden-württembergische Polizeigesetz im Bundesvergleich im Land die "krassesten und restriktivsten Eingriffsmöglichkeiten". Man befinde sich in einer permanenten Spirale der Aufrüstung "vonseiten des Polizeistaates". Es sei gefährlich, dass die CDU durch falsche Darstellungen und Übertreibungen der realen Situation in der Stuttgarter Innenstadt dazu beitrage, dass sich diese Spirale in Richtung Videoüberwachung und Waffenverbotszone weiterdrehe. Das Angedachte werde die Innenstadt nicht sicherer machen, sondern werde zu mehr Konfrontation führen. Die Stuttgarter Krawallnacht gehe nicht auf das Mitführen von Messern zurück, sondern darauf, dass zwischenzeitlich die Verhältnismäßigkeit durch diese Praxis Schaden genommen habe und viele Jugendliche Probleme mit Alkohol und Gewalt haben. Dem entgegnet der Vorsitzende, StR Rockenbauch bringe Ursache und Wirkung etwas durcheinander. Die Tatsache, dass junge Menschen Messer mit sich führen, sei doch keine Reaktion darauf, dass die Stadt für Sicherheit sorgen möchte, schließlich würden die Jugendlichen die Messer nicht gegen den Staat, sondern untereinander einsetzen. Durch StR Kotz wird StR Rockenbauch vorgeworfen, dass er die Realität freitag- und samstagnachts auf dem Kleinen Schlossplatz nicht wahrnimmt. Es gehe um Ausgewogenheit, und diese lehne StR Rockenbauch ab, indem er manche Maßnahmen strikt ablehne.

Nach seiner Feststellung, dass der Antrag Nr. 106/2022 der CDU-Gemeinderatsfraktion beantwortet ist, schließt BM Dr. Maier diesen Tagesordnungspunkt ab.
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