Landeshauptstadt Stuttgart
L/OB-Int
Gz:
GRDrs 1044/2021
Stuttgart,
11/08/2021



Haushalt 2022/2023

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 15.11.2021



Klimaschutz – global handeln!

Beantwortung / Stellungnahme



Um die globalen Klimaziele zu erreichen, sehen sich immer mehr Kommunen vor allem in den Industrieländern in der Verantwortung, einen aktiven Beitrag zu leisten. So auch Stuttgart beispielsweise mit dem Aktionsprogramm „Weltklima in Not – Stuttgart handelt“, dessen Ziel es ist, die Aktivitäten im Klimaschutz zu steigern und bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein.

Ein Leitziel der Landeshauptstadt bildet die Agenda 2030 mit den globalen Nachhaltig-keitszielen (SDGs) als strategischem Handlungsrahmen. Stuttgart ist Vorreiter bei der Verbindung von ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und bringt diese Erfahrungen aktiv in den Austausch nationaler und internationaler kommunaler Netzwerke zu nachhaltiger Stadtentwicklung ein.

Internationale Klimaschutz-Projekte hat Stuttgart seit den 90er Jahren immer wieder durchgeführt oder unterstützt, beispielsweise mit der Sanierung einer Mülldeponie in der Partnerstadt Menzel Bourguiba. Seit 1995 ist Stuttgart Mitglied im "Klima-Bündnis europäischer Kommunen", dessen Mitglieder sich u. a. verpflichtet haben, den Dialog zwischen indigenen Völkern, Regierungen, dem privaten Sektor und internationalen Institutionen hinsichtlich einer ökologisch und sozial nachhaltigen Nutzung der Regenwälder zu fördern und Projekte und Partnerschaften zu unterstützen. Von 2009 bis 2019 bestand eine Partnerschaft mit der Stadt Bogotá in Kolumbien im Bereich des Umgangs mit kontaminierten Flächen (Altlasten) und der Revitalisierung solcher Flächen zur städtebaulichen Wiedernutzung (GRDrs 677/2014 sowie 922/2019), die teilweise aus EU- und Bundesmitteln finanziert wurden. Seit mehreren Jahren arbeitet das Amt für Umweltschutz zudem in einer von Europäischen Netzwerk Energy Cities unterstützten Tandem-Partnerschaft eng mit dem Schwesteramt in der Partnerstadt Straßburg zu den Themen Klimaschutz und Energie zusammen. Neben regelmäßigem Fachaustausch waren z. B. auch gegenseitige Exkursionen im Rahmen der Deutsch-Französischen Energiewendewoche mit Schulen und Mittlerorganisationen Bestandteil der Kooperation.

Entwicklungspolitische Maßnahmen zwischen Städten des globalen Nordens und globalen Südens unterstützt der Bund seit zehn Jahren über Förderprogramme zu Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekten. Mögliche Schwerpunktthemen dabei sind beispielsweise: Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Abfallmanagement, Klimafolgenanpassung, nachhaltige Mobilität, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, Wasser- und Abwassermanagement sowie Umweltbildung. Zugrundeliegend ist ein partizipativer Prozess unter Beteiligung verschiedener kommunaler Akteure aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft. Der Umfang solcher Projekte reicht vom Personaleinsatz kommunaler Expert*innen über Wissenstransfer bis hin zu technischen Großprojekten.

Weitere Finanzierungsmöglichkeiten umfassen Angebote der Europäischen Union, beispielsweise Interreg B und Horizon Europe. Hier reichen die Fördermöglichkeiten von einer intelligenten und gerechten Energiewende über den Übergang zu ortsbezogener Kreislaufwirtschaft bis zur einer grüneren, kohlenstoffarmen Donauregion (Umsetzung des Pariser Abkommens, Investitionen in Energiewende, erneuerbare Energien und den Kampf gegen den Klimawandel); auch Projekte zur integrierten Katastrophenvorsorge für extreme Klimaereignisse (von Frühwarnsystemen bis zu langfristiger Anpassung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit) sind denkbar.

Bewertung

Der Aufwand für die Durchführung internationaler Kooperationen ist groß: Bundesgelder müssen umfangreich beantragt und über den Projektzeitraum (in der Regel zwei Jahre) verwaltet werden, ebenso müssen die organisatorischen Voraussetzungen in einer Kommune geschaffen werden (Koordination, Steuerungsgruppe, fachübergreifendes Projektteam).

Umfangreich ist auch die im Vorfeld zu leistende Identifikation möglicher Themen und Partner-Kommunen. Dafür in Frage kommen Partnerstädte, aber auch ggf. andere Kommunen, in die schon belastbare Kontakte bestehen (beispielsweise über das Netzwerk Cities for Mobility oder bestehende projektbezogene Kooperation), sowie neue Optionen, die beispielsweise über den Bund oder das Land vermittelt werden können. Zu erwähnen ist hier die deutsch-griechische Versammlung: Stuttgart liegt über das BMZ eine Kooperationsanfrage einer griechischen Kommune vor, bei der es fachlich u. a. um Analyse, Planung, Finanzierung bis hin zur Realisierung von Projekten der Abfallentsorgung und Kompostierung sowie der Nutzung von Wasserkraft zur Energiegewinnung geht.

Fachlich könnte Stuttgart sehr viel Potential in eine internationale Klima-Partnerschaft einbringen, beispielsweise durch die verschiedenen Bausteine des Aktionsprogramms „Weltklima in Not – Stuttgart handelt“, mit dem Energiekonzept „Urbanisierung der Energiewende“, Umweltbildung- und Beratung oder Altlastensanierung. Umgekehrt besteht in den Themenfeldern Umgang mit Dürre und Hitze auch für Stuttgart ein großer Bedarf an Austausch mit Kommunen im globalen Süden. Mit dem bestehenden Personalbestand sehen sich Ämter oder Abteilungen jedoch nicht in der Lage, kurzfristig eine sinnvolle oder nachhaltige Projektplanung vorzunehmen bzw. diese Aufgabe in den kommenden Jahren zusätzlich zu leisten. Vor allem der im Antrag angesprochene Aspekt: „Projekte im Freiflächenbereich könnten einen interessanten Mehrwert für den lokalen Strommix als auch eine interessante Investition der Stadtwerke Stuttgart in Erneuerbare Energien bieten“,
erfordert umfangreiche Analysen.

Für eine erfolgreiche Erarbeitung und Umsetzung möglicher internationaler Klimaschutzprojekte wird neben Sachmitteln in Höhe von 20.000 EUR p.a. eine Stelle EG 13 bei der Stabsstelle Klimaschutz für notwendig erachtet, mit nachfolgendem Aufgabenprofil:

· Konzeption einer nachhaltigen internationalen Klimapartnerschaft der Landeshauptstadt Stuttgart, in die u. a. folgende Elemente einfließen: · Beratung für mögliche Klimaschutzprojekte in den Partnerstädten oder anderer geeigneter Kommunen (inklusiver notwendiger und möglicher Vor-Ort-Besuche) sowie zur stärkeren Integration von Klimaschutz bei Austauschmaßnahmen, beispielsweise im Schul- und Jugendaustausch.
· Akquise von Drittmitteln
· Identifizierung und Finanzierung möglicher kleinerer Klimaschutzprojekte in den Partnerstädten (bspw. Energieberatung, Unterstützung bei der Drittmittelakquise etc.)
· Koordinierung, Wissensmanagement und Vernetzung innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung, national wie international (Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, …)
· enge Zusammenarbeit mit allen Ämtern, Abteilungen und Eigenbetrieben sowie aktive Beteiligung an der SDG – Projektgruppe (einzurichten ab 2022).

Zum nächsten DHH könnte die Stabsstelle Klimaschutz zur Umsetzung berichten und ein Konzept vorlegen, in welchem Umfang, mit welcher Schwerpunktsetzung und welchen personellen Ressourcen dem Rat empfohlen wird, internationale Klimaschutzprojekte größeren Stils (beispielsweise unter Beteiligung der Stadtwerke) zu beauftragen; ebenso könnte berichtet werden, wie die Koordinierung im oben beschriebenen Sinne weitergeführt werden kann. Darüber hinaus wird ämterseitig weiter aktiv in bestehenden Netzwerken zum Thema weitergearbeitet, beispielsweise mit der Partnerstadt Straßburg (siehe oben).



Vorliegende Anträge/Anfragen

317/2021 Bündnis 90/DIE GRÜNEN




Dr. Frank Nopper



Hintergrund

Internationale Klimaschutzprojekte

Der Bund unterstützt kommunale Nord/Süd-Maßnahmen. So bietet seit 2011 das Förderprogramm für Kommunale Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekte (FKKP) deutschen Kommunen und Kreisen die Möglichkeit, eine finanzielle Unterstützung für entwicklungspolitische Partnerschaftsvorhaben zu beantragen. Vorbehaltlich der Schwerpunktsetzung der neuen Bundesregierung stehen damit Mittel für ein verstärktes Engagement an der Schnittstelle von bereit.

Voraussetzung für eine Antragstellung ist die vorangegangene Teilnahme an einem Projekt namens „Kommunale Klimapartnerschaften“:

Mit dieser Projektförderung werden seitens des Bundes die fachliche Zusammenarbeit deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise mit Kommunen aus Afrika, Lateinamerika und Asien in den Bereichen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung unterstützt und gefördert. In jeder Projektphase erstellen die kommunalen Partner gemeinsame Handlungsprogramme als langfristige strategische Dokumente der Zusammenarbeit zu Klimaschutz und Klimafolgenanpassung.

Die zugrundliegenden partizipativen Prozesse sinnvoll und nachhaltig aufzusetzen, ist genauso wie die Identifizierung einer geeigneten Partnerkommune und die anschließende Projektdurchführung sehr anspruchsvoll.

In der Publikation „Dialog global – Kommunale Klimapartnerschaften; Dokumentation der sechsten Projektphase von 2021“ werden folgende personelle Ressourcen und Strukturen genannt, die in beiden Städten erforderlich sind, um eine vom Bund geförderte Klimapartnerschaft durchzuführen (siehe auch https://skew.engagement-global.de/foerderprogramm-fuer-kommunale-klimaschutz-und-klimaanpassungsprojekte.html):

· Der Koordination kommt die Schlüsselfunktion innerhalb der Arbeitsstrukturen zu. Sie organisiert und steuert alle Prozesse im Rahmen der kommunalen Klimapartnerschaft. Die Koordination ist die zentrale Kontaktstelle für alle Beteiligten und Interessierten und zugleich für die Ergebnissicherung und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren der einzelnen Kommunen sind gleichsam das Bindeglied in dem bilateralen Prozess und gewährleisten den Informationsaustausch und Wissenstransfer zwischen den Partnerkommunen. Auch innerhalb der Kommune und gegenüber externen Akteursgruppen (auch SKEW und LAG 21 NRW) sind sie die zentralen Ansprechpersonen und zudem Kontaktpersonen für die Workshops, Netzwerktreffen und Entsendungen sowie für die Berichterstattung im Rahmen des Projekts. In der Regel wird dafür jemand aus der Verwaltung benannt; zweiköpfige Teams sind ebenfalls möglich. Um die Kontinuität der Prozesse im Falle längerer Abwesenheiten oder von Personalwechseln sicherzustellen, sollte es in jedem Fall eine Stellvertretung geben. · Das Kernteam unterstützt die Koordination bei ihren verschiedenen Aufgaben und kann punktuell auch einzelne Aufgaben davon übernehmen. Es ist daher an jedem Arbeitsschritt beteiligt und trifft sich regelmäßig. Je nach Größe der Kommune besteht das Kernteam in der Regel aus drei bis fünf Personen. Hier sollten verschiedene Fachbereiche aus der Verwaltung vertreten sein, um eine Integration unterschiedlicher Herangehensweisen und Lösungsansätze zu ermöglichen. Zur Abdeckung möglichst vielseitiger Perspektiven bietet es sich an, auch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure in das Kernteam einzubinden. Im Falle von bereits bestehenden kommunalen Partnerschaften, die vom Engagement eines Partnerschaftsvereins oder einer Nichtregierungsorganisation (NRO) mitgetragen werden, empfiehlt sich die Einbindung eines Akteurs oder einer Akteurin aus diesen Organisationen. Darüber hinaus bereitet das Kernteam die inhaltliche Arbeit der Steuerungsgruppe vor.

· Die Steuerungsgruppe ist die größte Gruppe innerhalb der Arbeitsstrukturen und zeichnet sich durch eine hohe Akteursvielfalt aus. Das Kernteam ist Teil der Steuerungsgruppe. Sie setzt sich in einem ausgewogenen Verhältnis aus Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Verwaltung zusammen. Damit ist die Steuerungsgruppe interdisziplinär aufgestellt und bringt ein breites Spektrum an Fachexpertise und Erfahrungen in die Erstellung des Handlungsprogramms ein. Sie trägt entscheidend dazu bei, dass die Klimapartnerschaft auf eine breite Grundlage gestellt wird. Sie ist an den zentralen Momenten und Projektmeilensteinen des Prozesses beteiligt (etwa Entsendungen, internationale Workshops) und trifft wichtige Entscheidungen zur Ausgestaltung des Handlungsprogramms der Klimapartnerschaft.

Die strukturellen Erfordernisse können als Untergruppe über eine ab 2022 geplante SDG-Projektgruppenstruktur abgedeckt werden; für die wissenschaftliche und fachliche Koordinierung und Steuerung ist eine Stelle erforderlich.

Eine weitere exemplarische Fördermöglichkeit ist das Programm „Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte (Nakopa)“ des Bundes. Auch hier sind die Anforderungen an Antragstellung und Durchführung umfangreich und binden Personalkapazitäten (besonders, wenn die Maximal-Summe von 250.000 EUR für Großprojekte abgerufen werden sollen).

Wissensaustausch und Kooperationen international
Im Zuge der weltweit voranschreitenden Urbanisierung werden Flächen- und Mobilitätskonflikte, Luftschadstoffbelastungen und vor allem der Klimawandel mit Hitzestress und Extremwetter ähnlich wie heute in Stuttgart viele weitere Städte betreffen.

Ein Leitziel der Landeshauptstadt bildet die Agenda 2030 mit den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) als strategischem Handlungsrahmen. Stuttgart ist Vorreiter bei der Verbindung von ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und bringt diese Erfahrungen aktiv in den Austausch nationaler und internationaler kommunaler Netzwerke zu nachhaltiger Stadtentwicklung ein.

Stuttgart gehört dabei zu den Pionieren des Partnerschaftsgedankens: Die erste Städtepartnerschaft wurde mit St. Helens in England bereits 1948 geschlossen. Dieses Netzwerk wurde in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich ausgebaut und um projektbezogene Partnerschaften ergänzt. Zudem verfügt Stuttgart über umfangreiche Erfahrungen als Partner in EU-Projekten und Forschungsverbünden. So könnten Projektpartner aus Städten, die vergleichbar groß und regional oder strukturell ähnlich aufgestellt sind, aus den folgenden Netzwerken gewonnen werden:

· Stuttgart ist aktives Mitglied im Netzwerk EUROCITIES, in dem sich fast 200 Städte aus 39 Nationen zusammengeschlossen haben. Durch den Wissensaustausch von Praktiker*innen und Expert*innen sowie das Engagement der politischen Ebene wird sichergestellt, dass die Städte in Europa professionell miteinander kooperieren. · Stuttgart engagiert sich in fachspezifischen Netzwerken. Dazu zählen: EFUS (Europäisches Forum Urbane Sicherheit), POLIS (Europäische Vernetzung für nachhaltige Verkehrslösungen), Energy Cities (Europäischer Verband zur Beförderung der Energiewende in Kommunen) sowie der Konvent der Bürgermeister (Klimaschutz) oder Mayors Adapt (Klimawandelanpassung) sowie nun auch Mayors4Climate (Klimaschutz).

· Stuttgart betreibt das Netzwerk Cities for Mobility mit über 700 Partnern in 80 Staaten.

· Zehn Städtepartnerschaften: Mittlerweile pflegt die Landeshauptstadt zehn Städtepartnerschaften auf vier Kontinenten sowie drei Stadtteilpartnerschaften und zwei Fachamtspartnerschaften.

· Im Rahmen der Umsetzung und strategischen Verankerung der Agenda 2030 und der SDGs wirkt Stuttgart aktiv in entsprechenden Arbeitsgruppen des Deutschen Städtetags, des Rats der Gemeinden und Regionen sowie der SDG-Task-Force von EUROCITIES mit. Stuttgart hat deutschlandweit die erste Bestandsaufnahme und ein Monitoring-Instrument auf Grundlage von SDG-Indikatoren für Kommunen vorgelegt und leistet damit fachliche Beiträge für gegenseitiges europäisches Lernen, u.a. direkt mit den Städten Straßburg, Malmö, Gent, Utrecht und Bonn. Über diese und weitere Netzwerke können Kommunen auf nationaler und europäischer Ebene an den in Stuttgart gewonnenen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen partizipieren und sich an einer konkreten Partnerschaft für den Klimaschutz beteiligen.