Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
OB 0500-07.03
GRDrs
837/2014
Stuttgart,
11/26/2014
Deutsch-russisches Projekt "Good Governance zur Mittelstandsförderung in der kommunalen Verwaltung Russlands" (gefördert von der Robert Bosch Stiftung und dem Auswärtigen Amt)
Beschlußvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Beschlussfassung
öffentlich
03.12.2014
Beschlußantrag:
1. Der Beteiligung des Rechnungsprüfungsamts am deutsch-russischen Projekt „Good Governance zur Mittelstandsförderung in der kommunalen Verwaltung Russlands“, Teilprojekte 2 und 3, von Januar 2015 bis April 2016 wird zugestimmt.
2. Die Finanzierung des Budgets für die Teilprojekte 2 und 3 i.H.v. 134.689 Euro erfolgt aus zugesagten Mitteln der Robert Bosch Stiftung (127.590 Euro) und des Auswärtigen Amts (7.099 Euro). Mit diesen Mitteln werden die voraussichtlich anfallenden Personalaufwendungen für eine bereits ausgewählte Person in Höhe von rd. 80.000 Euro und Sachaufwendungen von 54.689 Euro gedeckt.
3. Vom zusätzlichen Personalbedarf beim Rechnungsprüfungsamt zur Durchführung des Projektes wird Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird ermächtigt, ab 1. Januar 2015 für die Dauer der Projektlaufzeit von 16 Monaten (01.01.2015 – 30.04.2016) eine Vollzeitkraft in EG 11 TVöD für die Aufgabe der Projektkoordination zu beschäftigen.
Begründung:
1.) Über die Städtepartnerschaft mit der Stadt Samara hinaus besteht seit dem Jahr 2010 zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Duma der Region Samara eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit in Fragen der Korruptionsprävention und Verwaltungsmodernisierung in der russischen öffentlichen, insbesondere kommunalen Verwaltung. Eine weitere Vereinbarung wurde im Jahr 2013 mit dem Wolga-P.A. Stolypin-Institut der Russischen Akademie für Wirtschaft und öffentliche Verwaltung Saratow geschlossen. Im Rahmen dieser Vereinbarungen führt das Stuttgarter Rechnungsprüfungsamt zusammen mit weiteren deutschen und russischen Partnern konkrete gemeinsame Projekte durch.
2.)
Bedeutung des Themas:
Die Sicherstellung nachhaltiger Innovationsprozesse auf der regionalen Ebene ist für eine positive Entwicklung der russischen Volkswirtschaft und damit der Lebensqualität und des sozialwirtschaftlichen Wohlstand des Landes besonders wichtig. Deswegen ist es notwendig, den Akzent in
regionalen und kommunalen Entwicklungsstrategien
auf die Förderung der Unternehmensaktivitäten zu legen. Jedoch besitzt Russland im Gegensatz zu Deutschland keinen ausgeprägten Mittelstand. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten aber eine bedeutendere Rolle im Leben des Landes spielen, weil sie wirtschaftliche Stabilität sicherstellen und die Folgen sozialwirtschaftlicher Veränderungen mildern. Hierbei gilt es, die
Wachstums-, Beschäftigungs- und Innovationspotenziale von KMU
auszuschöpfen, um einerseits die Abhängigkeit einer Kommune von einzelnen großen Unternehmen und Branchen abzubauen und andererseits eine nachhaltige Entwicklung der Kommunen sicherzustellen.
Allgemeines Ziel der Wirtschaftsförderung durch Kommunalverwaltungen ist es,
positive Standortbedingungen
bzw. ein positives Wirtschaftsklima für ansässige und potenzielle neue Unternehmen (
inländische wie ausländische
) zu schaffen. Neben der Wertehaltung und Kommunikationsfähigkeit der diversen Akteure ist dabei die
Qualität der Leistungen der Kommunalverwaltung
selbst ein entscheidender Standortfaktor. Wichtige Aspekte hierbei sind im Sinne einer Good Governance Kundenorientierung, Effizienz, Bürokratieabbau und wirksame Antikorruptionsmaßnahmen, die gerade in Russland wegen des hohen Korruptionsniveaus von besonderer Bedeutung sind.
3.)
Projektziel:
Gerade auf der kommunalen Ebene handeln Behörden und Unternehmern unmittelbar und sehr nah miteinander, das gilt umso mehr für KMU. Verbesserungen des Wirtschaftsklimas bzw. der Standortbedingungen zugunsten von KMU sind vor allem verbunden mit:
-
der Notwendigkeit eines
Verständnisses für unternehmerische Belange
bei den Beamten sowie der Förderung des Dialogs zwischen Kommunalverwaltung (einschließlich Schnittstellen zu staatlichen Stellen) und KMU;
-
der Abschaffung von Verwaltungsbarrieren durch
Optimierung von Verwaltungsprozessen
(im Hinblick auf ihre Wirksamkeit bzw. Qualität, Korruptionsrisikominimierung, Kundenorientierung und Wirtschaftlichkeit), der Sicherstellung von Transparenz und Offenheit – als Beitrag zu mehr Rechtssicherheit, Planbarkeit und als Grundlage für eine
Gesetzesfolgenabschätzung
– zumindest solcher Verwaltungsprozesse, die die Bereitstellung von Dienstleistungen für KMU betreffen;
-
der Bildung eines
Antikorruptionsbewusstseins
und einer besseren Effektivität korruptionspräventiver Maßnahmen: Eine effektive Anwendung der Antikorruptionsinstrumente ist dann möglich, wenn die Antikorruptionsstandards Teil der Kultur, der Denkweise und der Handlungen sowohl der Behörden als auch des Mittelstandes geworden sind.
Projektziel ist es, in den vorgenannten drei Bereichen Verbesserungen in den Pilotkommunen zu erreichen. Diese Kommunen können als
Multiplikator
für andere russische Kommunen dienen.
4.) Das Gesamtprojekt besteht neben der Projektvorbereitung und der Projektnachbereitung aus folgenden
drei Teilprojekten
:
-
Teilprojekt 1 „Ermittlung der Ausgangslage“
-
Teilprojekt 2 „Kommunikationsförderung und Bewusstseinsbildung der Akteure“
-
Teilprojekt 3 „Optimierung und Transparenz KMU-relevanter kommunaler Verwaltungsprozesse“
5.)
Teilprojekt 1
hat das Ziel, die Schlüsselprobleme des Mittelstands (KMU) in der jeweiligen Pilotkommune zu bestimmen und die Adressaten für die Problemlösung (z.B. Kommunalverwaltung, Oblastverwaltung, Föderalverwaltung, KMU, Marktgegebenheiten) zu klassifizieren. Hierfür werden
Umfragen unter den kommunalen Beamten und den Unternehmen vor Ort
durchgeführt.
Dieses Teilprojekt wird bereits von der Robert Bosch Stiftung (Bewilligung-Nr. 12.5.2400.0389.0) gefördert und hat Anfang 2014 begonnen. Geplant ist, den ersten Projektschritt noch in diesem Jahr abzuschließen.
6.)
Teilprojekt 2
umfasst die Ausarbeitung von Programmen für
Workshops, Bildungsseminare und E-Learning-Module
für kommunale Beamte und Mittelständler, insbesondere hinsichtlich Wertehaltung und Verständnis für das Unternehmertum, des Weiteren die Durchführung von "Runden Tischen" zur Initiierung eines dauerhaften Dialogs und zum Abbau von Verwaltungsbarrieren, den
Fachaustausch
von Vertretern der Pilotkommunen mit der Stuttgarter Verwaltung und weiteren Stellen im Bereich der mittelstandsrelevanten Verwaltungsprozesse sowie den Aufbau einer
Informations- und Kontaktbörse für KMU
.
Ziel ist es, einen dauerhaften
nachhaltigen Dialog
zwischen den kommunalen und staatlichen Ebenen sowie den Entscheidungsträgern in den KMU zu schaffen, um im Rahmen einer Good Governance Verwaltungsbarrieren unternehmerischer Tätigkeit in den Pilotkommunen abzubauen.
7.)
Teilprojekt 3
umfasst vor allem die Visualisierung bzw.
Modellierung der betreffenden KMU-relevanten Verwaltungsprozesse
, die Ausarbeitung organisatorischer und rechtlicher Verbesserungsvorschläge auf der Basis der dieser Modellierungen sowie die Bildung von Vergleichsringen bei Verwaltungsprozessen (Benchmarking). Hierfür sollen auch Erkenntnisse aus einer vergleichenden Analyse der Institutionen in Deutschland und Russland herangezogen werden.
Ziel ist es, kommunale Verwaltungsprozesse, die von besonderer Bedeutung für den Mittelstand sind, im Hinblick auf Wirksamkeit bzw. Qualität, Minimierung des Korruptionsrisikos, Kundenorientierung, Wirtschaftlichkeit und Schnittstellen zu staatlichen Stellen zu optimieren.
8.)
Projektpartner
sind
-
die Stadt Novokujbyshewsk (Samara), die Stadt Uljanowsk und Kommunen in der Region Saratow,
-
die Staatliche Wirtschaftsuniversität Samara, die Staatsuniversität Uljanowsk, das Institut für Wirtschaft und Soziales Saratow, das Ostinstitut Wismar, die Hochschule Niederrhein, das Wolga-Institut Saratow,
-
die Firmen Ernst & Young (Russland) und SAP (Russland),
-
die Duma der Region Samara.
9.)
Projektnutzen
:
§
Verbesserung der Mittelstandsförderung in den teilnehmenden Projektkommunen (und damit Steigerung der Attraktivität für sowohl in- und ausländische Unternehmensansiedlungen)
§
Konkrete Antikorruptionsarbeit verbunden mit konkretem wirtschaftlichen Nutzen der teilnehmenden Projektkommunen
§
Multiplikatorwirkung des Projekts auf andere Städte und Regionen
§
Ein praxisbezogener Beitrag zur bestehenden deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft und zur Verständigung zwischen beiden Ländern
§
Austausch von Knowhow (best practice) in den Bereichen KMU-Förderung, Geschäftsprozessoptimierung, Compliance zwischen den Projektpartnern, d.h. einerseits zwischen Unternehmen und Verwaltung und andererseits zwischen den verschiedenen Verwaltungen
§
Steigerung der Methodenkompetenz beim Rechnungsprüfungsamt
§
Auf- und Ausbau von Wirtschaftskontakten zwischen deutschen Unternehmen (v.a. aus der Region Stuttgart) und russischen Unternehmen (v.a. in den Projektkommunen) zum beidseitigen Nutzen
§
Die Förderung der Good Governance trägt zur Stärkung der Zivilgesellschaft in Russland bei
10.)
Einordnung des Projekts in die gegenwärtige politische Situation:
Dieses Projekt unterliegt
nicht den gegenwärtigen Sanktionen
der Europäischen Union bzw. Deutschlands gegen Russland. Laut Auskunft des Auswärtigen Amts gegenüber der Stadt möchte die Bundesregierung – jenseits ihrer restriktiven Haltung gegenüber öffentlichkeitswirksamen Gesprächen zwischen politischen Vertretern – gerade angesichts des schwierigen politischen Dialogs die
bilateralen zivilgesellschaftlichen Kontakte stärken
, wozu u.a. auch die Städte- und Verwaltungspartnerschaften gehören. Kontakte auf Arbeitsebene sollen nicht abreißen. Das Projekt wird
vom Auswärtigen Amt ausdrücklich unterstützt
. Es beteiligt sich mit einer ergänzenden Analyse ebenfalls am Projekt.
Die Robert Bosch Stiftung hat in einem Schreiben an die Landeshauptstadt Stuttgart folgendes bekundet:
„Wir sind davon überzeugt, dass es in der aktuellen schwierigen Lage der deutsch-russischen Beziehungen besonders wichtig ist, etablierte und erfolgreiche Partnerschaften weiterzupflegen und zu fördern, in denen trotz der angespannten zwischenstaatlichen Lage eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. Wir setzen darauf, möglichst viele Gesprächsfäden zwischen der deutschen und der russischen Gesellschaft gerade jetzt nicht abreißen zu lassen, und wo immer möglich, der weiteren (Selbst-) Isolation Russlands entgegenzuwirken. Wir halten es für entscheidend, den russischen Partnern, die sich weiter für eine moderne und offene Gesellschaft und Verwaltung in ihrem Land einsetzten, den Rücken zu stärken und sie bei diesen Bemühungen zu unterstützen. Daher halten wir alle Projekte mit Russland aufrecht, ja, bemühen uns in manchen Aspekten um einen Ausbau der Kontakte. In Gesprächen mit Vertretern des Auswärtiges Amts wie Staatssekretär Ederer oder Staatsminister Erler haben wir für diese Position in den letzten Monaten große Unterstützung erfahren. Auch der Außenminister hat sich gegenüber unserer Geschäftsführung dahingehend geäußert, dass die Verbindungen auf der Ebene der Zivilgesellschaft und der Kommunen und Regionen nicht abreißen dürfen.
Sie wissen ja, dass Herr Erler und Herr Ederer das Stuttgarter Projekt sehr positiv bewerten und sich persönlich für eine Unterstützung eingesetzt haben.
Von vielen russischen Partnern haben wir in den letzten Monaten die dringende Bitte erfahren, sie in der derzeitigen Situation nicht „im Regen stehen zu lassen“. (…). Das Kooperationsprojekt des Rechnungsprüfungsamtes ist nicht nur aus unserer Sicht das Vorzeigeprojekt in Sachen Verwaltungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland, und wir würden es sehr begrüßen, wenn es fortgeführt würde. Das Thema, das sich die Kooperationspartner für die nächste Zeit vorgenommen haben – Kooperationsbekämpfung und Wirtschaftsförderung – ist zudem für die Region Samara von besonderer Bedeutung, nicht zuletzt für die zahlreichen deutschen bzw. baden-württembergischen Unternehmen, die sich aufgrund der Autoindustrie dieser Region ansiedeln. “
Finanzielle Auswirkungen
Die Finanzierung des Budgets für die Teilprojekte 2 und 3 i.H.v. 134.689 Euro erfolgt aus zugesagten Mitteln der Robert Bosch Stiftung (127.590 Euro) und des Auswärtigen Amts (7.099 Euro). Neben den Kosten von voraussichtlich 80.000 Euro für eine bereits ausgewählte Vollzeitkraft in EG 11 für 16 Monate, ergeben sich Sach- und Reisekosten in Höhe von zusammen 54.689 Euro. Da Kosten vollständig durch Zuwendungen der Robert Bosch Stiftung und des Auswärtigen Amts in Höhe von insgesamt 134.689 Euro gedeckt werden, müssen keine Haushaltsmittel bereitgestellt werden.
Personalkosten:
80.000 Euro
Sach- und Reisekosten:
54.689 Euro
Gesamtkosten:
134.689 Euro
davon Förderung
- Robert Bosch Stiftung:
127.590 Euro
- Auswärtiges Amt:
7.099 Euro
Beteiligte Stellen
Referat AK, Referat WFB
Vorliegende Anträge/Anfragen
keine
Erledigte Anträge/Anfragen
keine
Oberbürgermeister
Fritz Kuhn
Anlagen
zum Seitenanfang