Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
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Sitzungstermin: 26.03.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Warum brauchen Kinder im Gebiet A1 keinen Kitaplatz?
- Antrag Nr. 60/2014 vom 19.2.2014 (SPD)
Keine Kita auf A1?! Warum wird der Gemeinderat nicht informiert?
- Anfrage Nr. 77/2014 vom 28.2.2014 (90/GRÜNE)


Die im Betreff genannten Anträge sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

In ihrer ausführlichen Begründung des Antrags Nr. 60/2014 betont StRin Dr. Blind (SPD), mit dem Antrag solle niemandem vorgeworfen werden, dass das 1998 im städtebaulichen Vertrag Geregelte wohl in Vergessenheit geraten ist. Dankenswerterweise sei Manuel Krauß, Mitglied des Bezirksbeirats Mitte für die SPD, auf das Antragsthema gestoßen. Das einstimmig beschlossene Antragsanliegen des Bezirksbeirats Mitte sei auch beim Jugendamt angekommen. Am 30.04.2013 habe ein Gespräch beim Amt für Liegenschaften und Wohnen (AfLW) mit der Bahn stattgefunden. In diesem Gespräch habe die Bahn die Möglichkeit eingeräumt, eine Kita im Bereich von A1 in einem der nächsten Bauabschnitte zu realisieren oder eine Entschädigung zu zahlen. Entsprechende Grundstücke stünden zur Verfügung, allerdings nicht zeitnah.

Die erwartete Berichterstattung im Bezirksbeirat sei genauso wie eine Befassung von gemeinderätlichen Gremien ausgeblieben.



In einem Schreiben des Amtsleiters des Jugendamts, Herrn Pfeifle, vom 31.10.2013 an das AfLW sei erklärt worden, dass das Jugendamt zum einen keinen aktuellen Bedarf an einer Kita auf dem A1-Gebiet sieht und zum anderen dass dieses Amt mit einer Entschädigungszahlung einverstanden ist. Begründet worden sei dies mit einer im Gebiet Prag-/Rosensteinstraße in Fertigbauweise konzipierten 8-gruppigen Kita (Fertigstellung Herbst 2014). Hier gehe es um eine Interimskita, die in fünf Jahren ersetzt werden muss.

Der Antrag Nr. 77/2014 wird von StR Pätzold (90/GRÜNE) erläutert.

Die anschließende Stellungnahme des Ersten Bürgermeisters ist nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

EBM Föll:
"Im Vorfeld konnte ich der Presse entnehmen, dass ich hier eine einsame Entscheidung getroffen habe bzw. dass ich auf eine kostenlose Kita verzichtet habe.

Man muss sich den städtebaulichen Vertrag von 1998 aber schon genau anschauen, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt, wie man diesen Vertrag heute formulieren würde. Das ist irrelevant. Relevant ist, wie man diesen Vertrag damals abgeschlossen hat. Wie Sie unschwer feststellen können, 1998 war ich nicht im Amt. Also ich habe den Vertrag weder verhandelt noch abgeschlossen.

In diesem Vertrag steht in Ziffer 3 das Thema soziale Infrastruktur, das haben Sie richtig zitiert, Frau StRin Dr. Blind. Sie hätten aber auch noch die Ziffer 14 vortragen müssen, nämlich die Kostenpauschalisierung. Es gibt einen Deckel von 76 Mio. DM, den die Bahn in diesem Kontext trägt. Und dann hätten Sie noch die Ziffer 12 Gemeinbedarfsnutzung vortragen müssen. Damals wurde nämlich nicht die Kita unter Gemeinbedarfsnutzung mit einem ermäßigten Grundstückspreis summiert. Unter Gemeinbedarfsnutzung mit ermäßigtem Grundstückspreis wurde ausschließlich die Bibliothek 21 subsummiert. Dieses wurde damals auch entsprechend im Erwerb umgesetzt. Da hat die Stadt einen ermäßigten Grundstückspreis gezahlt. Deshalb ist Ziffer 3 im Kontext mit Ziffer 14 so zu verstehen, dass für die zweigruppige Kita Baukosten und Grundstückskosten - nicht subventionierter, ermäßigter, auf Gemeinbedarfsfläche herabgesetzter Grundstückswert -, im Rahmen dieses 76 Mio. DM-Deckels abzuwickeln sind. Und dem wurde, um eine Systematik zu haben, diese 1 Mio. DM dann in der Anlage 3 zugeordnet. Das ist das große Missverständnis, dem Ihr Bezirksbeirat und in der Folge auch Sie unterliegen. Sie glauben, dass wir für diese Kita nach städtebaulichem Vertrag jemals Anspruch auf einen ermäßigten Grundstücksanteil im A1-Gebiet gehabt haben. Das steht in dem Vertrag so nicht drin, das ist mitnichten der Fall.

Festzuhalten ist, dass der Landeshauptstadt keinerlei wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist durch die Vorgehensweise, die die Verwaltung an den Tag gelegt hat. Das will ich ganz ausdrücklich hier aus Sicht der Verwaltung sagen. Übrigens, wenn diese 76 Mio. DM nicht erreicht werden durch die anderen Maßnahmen, dann muss die Bahn bis 76 Mio. DM aufzahlen an die Stadt Stuttgart.

Wenn wir jetzt so nicht gehandelt hätten, hätten Sie uns übrigens den Vorwurf machen können, dass wir der Bahn über viele Jahre einen Liquiditätsvorteil von 1 Mio. DM gewähren und dass dieses zum Nachteil der Landeshauptstadt Stuttgart sei, weil wir ja in der Zwischenzeit Ersatz-Kitas entwickeln.

Ich will schon darauf hinweisen, es ist nicht nur der Fertigbau in der Prag-/Rosensteinstraße, der ab Herbst 2014 mit 8 Gruppen in Betrieb geht. Da sind auch die 7 Gruppen in der Tunzhofer Straße, ehemaliges Bürgerhospital, die Ende 2014 in Betrieb gehen. Da sind die 8 Gruppen in der Heilbronner Straße 163, die Ende 2015 in Betrieb gehen. Und da sind die 8 Gruppen in der Nordbahnhofstraße, die im Laufe des Jahres 2017 in Betrieb gehen.

Diese insgesamt 31 Gruppen, die im unmittelbaren Umfeld von A 1 in den nächsten Jahren entstehen, haben wir nicht zuletzt vor dem Hintergrund konzipiert, dass wir den Bedarf im A1-Gebiet für die gut 600 Wohneinheiten, die schon fertig sind oder im Laufe des Jahres 2015 fertig werden, abdecken müssen. Wir können mit diesen Kitas nicht auf Baufelder gehen, die erst in Jahren realisiert werden (Baufeld 4/5, früheste Fertigstellung 2018, Baufeld 12 Realisierung erst nach 2020). Deren Fertigstellung können wir nicht prognostizieren. Da wir diese Kitas jetzt brauchen, haben wir uns so entschieden.

Es gab dafür auch inhaltliche Gründe, die Ihnen Herr Pfeifle noch darlegt. So macht eine zweigruppige Einrichtung mangels Flexibilität und mangels Wirtschaftlichkeit keinen Sinn. Ich habe hier keine einsame Entscheidung getroffen. Bei den Gesprächen war ich gar nicht beteiligt. Ich bin über das Ergebnis informiert worden und habe dieses nachvollziehen können. Und insoweit trage ich das Ergebnis auch vollinhaltlich mit, damit Sie mich nicht missverstehen. Ich wollte nur sagen, damit nicht irgendwelche Verschwörungslegenden, weil ich ja ein Stuttgart 21-Befürworter bin, dass man sozusagen hier der Bahn einen Gefallen getan hätte, entstehen. Ich bin in den Gesprächen mit der Bahn gar nicht beteiligt gewesen. Da finden Sie keine Verhandlung, die ich je mit der Bahn über dieses Thema geführt habe.

Der Stadt ist wie gesagt kein finanzieller Nachteil entstanden, weil der Finanzierungsbetrag von 1 Mio. DM, den wir jetzt bekommen haben, sowohl die Grundstücksverbilligung wie auch die Baukosten von vornherein immer umfasst hat. In städtebaulichen Verträgen ist im Übrigen eine Teilfinanzierung nicht unüblich. Sie finden eine Vielzahl von städtebaulichen Verträgen, wo die Investoren, die Projektentwickler sich nur teilweise an den Kosten für die öffentliche Infrastruktur beteiligen. Das können Sie ja schon an den tatsächlichen heutigen Kosten ablesen. Eine Gruppe kostet uns in der Regel mindestens eine halbe Million Euro. Das kann auch bis zu einer Dreiviertelmillion Euro gehen (ohne Grundstückskosten). Von daher muss ich wirklich sagen, wenn ein Nachteil für die Landeshauptstadt Stuttgart hätte entstehen können, dann nicht im rechtzeitigen Abruf dieser 1 Mio. DM. Eine solche Ausgleichszahlung ist nicht unüblich im Kontext mit städtebaulichen Verträgen. Da haben Sie im UTA jede Menge davon in den letzten Jahren beschlossen.




Klar ist natürlich auch, der städtebauliche Vertrag von 1998 passt nicht zur tatsächlichen Entwicklung. Damals hat man einen Wohnungsanteil von 15 % der Geschossfläche vorgesehen. Das sind 600 bis 700 Einheiten. In der Zwischenzeit hat sich das verdoppelt. Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung, aber insoweit muss man eben einen Vertrag auch dann weiterentwickeln. Aber ich kann eben nicht das insoweit weiterentwickeln, indem ich dann mit der Bahn dieses nachverhandle. Weil dort keine Nachverhandlungsmöglichkeiten existent sind. Und Verträge gelten nun einmal.

Jetzt fragen Sie mich, auf welcher Grundlage ich die Entscheidung getroffen habe. Ich habe die Entscheidung in analoger Anwendung des § 34 Abs. 1 Ziffer 1 der Zuständigkeitsordnung getroffen. Da geht die Verwaltungszuständigkeit bis 520.000 €. Das haben Sie zu Recht zitiert. Wir liegen da drunter. 511.000 € sind noch innerhalb von 520.000 €. Ich gebe aber zu, Frau Dr. Blind - ansonsten muss ich Ihnen widersprechen -, es wäre im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Gemeinderat und Bezirksbeirat klüger gewesen, wenn wir beide Gremien in diese Entscheidung eingebunden hätten. Obwohl es formal gesehen in der Zuständigkeit der Verwaltung liegt. Wir werden daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass wir in der Zukunft, unabhängig davon ob es Verwaltungszuständigkeit ist oder nicht, dann zumindest Gemeinderat und Bezirksbeirat bevor wir die Entscheidung umsetzen entsprechend informieren.

Abschließend, die Entscheidung, die ich umgesetzt habe, wurde korrekt getroffen. Sie ist nicht zum wirtschaftlichen Nachteil der Landeshauptstadt Stuttgart, sondern wenn dann zum Vorteil der Landeshauptstadt Stuttgart. Und ich habe diese Entscheidung umgesetzt im Rahmen der von Ihnen beschlossenen Zuständigkeitsordnung im Rahmen der Verwaltungszuständigkeit.

Im Übrigen werden die beiden Anträge noch schriftlich beantwortet. Dies sage ich Ihnen zu."

Von Herrn Pfeifle (JugA) wird angemerkt, StRin Dr. Blind habe aus seinem Schreiben vom 31.10.2013 nur auszugsweise zitiert. Insgesamt werde in diesem Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass es sich um ein sehr schwieriges Gebiet zur Planung von Kindertagesstätten handelt. Aktuell sei nicht bekannt, ob in dieses sehr hochpreisige Gebiet viele Familien mit Kindern hinziehen.

Auch das Jugendamt habe registriert, dass sich im Gebiet A1 zum Bau einer Kita nichts bewegt. Daher sei man zusammen mit dem Referat WFB und dem AfLW einen Schritt weiter gegangen, indem untersucht worden sei, und hier hebt er auf die Ausführungen des Ersten Bürgermeisters ab, wo im Umfeld des A1-Gebiets auch zur Bedarfsdeckung dieses Gebiets Kita-Plätze geschaffen werden können. Vor diesem Hintergrund habe er in seinem Schreiben u. a. auch die Fertigbau-Kita erwähnt. Erwähnt worden seien jedoch zudem noch zwei weitere Kitas (Tunzhofer Straße, Nordbahnhof/Opel Staiger-Gebiet). Für das Jugendamt sei bedeutsam gewesen, dass dort nicht nur Kita-Gruppen für das Neubaugebiet, sondern auch für das Bestandsgebiet geplant werden. Zudem sei noch zu erwähnen, dass seitens des AfLW vor 14 Tagen ein Mietvertrag für eine 8-gruppige Kita Heilbronner Straße unterzeichnet worden ist.

Diese bald fußläufig von A1 aus erreichbare Einrichtung werde Ende 2015 bezugsfertig.

Zusammenfassend könne gesagt werden, es sei alles unternommen worden, um letztendlich den sehr wohl gesehenen Bedarf des A1-Gebiets durch umliegende Einrichtungen abzudecken. Wenn irgend möglich versuche er, zweigruppige Kitas zu verhindern. Einrichtungen in dieser Größe seien unflexibel und letztendlich auch unwirtschaftlich. Derzeit könne er sich ohnehin nicht vorstellen, an welchem Standort im Gebiet A1 eine solche Kita sinnvoll und gut untergebracht werden kann.

In der Vergangenheit sei das Jugendamt beim städtebaulichen Vertrag zuständig gewesen. Zwischenzeitlich gebe es das Immobilienmanagement. Von daher sei nun eigentlich das AfLW zuständig.

StR Pätzold bedankt sich für die Berichterstattung. Da BM Hahn heute nicht anwesend ist, könne die erste Frage des Antrags Nr. 77/2014 heute nicht beantwortet werden. Um die Abläufe besser einschätzen zu können, werde die schriftliche Beantwortung der Anträge abgewartet.

Nicht zuletzt aufgrund der im Umfeld des A1-Gebietes zur Entwicklung anstehenden 31 Kita-Gruppen äußert sich StRin Ripsam (CDU) positiv zur Stellungnahme des Vorsitzenden. Sinngemäß positionieren sich StRin von Stein (FW) und StR Klingler (FDP).

Für StRin Dr. Blind muss heute nicht die Auslegung des städtebaulichen Vertrages mit der Deutschen Bahn geklärt werden. Zu bedenken gibt sie, dass beispielsweise von den acht Gruppen im Opel Staiger-Gebiet nur zwei für die Bedarfsdeckung des A1-Gebiets vorgesehen sind. Die Sparkassen Akademie habe gezeigt, dass im Gebiet A1 sehr schöne Kitas realisierbar sind. Die gesamte Diskussion zu Interims-Kitas zeigt für sie, dass das Hauptproblem für Kitas die Grundstücke sind. Interimseinrichtungen würden mangels geeigneter Grundstücke erstellt. Für sie ist nicht nachvollziehbar, dass zur Ablösung solcher Interimslösungen die Möglichkeit im A1-Gebiet nicht wahrgenommen wurde. Von BM Hahn sei schriftlich nicht mitgeteilt worden, dass in einem späteren Bauabschnitt eine Möglichkeit realisiert werden kann. BM Hahn habe geschrieben, dass EBM Föll nach interner Abstimmung mit dem Jugendamt entschieden hat, auf das Angebot der Bahn, in einem der nächsten Bauabschnitte eine Kita im Teilgebiet A1 zu erstellen, zu verzichten. Richtig sei, dass man beim Abschluss des städtebaulichen Vertrags im Jahr 1998 von deutlich weniger Wohnungsbau im A1-Gebiet ausgegangen ist. Damals habe es zudem eine völlig andere gesellschaftliche Situation gegeben (z. B. noch keinen Rechtsanspruch auf Kleinkindbetreuung).

Gegenüber StRin Dr. Blind informiert EBM Föll, mit der Bahn hätten immer wieder Gespräche stattgefunden. Dieses Thema sei nicht erst durch den Bezirksbeirat wiederentdeckt worden. Allerdings habe sich die Bahn in der Frage der Kita (nicht nur eine zweigruppige Kita) nicht verhandlungsbereit gezeigt.




StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) bedankt sich für den Antrag der SPD-Fraktion und kritisiert grundsätzlich die städtebaulichen Themen im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21. Eventuell sollte der Gemeinderat entweder über ein Absenken der Zuständigkeitswertgrenzen oder über ein Festschreiben, dass Bezirksbeiräte bei Grundstücksgeschäften auch unter der Wertgrenze von 520.000 € verbindlich gehört werden müssen, nachdenken. Auf die Notwendigkeit eines praktikablen Verfahrens weist daraufhin EBM Föll hin.

Er schließt diesen Tagesordnungspunkt mit der nochmaligen Zusage ab, dass die Anträge noch schriftlich durch die Verwaltung beantwortet werden.

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