Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 0000-03
GRDrs 807/2023
Stuttgart,
08/31/2023



Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes bei der LHS - Einrichtung einer Internen Meldestelle



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
11.10.2023
12.10.2023



Beschlußantrag:

1. Dem Amt für Revision wird nach § 112 Abs. 2 GemO BW die Aufgabe und die Implementierung einer Zentralen Internen Meldestelle i. S. d. rechtlichen Vorgaben, insbesondere der §§ 12 ff. des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG), übertragen. Der damit verbundenen Änderung der Revisionsordnung (Anlage 1) wird zugestimmt. 2. Vom zusätzlichen Personalbedarf für den Betrieb der Zentralen Internen Meldestelle (ZIM) im Umfang von derzeit 1,0 Vollzeitkraft (Stelle) wird Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird ermächtigt, ab sofort zusätzliches Personal im Umfang von 1,0 VZK in EG 14 TVöD bis 31.12.2023 zu beschäftigen. Über die dauerhafte Stellenschaffung ist im Rahmen der Beratungen zum Doppelhaushalt 2024/2025 zu entscheiden. 3. Der überplanmäßigen Mittelbereitstellung von maximal 41.667 EUR in 2023 im Teilergebnishaushalt THH 140 – Amt für Revision - wird zugestimmt. Die Finanzierung erfolgt aus der Deckungsreserve Personal im Teilergebnishaushalt 900 - Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 - Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 - Sonstige ordentliche Aufwendungen.



Begründung:

A. Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes


Die Einführung einer Zentralen Internen Meldestelle (ZIM) setzt die gesetzlichen Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (sog. Whistleblower-Richtlinie) sowie des Hinweisgeberschutzgesetzes des Bundes um.



Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das am 11. Mai 2023 im Bundestag beschlossen wurde und dem der Bundesrat zugestimmt hat, ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle folgt aufgrund des Durchgriffsverbots nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG nicht unmittelbar aus dem Hinweisgeberschutzgesetz, sondern wird für juristische Personen des öffentlichen Sektors bereits seit dem 18. Dezember 2021 unmittelbar durch die Richtlinie vorgegeben. Gleichzeitig setzt das Hinweisgeberschutzgesetz den rechtlichen Rahmen für interne Meldestellen. Es ist daher nicht geboten, die landesrechtliche Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes abzuwarten.

Aus den gesetzlichen Vorgaben ergeben sich u. a. folgende Kernanforderungen:


Weitere Informationen zum gesetzlichen Rahmenwerk sind der beiliegenden Präsentation (Anlage 2) zu entnehmen.

B. Implementierung einer Zentralen Internen Meldestelle (ZIM) bei der Landeshauptstadt Stuttgart

Zur Umsetzung der komplexen Vorgaben der Richtlinie sowie des Hinweisgeberschutzgesetzes wurde bereits im vergangenen Jahr eine stadtweite Arbeitsgruppe (AG) gebildet. In dieser sind folgende Ämter bzw. Bereiche vertreten: Amt für Revision, DO.IT- Amt für Digitalisierung, Organisation und IT, Haupt- und Personalamt, Stadtkämmerei, Rechtsamt, Abteilung Datenschutz und Informationssicherheit und der Gesamtpersonalrat.

Die Arbeitsgruppe hat ein umfassendes Konzept zur Implementierung einer internen Meldestelle erarbeitet, welches nachfolgend sowie in Anlage 2 im Überblick dargestellt wird.




1. Organisation

Das Hinweisgeberschutzgesetz sowie die Richtlinien geben nicht vor, an welcher Stelle die organisatorische Einbindung einer internen Meldestelle innerhalb eines Unternehmens oder einer Kommune zu erfolgen hat. Gleichzeitig werden hohe organisatorische und fachliche Anforderungen an die interne Meldestelle selbst gestellt.
So müssen die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen in der Ausübung ihrer Tätigkeit sowohl unabhängig und frei von Interessenskonflikten sein (vgl. § 15 Abs. 1 HinSchG) als auch die notwendige Fachkunde mitbringen (Abs. 2).

Die Tätigkeit der internen Meldestelle ist aus prozessualer Sicht in weiten Teilen mit der Tätigkeit der Zentralen Antikorruptionsstelle vergleichbar. Weitestgehend ungleich gestaltet sich hingegen der umfangreiche sachliche Anwendungsbereich (vgl. Anlage 3). Die im Anwendungsbereich der Zentralen Antikorruptionsstelle liegenden Korruptions- und Begleitdelikte sind dabei vom sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes mit umfasst.

Vor diesem Hintergrund können mit der Zuordnung der Zentralen Internen Meldestelle zum Amt für Revision bereits existierende Strukturen der Zentralen Antikorruptionsstelle genutzt und verbunden werden. Die Unabhängigkeit i. S. d. § 15 HinSchG, welche sich aus § 109 Abs. 1 GemO sowie der städtischen Revisionsordnung ergibt, ist damit gewährleistet. Ferner liegt die notwendige Fachkunde vor.

Unter dem Gesichtspunkt einer effektiven und zeitnahen Umsetzung wird daher die Zentrale Interne Meldestelle als Stabsstelle beim Amt für Revision angesiedelt, die gleichzeitig und in Synergie für die Aufgaben der Zentralen Antikorruptionsstelle zuständig ist. Im repressiven Bereich folgt die Tätigkeit der Zentralen Antikorruptionsstelle künftig den Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes. Der Bereich der Korruptionsprävention behält seine herausge­hobene Stellung bei.

2. Aufgaben sowie Rechte und Pflichten der Zentralen Internen Meldestelle

Zu den Aufgaben gehören insbesondere (vgl. § 18 HinSchG)


Hierbei werden nachfolgende Punkte als besonders relevant angesehen:

(1) Informationsweitergabe an weitere Stellen

Hinweise, die bei der Zentralen Internen Meldestelle eingehen, können neben der betroffenen Einheit gleichzeitig auch den Zuständigkeitsbereich weiterer städtischer Stellen berühren. Dies erfordert eine umfassende Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den beteiligten Stellen bzw. Einheiten sowie der Zentralen Internen Meldestelle (vgl. Anlage 4).


(2) Durchführung interner Untersuchungen nach § 18 Nr. 1 HinSchG

Bei plausiblen und begründeten Verdachtshinweisen sind durch die Zentrale Interne Meldestelle interne Ermittlungen durchzuführen. Hierbei sind, soweit dies für die Aufklärung erforderlich und geboten ist und das Vertraulichkeitsgebot gewahrt wird, weitere unterstützende Personen hinzuzuziehen. Die Rechte und Pflichten der Zentralen Internen Meldestelle werden dabei durch eine Dienstanweisung geregelt. Die internen Ermittlungen dienen insbesondere der Aufarbeitung begangener Verstöße, dem Abstellen rechtswidrigen Handelns (Legalitätspflicht) sowie als Grundlage zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen der Landeshauptstadt Stuttgart.

(3) Berichtspflicht

Die Zentrale Interne Meldestelle schließt ihre Prüfungen mit einem Prüfungsbericht ab. Adressaten des Prüfberichts sind die jeweils für die Folgemaßnahmen zuständigen Referate sowie (in Kopie) die jeweiligen zuständigen operativen Stellen und in bedeutsamen Fällen der Oberbürgermeister (über L/OB). Ergibt sich die Bedeutsamkeit erst im Laufe oder bei Abschluss der Prüfung, erfolgt die Information zu diesem Zeitpunkt.

Überdies berichtet die Zentrale Interne Meldestelle im Rahmen des Schlussberichts des Amts für Revision dem Gemeinderat über ihre Tätigkeit.

(4) Pflicht zur Ergreifung weiterer Maßnahmen, insb. zur Abstellung von Regelverstößen oder rechtswidrigen Zuständen

Spätestens mit Kenntnisnahme des Prüfberichts obliegt die Ergreifung weiterer Maßnahmen, insbesondere aus dem Straf-, Arbeits-, Dienst- oder Zivilrecht, den zuständigen Referaten sowie den zuständigen operativen Stellen.

Hiervon unbenommen steht der Zentralen Internen Meldestelle die Befugnis zu, selbst den Bericht oder einzelne Sachverhaltsinformationen an andere verantwortliche städtische Stellen zur Ergreifung weiterer Maßnahmen weiterzuleiten (z. B. an das Haupt- und Personalamt zur Prüfung arbeitsrechtlicher Maßnahmen).

Die Zentrale Interne Meldestelle selbst ist durch die oben genannten Stellen zeitnah und umfassend über die Ergreifung weiterer Maßnahmen zu informieren.

(5) Rehabilitierung betroffener Mitarbeiter*innen

Das Veranlassen von Maßnahmen zur Rehabilitierung von vom Hinweis betroffenen Personen obliegt nicht der Zentralen Internen Meldestelle, sondern ist als Aufgabe der städtischen Einheiten anzusehen, bei dem die betroffene Person tätig ist. Diese haben – sofern dies von der betroffenen Person gewünscht ist – auf eine Rehabilitierung hinzuwirken.

(6) Weitere Aufgaben der Zentralen Internen Meldestelle

Zu den weiteren Aufgaben der Zentralen Internen Meldestelle gehören insb. die Sensibilisierung städtischer Bediensteter sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Sie ist zudem Ansprechperson für externe Meldestellen.

3. Meldekanäle für hinweisgebende Personen

Die
Zentrale Interne Meldestelle stellt für hinweisgebende Personen folgende Meldekanäle zur Verfügung:

· Mündliche Entgegennahme (Telefon)

· Persönliche Zusammenkunft

· Schriftliche Hinweisabgabe (Brief, Fax, E-Mail)

· Hinweisgebende Personen können sich zudem an den Vertrauensanwalt der LHS wenden.
Vertragliche Vereinbarungen mit dem Vertrauensanwalt, die bereits für den Bereich der Korruptionsdelikte bestehen, müssen entsprechend ausgeweitet werden.


4. Zentrale Interne Meldestelle als Meldestelle für städtische Beteiligungsgesellschaften Die Zentrale Interne Meldestelle bietet zudem jenen städtischen Beteiligungsgesellschaften, welche aufgrund ihrer Unternehmensgröße (insb. Mitarbeiterzahl) zur Einrichtung einer Meldestelle zwar verpflichtet sind, aber deren Einrichtung dort zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würde, die Funktion eines internen Meldekanals i. S. d. Hinweisgeberschutzgesetzes an. Die Nutzung der Zentralen Internen Meldestelle als Meldekanal ist dabei als Angebot zu verstehen und stellt keine Pflicht der Beteiligungsgesellschaften dar. Die Tätigkeit der Zentralen Internen Meldestelle beschränkt sich - falls dies nicht durch gesonderte Vereinbarung im Einzelfall abweichend geregelt wird - auf die Entgegennahme von Meldungen, die Kommunikation mit hinweisgebenden Personen und die Weiterleitung der Meldung unter Wahrung der Vertraulichkeit an die betroffene Beteiligungsgesellschaft. Die Verantwortung für Folgemaßnahmen verbleibt bei den jeweiligen Beteiligungsgesellschaften bzw. deren Vertretungsorganen. Für diese zusätzliche Aufgabenwahrnehmung der Zentralen Internen Meldestelle ist – je nach Inanspruchnahme - ggf. mit einem erhöhten Arbeitsaufwand zu rechnen.

C. Ressourcen


(1) Personelle Auswirkungen

Für die dargestellten Aufgaben wird zunächst zusätzliche Personalkapazität im Umfang von einer Stelle für eine/-n Juristen/Juristin in Bes. Gr. A 14/EG 14 TVöD benötigt. Ein entsprechender Stellenplanantrag wurde zum Doppelhaushalt 2024/2025 gestellt. Wie eingangs (s. o. A. Begründung) erläutert, sind wesentliche rechtliche Vorgaben bereits in Kraft getreten, Hinweise können jederzeit zur Bearbeitung eingehen. Als Landeshauptstadt mit einer großen Verwaltung empfiehlt es sich, auch unabhängig der noch ausstehenden Landesregelung, die Zentrale Interne Meldestelle zeitnah einzurichten und damit die Voraussetzungen für die internen Melde- und Prüfabläufe zu schaffen und den Mitarbeitenden/Hinweisgebenden stadtinterne Meldekanäle zeitnah bereitzustellen. Daher soll die personelle Aufstockung bereits vor Abschluss des Stellenplanverfahrens erfolgen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und Fallzahlen der Zentralen Antikorruptionsstelle sowie Erhebungen anderer Institutionen aus dem Bereich der Compliance ist ein späterer zusätzlicher Stellenbedarf nicht auszuschließen.

(2) Finanzielle Ausstattung

Bereits jetzt zeigt sich, dass die Tätigkeit der Zentralen Antikorruptionsstelle und damit einhergehend das Vertrauen in diese stark mit der Wahrnehmung in der Stadtverwaltung korreliert. Das Anbieten eines umfänglichen Schulungsprogramms, die zeitnahe Bearbeitung von Anfragen sowie die Nutzung unterschiedlicher Informationsmedien tragen bereits jetzt zu einer positiven Wahrnehmung der Zentralen Antikorruptionsstelle bei. Gerade bei der internen Meldestelle gilt es, dieses Vertrauen immer wieder zu bekräftigen und präsent zu halten. Neben kostenfreien Möglichkeiten, z. B. der Bereitstellung ausführlicher Informationen im Intranet und Internet, bedarf es auch anderer kostenpflichtiger Informationsmedien (z. B. Flyer, Postkarten, Poster) sowie eines E-Learning-Angebots.

Weiterhin gilt es zu beachten, dass das Personal der Zentralen Internen Meldestelle über die notwendige Fachkunde verfügen muss (§ 15 Abs. 2 S. 1 HinSchG). Dies kann nur durch eine beständige Wahrnehmung von Schulungs- und Fortbildungsangeboten erreicht werden.

Des Weiteren sind u. a. noch folgende Kosten zu berücksichtigen:


Die notwendigen finanziellen Mittel können zunächst aus vorhandenem Budget abgedeckt werden, auch aufgrund der bestehenden Synergien zur ZAKS/Antikorruption. Der tatsächliche Bedarf wird in der Folgezeit evaluiert.


Finanzielle Auswirkungen

Für die Ermächtigung im laufenden Jahr 2023 ist mit einem Personalmehraufwand in Höhe von maximal 41.667 EUR im Teilergebnishaushalt 140 – Amt für Revision, Kontengruppe 400 – zu rechnen. Für diesen Mehrbedarf stehen im Haushaltsjahr 2023 im Teilergebnishaushalt 140 keine ausreichenden Deckungsmittel zur Verfügung und sollen aus der Deckungsreserve Personal im Teilhaushalt 900 - Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 - Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 - Sonstige ordentliche Aufwendungen, gedeckt werden.



Beteiligte Stellen

Referat AKR und WFB




Dr. Frank Nopper Oberbürgermeister

Anlagen

Revisionsordnung
Präsentation HinSchG
Sachlicher Anwendungsbereich Darstellung der Zusammenarbeit





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