Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
410
14
VerhandlungDrucksache:
434/2016
GZ:
SJG
Sitzungstermin: 05.10.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Wölfle
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe de
Betreff: Förderung der sozialen Betreuung von Flüchtlingen und der pädagogischen Hausleitung (Heimleitung)


Vorgang: Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 25.07.2016, öffentlich, Nr. 84

Ergebnis: Ziffer 1 der GRDrs 434/2016 mehrheitliche Zustimmung bei 1 Gegenstimme,
Ziffern 2 - 4 werden zurückgestellt. Die Beratung und Beschlussfassung hierzu soll frühestmöglich nach der Sommerpause erfolgen einschl. der Anträge Nr. 222/2016 (SPD) und Nr. 230/2016 (SÖS-LINKE-PluS)

Verwaltungsausschuss vom 27.07.2016, öffentlich, Nr. 334

Ergebnis: Ziffer 1: einstimmige Beschlussfassung
Ziffern 2 - 4: Zurückstellung

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 26.09.2016, öffentlich, Nr. 108

Ergebnis: ohne Votum Verweisung in den Verwaltungsausschuss



Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Soziales, Jugend und Gesundheit vom 18.07.2016, GRDrs 434/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Betreuungsschlüssel für die soziale Betreuung von Flüchtlingen in der Landeshauptstadt Stuttgart wird ab 01.07.2016 in der vorläufigen Unterbringung (nicht pädagogische Hausleitung) von 1 : 136 betreuten Personen auf 1 : 110 betreute Personen verbessert.

2. In den Jahren 2016 und 2017 wird den Stuttgarter Trägern der Flüchtlingshilfe zur Schaffung zusätzlicher Personalressourcen für Aufgaben, die über die Beschreibung der Regelaufgaben (vgl. Anlage 1) hinausgehen (soziale Integration, Stadtteilarbeit, Öffentlichkeitsarbeit), ein städtischer Sonderzuschuss in Höhe von jeweils 200.000 EUR/Jahr bewilligt. Die Verteilung auf die Träger der Flüchtlingshilfe erfolgt entsprechend dem in Anlage 2 dargelegten Berechnungsmodell.

3. Ab dem 01.07.2016 gilt die in Anlage 3 beigefügte Fassung der Zuwendungsrichtlinien der Landeshauptstadt Stuttgart für die Förderung der sozialen Betreuung der zugewiesenen Flüchtlinge und für die pädagogische Hausleitung in den Flüchtlingsunterkünften (01.07.2016).

4. Es gelten die Allgemeinen Nebenbestimmungen.


Der Antrag Nr. 299/2016 vom 30.09.2016 der SPD-Gemeinderatsfraktion, der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS, der Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion sowie der FDP-Gruppierung, der von BM Wölfle aufgerufen wird, ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Grundsätzlich merkt StR Fuhrmann (CDU) an, seine Fraktion unterstütze die GRDrs 434/2016. Eine Abänderung dieser Vorlage werde nicht als sinnvoll angesehen. Bei dieser Entscheidung habe die CDU-Gemeinderatsfraktion sowohl die Empfindlichkeiten der Stuttgarter Bevölkerung als auch die Interessen der Flüchtlinge im Auge. Mit entscheidend für diese Positionierung sei die Tatsache, dass bereits eine Vielzahl von Verbesserungen im Bereich der Flüchtlingsarbeit und -betreuung erreicht seien. Der seitherige Betreuungsschlüssel von 1 : 68 (in Summe soziale Betreuung und pädagogische Hausleitung) sei schon sehr gut gewesen. Dieser Schlüssel habe sich aber durch die Entscheidung des Landes Baden-Württemberg, den Betreuungsschlüssel in der vorläufigen Unterbringung auf 1 : 110 zu verbessern in der Summe noch auf 1 : 61,5 verbessert. Dies sei deutschlandweit ein hervorragender Schlüssel. Es gebe jedoch noch weitere Verbesserungen. So sei die Betreuung von Flüchtlingen im privaten Wohnraum bislang auf 6 Monate beschränkt gewesen. Diese Beschränkung sei auf 12 Monate ausgeweitet worden. Zudem sei mit dem durch den Gemeinderat beschlossenen Sonderzuschuss in Höhe von 200.000 €/Jahr für Aufgaben im direkten Umfeld der Unterkünfte, der sozialen Integration und der Stadtteilarbeit eine weitere Verbesserung der Betreuungssituation verbunden. Mit diesem Sonderzuschuss, so die Vorstellung der CDU-Gemeinderatsfraktion, sollten z. B. Projekte finanziert werden, die gerade nicht über den Betreuungsschlüssel abgedeckt würden. Dem größten Träger, der Caritas, stünden durch diesen Zuschuss pro Quartal 16.000 € für gezielte Integrationsprojekte wie z. B. Projekte der Freundeskreise (Begegnungsfeste, Frauencafés, Sportevents, Hausaufgabenbetreuung etc.) zur Verfügung (25 €/Flüchtling/Jahr). Da viele Projekte mangels finanzieller Unterstützung nicht umgesetzt werden könnten, wäre dieser Zuschuss besonders wichtig.

Darüber hinaus habe sich seine Fraktion bei dieser Entscheidung auch von den gesetzlichen Vorgaben leiten lassen. Die wesentlichen Grundlagen seien das Flüchtlingsaufnahmegesetz Baden-Württemberg und dessen Durchführungsverordnung. Nach den gesetzlichen Regelungen gebe es, auch bezogen auf die Betreuung, eine eindeutige Unterscheidung zwischen der vorläufigen Unterbringung und der Anschlussunterbringung. In § 12 dieses Gesetzes und in der Durchführungsverordnung beschreibe das Land ausdrücklich die Flüchtlingssozialarbeit in der vorläufigen Unterbringung als vorrangige Betreuungsform. Desweiteren werde in § 18 Abs. 2 desselben Gesetzes die Art und Weise der Betreuung in der Anschlussunterbringung geregelt. Dort werde lediglich davon gesprochen, dass den unteren Aufnahmebehörden die soziale Betreuung und Beratung obliege. Dort gebe es keinen Hinweis auf Flüchtlingssozialarbeit analog der Regelung für die vorläufige Unterbringung. Aus diesem Grund unterbleibe letztlich eine Förderung des Landes in diesem Bereich. Die Stadt Stuttgart gewähre selbst mit einem Betreuungsschlüssel von 1 : 136 in der Anschlussunterbringung weit mehr als das, was seitens des Landes vorgegeben werde und was andere Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg leisteten. Die CDU-Gemeinderatsfraktion wünsche sich die Fortführung der Flüchtlingssozialarbeit auch in der Anschlussunterbringung, aber eben in einem vernünftigen Maß.

Die Stadt, und dies habe seine Fraktion ebenfalls bewegt, habe viele Kooperationspartner wie das Jobcenter, die für die Stadt viele Integrationsarbeiten vornehmen (z. B. Arbeitsförderung). Der Landeshauptstadt würden erhebliche Nachteile entstehen, sollte die Vorlage abgeändert werden. In den Haushaltsplanberatungen sei eine klare Entscheidung getroffen worden. Heute werde keine Grundlage dafür gesehen, diese Entscheidung zu ändern. Zudem habe die CDU-Gemeinderatsfraktion auch Bedenken zu den von der Verwaltung prognostizierten Zahlen (Verhältnis zwischen vorläufiger Unterbringung und Anschlussunterbringung). Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz gebe es mehrere Möglichkeiten wie Flüchtlinge in die Anschlussunterbringung gelangen. Auf zwei wesentliche wolle er eingehen. Die eine sei, der rechtskräftige Abschluss des Verwaltungsverfahrens. Diese Verfahren könnten bekanntlich durch entsprechende Rechtsmittel hinausgezögert werden. Und zum zweiten müsse berücksichtigt werden, dass das BAMF angekündigt habe, die Verfahren zu beschleunigen. Dies bedeute, jede Verfahrensbeschleunigung in diesem Bereich führe letztlich dazu, dass die Zahl der Personen in der Anschlussunterbringung ansteigt. Mit dem § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes gebe es außerdem eine gesetzliche Regelung, wonach Flüchtlinge, unabhängig von ihrem Verfahren, automatisch nach 24 Monaten in die Anschlussunterbringung gelangen. Damit habe sich das Land etwas abgesichert, damit die vorläufige Unterbringung und deren Bezuschussung nicht allzu lange andauert. Unter Berücksichtigung der Flüchtlingszuwächse Mitte 2015/Anfang 2016 seien all diese Flüchtlinge in der Konsequenz Mitte 2017/Anfang 2018 in der Anschlussunterbringung.

In der Folge wird der Antrag Nr. 299/2016 ausführlich durch StRin Dr. Hackl (SPD), StR Stopper (90/GRÜNE), StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS), StRin von Stein (FW) und StR Dr. Oechsner (FDP) begründet. Dabei betont StRin Dr. Hackl, es gehe um eine angemessene Betreuung der in der Anschlussunterbringung befindlichen Menschen. Nach der Anhebung des Betreuungsschlüssels für die vorläufige Unterbringung im Juli auf 1 : 110 sei es nur konsequent eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in der Anschlussunterbringung auf 1 : 120 umzusetzen. Für StR Stopper stellt eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in der Anschlussunterbringung auf 1 : 120 keinen Verstoß gegen das Flüchtlingsaufnahmegesetz des Landes dar. Dass die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS eigentlich einen Betreuungsschlüssel von 1 : 110 gefordert hat und nun einen Schlüssel von 1 : 120 als Kompromiss ansieht, hebt StR Rockenbauch hervor. Entsprechend der Einschätzung der vor Ort Tätigen müsse weiter an einer Harmonisierung, am besten an einem Schlüssel von 1 : 110 gearbeitet werden. Mit der Zustimmung zum Antrag Nr. 299/2016 sei für seine Fraktionsgemeinschaft dieses Thema also noch nicht erledigt. StRin von Stein und StR Dr. Oechsner begrüßen es, dass sich nun eine Mehrheit für einen Betreuungsschlüssel von 1 : 120 in der Anschlussunterbringung ergibt. Dem gegenüber beteht sich für StR Prof. Dr. Maier (AfD) kein Anlass, von dem in den Haushaltsplanberatungen mit großer Mehrheit gefassten Beschluss abzuweichen. Er lehnt den Antrag ab.

Seitens der Antragsteller werden folgende Aspekte für einen Betreuungsschlüssel von 1 : 120 in der Anschlussunterbringung angeführt:

- Die Hinführung in die Kitas und in die Schulen muss ein Kernpunkt in der Integration und in der Anschlussunterbringung sein (StRin Dr. Hackl)

- Das Jobcenter ist für SGB II-Fälle zuständig, aber es gibt viele Menschen die davon nicht erfasst werden (StRin Dr. Hackl)

- Traumatisierte Menschen benötigen auch in der Anschlussunterbringung eine verbesserte Betreuung (StRin Dr. Hackl)

- Ein verbesserter Betreuungsschlüssel bringt für die Träger und die Freundeskreise Planungssicherheit (StRin Dr. Hackl, StR Stopper)

- Die Landeshauptstadt weicht erfolgreich in der Integration- und Sozialpolitik häufig von den Maßstäben ab, die Landkreise anwenden (StR Stopper)

- Jeder Euro der in eine bessere Betreuung investiert wird zahlt sich für das Zusammenleben in der Stadt aus (StR Rockenbauch)

- Mit einem Betreuungsschlüssel, der auf die Bedarfe ausgerichtet ist, kann wirtschaftlich auf die sich ergebenen Erfordernisse eingegangen werden (StR Rockenbauch)

Für die Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion erklärt StR Stopper, und im Verlauf der Aussprache wird dies von StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) unterstützt, in den Etatberatungen habe man sich angesichts der Entwicklung der Flüchtlingszahlen und auch angesichts der ungesicherten Finanzierung seitens des Landes sowie der städtischen Finanzsituation nicht in der Lage gesehen, einen verbesserten Betreuungsschlüssel zu beschließen. Vielmehr sei damals gesagt worden, mit dem bestehenden Schlüssel müsse weitergearbeitet werden, da die Finanzierung einer Verbesserung nicht gesichert sei. Ein Bedarf für eine Schlüsselverbesserung sei aber sehr wohl gesehen worden. Daher sei mit dem beschlossenen Sonderzuschuss dafür gesorgt worden, dass zusätzlich Mittel für einen Einsatz in der Betreuung bereit stehen. Heute ergebe sich eine andere Situation. Das Land habe den Schlüssel in der Erstunterbringung (in der sozialen Betreuung) angesichts der gesehenen Bedarfe deutlich verbessert. Der Einsatz der Sonderzuschussmittel sei der einfachste Weg für eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in der Anschlussunterbringung. Seine Fraktionsgemeinschaft, so StR Rockenbauch, erachte eigentlich neben einem verbesserten Betreuungsschlüssel weiterhin den Sonderzuschuss zur Durchführung von Projekten als notwendig. Da diese Position bedauerlicherweise aber nicht mehrheitsfähig sei werde der Antrag unterstützt. Im Verlauf der Aussprache stellt StR Kotz (CDU), der die Ausführungen von StR Fuhrmann unterstützt, die Frage, ob die im Haushalt eingestellten Sonderzuschussmittel 2016/2017 in Höhe von insgesamt 400.000 € für eine Realisierung des Betreuungsschlüssels 1 : 120 bis Ende 2017 ausreichen.

Anschließend merkt BM Wölfle an, alle Träger hätten sich für eine Schlüsselverbesserung ausgesprochen. Seines Erachtens nehmen die Herausforderungen in der Anschlussunterbringung mit zunehmender Dauer dieser Unterbringung zu. Von daher sei auch bei den Ehrenamtlichen die Erwartungshaltung vorhanden, dass dort der hauptamtliche Bereich gestärkt gehört. Die von der Verwaltung angestellten Annahmen, und damit wendet er sich an StR Fuhrmann, seien von der Verwaltung so wie schon in der Vergangenheit und so wie dies auch in Zukunft geschehe, getroffen worden. Sicherheiten für Annahmen gebe es jedoch keine. Auch das BAMF habe in der Vergangenheit viele Versprechungen gemacht und gehofft werde, dass von dort diese Versprechen eingehalten werden könnten. Davon sei man jedoch noch sehr weit entfernt.

Seitens der Träger erwartet er ein eindeutiges Commitment zu den Zielen der Stadt und eine aktive Unterstützung bei den im Integrationsgesetz hinterlegten Maßnahmen. Da dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit sei müsse dies nicht in die Richtlinien aufgenommen werden. In diese Richtung würden die Gespräche mit den Trägern geführt.

Auf der Grundlage der Annahmen, dies erklärt EBM Föll, reichten die 400.000 € für 2016 und 2017 bis 31.12.2017, da der verbesserte Schlüssel nicht 24 Monate, sondern lediglich 15 Monate finanziert werde. Unter Zugrundelegung, dass 50 % der Flüchtlinge in die Anschlussunterbringung kommen, bei stabilen Zu- und Abgangszahlen, müssten schon 2017 knapp 400.000 € aufgewendet werden. Daraus ergebe sich natürlich, dass die Zusatzbelastung eines Schlüssels von 1 : 120 in der Anschlussunterbringung für 12 Monate höher sei als 200.000 €. Im Detail hingen die Zusatzkosten ja ein Stück weit von den Fallzahlen und davon ab, wie die Träger, die für einen Schlüssel von 1 : 120 notwendigen Stellenbesetzungen vornehmen könnten.

Ab 2018 sei in der Finanzplanung aber lediglich der Schlüssel 1 : 136 finanziert. Wenn davon ausgegangen werde, dass sich ab 2018 nahezu 100 % der Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung befänden, entweder weil vom BAMF die Anerkennungen vorliegen, oder die 24monatige Frist für die vorläufige Unterbringung abgelaufen ist bzw. im ersten Halbjahr 2018 ablaufen wird, müsse von einem Zusatzaufwand in der Größenordnung von 750.000 €/Jahr ausgegangen werden. Dies aufgreifend geht StR Pantisano (SÖS-LINKE-PluS) davon aus, dass, wenn heute ein Betreuungsschlüssel von 1 : 120 für die Anschlussunterbringung beschlossen wird, dieser Beschluss durch den Oberbürgermeister in die Finanzplanung des Doppelhaushaltsplanentwurfs 2018/2019 übernommen wird.



Zum Ende der Aussprache stellt BM Wölfle fest:

Der Verwaltungsausschuss beschließt den Antrag Nr. 299/2016 bei 11 Ja-Stimmen und 6 Gegenstimmen mehrheitlich, wobei der verbesserte Betreuungsschlüssel von 1 : 120 ab 01.10.2016 gelten soll.

Der Verwaltungsausschuss beschließt einstimmig die Beschlussantragsziffern 3 und 4 der GRDrs 434/2016.

zum Seitenanfang