Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
164
1a
VerhandlungDrucksache:
415/2021
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 19.05.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Schmidt
Betreff: Flughafen Stuttgart GmbH
Mitfinanzierung des Ausgleichs für Vorhaltekosten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 12.05.2021, GRDrs 415/2021, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Flughafen Stuttgart GmbH wird ein Ertragszuschuss in Höhe von 5.419.580,42 EUR gewährt, um einen Teil der ungedeckten Vorhaltekosten für den Zeitraum des ersten Lockdowns vom 04.03. bis 30.06.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie auszugleichen.

Der Aufwand in Höhe von 5.419.580,42 EUR wird gedeckt im Teilergebnishaushalt 2021 THH 200 Stadtkämmerei, Amtsbereich 2001112 - Finanz- und Beteiligungsverwaltung, Kontengruppe 430 - Transferaufwendungen.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Einführend erläutert BM Fuhrmann in einer kurzen Zusammenfassung die Vorlage.

Auf den aktuell diskutierten Jahresabschluss 2020 der Flughafen Stuttgart GmbH und die damit verbundene desaströse Lage verweist StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜ-NE) (WA, NNr. 69). Bisher sei man davon ausgegangen, dass Zuschüsse von Bund und Land flössen, und sei daher überrascht, dass nun auch die Stadt Stuttgart einen Anteil von rund 5 Mio. Euro zahlen müsse. Trotzdem halte sie es für wichtig, dass der Flughafen diese Gelder bekomme und weiterhin funktioniere. Auch die energetische Sanierung müsse durchgeführt werden. Insofern könne ihre Fraktion der Vorlage zustimmen.

Verständnis für die Haltung des Landes äußert StR Kotz (CDU). Die Stadt Stuttgart sei mit 35 % am Flughafen beteiligt und daher auch zur Unterstützung verpflichtet. Somit könne er der Vorlage zustimmen.

Für StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) stellt die Corona-Pandemie eine notwendige Gelegenheit dar, um grundsätzlich über die Strategie des Flughafens zu sprechen. Die desaströse Lage resultiere daraus, dass 58 % der Flugbewegungen 2020 nicht stattgefunden hätten. Dies sei nicht mal das Maß einer notwendigen Reduzierung, um die Klimaschutzziele zu erreichen, und bilde eine zentrale Aussage über die Perspektive des Flughafens. Mit einer energetischen Modernisierung der Liegenschaft sei es nicht getan, sondern es gehe in erster Linie darum, Flugbewegungen um 70 - 75 % und somit Energieverbrauch zu reduzieren. Wenn bereits bei einer Reduzierung von knapp 60 % ein Defizit von 100 Mio. Euro auflaufe, stimme etwas nicht. Mit der Perspektive der Reduzierung könne nicht die gigantische Infrastruktur mit städtischen Mitteln querfinanziert werden. Die Strategie des Flughafens sei auf wachsende Fluggastzahlen ausgerichtet und somit keine ökologische Strategie. Ihm sei bewusst, dass diese Thematik politisch sehr heikel sei, da im Stuttgarter Umland viele große Unternehmen ansässig seien, die das Fliegen beruflich benötigten. Aber auch hier führe Corona zu einem Umdenken, was die digitalen Einsatzmöglichkeiten betreffe. Zudem habe man Angst, den Flughafen zu verlieren, denn "da hängt ja sowas dran wie der Urlaub", aber diesen könne man wie Kultur auch in der Region erleben. Er ruft dazu auf, eine entsprechende Perspektive zu formulieren und den Menschen lokal Erholung und Aufenthaltsqualität zu bieten und nicht einfach 5 Mio. Euro "durchzuwinken". Dieser Diskussion müsse man sich stellen. In seiner Fraktion herrsche keine Einigkeit zur Vorlage, daher werde er selbst diese ablehnen.

Wie in Stuttgart bereits verschiedentlich angestoßen, gebe Corona Anlass, über vieles nachzudenken, so StR Perc (SPD). Das geschäftliche Übernachtungsaufkommen werde sich nachhaltig reduzieren, was auch Folgen für den Flughafen bedeute. Diese Erkenntnis sei bei allen Beteiligten erkennbar, wobei die Unterstützungsmaßnahme nicht mit einer grundlegenden Strategie verquickt werden dürfe. Infrastruktur und Belegschaft seien auf 100 % ausgelegt. Der Prozess des Nachdenkens über die zukünftige Ausrichtung des Flughafens sei angestoßen, in der heutigen Diskussion gehe es jedoch konkret darum, dem Unternehmen in der aktuellen Situation zu helfen, wozu seine Fraktion die Zustimmung gebe. Grundsätzlich hält der Stadtrat die Diskussion über die Beteiligung an Regionalflughäfen für wichtig, denn so könne eine gute Strategie erzielt werden, wenn sie den Zustand nach der Pandemie gut abbilde. Zu einer ehrlichen und nachhaltigen Strategieentwicklung gehöre es, nachpandemische Rahmenbedingungen zu bedenken, da sonst eventuell Fehlschlüsse gezogen würden. In der Zielsetzung sei man sich darüber einig, dass das Flugaufkommen weniger werden müsse.

StR Dr. Oechsner (FDP) ist der Meinung, der Vorlage müsse zwangsweise zugestimmt werden. Dennoch könne er im Prinzip StR Rockenbauch Recht geben, dass über Flugverkehr und Flughafen gesprochen werden müsse. Dies sei politisch nicht heikel, sondern eine Frage der Entscheidung der politischen Mehrheiten. Wenn man diese Vorlage dennoch ablehne, sende man damit ein verheerendes arbeitspolitisches Signal. Die Mittel benötige die Flughafen GmbH dringend, um ihre Personalkosten zu decken. Wer ein Unternehmen besitze, müsse dieses auch entsprechend unterstützen.

Auf die Beteiligung der Landeshauptstadt Stuttgart an der Flughafen GmbH verweist StRin von Stein (FW). Diese sei bisher ein erfolgreiches Unternehmen gewesen, deren Gewinne man gerne eingestrichen habe. Eigentum verpflichte auch in der Krise. Die Diskussion über weiteren Flugverkehr könne heute nicht geführt werden, denn es sei auch in diesem Bereich mit Veränderungen zu rechnen. Ihre Fraktion könne der Vorlage zustimmen.

Deutschland generiere weniger als 2 % des CO2-Ausstoßes, so StR Ebel (AfD). Selbst wenn alle Flugzeuge und Kraftfahrzeuge in Deutschland abgeschafft würden, hätte dies keinerlei Auswirkungen auf die globale Situation. Der Blick müsse auf China gerichtet werden.

Ähnlich wie StRin von Stein ist auch StRin Schumann (PULS) der Meinung, dass Eigentum verpflichte, dennoch müsse dieser Punkt aufgrund der Veränderungen kritisch betrachtet werden. Grundsätzlich müsse über die Zukunft regionaler Flughäfen nachgedacht werden. Nicht alles, was sinnvoll sei, sei automatisch auch positiv zu bewerten. Sie werde sich der Vorlage enthalten, da eine Abstimmung innerhalb ihrer Fraktion nicht erfolgt sei. Sie halte das Thema - auch angesichts der hohen Summe - für schwierig.

Für StR Rockenbauch ist die heute geführte Debatte lohnenswert, diese werde jedoch seit 16 Jahren geführt. Er nutze jede Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass dieser Regionalflughafen keine Perspektive habe. Dies sei an der Vorlage zu erkennen. Durch Corona werde deutlich, dass das klimaverträgliche Maß der Infrastruktur nicht wirtschaftlich zu betreiben sei. Es sei legitim, wenn seine Fraktion bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Flughafen bleibe. Selbstverständlich brauche es eine arbeitsmarktpolitische Begleitung wie in anderen Bereichen - etwa der Automobilindustrie - auch. Anstatt das Geld einfach "durchzuwinken", sei es interessanter zu diskutieren, wo dieses nachhaltiger eingesetzt werden könne. Diese Debatte werde im Rat nicht geführt, und er akzeptiere es nicht länger, weiter vertröstet zu werden. Er fordert die Ausschussmitglieder auf, zur Perspektive des Flughafens endlich Position zu beziehen.

Die für den Bundeszuschuss dringend benötigte Zustimmung bis zum 31.05.2021 ruft StR Kotz in Erinnerung. Aufgrund des Zeitdrucks bestehe nicht die Möglichkeit, über Perspektiven zu diskutieren. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass mehr innerdeutsche Bahnstrecken attraktiver gemacht werden müssen. Er halte es jedoch weiterhin für richtig, dass Urlauber ab Stuttgart in den Urlaub fliegen könnten.

Mit der Ergänzung, die Fördergelder erhalte der Flughafen nur, weil er als systemrelevant eingestuft worden sei, stellt BM Fuhrmann fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag bei 2 Gegenstimmen mehrheitlich zu (1 Enthaltung).


Zur Beurkundung


Schmidt / pö


zum Seitenanfang