Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 22.07.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:der Vorsitzende, BVin Weis (Mö)
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: "Rassistische Darstellung im Stadtbezirkswappen von Stuttgart Möhringen austauschen"
- gemeinsamer Antrag Nr. 251/2020 v. 22.06.2020
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei,
SPD, PULS)
- Vertagung -

Der im Betreff genannte Antrag sowie der Antrag Nr. 246/2020 vom 22.06.2020 der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die Stellungnahme des Bezirksbeirats Möhringen zu dem Antrag Nr. 251/2020 mit dem Betreff "Rassistische Darstellung im Stadtbezirkswappen von Stuttgart-Möhringen austauschen" wird ausgeteilt. Dieses Papier ist diesem Protokoll als Anlage beigefügt.


Einführend berichtet EBM Dr. Mayer, im Stadtbezirk Möhringen habe sich bekanntlich eine Arbeitsgemeinschaft "Wappen" gegründet. Indem er einen Exkurs in das Wappen- und Flaggenwesen vornimmt fährt er fort, das Recht auf Wappen- und Flaggenführung stehe nur der Gemeinde als Gebietskörperschaft zu. Beim Beratungsthema sei dies natürlich die LHS aber nicht ihre Untergliederungen (Stadtbezirke). Die Stadtbezirke könnten weder eigene Wappen noch eigene Flaggen noch eigene Dienstsiegel führen. Bevor Möhringen in die Stadt Stuttgart eingemeindet worden sei, sei Möhringen eine eigenständige Gemeinde gewesen, zugehörig zum Landkreis Böblingen. Beim beanstandeten Wappen handle es sich also nicht um ein Wappen im Rechtssinne, sondern um ein historisches Wappen der ehemaligen Gemeinde Möhringen, und Möhringen sei wie gesagt keine eigenständige Gemeinde mehr. Solche historischen Wappen könnten grundsätzlich von jedermann verwendet werden, sofern keine Urheberrechte entgegenstünden. Dies sei hier nicht der Fall. Die Stadt habe auch nicht die Möglichkeit, dieses historische Wappen einfach abzuändern, da es als historisches Wappen informell einfach Bestand habe. Gleichzeitig bestehe natürlich die Möglichkeit, ein anderes neues informelles Wappen zu erstellen. Dies wäre aber eine eher symbolische Geste, da es sich dann nicht um ein eigenständiges Wappen im Rechtssinne handeln würde. Es gebe wie gesagt nur das Wappen der Stadt Stuttgart.

Die Stadt Stuttgart bzw. der Gemeinderat könne beschließen, und dies sei sozusagen der Verfügungsspielraum, dass das Wappen zukünftig in keiner Form durch die Stadt oder ihre Gliederungen benutzt werden könne (Entfernung von der Website, keine Verwendung mehr bei Bürgerversammlungen usw.).

BVin Weis stellt in der Folge ausführlich die Inhalte des Papiers des Bezirksbeirates dar.

Aus diesen Ausführungen der Bezirksvorsteherin leitet der Vorsitzende ab, dass dieses historische Wappen/Logo nicht einfach nicht mehr verwendet werden soll. Vielmehr werde eine historische Aufarbeitung durch ein Gutachten gewünscht. Die zukünftige Nutzung solle davon abhängig gemacht werden, dass das Ergebnis der kritischen Reflexion benannt werde. Dies präzisierend erklärt die Bezirksvorsteherin, das Wappen solle weiterhin auf der Homepage existent sein. Durch eine Verlinkung solle darauf hingewiesen werden, dass eine historische Aufarbeitung stattfinde. Sobald das Gutachten vorliege, solle eine Verlinkung zu diesem Gutachten erfolgen.

In seiner anschließenden Begründung des Antrages Nr. 251/2020 begrüßt StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), dass sich vor Ort eine Arbeitsgruppe gebildet hat mit dem Ziel, ein identitätsstiftendes Logo für den gesamten Stadtbezirk zu entwickeln. Dieser Prozess solle nicht behindert werden. Dann, wenn die Arbeitsgemeinschaft ein neues Logo gefunden habe, könne natürlich auf das frühere hingewiesen werden, aber auf städtischen Internetseiten und in städtischen Räumen dürfe es zukünftig nur noch das neue Logo geben. Dort, und dies sei für die Antragsteller gesetzt, dürfe das historische Wappen nicht mehr auftauchen. Der Antrag werde aufrechterhalten.

Die Aufarbeitung der Angelegenheit durch die Arbeitsgruppe lobt StR Perc (SPD). Positiv wertet er die beabsichtigte Schaffung eines den gesamten Stadtbezirk abdeckenden neuen Logos. Wenn das Ziel allerdings laute, ein neues Logo zu etablieren, könne das alte nicht weiterverwendet werden. In der heutigen Zeit könne eigentlich nicht wirklich ernsthaft darüber diskutiert werden, das historische Wappen weiterzuverwenden. Einigkeit müsse darüber bestehen, dass es sich bei der Mohrin im Wappen um eine rassistische Darstellung handle. Zu sagen, weil dieses Wappen schon lange Zeit verwendet worden sei, solle es weiterverwendet werden, und dann noch auf öffentlichen, offiziellen Seiten der Stadt, gehe nicht. Hier hätte der Bezirksbeirat etwas mutiger agieren können. Bezogen auf die Wappenverwendung auf Vereinsmaterialien wie Fahnen und Flaggen fährt er fort, diese Dinge könnten natürlich nicht vernichtet werden, es wäre allerdings erfreulich, wenn das neue Logo aufgrund seiner Überzeugungskraft durch Vereine/Verbände übernommen würde.

Von StR Roth (90/GRÜNE) wird an den Antrag Nr. 246/2020 erinnert. In seiner Antragsbegründung wirbt er, abzielend auf das historische Möhringer Wappen, für einen breit angelegten Prozess, in dessen Rahmen auch im Sinne des Antrags Nr. 251 ein Vorschlag zur Aufarbeitung der NS- und Kolonialvergangenheit von Stuttgart erarbeitet werden kann. Die in den Haushaltsplanberatungen geschaffene Stelle zur Erinnerungskultur solle in Kürze ausgeschrieben werden. Diese Stelle solle ja einen runden Tisch einberufen, um die genannten Themenkomplexe aufzuarbeiten. Seine Fraktion sehe es als bedeutsam an, dass die Aufarbeitung durch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung stattfinde. Ein historisches Gutachten reiche nicht aus. Vielmehr müsse die aktuelle wissenschaftliche Position zum Umgang mit historischen Wappen einbezogen werden. Ziel der Debatte sei, in den Köpfen, insbesondere in der weiten Mehrheitsgesellschaft, einen Prozess zu starten. An dieser Stelle zitiert StR Roth folgendes Zitat von Bundespräsident Steinmeier: "Wir müssen Anti-Rassisten sein. Es reicht nicht aus, kein Rassist zu sein." Der vorgeschlagene Prozess solle beispielsweise darauf hinwirken, dass die Möhringer Einwohnerschaft ein Verständnis entwickle, weshalb z.B. people of colours dieses Wappen als rassistisch betrachteten.

Den Ausführungen von StR Perc schließt sich StR Walter (PULS) an. Er kann sich vorstellen, dass künftig neben dem neuen Logo das alte Wappen mit einem Zusatz über die historische Einordnung im Bezirksrathaus hängt, und dass auf Vereinsmaterialien, bis diese ausgetauscht werden, das alte Wappen weiter verwendet wird. Nicht nachvollziehen könne er jedoch, insbesondere bei Vorliegen des neuen Logos, die Weiterverwendung im Schriftverkehr im ehrenamtlichen Sektor. Die Vereine sollten aufgefordert werden, das neue Logo zu verwenden. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass Vereinen die Nutzung des alten Wappens nicht untersagt werden könne, merkt StR Walter an, seine Fraktionsgemeinschaft wünsche sich dennoch, dass die Verwaltung die Vereine auffordert, diese Nutzung zu unterlassen. BVin Weis stellt an dieser Stelle der Aussprache die Frage in den Raum, ob es dem Musikverein bei der in zwei Jahren stattfindenden Feier zum 15-jährigen Bestehen des Bürgerhauses erlaubt werden kann, seine Vereinsfahne, auf der sich das alte Wappen befindet, mitzuführen. Die in ihrem Stadtbezirk ehrenamtlich Tätigen identifizierten sich mit diesem alten Wappen, und ihnen könne die Wappennutzung wie bereits dargestellt auch nicht untersagt werden. Vor diesem Hintergrund sei es zielführender, den historischen Hintergrund des Wappens auf der Homepage des Stadtbezirks zu erklären. Sie selbst nutze das Wappen nicht.

Von StRin Ripsam (CDU) wird der Vorschlag der Arbeitsgruppe positiv bewertet. Zu sagen, dieses Wappen dürfe nicht mehr genutzt werden, würde zu Unzufriedenheit führen und beinhalte Konfliktpotenzial. Der durch den Bezirksbeirat beschrittene Weg, alle Beschwerden mit-/aufzunehmen, sei sehr gut. Ihre Fraktion unterstütze den vom Bezirksbeirat aufgezeigten Weg. Sie bedankt sich bei BVin Weis für ihr Engagement.

Zum Umgang mit einigen Denkmälern/Namensgebungen, so StRin Yüksel (FDP), gebe es durchaus Diskussionsbedarfe. Bei deren Errichtung bzw. bei den Namensgebungen hätten diese sicherlich dem jeweiligen Zeitgeist entsprochen, und diese seien auch Teil "unserer Geschichte". Aus jetziger Sicht seien diese aber für viele Bürgerinnen und Bürger verletzend, und diese stünden für etwas, wofür die heutige Gesellschaft nicht mehr stehe (z. B. kriegsverherrlichende Denkmäler). Der von der Bündnis 90/
DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion vorgeschlagene runde Tisch wäre der richtige Ort, um insgesamt diese Themen zu besprechen. Den Vorschlag der Möhringer Arbeitsgruppe begrüßt sie. Kritisch sieht sie eine Weiterverwendung des historischen Wappens. Zu ihrer Auffassung, dass der Gemeinderat bei dem Beratungsthema keine Zuständigkeit hat, wird seitens des
Vorsitzenden angemerkt, der Gemeinderat könne für die Stadtverwaltung festlegen, dass die Weiternutzung untersagt wird.

Weiter führt der Vorsitzende gegenüber StRin Yüksel an, Geschichte könne nicht ungeschehen gemacht werden, sondern sie sei stets eine Frage der Reflexion. Natürlich könne die Stadt versuchen, ein solches Wappen "verschwinden zu lassen". Dies könne aber daran scheitern, da andere die Möglichkeit hätten, dieses weiter zu nutzen. Gerechtfertigt sei die Frage, ob die kritische Reflexion mit diesem Teil der Geschichte nicht auch im Sinne der Debatte sei, die Ratsmitglieder zu Recht führen wollten. In England gebe es namhafte Stimmen aus Kunst und Kultur, die sich gegen die Schleifung von Sklavenhändler-Denkmälern gestemmt hätten. Diese Personen erachteten es für bedeutsam, dass über geschehenes Unrecht aufgeklärt werde und angeregt würden erläuternde Tafeln, eine wissenschaftliche Aufarbeitung sowie die Diskussionen, da Geschichte wie gesagt nicht ungeschehen gemacht werden könne. Es gebe viele unterschiedliche Perspektiven und es sei wohl auch nicht legitim, eine als die allein richtige zu benennen. Den Ansatz, sich grundsätzlich darüber Gedanken zu machen, wie mit solchen Teilen der Geschichte umzugehen ist, begrüße er. Der Schaffung von Fakten ziehe er einen runden Tisch unter Einbeziehung der dafür geschaffenen Struktur vor.

Für StR Körner (SPD) besteht Einvernehmen darüber, dass das in einem Punkt rassistische Logo im städtischen Zusammenhang durch ein neues ersetzt werden solle. Unproblematisch sei, wenn dieses historische Logo bei einer geschichtlichen Darstellung Möhringens auftauche und historisch eingeordnet werde. Einen Verbleib auf der städtischen Homepage empfindet er dagegen als schwierig. Dort sollte es so schnell wie möglich durch das neue in der Bearbeitung befindliche Logo ersetzt werden. Zudem könne der von der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion beantragte runde Tisch auf den Weg gebracht werden.

Daraus leitet EBM Dr. Mayer ab, dass das historische Logo im städtischen Kontext dann wiederverwendet werden kann, sobald die Möglichkeit besteht, das alte Logo dem neuen Logo kritisch gegenüberzustellen. StR Rockenbauch dagegen habe er so verstanden, dass dieses alte Logo dauerhaft nicht mehr verwendet werden soll.

StR Rockenbauch unterstreicht grundsätzlich, bereits vor zwei Monaten sei beantragt worden, dass eine Forscherkommission Kriterien zur Kolonialgeschichte, für kriegsverherrlichende Geschichte, für Sexismus und für Homophobie erarbeitet. Diese Themen müssten in der LHS endlich strukturell, wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Das vorliegende Thema sei jedoch speziell. Dieses lasse sich nicht durch diesen allgemeinen Auftrag abdecken. Über die Verwendung des historischen Logos müsse nicht diskutiert werden, und es werde auch keine historische Aufarbeitung benötigt, um zu wissen, dass diese Darstellung für viele Menschen verletzend sei. Es handle sich um eine rassistische Darstellung, die von Menschen auch so empfunden werde. Daher solle diese Darstellung im städtischen Kontext nicht mehr verwendet werden. Die Entscheidung darüber könne auch erst in der nächsten Sitzung getroffen werden.

Gegen Ende der Aussprache informiert BVin Weis, man habe auch das Feedback von in Möhringen lebenden schwarzen Einwohnern erhalten, die sich durch den Inhalt des historischen Logos nicht gekränkt fühlten. Wichtig ist ihr, dass dieses historische Logo weiter durch Vereine genutzt wird. Sobald das neue Logo vorliege, wolle der Bezirksbeirat eine Empfehlung aussprechen, dass dieses neue Logo das alte langsam ersetzen solle. Bei einem Verbot des alten Logos befürchtet sie, dass das neue Logo von Vereinen etc. nicht angenommen wird.


Dem Vorschlag von EBM Dr. Mayer, diesen Tagesordnungspunkt nochmals auf die Tagesordnung des Verwaltungsausschusses am 29.07.2020 zu setzen, wird nicht widersprochen. In Kenntnis des Ergebnisses der Möhringer Arbeitsgruppe bittet er die Fraktionen/die Fraktionsgemeinschaften, eine einheitliche Linie zu finden, über die dann nächste Woche abgestimmt werden kann. Neben dem Antrag Nr. 251/2020 soll dann auch der Antrag Nr. 246/2020 der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion "Für eine rege Kultur des Erinnerns!" aufgerufen werden.

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