Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz:
GRDrs 1050/2011
Stuttgart,
11/03/2011



Haushalt 2012/2013

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 11.11.2011



Novellierung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV)

Beantwortung / Stellungnahme

Welche inhaltlichen Änderungen ergeben sich durch die Novellierung der TrinkwV?

Am 3. Mai 2011 wurde die Erste Verordnung zur Änderung der TrinkwV verkündet. Deren Umsetzung bringt für die Gesundheitsämter nochmals eine erhebliche Ausweitung der Aufgaben mit sich. Für das Gesundheitsamt Stuttgart sind insbesondere die Neuregelungen, die die Hausinstallationen betreffen, von besonderer Relevanz. (vgl. Presseartikel in der Stuttgarter Zeitung vom 28.10.2011 „Suche nach Bakterien treibt die Mietkosten hoch“).

So wurde u. a.- für Großanlagen zur Trinkwassererwärmung nach Definition der allgemein anerkannten Regeln der Technik ein so genannter Technischer Maßnahmenwert (TMW) für Legionellen (Anlage 3 Teil II zu § 7) eingeführt, der außer in den Hausinstallationen, aus denen Wasser im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit abgegeben wird, auch in Hausinstallationen, aus denen Wasser im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit abgegeben wird - also z. B. in Mietwohnungen - einzuhalten und zu überwachen ist. Insbesondere diese Neuerung bedeutet für das Gesundheitsamt Stuttgart einen massiven Aufgabenzuwachs.

Auch die Neufassung des § 13 der novellierten TrinkwV stellt weitere neue Anforderungen an die Gesundheitsämter. So sind künftig – unter anderem - Hausinstallationen, in denen sich eine Großanlage zur Trinkwassererwärmung nach der Definition der allgemein anerkannten Regel der Technik befindet, dem Gesundheitsamt anzuzeigen, sofern aus diesen im Rahmen einer öffentlichen oder gewerblichen Tätigkeit Trinkwasser abgegeben wird. Auch der Bestand an solchen Anlagen ist dem Gesundheitsamt unverzüglich anzuzeigen. Diese Anzeigen werden vom Gesundheitsamt erfasst und ggf. bewertet.

In der Folge haben künftig die Unternehmer und sonstigen Inhaber solcher Hausin-stallationsanlagen, sofern sie Wasser im Rahmen einer öffentlichen oder gewerblichen Tätigkeit abgeben, „das Wasser jährlich durch ergänzende systemische Untersuchungen an mehreren repräsentativen Probennahmestellen auf Legionellen zu untersuchen oder untersuchen zu lassen. Die Untersuchungspflicht besteht für Anlagen, die Duschen oder andere Einrichtungen enthalten, in denen es zu einer Verneblung des Trinkwasser kommt“ (§ 14 (3)). Das Erreichen oder Überschreiten des oben genannten TMW ist dem GA unverzüglich anzuzeigen (§ 16).


Welche zusätzlichen Aufgaben kommen auf das Gesundheitsamt zu?

Wird dem Gesundheitsamt künftig bekannt, dass dieser TMW erreicht oder überschritten wird (§ 9 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 7), hat das Gesundheitsamt unverzüglich zu entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Wasserversorgung weiterbetrieben werden kann. Bei Hausinstallationen, aus denen Wasser im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit abgegeben wird, hat das Gesundheitsamt anzuordnen, dass geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität zu ergreifen sind. Bei anderen Hausinstallationen kann das Gesundheitsamt dies anordnen. Eine Beratung hat aber in allen Fällen zu erfolgen.

Nach den bisherigen Erfahrungen des Gesundheitsamtes dürfte dieser TMW häufiger erreicht bzw. überschritten werden, so dass hier zusätzliche Aktivitäten des Gesundheitsamt erforderlich werden. Unter anderem kann das Gesundheitsamt weitere Maßnahmen wie z. B. die Vornahme einer Ortsbesichtigung einschließlich der Durchführung einer Gefährdungsanalyse anweisen. In ca. 50 % der Fälle wird deshalb zusätzlich ein Vor-Ort-Termin zur Inspektion der Hausinstallation erforderlich werden, um die Eignung von anzuordnenden Maßnahmen beurteilen bzw. vorgeschlagene Maßnahmen einschätzen und über das weitere Vorgehen entscheiden zu können.

Nach § 18 hat das Gesundheitsamt darüber hinaus diese Anlagen, sofern die Trinkwasserbereitstellung im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit erfolgt, hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen der Verordnung durch entsprechende Prüfungen zu überwachen. Andere Anlagen können in die Überwachung einbezogen werden.

Schon mit dem Inkrafttreten der TrinkwV 2001 zum 1. Januar 2003 ist den Gesundheitsämtern eine Fülle neuer, zusätzlicher Aufgaben übertragen worden. Trotz der Schaffung einer Stelle für einen Gesundheitsingenieur (GesIng) zum 1. Juni 2005 verfügt das Gesundheitsamt Stuttgart bis heute immer noch nicht über die erforderlichen – personellen – Ressourcen, um die Vorgaben der TrinkwV 2001 verordnungskonform umsetzen zu können. So kann z. B. die in den Ausführungshinweisen des Ministeriums für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg zur TrinkwV 2001 vorgeschlagene Prüfungshäufigkeit jetzt schon nicht eingehalten werden. Aus diesem Grund wurde bereits zu den Haushaltsplanberatungen 2010/2011 ein Mehrbedarf angemeldet, der aber damals nicht anerkannt wurde.

Wie stellt sich der zu erwartende Aufgabenumfang dar?

Durch oben genannte Forderung werden neben den Hausinstallationen, aus denen Wasser im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit abgegeben wird (z. B. Krankenhäuser, Alten-/Pflegeeinrichtungen, Kindertageseinrichtungen, Schulen, Sporthallen, Bäder etc.) auch alle vermieteten Wohnungen, Hotels etc. erfasst, die über solche Anlagen verfügen. Nach den Angaben des Statistischen Amtes gab es 2009 in Stuttgart allein ca. 73.000 Wohngebäude, von denen ein beträchtlicher Teil die o. g. Kriterien erfüllen dürften; die Anzahl von Gebäuden, aus deren Hausinstallation Wasser an die Öffentlichkeit abgegeben wird, lässt sich derzeit kaum abschätzen, sie dürften aber zwischen 1.000 und 2.000 Objekten liegen. Das Gesundheitsamt hat diese Anzeigen/Angaben zunächst erst einmal in geeigneter Weise zu erfassen. Anschließend ist zu überwachen, ob der Untersuchungspflicht nachgekommen wird.

Die vielfältigen neuen Aufgaben sind deshalb ohne zusätzliches, zum Teil technisch besonders ausgebildetes Personal, nicht einmal annähernd zu leisten. Welchen Umfang diese neuen Pflichten künftig annehmen werden, lässt sich derzeit nur schwer kalkulieren. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass für die Bewältigung dieser Aufgaben mindestens 2 Stellen für Gesundheitsingenieure oder vergleichbare Professionen, 2 Stellen für Gesundheitsaufseher/Hygieneinspektoren und 1 Stelle für eine/einen Verwaltungsmitarbeiter/-in erforderlich sind. Der Übergang der Tätigkeiten der Gesundheitsingenieure (oder ähnlicher Professionen) und der Gesundheitsaufseher wird fließend sein.

Welcher Arbeitsaufwand verbirgt sich hinter den vom Gesundheitsamt be-antragten Stellen „Gesundheitsingenieur“, „Gesundheitsaufsicht“ und „Verwaltungskraft“?

Die Kompetenz von Gesundheitsingenieuren ist vorrangig bei technischen Problemstellungen gefragt wie z. B. bei § 9 Abs.7, wo unter anderem zu klären ist, ob die Nichteinhaltung von Grenzwerten oder Anforderungen auf die Trinkwasserinstallation oder deren unzulängliche Instandhaltung zurückzuführen ist, was beim Auftreten von Legionellen häufig bzw. meist der Fall ist. In der Folge wird ggf. die Anordnung von Maßnahmen oder Zwangsmitteln notwendig, die begründet, zielführend und verhältnismäßig sein müssen. Auch die Beratung zu diesen technischen Fragestellungen zählt zu den Aufgaben der Gesundheitsingenieure.

Zu den Aufgaben von Gesundheitsaufsehern gehört im Bereich "Trinkwasser" vorrangig die Entgegennahme von Anzeigen nach § 13 der novellierten TrinkwV und deren Erfassung in geeigneter Art und Weise (z. B. EDV-Verfahren). Auch sind eingehende Untersuchungsbefunde (§ 14) zuzuordnen, damit diese später ausgewertet werden können. Die Überwachung der Einhaltung von (Nachbesserungs-) Fristen gehört ebenso zu den Aufgaben der Gesundheitsaufseher wie die Überwachung der Vornahme von Eigenuntersuchungen. Die Überwachungsmaßnahmen nach § 18 TrinkwV werden - je nach Erfordernis des Einzelfalls - von beiden Berufsgruppen vorgenommen werden, wobei wiederum die technischen Gegebenheiten vorrangig vom Gesundheitsingenieur kontrolliert werden, während Probennahme und -transport im Regelfall Aufgabe der Gesundheitsaufseher sein werden.

Aufgabengebiet von Verwaltungsfachkräften ist der zusätzliche Schriftverkehr einschließlich der Ausfertigung von Anordnungen und Zwangsmaßnahmen und ggf. auch die Erstellung von Gebührenbescheiden.

Ist eine Refinanzierung zur Schaffung von zusätzlichem Personal durch Ge-bühreneinnahmen möglich?

Da es sich vorwiegend um Aufgaben der Erfassung (v. a. Entgegennahme von Anzeigen nach § 13 Trinkwasserverordnung) und Zuordnung von Untersuchungsbefunden und deren Be- und Auswertung, der Überwachung der Einhaltung von Fristen und Überwachung der Vornahmen von Eigenuntersuchungen handelt, ist eine Refinanzierung allenfalls in geringem Umfang möglich (im Einzelfall durch zusätzliche erforderliche und vom Gesundheitsamt selbst durchgeführte Beprobungen und ggf. der Anordnung von Maßnahmen).





Vorliegende Anträge/Anfragen

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486/2011 (CDU)




Isabel Fezer
Bürgermeisterin




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