Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 332/2015
Stuttgart,
06/30/2015


Inklusion
2. Zwischenbericht zum Schulversuch, zur Schulgesetzänderung und zu Maßnahmen der Stadt Stuttgart




Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2016/2017


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Schulbeirat
Verwaltungsausschuss
Beratung
Beratung
öffentlich
öffentlich
14.07.2015
15.07.2015

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1


Mit den GRDrs 215/2011, 50/2012 und 702/2013 wurde zuletzt aus Sicht der Schulverwaltung über die Erfahrungen aus dem Schulversuch berichtet. Mit dieser Vorlage wird ein erneuter Zwischenbericht zum aktuellen Stand gegeben, der auch einen Ausblick auf die anstehende Gesetzesänderung gibt.

Im Rahmen des Schulversuchs wurde vom Staatlichen Schulamt in Stuttgart eine Projektstruktur, bestehend aus Projektlenkung, Projektgruppe und Projektbeirat eingerichtet, in die Vertreter des Schulverwaltungsamtes, des Jugendamtes, des Sozialamtes und des Gesundheitsamtes eingebunden sind

Für die Lernortfindung jedes einzelnen inklusiven Schülers finden seit dem Jahr 2011 zudem sogenannte Vorgespräche zur Bildungswegekonferenz für die einzelnen Stadtbezirke statt. Diese Vorgespräche behandeln die Inklusionsanträge von Schülern und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch für das jeweils kommende Schuljahr.

Seit Beginn des Schulversuches in der Schwerpunktregion Stuttgart im Schuljahr 2010/2011, weist die inklusive Beschulung von Schülern und Schülerinnen mit sonderpädagogischen Förderbedarf an öffentlichen und privaten allgemeinen Schulen einen stetigen Anstieg auf. Dieser Trend wird sich auch weiterhin fortsetzten. Für das kommende Schuljahr 2015/2016 ist nach derzeitigen Erkenntnissen auf Grund der Vorgespräche zur Bildungswegekonferenz von insgesamt rund 1 000 inklusiven Schülerinnen und Schülern in der Schwerpunktregion Stuttgart auszugehen. Konkrete Zahlen sind dem ausführlichen Bericht zu entnehmen.

Der ursprünglich für zwei Jahre angesetzte Schulversuch des Landes Baden-Württemberg, wurde aufgrund der Verschiebungen der Schulgesetzänderung immer wieder verlängert. Der Gesetzentwurf liegt nun seit Frühjahr 2015 vor. Die Schulgesetzänderung soll zum Schuljahr 2015/2016 in Kraft treten. Die Umsetzung der Inklusion wird dann also für alle Kommunen und Schulträger gesetzlich verpflichtend.

Künftig soll für die Grundstufe und die Sekundarstufe 1 die Pflicht zum Besuch der Sonderschule aufgehoben werden. Eltern erhalten in dieser Frage ein qualifiziertes Wahlrecht. Der Unterricht an der Regelschule erfolgt zieldifferent innerhalb der jeweiligen Klasse auf Basis der unterschiedlichen Bildungsziele.
In der Vereinbarung zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden, die gesetzlich verankert werden soll, ist geregelt, dass inklusionsbedingte Mehrkosten vom Land zu tragen sind. Das Land leistet daher Pauschalerstattungen in den Schuljahren 2015/16 bis 2018/19 für die Bereiche Schulträgerkosten (laufend und investiv), Jugendhilfe, Eingliederungshilfe und Schülerbeförderung. Im Zeitraum bis 2018/19 werden die tatsächlich entstanden Kosten überprüft und die Vereinbarung ggf. bei erheblicher Abweichung auch rückwirkend angepasst. Inwieweit die vorgesehenen Beträge ausreichend sind, muss sich im genannten 4-Jahres-Zeitraum zeigen. Am schwierigsten zu kalkulieren sind hierbei die investiven Kosten der Schulträger.

Besonders kritisch sieht die Verwaltung die neuen Vorgaben zur Aufteilung der Sachkostenbeiträge (hohe Mindereinnahmen), zum geplanten Kostenausgleich mit den Privatschulen sowie den mit der Abrechnung verbundenen hohen Verwaltungsaufwand und hat daher beim Städtetag interveniert.

Für die Schulraumplanung wurde in den Schulbauförderungsrichtlinien das Thema Inklusion ebenfalls in der aktuellen Novellierung aufgenommen. Die Auswirkungen werden in einer separaten Gemeinderatsdrucksache (GRDrs 331/2015) dargestellt.

Die vier zentralen Angebotsbausteine für die Berücksichtigung der räumlichen Auswirkungen in der Schulentwicklungsplanung können nach der Gesetzesänderung auf einer gesicherten Basis überarbeitet und konkretisiert werden:

a) Wohnortnahe Gruppeninklusion
Schwerpunkt des bisherigen Schulversuchs
b) Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum
Die Standorte der bisherigen Sonderschulen werden im Rahmen einer langfristigen Schulstruktur eine wichtige Rolle bei der Bündelung fachrichtungsspezifischer sonderpädagogischer Kompetenzen spielen.
c) Außenklasse
Die Beschulung in Außenklassen für Schüler und Schülerinnen, die einen besonders intensiven Unterstützungsbedarf benötigen, kann weiterhin eine gute Alternative zur Inklusion darstellen. Als finanzielle Sonderlösung für private Schulen ist dieses Angebot jedoch sehr kritisch zu betrachten, da es zu großen Nachteilen für den kommunalen Schulträger führen kann.
d) Schwerpunktstandorte
Da sich kurzfristig die räumlichen Rahmenbedingungen nicht an allen Schulen realisieren lassen werden, sollte der Einstieg durch einen stufenweisen Ausbau inklusionsbedinger Räume erfolgen. Die schon früher angedachten „Campuslösungen“ werden daher strukturiert weiterverfolgt.

Dafür bedarf es einer Gesamtbetrachtung der Situation in Form eines „Masterplans“ fokussiert auf das Thema Inklusion, auf dessen Grundlage entsprechende Handlungsempfehlungen entwickelt werden können. Hierfür hat die Verwaltung entsprechende Planungsmittel zum Doppelhaushalt 2016/2017 angemeldet.

Die Schülerbeförderung erfolgt als Einzel- oder Gruppentransport. Die Zahl der zu bearbeitenden Einzelfälle hat sich durch die stark zunehmende Teilnahme an der inklusiven Beschulung deutlich erhöht.

Nicht alle Inklusionskinder können ihren Schulbesuch allein bewerkstelligen, sie haben Förder- und Unterstützungsbedarf. Die vom Sozialamt über Eingliederungshilfe finanzierten Assistenzkräfte müssen fallspezifisch vom Schulverwaltungsamt organisiert und finanziell abgewickelt werden. Die Fallzahlen haben ebenfalls deutlich erhöht.

Aufgrund des immensen Anstiegs von inklusiven Schulangeboten bei gleichzeitigem Ausbau von Ganztagesschulen müssen auch strukturelle Überlegungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen angestellt werden.

Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung zur Inklusion im Schulbereich wird die Erfüllung dieser Aufgabe für alle Schulträger rechtlich verpflichtend. Die Gestaltung von inklusiven Schulangeboten zur Ermöglichung des gesetzlichen Wahlrechts der Eltern muss umgesetzt werden. Damit ist das Thema dauerhaft im Rahmen der Schulentwicklungsplanung und bei der Planung sowie Umsetzung von inklusiven Bildungsangeboten zu bearbeiten.

Wie im Bericht dargestellt, handelt es sich zudem um eine erhebliche Ausweitung der Aufgabe. Ein weiterer Anstieg der Fallzahlen ist zu erwarten, da noch nicht alle Schülerjahrgänge die Möglichkeit der inklusiven Beschulung wahrnehmen können. Die aufgezeigten Aufgaben können daher nicht mehr zeitgerecht zum Schuljahresbeginn erledigt werden, mit allen Folgen für die Kinder. Daher hat das Schulverwaltungsamt sowohl für den Bereich der Schulentwicklungsplanung als auch für den Bereich der Schülerbeförderung und Schulbegleitung/Assistenz Stellenplananträge zur Schaffung von jeweils einer 0,5 Stelle (zusammen 1 Stelle) im Schulverwaltungsamt gestellt.
Priorisierung Mitteilungsvorlagen

Das Schulverwaltungsamt hat insgesamt 6 Mitteilungsvorlagen für die Haushaltsplanberatungen gefertigt.
Innerhalb dieser Mitteilungsvorlagen hat diese Vorlage die 4. Priorität.




Finanzielle Auswirkungen


Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2016
TEUR
2017
TEUR
2018
TEUR
2019
TEUR
2020
TEUR
2021 ff.
TEUR
Finanzbedarf
(ohne Folgekosten aus Einzelmaßnahmen, Investitionen oder zusätzlichen Stellen – diese bitte gesondert darstellen)
Für diesen Zweck im Haushalt/Finanzplan bisher bereitgestellte Mittel:
Maßnahme/Kontengr.
2016
TEUR
2017
TEUR
2018
TEUR
2019
TEUR
2020
TEUR
2021 ff.
TEUR
Finanzhaushalt / Neue Investitionen (zusätzliche Ein-/Auszahlungen):
(Bezeichnung Vorhaben/ Maßnahme)Möglicher Baubeginn im Jahr:
Geplante Inbetriebnahme im Jahr:
Summe
TEUR
2016
TEUR
2017
TEUR
2018
TEUR
2019
TEUR
2020
TEUR
2021 ff.
TEUR
Einzahlungen
Auszahlungen
Finanzbedarf
Stellenbedarf (Mehrungen und Minderungen):
Beschreibung, Zweck, Aufgabenbereich
Anzahl Stellen zum Stellenplan
2016
2017
später
Wegfall kw-Vermerk
Schülerbeförderung/Assistenz
0,2
Stellenschaffung Schulentwicklungsplanung
0,5
Stellenschaffung Schülerbeförderung/Assistenz
0,5
Folgekosten (aus oben dargestellten Maßnahmen und evtl. Stellenschaffungen):
Kostengruppe
2016
TEUR
2017
TEUR
2018
TEUR
2019
TEUR
2020
TEUR
2021 ff.
TEUR
Laufende Erlöse
Personalkosten (Stellenschaffungen)
78
78
78
78
78
78
Sachkosten
Abschreibungen
Kalkulatorische Verzinsung
Summe Folgekosten
(ersetzt nicht die für Investitionsprojekte erforderliche Folgelastenberechnung!)


Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Die Referate AK und WFB haben Kenntnis genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.





Dr. Susanne Eisenmann
Bürgermeisterin



Anlagen:

Ausführlicher Bericht

Ausführlicher Bericht

1. Bericht zum Schulversuch

Projektstruktur
Im Rahmen des Schulversuchs wurde federführend durch das Staatliche Schulamt
Stuttgart eine Projektstruktur, bestehend aus Projektlenkung, Projektgruppe und Projektbeirat eingerichtet. Vertreter des Schulverwaltungsamtes treffen sich in regelmäßigen Abständen mit Vertretern des Staatlichen Schulamtes, des Jugendamtes, des Sozialamtes und des Gesundheitsamtes in den oben genannten Gruppen, um sich über die aktuellsten Belange zum Thema Inklusion in der Schwerpunktregion auszutauschen und mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten.

Vorgespräche zur Bildungswegekonferenz
Für die Lernortfindung jedes einzelnen inklusiven Schülers finden seit dem Jahr 2011 zudem sogenannte Vorgespräche zur Bildungswegekonferenz für die einzelnen Stadtbezirke statt. Diese vom Staatlichen Schulamt eingeführten Vorgespräche behandeln die Inklusionsanträge von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch für das jeweils kommende Schuljahr. Vertreter aller oben angeführten Ämter, die Schulleitungen der allgemeinen Schulen aus dem betroffenen Stadtbezirk und die Schulleitungen der zuständigen Sonderschulen versuchen gemeinsam für jedes Kind eine möglichst wohnortnahe und gruppenorientierte Lösung für eine inklusive Beschulung zu finden. Diese dient den daraufhin stattfindenden Bildungswegekonferenzen als Grundlage, wenn betroffene Eltern gemeinsam mit Vertretern der zuständigen Schulen und ggf. der Ämter über den endgültigen Lernort für ihr Kind entscheiden.


Entwicklung der schulischen Inklusion
Seit Beginn des Schulversuches in der Schwerpunktregion Stuttgart, weist die inklusive Beschulung von Schülern/-innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf an öffentlichen und privaten allgemeinen Schulen folgende Entwicklungen auf:

Grundschule
(davon Einschulungen)
Sekundarstufe
(davon Übertritte)
Inklusive Schüler
gesamt
SJ 11/ 12
60 (21)
27
87
SJ 12/ 13
199 (59)
51 (19)
250
SJ 13/14
352
137
489
SJ 14/15
400
313
713
(Quellen: Amtliche Schulstatistiken sowie Informationen des Staatlichen Schulamts Stuttgart)




Vergleicht man die Schuljahre miteinander ist seit Einführung des Modellprojekts ein stetiger Anstieg der inklusiv beschulten Schüler und Schülerinnen deutlich zu erkennen. Dieser Trend wird sich auch weiterhin fortsetzten. Für das kommende Schuljahr 2015/2016 ist nach derzeitigen Erkenntnissen auf Grund der Vorgespräche zur Bildungswegekonferenz von insgesamt rund 1 000 inklusiven Schülerinnen und Schülern in der Schwerpunktregion Stuttgart auszugehen.

Die inklusiven Schulangebote sind über die ganze Stadt Stuttgart verteilt, so finden im aktuellen Schuljahr 2014/2015 an 73 allgemeinen Schulen inklusive Angebote statt (vgl. SJ 2013/ 2014 = 60 Schulen, SJ 2012/ 2013 = 43 Schulen). Dort finden mittlerweile jeweils Mehrfachangebote statt, d.h. eine inklusive Beschulung wird nicht nur in einer, sondern in mehreren Schulklassen angeboten.

Die Mehrzahl der inklusiven Schülerschaft ist auch zum kommenden Schuljahr aus dem Bereich Förderschule vertreten, wobei die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einem Bildungsanspruch aus dem emotional-sozialen Bereich stetig zunimmt. Außerdem wird an den Schülerzahlen erkennbar, dass momentan an Grundschulen weiterhin mehr Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischen Bildungsanspruch inklusiv beschult werden als an weiterführenden Schulen. Dies wird sich aber in den zukünftigen Jahren durch Fortschreiten der Entwicklung zugunsten der Sekundarstufe korrigieren.


(Quelle: Staatliches Schulamt Stuttgart, Schuljahr 2014/2015)


Entwicklung der Sonderschulen
Durch die Schwerpunktregion Stuttgart und die schulische Inklusion können ebenfalls Veränderungen der Schülerzahlen an den Förder- und sonstigen Sonderschulen verzeichnet werden. Die angeführte tabellarische Darstellung soll den Veränderungsprozess an den öffentlichen Schulen aufzeigen. Da die inklusiven Schüler und Schülerinnen in der amtlichen Schulstatistik bis einschließlich Schuljahr 2014/2015 immer noch in die Schülerzahlen der jeweiligen Stammschule, d.h. an der Förder- oder Sonderschule, mit einfließen, müssen diese jeweils von der Gesamtschülerzahl abgezogen werden. Dieses Vorgehen soll sich voraussichtlich ab dem neuen Schuljahr 2015/2016 ändern Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung werden die inklusiv beschulten Kinder an der allgemeinen Schule gezählt und beim dortigen Klassenteiler berücksichtigt. Daraus wird ersichtlich, dass die tatsächlichen Schüleranzahlen sowohl an den Stammhäusern der Förderschulen als auch an den Stammhäusern der sonstigen Sonderschulen aufgrund der Schwerpunktregion insgesamt rückläufig sind, aber nicht im erwarteten Umfang, weil die Zahl der Schüler und Schülerinnen mit festgestelltem sozialpädagogischen Bildungsanspruch insgesamt steigt.

Förderschüler*
gesamt
inklusive
Förderschüler*
Förderschüler* an Stammschule
SJ 11/12
740
45
695
SJ 12/13
776
134
642
SJ 13/14
844
254
590
SJ 14/15
920
318
602

* Förderschüler sind Schüler/-innen mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch im Lernen; die genannten Schüler/innen besuchen die öffentliche Förderschule.

Sonderschüler**
gesamt
inklusive
Sonderschüler**
Sonderschüler** an
Stammschule
SJ 11/12
974
42
932
SJ 12/13
1026
116
910
SJ 13/14
1043
114
852
(77 SuS in Außenkl.)
SJ 14/15
1090
155
864

(Basierend auf den Amtlichen Schulstatistiken Schuljahr 2011/ 2012 ,2012/ 2013, 2013/2014 und 2014/2015 sowie internen Schülerlisten über inklusive Schüler für die Schuljahre 2011/ 2012 und 2012/ 2013 des Staatlichen Schulamts.)

** Sonderschüler sind Schülern/-innen der öffentlichen Schulen für Geistigbehinderte, der Schule für Körperbehinderte Stuttgart, der Schule für Sehbehinderte, der Schule für Sprachbehinderte, der Schule für Erziehungshilfe, der Schule für Hörgeschädigte, der Schule für Kranke.


Diese Entwicklungen erzeugen Handlungsbedarf auch bei der Standortplanung der Sonderschulstandorte. Aufgrund der künftig zu erwartenden Bedarfssituation ist die Bewertung der Sonderschulstandorte vorzunehmen, die sich zu sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren weiterentwickeln sollen, und es müssen Handlungsempfehlungen gemeinsam mit den Schulgemeinden entwickelt werden.
Der Gesetzentwurf zur Aufnahme der Inklusion in das Schulgesetz von Baden-Württemberg wurde von der Landesregierung im Frühjahr 2015 vorgelegt. Wesentliche Inhalte der vorgesehenen Neuregelungen sind.
3. Finanzierung der Inklusion an Schulen - Gesetzentwurf

Der Gesetzentwurf zur Finanzierung der schulischen Inklusion basiert auf einer Verständigung zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden.

In der Vereinbarung zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden ist geregelt, dass inklusionsbedingte Mehrkosten vom Land zu tragen sind (Einhaltung der Konnexität). Das Land leistet daher Pauschalerstattungen in den Schuljahren 2015/16 bis 2018/19 für die Bereiche Schulträgerkosten (laufend und investiv), Jugendhilfe, Eingliederungshilfe und Schülerbeförderung.

Die Pauschalerstattungen des Landes in den ersten vier Schuljahren stellen sich insgesamt wie folgt dar:

Schuljahr 2015/16:18 Mio. Euro
Schuljahr 2016/17: 24 Mio. Euro
Schuljahr 2017/18: 30 Mio. Euro
Schuljahr 2018/19: 30 Mio. Euro

Im Zeitraum bis 2018/2019 werden die tatsächlich entstanden Kosten überprüft und die Vereinbarung ggf. bei erheblicher Abweichung auch rückwirkend angepasst.
Inwieweit die vorgesehenen Beträge ausreichend sind, muss sich im genannten 4-Jahres-Zeitraum zeigen. Am schwierigsten zu kalkulieren sind hierbei die investiven Kosten der Schulträger.

Die Vereinbarung zur Finanzierung der Inklusion gründet auf der Annahme des Landes, dass 28% der Sonderschülerinnen und Sonderschüler im Endausbau im Schuljahr 2022/23 inklusiv an allgemeinen Schulen unterrichtet werden. Das Land gewährt dennoch bereits im Schuljahr 2017/18 den aus seiner Sicht maximalen jährlichen Erstattungsbetrag von insgesamt 30 Mio. Euro. Ob die prognostizierte Anzahl an inklusiv zu beschulenden Kindern und Jugendlichen in etwa zutreffend sein wird, bleibt abzuwarten. Die Erfahrungen in Stuttgart jedoch zeigen, dass inklusive Schulangebote sehr stark nachgefragt werden und dieser Prozentsatz bereits im kommenden Schuljahr überschritten wird.


Ausgleichszahlungen an alle Kommunen in Baden-Württemberg im Bereich der Schulträgerkosten:
Von den vorgesehenen Erstattungsbeträgen entfallen auf die Bereiche des Schulträgers folgende Summen:

SchuljahrSchulausstattungSchulbau, UmbauErhöhung Schülerbeförderung um
15/161,8 Mio.1,8 Mio.2,3 Mio.
16/172,4 Mio.2,4 Mio.3,0 Mio.
17/183,0 Mio.3,0 Mio.3,8 Mio.
18/193,0 Mio.3,0 Mio.3,8 Mio.

(Quelle: Vereinbarung zur Inklusion an Schulen zwischen Land und KLV abgestimmte Fassung vom 20.02.2015)

Auswirkungen für Stuttgart als Schulträger
Um die Auswirkungen für Stuttgart bewerten zu können, hat die Schulverwaltung die vorgesehenen Neuregelungen anhand der Erfahrungen in der Schwerpunktregion Stuttgart vergleichend betrachtet. Dabei hat sich gezeigt, dass die vorgesehene gesetzlichen Regelung zur Finanzierung der inklusiven Beschulung erhebliche finanzielle Nachteile für die Kommunen und Städte bedeuten:

Sachkostenbeiträge und Schulträgerkosten - neues Berechnungsmodell
Nach dem derzeitigen Gesetzentwurf sollen die Schulträger künftig für inklusiv beschulte Kinder und Jugendliche denselben Sachkostenbeitrag wie für die Schüler und Schülerinnen der jeweiligen allgemeinen Schule erhalten. Dies bedeutet, dass die Schulträger für inklusiv beschulte Kinder und Jugendliche an weiterführenden Schulen einen erheblich niedrigeren Sachkostenbeitrag wie bisher erhalten. Hinzu kommt, dass es für Inklusionsschüler und -schülerinnen an den Grundschulen in Zukunft keinen Sachkostenbeitrag mehr gibt. Weiterhin erhalten die Schulträger für “umgekehrte Inklusionsschüler und -schülerinnen”, d. h. Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Bildungsanspruch, die an Sonderschulen unterrichtet werden, nur noch den deutlich niedrigeren Sachkostenbeitrag der allgemeinen Schule, nach deren Bildungsgang die Kinder und Jugendliche unterrichtet werden. Bereits diese Änderungen ergeben für die Schulträger enorme finanzielle Nachteile.

Zum Ausgleich der laufenden Schulkosten soll das Land einen Kopfbetrag für jeden Inklusionsschüler bzw. jede Inklusionsschülerin an die Schulträger zahlen. Die jährlich vom Land bereitgestellten Ausgleichsbeiträge werden im jeweiligen Schuljahr über die Gesamtzahl der inklusiv beschulten Kinder und Jugendlichen an die Schulträger verteilt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass für Kinder und Jugendliche mit dem Bildungsanspruch Lernen (Förderschule) nur der hälftige Prokopfbeitrag ausbezahlt werden soll.

Nach einem Erfahrungszeitraum soll dann überprüft werden, ob die gegebenen Mittel ausreichend sind. Hierbei sollen die Kommunen nachweisen, ob weitere Ausgleichszahlungen notwendig sind. Diese zusätzlichen Dokumentationen und Erhebungen bringen wiederum einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich.

Aus der folgenden beispielhaften Gegenüberstellung wird ersichtlich, dass bei bereits drei inklusiven Schüler/innen ein erheblicher finanzieller Nachteil für die öffentlichen Schulträger entstehen wird.

A: Berechnungsmodell seitherige Sachkostenbeiträge
Schüler mit
Bildungsanspruch
ProkopfbetragSachkostenbeitrag
jeweilige Sonderschule
Summe
Geistigbehindert
(Sekundarstufe)
0 € 5 561 € 5 561 €
Förderschule
(Sekundarstufe)
0 €1 795 €1 795 €
Förderschule
(Primarstufe)
0 €1 795 €1 795 €
Gesamt
(3 inklusive Schüler)
9 151 €


B: Vorschlag im Gesetzentwurf zur Finanzierung der Inklusion-
Neues Berechnungsmodell
Schüler mit BildungsanspruchProkopfbetragSachkostenbeitrag
(Hier Werkrealschule)
Summe
Geistigbehindert (Sekundarstufe)412 €1 312 €1 724 €
Förderschule
(Sekundarstufe)
206 €1 312 €1 518 €
Förderschule (Primarstufe)206 €0 €206 €
Gesamt
(3 inklusive Schüler)
3 448 €

Berechnungsgrundlage Sachkostenbeiträge: Städtetags-Rundschreiben R 25136/2015 – Entwurf für 2015
Berechnungsgrundlage Prokopfbetrag für inklusive Schüler/innen: Städtetags-Rundschreiben 25653/2015 vom 05.05.2015, Sitzung des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport am 08.05.2015 in Mannheim


Eine amtsinterne Berechnung auf Basis der Schülerzahlen des Jahres 2014/15 hat ergeben, dass die Landeshauptstadt Stuttgart durch das neue Berechnungsmodell enorme finanzielle Nachteile zu erwarten hat. Die Vergleichsbetrachtung zum bisherigen Berechnungsmodell zeigt, dass bei Anwendung der vorgesehenen gesetzlichen Änderung für die inklusiv beschulten Kinder und Jugendlichen je nach Inklusionsquote im Land mit jährlichen Mindereinnahmen in Höhe von ungefähr 1 Mio. Euro zu rechnen ist.

Der Städtetag Baden-Württemberg hat seine Mitgliedsstädte zur Stellungnahme zu dieser beabsichtigten Neuregelung aufgefordert. Stuttgart hat seine kritische Haltung hierzu schriftlich mitgeteilt und den Vorschlag gemacht, angesichts der negativen Auswirkungen, die seitherigen Sachkostenbeiträge des jeweiligen Sonderschultyps beizubehalten, die dem Bildungsanspruch des einzelnen inklusiven Kindes entsprechen.


Kostenausgleich Privatschule/öffentliche Schule
Aktuellen Informationen des Landes zufolge soll es auch im Bereich der privaten Sonderschulen eine Abweichung in der Verfahrensweise geben. Kinder und Jugendliche, die von einer privaten Sonderschule kommen, sollen demnach nicht zu der allgemeinen Schule die sie besuchen zählen, sondern der bisherigen privaten Sonderschule weiterhin zugerechnet bleiben. Diese Kinder werden demnach auch nicht beim Klassenteiler der allgemeinen Schule berücksichtigt und statistisch gezählt. Sie können daher nicht wie die anderen Inklusionsschüler und –schülerinnen “normal” inklusiv beschult werden, sondern sollen durch sogenannte Kooperationsmodelle (Außenklassen) an öffentlichen Schulen unterrichtet werden.

Neben dieser pädagogischen Sonderlösung für Privatschulen, ergeben sich auch hier für die öffentlichen Schulträger finanzielle Nachteile. Diese Kinder und Jugendlichen gehen in die Schule eines kommunalen Schulträgers, der dann keinerlei Kostenerstattungen erhält. In der Landeshauptstadt Stuttgart handelt sich hierbei im kommenden Schuljahr 2015/16 um rd. 160 Schüler und Schülerinnen mit einem Bildungsanspruch im emotionalen-sozialen Bereich (E-Schüler und E-Schülerinnen).

Mehrkosten der Schülerbeförderung
Die Regelungen zur Verteilung der Erstattungsbeträge für die Schülerbeförderung basieren auf einem Verteilungsschlüssel, der über 30 Jahre alt ist. Die Fachverwaltung hat daher den Städtetag gebeten, dass in einer Arbeitsgruppe mit dem Landkreistag im Zuge der Verhandlungen zur notwendigen Änderung der Schülerbeförderungssatzung dieser veraltete Verteilungsschlüssel überprüft und ggf. angepasst wird. Der Entwurf für das Gesetz zur Finanzierung der Inklusion sieht momentan lediglich vor, die inklusionsbedingten Mehrkosten auszugleichen.

Inklusion und Schulbauförderung
Für die Schulraumplanung wurde in den Schulbauförderungsrichtlinien das Thema Inklusion ebenfalls in der aktuellen Novellierung aufgenommen. Die Auswirkungen werden in einer separaten Gemeinderatsdrucksache (GRDrs 331/2015) dargestellt.

4. Schulentwicklungsplanung: Möglichkeiten der Inklusion in der Schwerpunktregion Stuttgart/Masterplan Mit GRDrs 50/2012 hat die Schulverwaltung auf Basis einer umfassenden Bestandsanalyse der sonderpädagogischen Angebotsstrukturen in Stuttgart erste grundlegende Überlegungen zur entsprechenden Weiterentwicklung der Schullandschaft vorgelegt. Ausgehend von der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie die Empfehlungen des Expertenrats zur schulischen Bildung junger Menschen mit Behinderung wurde das Ziel einer möglichst wohnortnahen Angebotsvielfalt definiert, um den unterschiedlichen Ansprüchen der Kinder und Jugendlichen sowie der verstärkten Bedeutung des Elternwahlrechts Rechnung zu tragen.

Dies wird sowohl eine inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung des bestehenden Sonderschulwesens als auch den Aufbau inklusiver Schulstandorte beinhalten.
Hierfür konnten vier zentrale Angebotsbausteine identifiziert werden, die es im Rahmen der weiteren Schulentwicklungsplanung zu konkretisieren und umzusetzen gilt:

Die hieraus identifizierten zentralen Angebotsbausteine wurden in den letzen beiden Jahren auch im Hinblick auf die bevorstehende Änderung des Schulgesetzes überarbeitet und konkretisiert:





a) Wohnortnahe Gruppeninklusion
Im Rahmen des bisherigen Schulversuchs stand die Einrichtung gruppenbezogener inklusiver Angebote an möglichst wohnortnahen allgemeinen Schulen im Zentrum der Umsetzungen. Ziel des federführenden Staatlichen Schulamts ist es hierbei, den Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch ein möglichst passgenaues Angebot als Alternative zu einer entsprechenden Sonderschule machen zu können. Auch in den Eckpunkten des neuen Schulgesetzes wird die gruppenbezogene inklusive Beschulung gesondert betont und soll möglichst umgesetzt werden. Nur im begründeten Einzelfall ist eine inklusive Beschulung einzelner Kinder und Jugendlicher möglich Dieses Vorgehen hat sich in Stuttgart bislang etabliert, es finden sich annähernd flächendeckend wohnortnahe inklusive Gruppenangebote.

b) Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum
Die bisherigen Sonderschulen sollen sich mittelfristig zu so genannten sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren weiterentwickeln, an denen jedoch auch weiterhin eine gezielte Förderung von Schülerinnen und Schülern entsprechend des jeweiligen sonderpädagogischen Schwerpunkts ermöglicht wird. Diese Standorte werden im Rahmen einer langfristigen Schulstruktur eine wichtige Rolle bei der Bündelung fachrichtungsspezifischer sonderpädagogischer Kompetenzen spielen.

c) Außenklasse
Das Konzept der Außenklasse ist weiterhin bei einzelnen Schülerinnen und Schülern, die einen intensiven Unterstützungsbedarf haben, eine sinnvolle Alternative zu einer inklusiven Beschulung. Dabei werden einzelne Klassen einer Sonderschule am Standort einer allgemeinen Schule beschult, was eine weit reichende Kooperation der Außenklasse mit der allgemeinen Schule vor Ort ermöglicht. Im Schuljahr 2014/2015 befinden sich 71 Schüler und Schülerinnen der Sonderschulen in einer Außenklasse. Hierbei handelt es sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die eine besonders intensive Unterstützung benötigen. Die Kinder und Jugendlichen erhalten dabei die auf ihren individuellen Bedarf abgestimmte Unterstützung und können gleichzeitig in Kontakt mit Schüler und Schülerinnen ohne Behinderung treten.

Als finanzielle Sonderlösung für private Sonderschulen ist dieses Angebot jedoch sehr kritisch zu betrachten, da es zu großen Nachteilen für den kommunalen Schulträger führen kann.

d) Schwerpunktstandorte
Da sich kurzfristig die räumlichen Rahmenbedingungen nicht an allen Inklusionsschulen baulich realisieren lassen werden, sollte der Einstieg durch einen stufenweisen Ausbau inklusionsbedinger Räume erfolgen. Die schon früher angedachten „Campuslösungen“ werden daher strukturiert weiterverfolgt.
Für eine stufenweise Realisierung der Inklusion und den damit verbundenen Rahmenbedingungen bedarf es einen pragmatischen und umsetzbaren Weg. Hierbei ist es vor allem aus baulicher Sicht (Barrierefreiheit, gleiche Wege etc.) sinnvoll, in einem ersten Umsetzungsschritt schulische Schwerpunktstandorte für Inklusion festzulegen. Der Ausbau inklusionsgerechter Schulen kann somit pro aktiv und effektiv im Rahmen der regionalen Schulentwicklungsprozesse erfolgen. Weiterhin ist es sinnvoll personelle und sächliche Kompetenzen zu bündeln, was sich auch positiv auf die Inklusionskosten auswirkt (niedrigere Inklusionskosten).

Es erscheint somit – auch aus Sicht des Städtetags – sinnvoll, zumindest für die ersten Schuljahre nach Inkrafttreten des Schulgesetzes zur Inklusion ein Schwerpunktschulkonzept zu etablieren und dieses nach dem Schuljahr 2018/2019 zu evaluieren und das weitere Vorgehen zu entscheiden.

Erstellung eines „Masterplans“
Mit der Aufnahme der Inklusion ins Schulgesetz werden die Rahmenbedingungen für die Möglichkeiten der inklusiven Beschulung rechtlich fixiert. Auf dieser Grundlage können nun die in der Phase des Schulversuchs angedachten Möglichkeiten konkreter in der laufenden Schulentwicklungsplanung verankert werden. Wegen den stark gestiegenen Fallzahlen konnte mit den vorhandenen Personalressourcen diese Aufgabe nicht weiterverfolgt werden. Nun muss dieser Ansatz aber zwingend aufgegriffen werden. Die Schulverwaltung schlägt dazu die Erarbeitung eines „Masterplans“ mit Fokus auf das Thema Inklusion in Regelschulen und Auswirkungen auf die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren vor, die einen solchen Stufenplan berücksichtigen. Auf dieser Grundlage ist es dann möglich, konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Für die Erarbeitung eines Masterplans hat die Schulverwaltung entsprechende Planungsmittel zum Doppelhaushalt 2016/2017 angemeldet.

5. Schülerbeförderung und Assistenz/Schulbegleitung im Rahmen der Inklusion

Die Inklusionskinder werden in der Regel im Rahmen der Besonderen Schülerverkehre vorwiegend über Einzeltransporte befördert. Dort, wo mehrere Kinder an einer bestimmten allgemeinen Schule gemeinsam inklusiv beschult werden, wird versucht, die Beförderung in einem Gruppentransport zu realisieren.
Durch die stark zunehmende Teilnahme an der Inklusion haben sich die Besonderen Schülerverkehre bei den Inklusionskindern wie folgt entwickelt:
Schuljahr 2011/2012: 5 Touren (12 Schüler/innen)
Schuljahr 2012/2013: 25 Touren (33 Schüler/innen)
Schuljahr 2013/2014: 29 Touren (44 Schüler/innen)
Schuljahr 2014/2015: 34 Touren (53 Schüler/innen)

Nicht alle Inklusionskinder können ihren Schulbesuch allein bewerkstelligen, sie haben Förder- und Unterstützungsbedarf bei der Strukturierung und Orientierung beim Lernen, bei der Fortbewegung, Nahrungsaufnahme, Körperpflege und Ausscheidung. Diese Kinder benötigen eine Assistenz, einen Schulbegleiter. Die Bandbreite dieser Assistenz während des Schulbesuchs ist groß, Hilfestellungen sind innerhalb und außerhalb des Unterrichts zu geben wie z.B. die Begleitung zum Toilettengang, Windeln wechseln, Tragen von Schulbüchern bei Raumwechsel, Blutzuckerüberwachung, Hilfe beim Schreiben (Handführung), etc.. Der Umfang und Inhalt der notwendigen Assistenz wird im Vorfeld gemeinsam mit allen Beteiligten (Staatliches Schulamt, Eltern, Schule, Sozialamt, Gesundheitsamt und Schulverwaltungsamt) in einem Hilfeplangespräch festgelegt.

Auf der Grundlage dieser Festlegungen stellt das Sozialamt die Mittel bereit. Im Schulverwaltungsamt wird für jeden Einzelfall die Assistenz organisiert (personelle Umsetzung) und finanziell abgewickelt. Der Aufwand hierfür ist entsprechend hoch und steigt jährlich:
Schuljahr 2011/2012: Assistenzkräfte für 92 Schüler/innen
Schuljahr 2012/2013: Assistenzkräfte für 109 Schüler/innen
Schuljahr 2013/2014: Assistenzkräfte für 141 Schüler/innen
Schuljahr 2014/2015: Assistenzkräfte für 160 Schüler/innen

Mit den zur Verfügung stehenden Stellenanteilen kann eine rechtzeitige Bearbeitung der steigenden Fallzahlen nicht mehr zum Schuljahresbeginn sichergestellt werden.

6. Inklusion in der Ganztagesschule und in der Schulkindbetreuung

Inklusive Modelle für Schulkinder enden nicht mit dem Schlussgong für den Unterricht. Vor und nach dem Unterricht melden zahlreiche betroffene Familien Bedarf an Betreuung an und erwarten, dass die Angebote, die in den Schulen vorgehalten werden, auch ihren Kindern zur Verfügung stehen.

Problemanalyse
Insbesondere Förderschulen haben dabei bisher sehr eng mit Schülerhorten zusammengearbeitet. Diese werden jedoch im Zuge der Neukonzeption „Betreuung von Grundschulkindern“ mittel- bis langfristig aufgegeben und durch Bildungs- und Betreuungsangebote an den Schulen (Schülerhaus und Ganztagesschule) ersetzt. Förderschulen können sich im Grundschulbereich zu Ganztagesschulen weiterentwickeln, wenn eine Kooperation mit einer benachbarten Partnerschule besteht. Eine Situation, für die Lösungen gefunden werden müssen.

Inklusive Betreuung in den verschiedenen Betreuungsangeboten in Schulen kommt seit einigen Jahren in der Praxis vor, ohne dass im Vorfeld Rahmenbedingungen festgelegt oder Unterstützungsmöglichkeiten angeboten wurden. Sofern Probleme auftauchten, haben die Beteiligten nach Lösungen im Einzelfall gesucht.

Durch den immensen Anstieg inklusiver Schulangebote und dem gleichzeitigen Ausbau von Ganztagesschulen drängt diese Problemstellung gleichsam. Derzeit können nur auf den Einzelfall bezogene Hilfestellungen angeboten und Erfahrungswerte gesammelt werden. Auf dieser Grundlage müssen dann Wege und Rahmbedingungen geschaffen werden, wie Träger von Ganztagesschulangeboten und/oder Betreuerinnen der Verlässlichen Grundschule auf das besondere Klientel vorbereitet werden und welche Standards für die räumliche und personelle Ausstattungen hier gelten sollen.

In Federführung des Staatlichen Schulamts erarbeitet derzeit eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe mit Beteiligung von Schulleitungen unterstützende Handreichungen, die Leitlinien für die Inklusion in Ganztagsschulen geben sollen. Themen sind dabei z.B. Strukturen der Zusammenarbeit, Konzepte der Rhythmisierung, Fachkonzepte im Ganztag, Raumstrukturen, strukturelle Verortung von Ressourcen sowie Angebotsstrukturen im Ganztag.

Um die Abläufe konkret zu verbessern und die Vorbereitungen für die Aufnahme von inklusiven Schülerinnen und Schülern an Ganztagesschulen zu strukturieren wurden auch Verfahrensverbesserungen vorgenommen. Im Vorgespräch zur Bildungswegekonferenz wird bereits der voraussichtliche Bedarf im Ganztagesbereich thematisiert. Die Schulleitungen nehmen das Anliegen mit und besprechen mit ihrem Träger der Ganztagesschule, wie die Angebote auf die zu erwartenden Kinder und deren Unterstützungsbedarfe ggf. angepasst werden können.

Schulbegleitung
Diese Begleitung wird für den Bereich des Unterrichts und bei verbindlichen Ganztagsschulen gewährt (Assistenz, Schulbegleitung). Bei freiwilligen Betreuungsangeboten kann über die Eltern zusätzlich ein Antrag für Assistenz gestellt werden. Hierfür stehen zusätzliche Stiftungsmittel zur Verfügung.

Weitere mögliche Maßnahmen zur Verbesserung:
Dies ist aus Sicht der Stadt die wichtigste Ressource. Die Einschränkungen und / oder Besonderheiten, auf die sich das vorhandene Betreuungspersonal einstellen muss, sind sehr unterschiedlich und komplex (z.B. von körperlichen Einschränkungen, ADHS). Die Betreuungskräfte müssen zunächst das notwendige Wissen und entsprechendes pädagogisches Werkzeug erhalten, damit es gelingen kann, diese Kinder in den Betreuungsalltag so mit einzubeziehen und zu begleiten, dass sie – wie jedes andere Kind auch – als Gruppenmitglied aufgenommen werden.
Besonders im Bereich Verlässliche Grundschule, der mit einem Personalschlüssel von einer Betreuungskraft für bis zu 20 Kinder ausgestattet ist, ist die Betreuung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen nicht vorgesehen. Auch in Schülerhäusern und in den bildungs- und freizeitpädagogischen Angeboten der Ganztagesschulen kann in einzelnen Fällen zusätzliches Personal notwendig sein, um der Aufsichtspflicht nachkommen zu können.
Der Fachkräftekatalog (§7 KiTaG) berücksichtigt auch staatlich anerkannte Heilpädagogen, staatliche anerkannte Heilerziehungspfleger, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, Logopäden, sowie weitere Berufe aus der Gesundheitsbereich mit zusätzlichem Fortbildungserfordernis.
Ein gezielter Personaleinsatz dieser Berufsgruppen kann die Situation in den Einrichtungen wesentlich entspannen. Allerdings ist hier zu beachten, dass sich die Zusammensetzung der Gruppen kontinuierlich ändert, wobei die Zusammensetzung des Betreuungsteams möglichst konstant sein sollte. Der gezielte Einsatz dieser Berufsgruppen führt deshalb voraussichtlich ohne zusätzliche Maßnahmen nicht an allen Standorten zu einer für alle Beteiligten befriedigenden Betreuungssituation.


7. Personelle Auswirkungen im Schulverwaltungsamt

Für den gesamten Aufgabenbereich wurde zum Stellenplan 2012 eine befristete Stelle im Schulverwaltungsamt geschaffen. Hiervon werden aktuell 0,8 Stellenanteile im Sachgebiet 40-2.1 Schulentwicklungsplanung für die übergeordnete Koordination des Themas, die Vertretung des Schulverwaltungsamts in den Gremien, für die Teilnahme an den Vorgesprächen zur Bildungswegekonferenz (Bildungswegeplanung für jede/n einzelne/n Schüler/in) sowie für die Koordination und Abstimmung der Schulentwicklungsplanung auf allen Ebenen mit dem Thema Inklusion eingesetzt. Im Sachgebiet 40-1.2 Haushaltsangelegenheiten/Schülerbeförderung stehen 0,2 Stellenanteile für die Organisation der Schülerbeförderung sowie der Assistenzen/Schulbegleiter für die Inklusionskinder zur Verfügung.

Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung zur Inklusion im Schulbereich wird die Erfüllung dieser Aufgabe für alle Schulträger rechtlich verpflichtend. Die Gestaltung von inklusiven Schulangeboten zur Ermöglichung des gesetzlichen Wahlrechts der Eltern muss umgesetzt werden. Damit ist das Thema dauerhaft im Rahmen der Schulentwicklungsplanung und bei der Planung sowie Umsetzung von inklusiven Bildungsangeboten zu bearbeiten.

Es handelt sich zusätzlich um eine erhebliche Ausweitung der Aufgabe. Seit dem schuljahr 2011/2012 sind die Fallzahlen um das 10-fache angestiegen. Hier nochmals die Aufgabenbereiche, in denen dauerhaft eine Aufgabenerweiterung durch die gesetzlich verankerte Inklusion im Schulbereich eintritt:
Ein weiterer Anstieg der Fallzahlen ist zu erwarten, da noch nicht alle Schülerjahrgänge die Möglichkeit der inklusiven Beschulung wahrnehmen können (sukzessiver Anstieg). Die insgesamt für die Aufgabe vorhandenen Stellenanteile sind bereits jetzt für die dauerhafte Bearbeitung nicht ausreichend. Daher hat das Schulverwaltungsamt sowohl für den Bereich der Schulentwicklungsplanung als auch für den Bereich der Schülerbeförderung/Assistenzen einen Stellenplanantrag zur Schaffung von jeweils einer 0,5 Stelle (insgesamt 1 Stelle) im Schulverwaltungsamt gestellt. Durch die erheblich angestiegenen Fallzahlen und den dadurch erheblich angewachsenen Mehraufwand besteht zusätzlicher Personalbedarf für das Thema Inklusion. Auf die Ausführungen hierzu in GRDrs 539/2014 bzgl. Schülerbeförderung sowie Assistenz/Schulbegleitung wird verwiesen.

Bei Ablehnung der Stellenschaffung im Schulverwaltungsamt können die genannten Aufgaben größtenteils nicht zeitgerecht zum Schuljahresbeginn wahrgenommen werden. Das heißt, die gesetzlichen Vorgaben werden nicht erfüllt und vielen Kindern wird der Zugang zur Inklusion an einer allgemeinen Schule verwehrt. Betroffene Familien könnten rechtliche Schritte gegen die Stadt veranlassen (Klage), sofern das Recht auf ein inklusives Bildungsangebot nicht adäquat erfüllt werden kann.



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