Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 4544-00
GRDrs 371/2019
Stuttgart,
05/15/2019


"Häusliche Gewalt und Geflüchtete“ im Rahmen von STOP



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Beirat für Gleichstellungsfragen
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Internationaler Ausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
22.05.2019
22.05.2019
03.06.2019
03.07.2019

Bericht:


Die Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern der Landeshauptstadt Stuttgart koordiniert seit dem Jahr 2003 die „Stuttgarter Ordnungspartnerschaft gegen häusliche Gewalt“ (STOP). Ende 2017 wurde als Pilotprojekt, gefördert durch die Robert Bosch Stiftung, die Übertragbarkeit des im Rahmen von STOP erprobten und bewährten Interventions- und Präventionsverfahrens auf die Zielgruppe Geflüchtete konzipiert und in mehreren Modulen umgesetzt. Dazu wurde Anfang 2018 unter der Federführung von OB-ICG ein eigener Arbeitskreis Häusliche Gewalt und GeflüchteteMitglieder: Amnesty International, AWO Stuttgart, Caritasverband für Stuttgart e.V., Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V., Evangelische Frauen in Württemberg, Fraueninformationszentrum FIZ, Frauen helfen Frauen e.V., Frauenberatungs- und Therapiezentrum, Kinderschutz-Zentrum, LHS Stuttgart Sozialamt (Abt. Flüchtlinge, Frauenhaus, FrauenFanal, FIS), LHS Stuttgart Amt für öffentliche Ordnung, LHS Stuttgart Jugendamt, Polizeipräsidium Stuttgart, Rechtsanwaltskanzleien, Sozialarbeiter_innen aus Gemeinschaftsunterkünften verschiedener Träger, Sozialberatung Stuttgart e.V., Staatsanwaltschaft Stuttgart, Wildwasser Stuttgart e.V., ZIMA – Zentrum für interkulturelle Mädchen- und Frauenarbeit, zur Erarbeitung und Abstimmung konkreter Handlungsempfehlungen mit Pilotcharakter gegründet.

1. Übertragung der Interventionsmaßnahmen von STOP auf die Zielgruppe „häusliche Gewalt ausübende Geflüchtete“

Grundsätzlich sollen geflüchtete Menschen in das Maßnahmenpaket des Stuttgarter Interventionsverfahrens STOP eingebunden werden und die entsprechenden Hilfsangebote in Anspruch nehmen. Die Sprachbarriere zwischen Berater*innen und Klient*innen macht das jedoch in den meisten Fällen unmöglich. Psychosoziale Arbeit im Rahmen der Täter*innenarbeit benötigt ein ausgeprägtes Sprachverständnis, um die Ziele der Beratung (Gewalthandlung stoppen, Verantwortung für eigenes Handeln übernehmen, alternative Konfliktlösungen erlernen) zu erreichen. Es wurde deshalb ein dreigliedriges Interventionsangebot innerhalb eines Pilotprojektes aufgebaut, das 2019 weitergeführt wird. Im Rahmen dieses Pilotprojekts wurden auch muttersprachliche Dolmetschende fachlich fundiert zur Thematik Beziehungsgewalt und Gewaltprävention ausgebildet. Die Durchführung lag bei der Fachberatungsstelle Gewaltprävention (Anlage 1).

2. Etablierung eines Männercafés als Treffpunkt für Männer mit und ohne Fluchterfahrung

Unter Federführung von OB-ICG, wurde 2018 als weiteres Kooperationsprojekt mit der Fachberatungsstelle Gewaltprävention, dem Mehrgenerationenhaus Heslach sowie dem Freundeskreis „Flüchtlinge Böblinger Straße“ ein Männercafé als regelmäßige und sozialpädagogisch begleitete Maßnahme eingerichtet und erfolgreich etabliert. Seit 2019 wird das Männercafé nun einmal wöchentlich von MiMi-Mentoren organisiert und begleitet. Die zweistündigen Treffen bieten einen niedrigschwelligen und geschützten Raum für Männer, zum Kennenlernen und Austausch über Themen, die gerade von Interesse sind. Die MiMi-Mentoren sorgen dafür, dass auch Themen in Zusammenhang mit häuslicher Gewalt regelmäßig angesprochen werden. Sie fungieren als Ansprechpersonen und informieren die Teilnehmenden über Hilfsangebote von Fachberatungsstellen. Grundsätzlich können alle Männer teilnehmen, mit und ohne Fluchterfahrung, jedoch die primäre Zielgruppe sind geflüchtete Männer mit Gewalterfahrung. Das Angebot kann beispielsweise (gewalttätigen) Bewohnern von Sozialarbeiter*innen in den Gemeinschaftsunterkünften vorgeschlagen werden. Das Männercafé bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit Gewalt anzusprechen und im nächsten Schritt professionelle Hilfe zu vermitteln. (Anlage 2)

3. Erarbeitung trägerübergreifender, vernetzter Handlungsstrukturen bei häuslicher Gewalt in Gemeinschaftsunterkünften

Als wichtiges Anliegen der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen in den Gemeinschaftsunterkünften zeigte sich der Bedarf, ein übersichtliches, einheitliches und trägerübergreifend verbindliches Handlungs- und Ablaufschema im Fall von häuslicher Gewalt und bei Verdacht auf häusliche Gewalt zur Verfügung zu haben. Unter Federführung von OB-ICG wurde eine Projektgruppe gegründet, mit Vertreter*innen der Trägerorganisationen, wie etwa der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Stuttgart e. V., der Arbeitsgemeinschaft für die eine Welt e. V. Stuttgart, dem Deutschen Roten Kreuz Kreisverband Stuttgart e. V., der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V., dem Malteser Hilfsdienst e. V. Stuttgart und dem Jugendamt Stuttgart.

Es konnten vier Handlungsstränge entwickelt werden, die im Fall von

• Verdacht auf Häusliche Gewalt/ Partnerschaftsgewalt MIT Kindern
• Akute Häusliche Gewalt/ Partnerschaftsgewalt MIT Kindern
• Verdacht auf Häusliche Gewalt/ Partnerschaftsgewalt OHNE Kinder
• Akute Häusliche Gewalt/ Partnerschaftsgewalt OHNE Kinder

Handlungssicherheit geben sollen. Die Unterscheidung in MIT und OHNE Kinder ist notwendig, da Fälle von häuslicher Gewalt in Familien zunächst immer unter Kinderschutzgesichtspunkten geprüft werden müssen. Als Grundlage für ein abgestimmtes Verfahren dienten das bewährte STOP-Verfahren und die bereits bestehende „Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Unterstützung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in Stuttgarter Gemeinschaftsunterkünften“ zwischen Sozialamt, Jugendamt und Trägerorganisationen.

Als wichtig wurde von allen Beteiligten eine leicht verständliche und übersichtliche Darstellung der Unterstützungsmöglichkeiten in Form eines Organigramms erachtet. Zusätzliche Ergänzungen und Erklärungen sollten in einen entsprechenden Fließtext eingearbeitet werden.

Während der Arbeitsphase wurden die Themen Selbstschutz und Kinderschutz aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Dabei kristallisierte sich heraus, dass ein gemeinsam vereinbartes Vorgehen der Sozialarbeiter*innen mit dem Jugendamt, dem Sozialamt und den Beratungsstellen (Planung weiterer Schritte) als notwendig und hilfreich angesehen wird. Als Vorschlag wurden zum Beispiel Treffen mit allen beteiligten Mitarbeiter*innen und externen Akteur*innen zur allgemeinen Auswertung der Vorgehensweise und zur Planung konkreter Schritte im vorliegenden Fall genannt.

In den dargestellten Ablaufstrukturen sind die vier möglichen Szenarien und Interventionsmöglichkeiten abgebildet. Sie dienen der Orientierung und Unterstützung für schnelles und sicheres Handeln. (Anlage 3)

4. Durchführung und Weiterentwicklung des MiMi Gewaltpräventionsprojekts mit Migrantinnen für Migrantinnen sowie mit Migranten für Migranten

Die Erfahrungen des Projektverlaufs von „MiMi – Gewaltprävention mit Migrantinnen für Migrantinnen“ in der Laufzeit 2017 zeigten, dass Informations- und Präventionsarbeit allein für Frauen nicht ausreicht. Die Einbeziehung von Männern erschien notwendig. Diese MiMi Projektausrichtung auf die Verursacher häuslicher Gewalt 2018 entsprach den Erfahrungen von STOP und konnte deshalb in Stuttgart konsequent umgesetzt werden. Männliche MiMi-Mentoren für Gewaltprävention wurde akquiriert und in enger Zusammenarbeit mit der Fachstelle Gewaltprävention und anderen Fachberatungsstellen in Stuttgart geschult. Ähnlich wie die weiblichen MiMis haben die männlichen MiMis im Laufe des Projektzeitraums in selbst organisierten Veranstaltungen geflüchtete Männer und Jungen kultur-, sprach- und geschlechtssensibel über Formen von Gewalt, Schutzmöglichkeiten und rechtliche Grundlagen informiert. (GRDrs 47/2018,1123/2018)

Neben diesen grundlegenden Informationsveranstaltungen hat OB-ICG gemeinsam mit den MiMi-Mentorinnen und Mentoren weitere Einsatzformate in Zusammenhang mit Häuslicher Gewalt entwickelt: Sprach- und Kulturvermittlung für Gruppen und Einzelfälle, genderspezifisch oder als Gender-Team, im Rahmen festgelegter Sprechstunden oder auf Abruf. Die MiMi-Mentorinnen und Mentoren unterstützen die Sozialarbeiter*innen vor Ort, nehmen Kontakt zu den Bewohner*innen in den Unterkünften auf, die ggf. von häuslicher Gewalt betroffen sind. Die Erfahrung zeigt, dass die Muttersprache hier eine gute und vertrauensbildende Brücke sein kann. Es zeigt sich in der Praxis auch immer mehr, dass die geflüchteten Menschen gerade in Zusammenhang mit häuslicher Gewalt Begleitung brauchen - zu Behörden oder auch zu Beratungsstellen. Die Sprachbarriere stellt oft ein großes Hindernis dar. Auch hier können die MiMi-Mentorinnen und Mentoren Unterstützung anbieten. Diese Formate wurden gemeinsam mit den MiMis entwickelt, auf deren Interessens- und Kompetenzgrundlage. Für das entsprechende Profiling der MiMis wurde eine Datenbank angelegt. Auf diese Weise lassen sich Anfragen mit größerer Passgenauigkeit beantworten.


Beteiligte Stellen

Referat SI hat am 23.04.2019 Kenntnis genommen, Referat JB hat am 2.05.2019, Referat WFB hat am 7.05.2019 Kenntnis genommen.






Fritz Kuhn




Anlage 1: Projektbeschreibung Interventionsangebot
Anlage 2: Flyer Männercafé
Anlage 3: Trägerübergreifende Handlungsschemata bei häuslicher Gewalt in Stuttgarter Gemeinschaftsunterkünften (Anlage ist aus Datenschutzgründen nicht im Internet verfügbar)


<Anlagen>


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Anlage 2_Aushang Flyer Männercafe2019.pdf
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Anlage 1_Projekt Intervention HG gefl. Menschen 2019 .pdf