Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
38/2021
GZ:
OB/82
Sitzungstermin: 03.02.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:Frau Aufrecht (OB/82)
Protokollführung: Frau Schmidt fr
Betreff: Beteiligung am Wettbewerb Innovationspark Künstliche Intelligenz Baden-Württemberg (Stufe 2)

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 29.01.2021, öffentlich, Nr. 3
Ergebnis: einmütige Zustimmung mit Maßgabe


Beratungsunterlage ist die Vorlage von OB/82 (Abteilung Wirtschaftsförderung) vom 26.01.2021, GRDrs 38/2021, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Vorbehaltlich der Zulassung der Antragsteller-Gemeinschaft der Regionen Stuttgart - Karlsruhe - Neckar-Alb zum Wettbewerb in Verfahrensstufe 2 durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg verpflichtet sich die Landeshauptstadt Stuttgart zur Erfüllung aller Zusagen im Rahmen der 2. Stufe des Wettbewerbs und stellt für die im Rahmen dieser Wettbewerbsbeteiligung durchzuführenden Maßnahmen zur Entwicklung eines KI-Parks auf Stuttgarter Gemarkung (z. B. Bereitstellung von Flächen, Infrastruktur, Baukosten, Zuschüsse an Dritte) als Ko-Finanzierung (Eigenbetrag mindestens in Höhe des Förderbetrags) bis zu 5 Millionen EUR zur Verfügung (s. GRDrs 17/2021).


2. Die Verwaltung wird ermächtigt sämtliche in der 2. Stufe des Wettbewerbsverfahrens für die Förderung eines Innovationsparks KI Baden-Württemberg erforderlichen verbindlichen Zusagen abzugeben sowie entsprechende Vereinbarungen und Verträge abzuschließen.


StR Winter (90/GRÜNE) verweist auf noch offene Fragen, die im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik aufgekommen seien. Er schlägt vor, eine weitere Sitzung für den Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen oder den Verwaltungsausschuss in den Faschingsferien anzuberaumen, um nochmals intensiver über die Thematik diskutieren zu können. Auf Nachfrage von EBM Dr. Mayer bestätigt der Stadtrat, die Beschlussfassung "in der Sache" könne in der morgigen Sitzung des Gemeinderates (04.02.2021) erfolgen.

Auf die zukunftsträchtige Bedeutung des Themas Künstliche Intelligenz (KI) weist StR Kotz (CDU) hin. Außerdem berge es eine gewisse Voluminösität, was die Flächen und die Finanzen angehe. Wenn Stuttgart den Wettbewerb gewinnen und eine wichtige Rolle im Bündnis spielen könne, bedeute dies eine Magnetwirkung auf private Investoren und Forschungseinrichtungen. Erstes Ziel sei, gemeinsam mit den Partnern den Wettbewerb zu gewinnen. Dazu müsse das Eigeninteresse zurückgestellt werden. Zustimmung äußert er zum Vorschlag von StR Winter, einen weiteren Beratungstermin zu vereinbaren. Darüber hinaus bitte er um ein niederschwelliges Kommunikationsverfahren zwischen Fraktionen und Verwaltung, wenn sich Neuerungen ergäben.

Auch StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) spricht sich für einen zusätzlichen Beratungstermin aus. Damit biete sich die Chance der besseren Information durch die Verwaltung. Die Politik habe einen am gemeinwohlorientierten Auftrag. Es stelle sich die Frage, wie der Erfolg eines solchen Vorhabens bemessen werden könne. Zum einen gebe es den wirtschaftlichen Erfolg, andererseits stelle sich die Frage nach dem sozialen und ökologischen Erfolg, der hier sehr vage dargestellt sei. Er schlägt vor, bis zum erneuten Beratungstermin verbindliche Kriterien analog der Anlagerichtlinien zu erstellen. Bei der nun anstehenden Entscheidung dürfe nicht unter diesen Standard zurückgefallen werden. Somit erhalte die Verwaltung die Chance, Ausschlusskriterien für Firmen mit Verflechtungen zu den den Anlagerichtlinien widersprechenden Unternehmen zu erarbeiten. Diese Kriterien müssten in der Bewerbung verankert und garantiert werden. Für die Abstimmung im Gemeinderat kündigt er getrennte Abstimmung innerhalb seiner Fraktion an, da es unterschiedliche Sichtweisen auf diese Technologie gebe.

Die von StR Rockenbauch aufgezeigten ethischen Fragen sind für StR Körner (SPD) bereits dargestellt. Überall, wo Querschnittsfunktionen gefördert würden, könne es zu Anwendungen kommen, die auf weniger Zustimmung stießen. Insofern empfehle er Zurückhaltung in der Frage, was unterstützt werde und was nicht. Er unterstütze die Beteiligung am Wettbewerb, da in Stuttgart in diesem Bereich ohnehin zu wenig stattfinde. Zustimmung äußert er zum Vorschlag einer weiteren Beratung, bei der mehr Details dargestellt werden könnten. Stuttgart dürfe nicht nur als "entry point" fungieren, sondern in der Landeshauptstadt müsse auch Wertschöpfung und Forschung erfolgen.

Zustimmung zum Verfahrensvorschlag von StR Winter äußern die Stadträtinnen Yüksel (FDP), von Stein (FW) und Schumann (PULS). Letztere erinnert an die noch ausstehende Stellungnahme von Frau Aufrecht (OB/82).

StR Rockenbauch greift nochmals die Frage der Richtlinien auf. Er verlange nicht den Verzicht auf Forschung, wolle aber ausschließen, dass fragwürdige Spekulation betrieben werde. Dies könne über die Geschäftstätigkeit und die Produkte der Firmen gesteuert werden. Er betont, die Unterstützung von Grundlagenforschung sei nicht primäre kommunale Aufgabe. Es gehe im Endeffekt um ein Gewerbegebiet und harte Infrastruktur, nicht um Forschungsbeiträge, denn dies sei Bundesaufgabe. Wenn öffentliches Geld an das Vorhaben gegeben werde, müsse sichergestellt werden, dass damit keine Forschung in der Rüstung betrieben werde. Hauptprofiteure von KI-Technologie seien nun mal Rüstungsbetriebe. Dies müsse verbindlich ausgeschlossen werden. Kontrollmechanismen widersprächen nicht der Zielsetzung des Wettbewerbs.

Freude über die breite Zustimmung signalisiert EBM Dr. Mayer. Zum Verfahrensvorschlag von StR Winter erklärt er, eine Sondersitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen am 19.02.2021 mit einem einzigen Tagesordnungspunkt zum KI-Innovationspark sei denkbar, der in einem öffentlichen und einem nicht öffentlichen Teil beraten werde. Klar sei, dass mit dem Beschluss im Gemeinderat im Fall des Obsiegens im Wettbewerb auch eine Verpflichtung bestehe, einen Beitrag zu leisten. Es werde einen intensiven Austausch über das einzureichende Gesamtkonzept geben. Der Vorsitzende teilt die Einschätzung von StR Körner zur Wichtigkeit der Flächen. Auch wenn die Stadt Stuttgart perspektivisch über große Flächenpotenziale verfüge, kämen diese für den jetzigen Wettbewerb zu spät. Aus diesem Grunde benötige man Partnerschaften mit privaten Investoren. Stuttgart wolle nicht nur der "entry point" sein, sondern auch die Innovation und Wertschöpfung heben. Gegenüber StR Rockenbauch merkt er an, es müsse selbstverständlich mit den Partnern über Richtlinien und inhaltliche Standards gesprochen werden. Ausdrücklich nicht teile er die Auffassung, "jedes Start-up landet am Ende eh bei Google". Diese Sichtweise führe nicht weiter.

Auf die Inhalte der Thematik geht Frau Aufrecht (OB/82) ein und betont, ausgeschrieben sei der Wettbewerb zur Etablierung eines Innovationsparks für Künstliche Intelligenz. Das Fördervolumen durch das Land mit 50 Mio. Euro sei einzigartig und seit Jahrzehnten im Bereich der Innovationsförderung eines der größten. Mit den Regionen, die sich auf KI spezialisiert hätten, habe sich eine einzigartige Konstellation ergeben. In diesen Kontext müsse der Beitrag der Landeshauptstadt eingeordnet werden. Ziel sei die Etablierung eines zukunftsweisenden Leuchtturmprojektes sowie einer langfristigen Perspektive, die mit Fördergeldern der Europäischen Union in Höhe von 2 Mrd. Euro unterstützt werde. Seitens des Konsortiums müssten Eigenmittel über 50 Mio. Euro und 15 Hektar Fläche eingebracht werden; daran wolle sich die Landeshauptstadt mit 5 Mio. Euro beteiligen. Böblingen, Tübingen, Reutlingen und Karlsruhe wollten ebenfalls 5 Mio. Euro zur Verfügung stellen; diese Städte könnten einen gesamten Technologiepark mit Betreibergesellschaft in das Projekt einbringen. Der Rest müsse durch Investitionen privater Gesellschaften an ihrem Standort erbracht werden. Bei den Flächen wolle sich Karlsruhe mit 6 Hektar, Reutlingen mit 7 Hektar und Tübingen mit 1,7 Hektar beteiligen. Mit Unternehmen sei man in Diskussion "bis 2 Hektar", allerdings mit einer sehr dichten Bebauung, die die entsprechende Anzahl an Arbeitsplätzen generieren würde. Stuttgart bekomme dafür den Sitz der Gesellschaft, gegebenenfalls einen "entry point", Investitionen am Standort in Millionenhöhe, sowie zahlreiche Arbeitsplätze. Letztendlich erhalte man dadurch die Eintrittskarte in diesen regionalen Verbund und werde Teil eines Leuchtturmprojektes. Frau Aufrecht verweist auf den engen Zeitplan und begrüßt die signalisierte Zustimmung. Bezüglich der einzubringenden Investitionen seitens der Landeshauptstadt merkt sie an, es gehe um die Errichtung eines Investitionsparks, nicht um die Kosten eines Betriebes. Konkret handle es sich um Investitionskostenzuschüsse zum Beispiel für Baukosten, Co-Working-Space, Rechnerinfrastruktur, Gründerzentren, Breitband-Infrastruktur, KI-Weiterbildungseinrichtungen, Labore oder den "entry point". Eine KI-Zweckbindung könne erreicht werden, indem private Investoren an auf KI spezialisierte Unternehmen vermieteten. Frau Aufrecht bestätigt die Information zur Thematik vor dem 22.02.2021. Wenn seitens der Stadt eine Beteiligungszusage vorliege, erleichtere dies die Verhandlungen mit der Privatwirtschaft erheblich. Man diskutiere nicht über Flächen für kulturelle oder soziale Zwecke, sondern über Flächen in einem Gewerbegebiet. Die Befürchtung einer Nutzung "auf der grünen Wiese" treffe somit nicht zu.

Des Weiteren greift Frau Aufrecht die Frage des ethischen Aspekts auf und erklärt, das Thema werde selbstverständlich aufgenommen, da es im Wettbewerb ohnehin vorausgesetzt werde. Auf regionaler Ebene sei ein Bürger*innenrat denkbar; auf überregionaler Ebene gebe es einen Fachbeirat, der neben technischen auch ethische Fragen diskutieren könne. Bezüglich des Aspektes Streaming/Aufzeichnung verweist sie auf datenschutzrechtliche Aspekte, die behandelt werden müssten. Sie äußert die Bitte, die Organisatoren Lösungsmöglichkeiten erarbeiten zu lassen. Der Bürger*innenrat werde dadurch nicht infrage gestellt.

Zu den im Bereich KI tätigen Unternehmen, die Teil des Innovationsparks sein könnten, stellt sie fest, Karlsruhe verfüge über eigene Flächen und werde eine Betreibergesellschaft einsetzen. Dort gebe es bei der Vergabe an Unternehmen die Möglichkeit, bestimmte Angaben abzufragen. Sie halte es nicht für ausgeschlossen, in den Verhandlungen gewisse Standards zu setzen, wenn eine KI-Zweckbindung gegeben sei. Der Standort sei von vielen weltmarktführenden Unternehmen in diesem Bereich geprägt, die in ethischen Fragen auf guter Basis arbeiteten. Sie gehe davon aus, dass auch in dieser Fragestellung eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden könne. Abschließend merkt sie an, man stehe in Konkurrenz zu anderen. Aus diesem Grund werde das Gesamtkonzept nicht vollständig öffentlich dargestellt. Sie könne jedoch zusagen, über Inhalte spätestens bis zum 22.02.2021 und laufend bilateral zu informieren.

Wenn die Stadt nun mit kommunalem Geld in der realen Wirtschaft agieren wolle, so StR Rockenbauch, müsse über ökologisch-soziale Standards gesprochen werden. Als Beispiel nennt er Bitcoin-Verschlüsselungen, die so viel Strom verbrauchten wie das ganze Land Dänemark. Es sei problematisch, derartige Technologien und Firmen zu unterstützen. Wenn eine strukturelle Neuausrichtung der Wirtschaft angestrebt werde, müsse die öffentliche Hand gestaltend eingreifen. Man benötige einen demokratischen Diskurs, der zwar auf regionaler Ebene eingebaut sei, aber dann auch nachhaltige Wirkung auf die zukünftige Ausrichtung der Wirtschaft haben müsse. Er fordert Kriterien und eine dauerhafte Kontrolle, die bisher nicht gegeben seien. Die Geschäftsmodelle müssten geprüft werden. Es sei geboten, von der abstrakten Diskussion hin zur realen Entwicklung der regionalen Wirtschaftsstandorte zu kommen.

Diesen inhaltlichen Widerspruch sieht EBM Dr. Mayer nicht. Es dürfe nicht der zehnte Schritt vor dem ersten gemacht werden. Das Konzept werde immer weiter "granuliert". Die Frage, welches Geschäftsmodell sich in den nächsten Jahren in den Ansiedlungen etablieren werde, sei derzeit nicht entscheidungsreif.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen mehr ergeben, stellt der Vorsitzende fest:


Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag bei 1 Gegenstimme mehrheitlich zu (2 Enthaltungen). Ins Auge gefasst wird eine Sondersitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen.

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