Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
514/2018
GZ:
OB/82
Sitzungstermin: 27.06.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Breitbandversorgung
- Stand der Planungen/Verhandlungen
- Weiteres Vorgehen
- Mittelbereitstellung und Stellenschaffung

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 22.06.2018, öffentlich, Nr. 59

Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.06.2018, GRDrs 514/2018, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Vom vorliegenden Bericht wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Der Fortführung von Kooperationsgesprächen mit der Privatwirtschaft mit dem Ziel der Unterzeichnung einer Absichtserklärung (nonbinding LOI) wird zugestimmt.

3. Der Teilnahme der LHS an der regionalen Breitband-Servicegesellschaft mbH und der dafür notwendigen überplanmäßigen Mittelbereitstellung in Höhe von 71.400 EUR in 2018 und 142.800 EUR in 2019 im THH 810 - Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107020 - Wirtschaftsförderung, Kontengruppe 42510 - Sonstige Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen, wird zugestimmt.

4. Die Finanzierung der überplanmäßigen Mittel aus Ziff. 3 erfolgt aus der Deckungsreserve Sachaufwand im Teilhaushalt 900 - Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 - Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 - Sonstige ordentliche Aufwendungen, in entsprechender Höhe.

5.1 Die Verwaltung wird ermächtigt, ab dem 01.08.2018 außerhalb des Stellenplans Personal im Umfang einer Vollzeitkraft in EG 13 als Breitbandkoordinator/in einzustellen.

5.2 Zu Deckung der dadurch entstehenden überplanmäßigen Aufwendungen im THH 810 - Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107020 - Wirtschaftsförderung, Kontengruppe 400 - Personalaufwendungen, in Höhe von 34.700 EUR in 2018 und 83.200 EUR in 2019 wird die Deckungsreserve Personalaufwand im Teilhaushalt 900 - Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 - Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 400 - Personalaufwendungen, herangezogen. B


Das Beratungsthema stellt für EBM Föll ein weiteres gutes Beispiel für eine konstruktive Zusammenarbeit von Landkreisen, Verband Region Stuttgart (VRS) und der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) dar. Nachdem er an die Beratung am vergangenen Freitag im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen und an die dortige Präsentation des regionalen Breitbandbeauftragten, Herrn Bahde, erinnert hat, trägt er vor, in der Frage der Breitbandversorgung gehe es zunächst darum, welches gemeinsame Ziel die Landkreise, der VRS und die LHS verfolgten. Dieses Ziel laute, eine glasfaserbasierte Versorgung bis 2025 allen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus soll diese Möglichkeit bis 2025 für 50 % der Privathaushalte und bis 2030 für 90 % der Privathaushalte bestehen. Das Ganze solle glasfaserbasiert sein, um über die entsprechende Zukunftsleistungsfähigkeit zu verfügen. Damit verbunden seien selbstverständlich Themen wie diskriminierungsfreier Zugang (Open Access), 5G-Themen etc.

Diese Zielsetzung sei durchaus ambitioniert, sie habe aber zunächst nichts mit dem Thema "unterversorgte Gebiete/Marktversagen" hinsichtlich einer Eingriffsschwelle von 50 Mbit/s zu tun. 50 Mbit/s sei ja eine Leistungsfähigkeit, die nicht wirklich zukunftsfähig sei.

Unter Federführung des VRS, des regionalen Breitbandbeauftragten, hätten sich die Landkreise und die LHS darüber Gedanken gemacht, wie dieses Ziel am schnellsten und am wirtschaftlichsten erreicht werden könne. Dazu habe Herr Bahde ein Markterkundungsverfahren durchgeführt. Demnach lasse sich dieses Ziel am besten durch eine Kooperation mit privaten Telekommunikationsunternehmen erreichen - konkret im vorliegenden Fall mit der Deutschen Telekom.

Die Verwaltung wolle nun durch den Gemeinderat beauftragt werden, dass die LHS gemeinsam mit dem regionalen Breitbandbeauftragten eine verbindliche Rahmenvereinbarung mit der Deutschen Telekom aushandeln könne. Die Deutsche Telekom habe im Rahmen der Markterkundung zugesagt, zusätzlich erhebliche Investitionsmittel für den glasfaserbasierten Ausbau in der Region Stuttgart zur Verfügung stellen wolle. Dieses wolle man in eine verbindliche Form fassen, sowohl was das Volumen anbelange, als auch dazu, welche konkreten Gebiete abgedeckt werden sollen. Darüber hinaus werde selbstverständlich weiterhin Wettbewerb stattfinden. Hier bezieht sich der Erste Bürgermeister beispielhaft auf die Übernahme von Unity Media durch Vodafone. Dadurch sei ein zweiter starker Anbieter entstanden. Berücksichtigt gehöre, beim Breitbandausbau gebe es keine Konzession, also kein Monopol auf eine bestimmte Zeit, sondern jeder Anbieter könne Glasfaserkabel in Straßen/Plätzen verlegen, sofern es dazu Platz gebe. Die Kommunen seien verpflichtet, dies zuzulassen. In der Regel gebe es immer diesen Platz. Deswegen werde vorgeschlagen, einer Kooperation mit der Privatwirtschaft den Vorzug zu geben, damit man nicht durch öffentliche Investitionen Geld verschwende, da die Privatwirtschaft hinterher diese öffentliche Investition überbauen könne. Bei Strom und Gas sei durch Konzessionsrecht ein Monopol auf Zeit errichtet. Da es dies beim Breitbandausbau nicht gebe, meine die Verwaltung, dass sich mit der Kooperation am schnellsten und am wirtschaftlichsten die genannte Zielsetzung erreichen lasse. Dazu gehöre auch eine zeitnahe Anbindung beispielsweise der Schulen. Dies werde ebenfalls Gegenstand der Kooperation sein. Auch die im Rahmen der vergangenen Haushaltsplanberatungen gesetzten eigenen städtischen Ziele wolle man in diesem Rahmen erreichen. Wenn diese verbindliche Rahmenvereinbarung konkret auf die Ausbauvorhaben heruntergebrochen sei, werde man sich darüber Gedanken machen, wo "wir als öffentliche Hand", in welcher Form auch immer, noch ergänzend tätig werden. Dies könne man durch entsprechende öffentliche Ausschreibungen tun. Möglich sei durchaus, die Infrastruktur zu errichten, dann aber sei man verpflichtet, den Betrieb öffentlich auszuschreiben. Um die formulierten Breitbandziele tatsächlich zu erreichen, werde man sich anschauen müssen, wo die Privatwirtschaft, sei es die Deutsche Telekom im Rahmen der Kooperationsvereinbarung oder andere Anbieter, nicht tätig werde. Zudem werde um Zustimmung für die regionale Breitband-Servicegesellschaft gebeten. Dazu werde im Herbst noch eine Vorlage mit dem Gesellschaftsvertrag vorgelegt. Notwendig sei, bei diesem Thema Fahrt aufzunehmen, um die Zeitziele einzuhalten.

StR Dr. Reiners (CDU), StR Winter (90/GRÜNE) und StR Perc (SPD) signalisieren im Namen ihrer Fraktionen Zustimmung zum Beschlussantrag. Die Zielsetzung sehen sie als ambitioniert an. Von einem vernünftigen regionalen Ansatz geht StR Urbat (SÖS-LINKE-PluS) aus. Da man letztlich über keinen besseren Plan verfüge, werde er "mit Bauchschmerzen" zustimmen.

In Sachen Datenübertragungsinfrastruktur bezeichnet StR Dr. Reiners die Glasfasertechnologie als bestimmend. Die Thematik werde sich nur im Verbund mit verschiedensten Akteuren voranbringen lassen. StR Winter sieht den Nachholbedarf beim Ausbau der Breitbandversorgung als dringlich an. Entsprechend äußert sich StR Perc. Die Schuld für das bislang unkoordinierte Vorgehen in Deutschland beim Breitbandausbau liegt für StR Urbat beim Bund. Auch er sieht großen Handlungsbedarf. Von ihm, und damit greift er die Äußerung von StR Dr. Reiners auf, der die Breitbandversorgung als Teil der Daseinsvorsorge bezeichnet, wird die von Bundesseite initiierte Privatisierung dieses Bereichs kritisiert. Weiter problematisiert StR Urbat die Versteigerung von Mobilfunklizenzen. Die Kosten, die hier die Provider aufbringen müssten, würden diese an die Kunden weitergeben. Daher sei das deutsche Preisniveau für die Mobilfunknutzung im Vergleich zum Ausland extrem hoch. Ein weiterer Effekt dieser Versteigerungen sei, dass diese die Bereitschaft der Provider für zukünftige Investitionen unterminierten, was einer der Gründe sei für die Ausbaudefizite. Er prognostiziert Probleme beim 5G-Netz, auch wenn eine flächendeckende Glasfaserversorgung vorliegt. Benötigt würden für dieses Netz viele Antennen, und diese seien schwer zu bekommen.

Bezogen auf die Anlage 1, Seite 5, dritter Absatz und Seite 6, sechster Absatz merkt StR Perc an, auf Nachfrage habe die Netze Stuttgart erklärt, sie sei in die Abfrage nicht involviert gewesen. Hierzu informiert EBM Föll, es gehe hier um die Netze BW. Bei der Netze Stuttgart werde es ab 01.01.2019 andere Möglichkeiten als seither geben, denn dann werde die LHS Mehrheitseigentümer sein. Grundsätzlich seien alle Anbieter, dies gelte für die Netze BW, die Deutsche Telekom und andere, was die Offenlage ihrer Netze und ihrer Netzausbauplanungen angehe, außerordentlich zurückhaltend. Teil des Markterkundungsverfahrens sei gewesen und Teil der Kooperationsvereinbarung mit der Deutschen Telekom werde sein, dass die Deutsche Telekom ihre vorhandenen Netze und auch ihre Ausbauplanung offenlegen und verbindlich festschreiben müsse. Dies werde einer der entscheidenden Punkte bei dieser Kooperationsvereinbarung sein. Daher werde die Stadtverwaltung bei den anstehenden Gesprächen darauf achten, dass die Beteiligungsunternehmen der LHS sich mit ihrem Know-how dort auch einbringen. Schließlich müsse angestrebt werden, die Zielsetzungen zu erreichen.

Gegenüber StR Urbat fährt er fort, darüber, ob eine privatwirtschaftliche Vorgehensweise oder ein Vorgehen durch ein öffentliches Monopol Vorteile bringe, könne sicherlich lange gestritten werden. In jedem Fall, so seine Einschätzung, wäre es aber sinnvoll, bei den Kommunen so etwas wie ein Konzessionsrecht anzusiedeln. Dann könnte lokal entschieden und gesteuert werden, um ein planmäßiges Handeln sicherzustellen. Mit der vorgeschlagenen Struktur versuche die Verwaltung dies ein Stück weit zu erreichen, sofern es unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich sei. Er zeigt sich zuversichtlich, mit der vorgesehenen Vorgehensweise Erfolge erzielen zu können.

Am Ende der Aussprache artikuliert StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) noch Beratungsbedarf. Er werde sich der Stimme enthalten. Konkret kann er nicht nachvollziehen, dass in der Vorlage einerseits von Marktversagen gesprochen wird und andererseits dennoch eine Kooperation mit der Privatwirtschaft vorgeschlagen wird. Er tendiert zu einer städtischen Vorgehensweise. Dies aufgreifend unterstreicht der Vorsitzende, die Privatwirtschaft habe bereits heute schon Netze. Beispielsweise habe die Deutsche Telekom ein funktionierendes, leistungsfähiges Backbone-Netz in der LHS. Dies mit öffentlichen Mitteln zu überbauen erachtet er als irrational. Öffentliche Mittel in ein Backbone-Netz zu investieren, mache keinen Sinn, denn entscheidend sei, über ein lokales Verteilnetz zu verfügen. Ohne ein solches Verteilnetz könnten Unternehmen und Haushalte nicht von einem Backbone-Netz profitieren. Es werde Gebiete geben, wo die Telekom nicht im Rahmen der Kooperation tätig werde und wo auch andere private Anbieter nicht tätig würden. Hier nennt er beispielsweise das Gebiet Bruderrain (Seitenteil des Nesenbachs). Dort gebe es einige Gärtnereien. In diesem Bereich werde niemals ein privater Anbieter ein Glasfasernetz verlegen, und im Zweifel könnten sich dortige Unternehmen dies auch auf eigene Kosten nicht leisten. Bei solchen Gebieten müsse der Gemeinderat irgendwann entscheiden, ob die Stadt den dort wohnenden Bürgerinnen und Bürgern und den dort tätigen Unternehmen einen Glasfaseranschluss gönne oder nicht. Wenn die öffentliche Hand die Infrastruktur bauen würde, wäre sie verpflichtet, den Betrieb öffentlich auszuschreiben. Nach den geltenden Rahmenbedingungen dürfe die Stadt den Betrieb nicht durchführen. Falls die Rahmenbedingungen nicht geändert würden, unterbliebe der Ausbau. Von daher sollte man Breitbandversorgungsziele formulieren, um dann unter den gegebenen Rahmenbedingungen nach dem schnellsten, intelligentesten und wirtschaftlichsten Weg zu suchen, um die Ziele zu erreichen. Dies sei der Inhalt der Vorlage.

Damit, so StR Rockenbauch, werde festgeschrieben, dass die Aktivitäten der LHS in diesem Bereich unwirtschaftlich seien. Für die Stadt müsse es doch Modelle geben, bei denen die Stadt bei einem Thema der Daseinsvorsorge nicht lediglich defizitäre Teile erledige.

Nachdem EBM Föll auf die intensive Vorberatung der Vorlage verweist, teilt er mit, in seiner Einführung habe er erklärt, dass das Breitbandnetz nicht mit Strom- und Gasnetz gleichgesetzt werden dürfe. Beim Breitbandnetz gebe es nun mal keine Konzession und damit kein Monopol auf Zeit. Beim Ausbau des Breitbandnetzes könne jeder Anbieter tätig werden, und eine Kommune sei verpflichtet, sofern es auf der öffentlichen Fläche noch Platz gebe, dies auch zuzulassen. Folglich werde es bei der Breitbandversorgung stets Privatwirtschaft geben. Zum Teil sei die Privatwirtschaft schon da und habe auch bereits Ausbaupläne. Deshalb werde die vorgeschlagene Vorgehensweise als zielführend angesehen. Ein großes öffentliches Netz mit Backbone und Verteilnetz würde in der LHS Investitionen in der Größenordnung von mehreren hundert Mio. € verursachen. Die Stadt könnte dieses Netz nicht wirtschaftlich betreiben, da andere Anbieter bereits auf existierende Netze und über umfangreiche Marktzugänge zurückgreifen könnten.

Bei der regionalen Breitband-Servicegesellschaft gehe es darum, dass die Gesellschaft den Kooperationsvertrag mit der Deutschen Telekom verhandle und die Umsetzung gemeinsam mit den Landkreisen und den Gemeinden koordiniere. Daraus eine Anstalt öffentlichen Rechts zu machen, wäre völlig überzogen. Eine solche Anstalt sei komplizierter als eine Servicegesellschaft. Die Servicegesellschaft werde selbst nicht investiv tätig, sondern Investitionen würden entweder im Rahmen des Kooperationsvertrages mit der Deutschen Telekom oder durch eine Gemeinde vorgenommen. Die Angabe in der Vorlage "Anstalt öffentlichen Rechts/Zweckverband" beziehe sich auf die Landkreise. In den Landkreisen sei Kreis und Gemeinde im Gegensatz zu der LHS nicht identisch. Ein Landkreis könne ohne seine Gemeindeb nicht tätig werden. Deswegen überlegten Landkreise, in ihrem Kreisgebiet entweder einen Zweckverband, in dem Landkreis und seine Gemeinden Mitglieder seien, oder eine Anstalt öffentlichen Rechts zu bilden. Möglicherweise würden die Landkreise hier zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Für die LHS sei diese Frage aber irrelevant.

Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, stellt EBM Föll fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag bei 1 Stimmenthaltung einmütig zu.
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