Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
211
18
VerhandlungDrucksache:
143/2023
GZ:
SOS 1102-00
Sitzungstermin: 10.05.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Maier
Berichterstattung:Herr Werbitzky (Polizeipräsidium Stuttgart)
Protokollführung: Frau Schmidt as
Betreff: Sichere Innenstadt - Berichterstattung Videobeobachtung und Fortführung des Betriebs

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 29.03.2023, öffentlich, Nr. 137
Ergebnis: Vertagung
Gemeinderat vom 30.03.2023, öffentlich, Nr. 61
Verwaltungsausschuss vom 26.04.2023, öffentlich, Nr. 179
Gemeinderat vom 27.04.2023, öffentlich, Nr. 88
jeweiliges Ergebnis: Zurückstellung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Sicherheit, Ordnung und Sport vom 24.03.2023, GRDrs 143/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat nimmt die Berichterstattung der Videobeobachtung des Polizeipräsidiums Stuttgart zur Kenntnis.

2. Der Gemeinderat beschließt die Fortführung des Betriebs zur Videobeobachtung.

3. Dem Gemeinderat wird künftig im jährlichen Rhythmus auf Basis einer polizeilichen Lageeinschätzung berichtet. Ebenso entscheidet der Gemeinderat jährlich über die neue Fortsetzung oder Einstellung der Videobeobachtung.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll ist sie in Papierform beigefügt.


BM Dr. Maier erinnert an die schweren Ausschreitungen ("Krawallnacht"), in deren Folge zwischen Stadt und Land die Sicherheitspartnerschaft vereinbart worden sei. Eine der Maßnahmen sei die Videobeobachtung, durch die die Zahl der Straftaten reduziert, ein schnelleres Eingreifen ermöglicht, das Sicherheitsgefühl der Menschen verbessert und die Strafverfolgung erleichtert werden solle. Die Videobeobachtung sei im Mai 2022 in Betrieb gegangen und über die ersten Erfahrungen werde heute berichtet. Die
Videobeobachtung habe sich aus Sicht der Verwaltung sehr gut bewährt; zudem habe es keinerlei Beschwerden gegeben, dass sich Bürger an dieser Videobeobachtung
störten. Im Vorfeld seien Themen wie Datenschutz und Informationsrecht der Betroffenen intensiv betrachtet worden, um diese zu schützen, indem die Videobeobachtung nur in einem sehr begrenzten Zeitraum durchgeführt werde. Er betont, bei Veranstaltungen komme die Videobeobachtung nicht zum Einsatz; darüber hinaus sei sie dergestalt konzipiert, dass die Bürgerschaft anhand roter Markierungen erkennen könne, wann sie eingeschaltet sei.


Herr Werbitzky (Leiter der Projektgruppe Video, Polizeipräsidium Stuttgart) berichtet sinngemäß der Präsentation. Ergänzende Anmerkungen sind nachfolgend in zusammengefasster Form mit Verweis auf die jeweilige Folie wiedergegeben. Er erklärt, seit 27.05.2022 sei die Anlage in Betrieb, wobei zu diesem Zeitpunkt noch ein Standort aufgrund des Baufortschritts gefehlt habe. An 7 Standorten seien insgesamt 27 Kameras in Betrieb gegangen und jeder Standort sei gleichartig aufgebaut mit einer Detailkamera und mehreren Übersichtskameras. Am 23.03.2023 sei die Bauphase abgeschlossen worden und ein weiterer Standort am Kleinen Schlossplatz in Betrieb gegangen. Somit gebe es in Summe nun 8 Standorte mit insgesamt 30 Kameras (8 Detailkameras,
22 Übersichtskameras, Folie 3). Die Betriebszeiten seien in Stuttgart im Gegensatz zu anderen Städten sehr reduziert (Freitag, Samstag, Nacht vor Feiertagen 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr); zum Vergleich nennt er Mannheim, wo die Anlage durchgängig in Betrieb sei.


Anhand Folie 4 erläutert er die verschiedenen Aspekte der Videobeobachtung, die in Stuttgart im Führungs- und Lagezentrum (FLZ) verortet sei. Zusätzlich seien weiterhin Eingreifkräfte in der Stadt unterwegs, um schnell auf Ereignisse reagieren zu können. Bezüglich des Aspektes "Veranstaltungen, Versammlungen, Außengastro & private
Bereiche" habe eine enge Abstimmung mit dem Landesbeauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) stattgefunden. Er bestätigt die Aussage des Vorsitzenden, wonach die Anlage bei Veranstaltungen etc. nicht in Betrieb sei. Über Beschilderungen im Stadtgebiet werde auf die Anlage hingewiesen. Zum Thema der inneren
Versammlungsfreiheit führt er aus, es sei wichtig, dass die Bürger zu jeder Zeit und auch aus weiterer Entfernung erkennen könnten, ob die Anlage in Betrieb sei. Diese Herausforderung sei an die Industrie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht herangetragen worden. Im Ergebnis sei extra für Stuttgart gemeinsam mit dem Dienstleister die nun zum Einsatz kommende Lösung entwickelt worden. Des Weiteren weist er auf die Speicherdauer der Daten von 72 Stunden hin. Wenn diese nicht für ein Strafverfahren o. Ä. benötigt würden, erfolge die Löschung. Zwischenzeitlich gebe es auch Gerichtsurteile, die eine Zwei-Wochen-Speicherung für tragbar hielten, allerdings habe man sich nach den ersten Erfahrungen bewusst dafür entschieden, die Zeitspanne nicht auszudehnen. Die Protokolle zum Einsatz der Anlage und der Nutzung der Daten würden über ein Jahr gespeichert und dann gelöscht. Derzeit sei eine regelmäßige Evaluation einmal pro Jahr geplant, um die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen. Auch die Wünsche und Anregungen des LfDI seien 1:1 aufgenommen worden, um das Ziel einer möglichst unangreifbaren Videoanlage in Stuttgart zu erreichen.


Anhand mehrerer Fotos verdeutlicht der Referent die Gegebenheiten der Videoanlage (Folie 5, links Detailkamera, rechts Übersichtskameras). Mit der Detailkamera könne geschwenkt, geneigt und gezoomt werden, wohingegen die Übersichtskameras fest ausgerichtet seien. Letztere seien die wichtigeren, um Örtlichkeiten in Gänze im Blick zu behalten. Wenn die Kameras außer Betrieb seien, werde außen das rote X ersichtlich. Die Detailkamera - gekennzeichnet durch einen roten Pfeil - befinde sich in
abgeschaltetem Zustand unter dem Dach. Das Foto auf Folie 6 zeigt die Situation im FLZ (Videobeobachtung an den zwei Arbeitsplätzen im Hintergrund, im Vordergrund Einsatzsachbearbeiter für Notrufe). Durch die räumliche Nähe sei eine schnelle Reaktionszeit gegeben, wenn Auffälligkeiten erkannt würden. Die Arbeitsplätze seien mit 6 Monitoren ausgestattet, wovon 4 zur Videobeobachtung - in der Regel über die Übersichtskameras - genutzt würden (weitere 2: polizeieigene Systeme). Er betont, es sei keinerlei Künstliche Intelligenz (KI) im System verbaut, die Hinweise geben könne; es handle sich um eine "klassische" Videobeobachtungsanlage.


Zur Rechtsgrundlage (Folie 7) führt der Vertreter des Stuttgarter Polizeipräsidiums ergänzend aus, private Bereiche würden über eine Privatzonenmaskierung durchgehend verpixelt und es gebe im Nachgang keine Möglichkeit, diese Verpixelung wieder herunterzunehmen. Um die Rechtsgrundlage zu bestätigen, werde jährlich mit den aktuellen Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) eine Analyse durchgeführt, wobei man sich auf Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte und Rohheitsdelikte konzentriere, die sich zum definierten Betrachtungszeitraum ereigneten (Folie 8). Anhand der ermittelten Zahlen sei die Rechtsgrundlage zum Betrieb der Videoanlage gegeben. Neben der räumlichen Betrachtung würden auch die relevanten Uhrzeiten der Vorfälle analysiert (Folie 9), woraus sich der beschränkte Einsatz an Wochenenden ergebe. Abschließend richtet er den Blick auf die Erfahrungswerte (Folie 10), betont jedoch, dass die Übergänge zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung fließend seien. Es seien 60 Exporte von Videomaterial erfolgt, bei denen geprüft worden sei, ob dies Relevanz in einem Strafverfahren entfalten könne. Insgesamt könne die Polizei ihre Aufgaben effizienter wahrnehmen (Folie 11), denn man sei schneller vor Ort und könne eine bessere Lagebewertung durchführen.

BM Dr. Maier gibt zu Beschlussantragsziffer 3 den Hinweis, es werde ein jährlicher
Bericht angestrebt, da dies gemäß den jährlichen Zahlen der PKS besser in der Aufarbeitung sei.


Die sich an der Aussprache beteiligenden Gremiumsmitglieder bedanken sich für die Präsentation.

Für StR Pitschel (90/GRÜNE) ist der Bericht sehr aufschlussreich. Für ihn sei klar, es dürfe keine flächendeckend videoüberwachte Innenstadt geben, denn Videoüberwachung stelle eine bürgerrechtliche Zumutung dar. Wenn man sich zu diesem Schritt entschließe, müssten zeitliche und räumliche Grenzen gesetzt und es müsse für eine demokratische Kontrolle gesorgt werden. Aus diesem Grund halte er eine halbjährliche Berichterstattung für wichtig, die er entsprechend mündlich beantragt. Erfreulicherweise seien heute die aktuellen Zahlen bis Ende April vorgestellt worden, aus denen sich bereits eine positive Entwicklung hin zu weniger Vorkommnissen ablesen lasse. Selbstverständlich ereigneten sich "nicht wenig relevante Dinge", aber man befinde sich im Herzen einer Großstadt und es könne gesagt werden, es sei sicher, dort am Wochenende und nachts unterwegs zu sein. Er plädiert dafür, die Videobeobachtung für ein weiteres halbes Jahr fortzusetzen, da er das deeskalierende und entlastende Moment für die Polizei sehe. Mit Spannung erwarte er dann gerne den erneuten Bericht im Herbst 2023.

Aus der Sicht von StR Dr. Reiners (CDU), der auf das mangelnde Sicherheitsgefühl vor allem bei Frauen und älteren Personen hinweist, hätte die Vorlage ohne Aussprache beschlossen werden können, denn sie trage viel Evidenz in sich. Ihm ist wichtig, die Arbeit der Polizei zu würdigen, und er spricht einen entsprechenden Dank aus. Er hält fest, die Videobeobachtung finde an neuralgischen Punkten statt, sei sehr selektiv und datenschutzkonform. Der Präsentation könne entnommen werden, dass in den definierten Bereichen eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsbelastung vorliege. Der Stadtrat kennzeichnet die Videobeobachtung als wichtiges Mittel zur Gefahrenabwehr, aber auch zur Verhinderung von Eskalationen und zur Beweissicherung und Täterfeststellung/Fahndung. In der Gesamtbewertung sehe er dieses Mittel nicht vorrangig zur Strafverfolgung, sondern zur Prävention, die stets vor der Repression komme. Andere Städte wie Freiburg, Heidelberg oder Mannheim kämen zu ähnlichen Ergebnissen. Er spricht sich klar für eine Fortführung der Videobeobachtung aus, da relevante Sachverhalte schneller erkannt und Gefahren abgewehrt werden könnten. Eine jährliche
Videobeobachtung halte er aus Ressourcengründen für sinnvoll, um alle Jahreszeiten abzudecken. Abschließend verbittet sich StR Dr. Reiners Aufrufe zu und Rechtfertigungen von Gewalt durch einzelne Stadträte und verweist in diesem Zusammenhang auf ein entsprechendes Zitat. An Demonstrationen zum 1. Mai habe durch Vermummte Gewalt gegen die Polizei stattgefunden und nicht umgekehrt; die Stuttgarter Polizei sei bürgernah und agiere verhältnismäßig.


StR Perc (SPD) hält den heutigen Austausch für wichtig, da unterschiedliche Bewertungen des Sachverhaltes vorlägen. Aus diesem Grunde sei ein halbjährlicher Bericht
beschlossen worden, um die Zielstellung zu hinterfragen. Er erkennt an, dass eine möglichst schonende Maßnahme (zeitliche Begrenzung, Datenlöschung, Kenntlichmachung) umgesetzt worden sei, dennoch liege ein Grundrechtseingriff vor, der mit der Zielstellung verbunden worden sei, eine Senkung der Kriminalitätsbelastung zu erreichen. Er sehe die Videobeobachtung nicht als Standard-Ermittlungsinstrument der
Polizei, weshalb es wichtig sei, die Entwicklung der Zahlen zu erfahren, bevor über eine Fortführung der Maßnahme entschieden werde. In der Innenstadt werde es immer eine höhere Kriminalitätsrate geben als in den Außenbezirken, da dort die meisten Menschen unterwegs seien. Für die Berichterstattung solle ein Zeitraum gewählt werden, der Periodeneffekte bereinige, weshalb ein Einjahreszeitraum sinnvoll sein könne. Der Stadtrat beantragt mündlich, Beschlussantragsziffer 3 zu ergänzen und die PKS als Datenbasis heranzuziehen. Bei der Waffenverbotszone sei der Unterschied zwischen PKS und polizeilicher Lageeinschätzung ausführlich diskutiert worden. Derzeit sei noch keine signifikante Änderung der Kriminalitätsbelastung festzustellen, weswegen er einer Fortführung bis zur nächsten Berichterstattung zustimmen könne. Abschließend betont er, ein Grundrechtseingriff führe stets zu unterschiedlichen Standpunkten, weshalb seine Fraktion unterschiedlich abstimmen werde.


Vorausschickend begrüßt StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) die einschränkende Herangehensweise bei dieser Maßnahme. Dennoch sei es seine feste Überzeugung, dass eine pauschale Überwachung nicht gerechtfertigt sei. Wenn nach der Schwere der Kriminalitätsbelastung geurteilt werde, müsse auch beim Cannstatter Volksfest eine Dauerüberwachung stattfinden. Hier werde jedoch mit
zweierlei Maß gemessen. Menschen, die mit einer solchen Beobachtung nicht einverstanden seien, würden diese Bereiche meiden. Er hoffe, dass dieses Instrument nicht systematisch benutzt werde, um Delikte zu verfolgen, denn dies sei völlig unverhältnismäßig. Zur Anmerkung von StR Dr. Reiners bezüglich der Demonstrationen am 1. Mai hält er fest, es habe sich dabei um zwei genehmigte Demonstrationen gehandelt, die vom Versammlungsrecht gedeckt seien. Die Polizei habe früher bei diesen Veranstaltungen deutlich zurückhaltender agiert.


Der personelle Aufwand für "im Schnitt nicht mal einen Fall pro Nacht" stößt auf die
Kritik von StRin
Schumann (PULS). Sie greift die dauerhafte Beobachtung des Weihnachtsmarktes auf, bei der nur drei Beobachtungsfälle stattgefunden hätten, und möchte wissen, wie viele Stunden für diese drei beobachtet worden sei. Auch bitte sie um eine Information, warum der Weihnachtsmarkt als besonderes Gefährdungsrisiko
eingestuft werde. Wie ihr Vorredner sehe sie ein weitaus höheres Gefährdungsrisiko beim Volks- und Frühlingsfest. Interessant sei auch die Einstufung von delinquentem Verhalten bei Heranwachsenden, für das als Beispiel der "Jugendstreich" mit einem Rasensprenger genannt werde. Speziell bei dieser Situation sehe sie keine Gefahr für Leib und Leben und könne die Bewertung als Eingriffsfall nicht nachvollziehen. Sie stellt die Frage, wie oft Daten zur Beweissicherung länger als 72 Stunden gespeichert
worden seien; diese Zahlen müssten zukünftig im Bericht enthalten seien. Die schnelle Reaktionsmöglichkeit der Einsatzkräfte kann die Stadträtin zwar begrüßen, aber dies rechtfertige nicht, wie von StR Perc ausgeführt, einen Eingriff in die Grundrechte. Aufgrund der heute präsentierten aktuellen Zahlen sei bereits ein Rückgang festzustellen, weshalb der finanzielle Aufwand für Technik und Personal in Frage gestellt werden müsse. Es müsse stets Prävention vor Repression erfolgen, aber faktisch finde nur
Repression statt. Drogenkonsum sei per se nicht strafbar, weshalb sie in diesem Fall die Schwierigkeit nicht sehe. Sie spricht sich gegen eine Fortführung der Videobeobachtung aus, fordere aber zumindest einen weiterhin halbjährlichen Bericht.


Gegenüber StR Dr. Reiners führt StR Dr. Oechsner (FDP) aus, eine Ablehnung der
Videobeobachtung würdige mitnichten die Arbeit der Polizei herab. Die Frage sei nur, ob dieses Instrument überhaupt notwendig und rechtlich in Ordnung sei. Seine Fraktion würdige die Arbeit der Polizei sehr und wünsche sich mehr Präsenz, wodurch eine
Videobeobachtung hinfällig sei. Ihm stelle sich die Frage, wie man seine eigene Stadt und die Kriminalität darin betrachte. Im Innenstadtbereich gebe es stets mehr Delikte als außerhalb und auch immer Menschen, die sich unsicher fühlten, die sich aber auch nach Einführung einer Messerverbotszone und der Videobeobachtung unsicher fühlten. Der Eingriff in die persönliche Freiheit jedes einzelnen, der mit einer anlasslosen
Beobachtung einhergehe, sei nicht verhältnismäßig, weshalb er die Beschlussvorlage ablehne. Bezüglich Beschlussantragsziffer 3 spricht er sich für eine halbjährliche
Berichterstattung aus, falls die Videobeobachtung fortgeführt wird.


StRin von Stein (FW) nimmt von der Berichterstattung Kenntnis und spricht sich für die Fortführung der Videobeobachtung aus. Durch einen halbjährlichen Bericht sieht sie keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn; ein jährlicher Bericht sei ausreichend. Zum
Sicherheitsempfinden stellt sie die Frage, wodurch bekannt sei, dass sich dieses nicht verändert habe. Aus ihrer Sicht komme die Perspektive der Opfer von Straftaten zu kurz; diese traumatisierten Menschen hätten ein deutliches Interesse daran zu erfahren, wer die Täterinnen oder Täter seien, weshalb sie Verständnis für die Videobeobachtung habe. Da die Menschen in einer Stadt sehr dicht zusammenlebten, komme der gegenseitigen Rücksichtnahme eine große Bedeutung zu. Nassspritzen möge vielleicht ein Jugendstreich sein, aber es sei in solchen Situationen im Vorhinein nicht absehbar, welche Reaktionen hätten erfolgen können. Der Schritt zur Eskalation sei manchmal sehr gering.


Aus der Sicht von StR Ebel (AfD) ist es nicht naturgemäß, wie sich die Delinquenz in der Innenstadt darstellt. Die Videobeobachtung sei präventiv und in der Strafverfolgung ein Erfolg und ein jährlicher Bericht ausreichend. Er greift die Situation am Kleinen Schlossplatz auf, der im Verhältnis stärker belastet sei als alle anderen Plätze (siehe GRDrs 143/2023, S. 3), und möchte wissen, wer für diese Entwicklung verantwortlich sei und warum darüber hinaus manche bereits als Versuch strafbaren Handlungen nicht in die Statistik aufgenommen würden (siehe GRDrs 143/2023, S. 7).

Gegen eine Fortführung der Videobeobachtung spricht sich StRin Yüksel (Einzelstadträtin) aus, denn Stuttgart sei eine der sichersten Städte in Deutschland. Präventiv scheine der Einsatz kaum Verbesserungen zu bringen, sondern die Maßnahme spiele sich vor allem bei der Strafverfolgung ab, was die hohe Zahl der 60 Exporte aufzeige. Sie hält Videobeobachtung für einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger, die sich dort bewegten; es würden nicht einzelne Gefährder oder Straftäter beobachtet. Insofern sei es Verwaltung und Polizei zuzumuten, im Ausschuss engmaschig zu berichten. Bezüglich der Datenlage führt sie aus, bei der Messerverbotszone seien Verwaltung und Polizei trotz mehrerer Anträge bis zum Schluss nicht in der Lage oder gewillt gewesen, die Daten zur polizeilichen Lage für mehrere Jahre nachzuliefern. Insofern könne sie sich StR Perc anschließen und fordere, die Daten zur polizeilichen Lage nachzuliefern, um sie mit der PKS ins Verhältnis setzen zu können. Sie bitte ebenfalls darum, den Bericht der Polizei zur Verfügung zu stellen, was zukünftig vor der
Sitzung geschehen müsse, um sich vorbereiten zu können. Darüber hinaus erfragt sie Informationen zur Art der auf Folie 10 der Präsentation benannten 82 Vorkommnisse sowie zur geplanten Gastronomie am Eckensee und einer möglichen Überwachung des Bereiches.


BM Dr. Maier sagt bezüglich Beschlussantragsziffer 3 zu, die Zahlen der PKS aufzunehmen. Dies sei im ersten Jahr noch nicht möglich gewesen, da die Zeiträume nicht überlappend seien. Er stellt klar, wenn Ziffer 3 abgelehnt würde, bleibe es bei der halbjährlichen Berichterstattung.

Ergänzend empfiehlt Herr Werbitzky eine jährliche Berichterstattung, da nur im
jährlichen Zeitraum alle relevanten Daten (PKS und Vorkommnisse) vorlägen und alle Jahreszeiten abgedeckt seien. Bei einem halbjährlichen Bericht falle der zusätzliche Erkenntnisgewinn, der zu einer anderen Entscheidung führen könne, nur sehr gering aus. Zum Aspekt des Grundrechtseingriffs erklärt er, die Entstehung von Kriminalität sei stets multikausal. Der Nachweis, wonach die Installation einer Videokamera zu einem Rückgang X bei den Fallzahlen führe, könne nicht erbracht werden. Aus diesem Grunde werde zum einen auf die tatsächlichen Fallzahlen, zum anderen auf die Vorkommnisse in den Bereichen geschaut. Wenn sich die Situation zukünftig einstelle, dass weiterhin ein Kriminalitätsschwerpunkt gegeben sei, in der Videobeobachtung aber nichts mehr festgestellt werden könne, sei das Instrument untauglich und müsse ausgeschaltet
werden. Zur Kritik der Unverhältnismäßigkeit führt er aus, es sei nicht Ziel der Videobeobachtung, auf geringwertige Straftaten abzuheben. Hauptziel sei die Gefahrenabwehr und man beschränke sich bei der Analyse auf Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte und Rohheitsdelikte. Er verweist ergänzend auf das Legalitätsprinzip, wonach auch bei in der Videobeobachtung festgestellten Betäubungsmitteldelikten eingeschritten werden müsse.


Zur Frage des Personaleinsatzes führt er aus, mit zwei Kräften könne in Präsenz niemals ein derartig großer Bereich überblickt werden. Er betont, die Einsatzzeiten in der Videobeobachtung seien identisch mit denen im Streifendienst, nämlich von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Ein großer Vorteil der Videoanlage liege darin, nicht überall vor Ort präsent sein zu müssen, denn es wirke "nicht immer toll", wenn die Polizei permanent sichtbar sei. Bei Veranstaltungen sei die Anlage grundsätzlich nicht eingeschaltet.
Allerdings habe man sich beim letztjährigen Weihnachtsmarkt dazu entschieden, die Anlage nach § 44, Abs. 1 PolG in Betrieb zu nehmen, wenn die Veranstaltung einem besonderen Gefährdungsrisiko zum Beispiel durch terroristische Bedrohungslagen
unterliege. Diese Einzelbetrachtung müsse für jede Veranstaltung getroffen werden. Mit dem oft benannten "Rasensprengerstreich" wolle man die Bandbreite der Ereignisse darstellen, die sich von Streichen, einfachen Straftaten bis hin zu schweren Straftaten wie Sexualstraftaten ziehe. StRin von Stein habe mit ihrer Einschätzung die Antwort bereits vorweggenommen, denn man wisse nie, wie sich eine Situation entwickle.


Zur Frage nach der Datenverwertung verweist er auf die in der Präsentation benannten 60 Exporte, in denen geprüft werde, ob sie als Beweismittel in Frage kämen. Es werde jedoch keine Statistik geführt, wie viele davon an die Staatsanwaltschaft gingen. Die Speicherdauer von 72 Stunden sei aus seiner Sicht zwingend, denn über das Wochenende könne sonst nicht gewährleistet werden, dass die Daten am Montag noch zur Verfügung ständen. Er verweist auf die gerichtliche Überprüfung der Videobeobachtung in anderen Städten, in der auch eine zweiwöchige Speicherfrist als akzeptabel angesehen werde. Zur Frage von StR Ebel nach den Treibern am Kleinen Schlossplatz kann der Referent keine Informationen liefern, erklärt aber zur Frage nach den Tatversuchen, dies seien die tatsächlichen Fälle, bei denen die Polizei gefahrenabwehrrechtlich tätig werde und die somit nicht in die Statistik einflössen. Die Bandbreite der begangenen Straftaten bewege sich zwischen einfachen Delikten, fliegenden Flaschen und gefährlichen Körperverletzungen.

BM Dr. Maier ergänzt, Zahlen allein sagten nicht alles aus; viele Vorkommnisse, die nicht in einer Straftat mündeten, tauchten in der Statistik nicht auf, bildeten aber einen wichtigen Beitrag für das Sicherheitsgefühl in der Stadt. Dem widerspricht StRin Yüksel, für die die Zahlen zur Einordnung der Verhältnismäßigkeit das Wichtigste überhaupt sind. BM Dr. Maier sagt zu, die angefragte Auflistung zur Einsicht zu geben.

Bezüglich der Außengastronomien, so Herr Werbitzky, stehe man im Austausch mit der Stadtverwaltung. Wenn eine neue Einrichtung dazukomme, werde eine entsprechende Privatzonenmaskierung eingerichtet. Zu einer Nachfrage von StRin Schumann zur
Gefahrenabwehr beim Weihnachtsmarkt führt er aus, es sei im Vorfeld deutlich
kommuniziert worden, dass die Anlage in Betrieb sei. Es handle sich um einen Einzelfall; bei allen anderen Veranstaltungen sei die Anlage nicht in Betrieb.



Die Beschlussantragsziffern werden getrennt zur Abstimmung gestellt, wozu BM Dr. Maier feststellt:

Der Verwaltungsausschuss stimmt den Beschlussantragsziffern 1 und 2 mehrheitlich zu (7 Gegenstimmen).

Der Verwaltungsausschuss lehnt die Beschlussantragsziffer 3 mehrheitlich ab (10 Gegenstimmen). Somit bleibt es bei der halbjährlichen Berichterstattung
ergänzt um die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik).


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