Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR 6235
GRDrs 615/2017
Stuttgart,
07/12/2017



Straßenbenennungen



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich26.07.2017



Beschlußantrag:

Den in der Begründung aufgeführten Straßennamen wird zugestimmt.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Zur Orientierung der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sind Straßenbezeichnungen erforderlich. In diesen Fällen sollen die Namensgebungen gleichzeitig dazu dienen, Cannstatter Frauen für ihre Verdienste zu ehren.

Die Texte der Ergänzungsschilder sind nachrichtlich erwähnt.


Finanzielle Auswirkungen







Dr. Fabian Mayer
Bürgermeister


Anlagen

Stuttgart-Bad Cannstatt


Lfd.
Nr.
Bisherige BezeichnungBeschrieb
A = Anfang
E = Ende
Neue Bezeichnung
1Heinrich-Ebner-Str.Bisher:
A = beginnt als Sackstr. in nördl. Richtung
E = führt als Sackstr. in südl. Richtung

Künftig:
A = beginnt als Sackstr. in nördl. Richtung
E = Eugenie-von-Soden-Weg
Heinrich-Ebner-Str.
2Ohne Bezeichnung (vorläufig Straße 112, dunkelrot)A = Mercedesstr.
E = Benzstr.
Lenore-Volz-Str.

Text des Ergänzungsschilds:

Lenore Volz
1913 – 2009
Theologin
3Frachtstr.Bisher:
A = Daimlerstr.
E = führt als Sackstr. in südöstl. Richtung in den Güterbahnhof

Künftig:
A = Daimlerstr.
E = Bellingweg
Frachtstr.
4Ohne Bezeichnung (vorläufig Weg 65, hellrot)A = Daimlerstr.
E = Hanna-Henning-Str.
Eugenie-von-Soden-Weg

Text des Ergänzungsschilds:

Eugenie von Soden
1858 – 1930
Schriftstellerin
5Ohne Bezeichnung (vorläufig Weg 67 und Weg 68, gelb)A = Daimlerstr.
E = Eugenie-von-Soden-Weg
Bertha-Thalheimer-Weg

Text des Ergänzungsschilds:

Bertha Thalheimer
1883 – 1959
Politikerin

6
Ohne Bezeichnung
(vorläufig Straße 111 und Weg 66, orange)
A = Reichenbachstr.
E = Bertha-Thalheimer-Weg
Sophia-Linckh-Weg

Text des Ergänzungsschilds:

Sophia Linckh
1770 - 1830
Gastwirtin und Posthal-terin
7Ohne Bezeichnung (vorläufig Straße 113, hellgelb)A = Eugenie-von-Soden-Weg
E = Benzstr.
Hanne-Henning-Str.

Text des Ergänzungsschilds:

Hanna Henning
1884 - 1925
Regisseurin und Drehbuchautorin
8Ohne Bezeichnung
(Platz, ocker)
A = Platz bei Morlockstr. und Eugenie-von-Soden-WegMarga-von-Etzdorf-Platz

Text des Ergänzungsschilds:

Marga von Etzdorf
1907 – 1933
Kunstfliegerin und Pilotin
9QuartierparkZwischen Eugenie-von-Soden-Weg, Sophia-Linckh-Weg und Bertha-Thalheimer-WegVeielbrunnenpark


Im Bereich Neckarpark entsteht ein neues Wohngebiet. Für die entstehenden Straßen und Plätze sowie die schon angelegte Grünfläche hat der Bezirksbeirat Bad Cannstatt die aufgeführten Bezeichnungen beschlossen. Die Namensgeberinnen sind Cannstatter Frauen, die sich als starke Persönlichkeiten in verschiedenen Lebensbereichen einen Namen gemacht haben. Alle Flächen befinden sich im Eigentum der Landeshauptstadt Stuttgart.

Lenore Volz wurde am 16. März 1913 in Waiblingen in einer christlich-sozial engagierten Familie geboren. Ihre Mutter war eine Nachfahrin des Reformators Johannes Brenz. Nach dem Besuch des Königin-Katharina-Stifts entschied Lenore Volz sich für das Theologiestudium, obwohl es damals keinerlei berufliche Perspektiven für Theologinnen gab. 1933 schrieb sie sich in Tübingen ein und war eine von 12 Frauen, die dort Evangelische Theologie studierten.

Nach Ende des Studiums begann sie 1940 als Pfarrgehilfin in Bad Cannstatt, wo ihr Dienstverhältnis völlig ungesichert war. Als vermehrt Pfarrer in den Kriegsdienst eingezogen wurden, durfte sie mit einer Sondererlaubnis Gemeindedienste übernehmen, die sonst nur den Pfarrern vorbehalten waren. Ab 1942 durfte sie predigen. Taufen, Trauungen, Beerdigungen und Abendmahlsfeiern durften aber weiterhin nur Männer vornehmen. In dieser Zeit betreute Lenore Volz unter schwierigsten Bedingungen viele Cannstatter Gemeinden.

Zu ihrer Enttäuschung beschnitt die Theologinnenordnung 1948 wieder die Aufgaben der Frauen im kirchlichen Dienst. Predigten waren seither wieder Männersache. Sie arbeitete als Pfarrvikarin weiterhin in der Luthergemeinde, wo sie große Wertschätzung erfuhr. In den 50er Jahren übernahm Lenore Volz Aufgaben in der evangelischen Landeskirche und beschäftigte sich mit kirchenpolitischer Grundsatzarbeit. Meist war sie die einzige Frau in den Gremien und vertrat Thesen, die als richtungsweisend galten. 1965 wurde sie zur Vorsitzenden des Theologinnenkonvents gewählt und brachte 1967 zusammen mit zwei Mitstreiterinnen und zwei männlichen Kollegen eine Studie über das geistliche Amt der Frau heraus, zu dem Richard von Weizsäcker das Vorwort verfasste. Daneben reiste sie durch Baden-Württemberg und hielt erfolgreich viele Vorträge vor Multiplikatoren. Am 15. November 1968 verabschiedete die Landessynode schließlich ein Gesetz, das die Gleichstellung von Frauen im kirchlichen Dienst beinhaltete. 1970 wurde die erste gemeindepfarrerin ordininert, Lenore Volz übernahm im selben Jahr die Krankenhauspfarrstelle in Cannstatt, wo sie einen maßgeblichen Beitrag zur Krankenhausseelsorge leistete. Gleichzeitig war sie in der Pfarrervertretung der Landeskirche aktiv.

1978 ging Lenore Volz in den Ruhestand. Sie schrieb ihre Lebenserinnerungen „Talar nicht vorgesehen“ und verstarb am 26. September 2009 in Stuttgart. Auf dem Uffkirchhof wurde sie begraben.


Eugenie von Soden wurde am 21. Oktober 1858 in Esslingen geboren. Ihre aus Stuttgart stammenden Eltern hatten dort 1856 eine private Töchterschule mit Pensionat eröffnet, in der Eugenie zusammen mit fünf Geschwistern aufwuchs. Als junge Frau arbeitete sie im elterlichen Institut mit, bis dieses nach 35 Jahren aus Altersgründen geschlossen wurde. Danach zog Eugenie von Soden mit ihren Eltern nach Cannstatt um und pflegte sie bis zu deren Tod. Insgesamt lebte sie zwei Jahrzehnte lang in Cannstatt.

1893, 1904 und 1905 veröffentlichte sie Bände mit Erzählungen und Gedichten. Außerdem schrieb sie Aufsätze für die Schwäbische Frauenzeitung und fungierte als Herausgeberin der drei Bände des Frauenbuchs im Lexikonformat, die 1913 und 1914 in Stuttgart erschienen und einen Meilenstein der deutschen Frauenemanzipation darstellen. Mit dieser Veröffentlichung wollte sie eine „allgemeinverständliche Einführung in alle Gebiete des Frauenlebens der Gegenwart“ geben. Inhaltlich geht es um „Frauenberufe und Ausbildungsstätten“, „Die Frau als Gattin, Hausfrau und Mutter“ sowie um die „Stellung und Aufgaben der Frau im Recht und in der Gesellschaft“. Noch heute sind in wissenschaftlichen Publikationen über die Frauenemanzipation Zitate aus diesen drei Bänden zu finden. Besonders lag Eugenie von Soden die Bildung der Frauen und ihre Teilhabe an der Politik am Herzen. Neben ihrer schriftstellerischen Arbeit war sie in zahlreichen Frauenvereinen aktiv, wie zum Beispiel dem Württembergischen Verein für Frauenstimmrecht oder dem Verein für weibliche Angestellte in Handel und Gewerbe. Außerdem betätigte sie sich über Jahre im Cannstatter Verein für Volksbildung und beim Goethebund Stuttgart, war im Vorstand eines Mädchengymnasiums und hielt oft Vorträge zu Frauenfragen.

Von 1917 bis zu ihrem Todesjahr wohnte Eugenie von Soden zusammen mit Helene Lorenz in der Augustenstr. 118/2 in Stuttgart. Vermutlich suchte die Schwerkranke noch Heilung in Baden-Baden, wo sie am 19. März 1930 starb. Sie wurde im Familiengrab auf dem Esslinger Friedhof beigesetzt.

An von Sodens ehemaligem Wohnhaus in der Daimlerstr. 13 in Bad Cannstatt ließ der Verein Alt-Cannstatt eine Gedenktafel für sie anbringen. Sie ist Bestandteil des historischen Pfades und wurde von der ehemaligen Landtagsabgeordneten Inge Utzt gestiftet.


Bertha Thalheimer wurde am 17. März 1883 in Affaltrach als Tochter einer sozialistisch eingestellten jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Mit ihrer Familie zog sie 1899 nach Cannstatt, wo sie 1901 die Schule abschloss. Anschließend studierte sie in Berlin Nationalökonomie.

Zusammen mit ihrem Bruder kam sie früh mit bekannten Persönlichkeiten der SPD-Linken wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg in Kontakt. 1910 schloss sie sich selbst der SPD an, wo sie bald dem württembergischen Parteivorstand angehörte.

Nach Ausbruch des Krieges 1914 begann Bertha Thalheimer als Mitglied des linken Parteiflügels gemeinsam mit ihrem Bruder und Clara Zetkin die Gegner der Burgfriedenspolitik innerhalb der württembergischen SPD zu sammeln und schloss sich der Gruppe Internationale um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an. Sie war dort für internationale Kontakte zuständig und vertrat die Gruppe auf mehreren Konferenzen. Am 1. Januar 1916 war sie in Berlin bei dem Treffen anwesend, bei dem die Leitsätze der künftigen „Spartakusgruppe“ verabschiedet wurden. Bis zu ihrer Übersiedelung nach Berlin war sie in Stuttgart aktiv an Antikriegsdemonstrationen beteiligt. Im März 1917 wurde Berta Thalheimer wegen ihrer Antikriegsaktivitäten verhaftet und wegen versuchten Hochverrats zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Durch die Novemberrevolution kam sie 1918 aus dem Gefängnis frei und wurde Gründungsmitglied der KPD, wo sie sich vor allem der Frauenarbeit widmete. 1925 war sie Mitbegründerin des Roten Frauen- und Mädchenbundes (RFMB). Anfang 1929 wurde Bertha Thalheimer aus der KPD ausgeschlossen, weil sie zur Opposition gegen den Stalinisierungskurs der Parteiführung gehörte. Daraufhin trat sie der Kommunistischen Partei-Opposition (KPO) bei, für die sie als Vortragsrednerin und Journalistin aktiv war.

Nach 1933 blieb Bertha Thalheimer in Stuttgart. Ihr „arischer“ Ehemann, den sie 1920 geheiratet hatte, ließ sich von ihr scheiden, unterstützte sie aber weiterhin materiell. 1941 musste sie in ein Judenhaus übersiedeln. Von dort aus wurde sie 1943 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie bis zum Tag der Befreiung überlebte. Sie kehrte umgehend nach Stuttgart zurück und schloss sich kurzzeitig wieder der KPD an. 1946 trat sie der KPO-Nachfolgeorganisation bei. Durch die Folgen der KZ-Haft war Bertha Thalheimer gesundheitlich stark angeschlagen. Trotzdem zeichnete sie von 1952 bis zu ihrem Tod am 23. April 1959 in Stuttgart für die Zeitschrift Arbeiterpolitik presserechtlich verantwortlich.


Sophia Linckh lebte von 1770 bis 1830 – wobei die genauen Lebensdaten nicht bekannt sind. Sie war verheiratet mit dem Wirt des „Ochsen“ in Cannstatt, der seit 1764 die Postexpedition übernahm. Nach seinem Tod ging das Patent 1795 auf dessen Witwe über, die dann selbst täglich die Post nach Enzweihingen und zurück brachte. So bewahrte sie die Posthalterei für ihre minderjährigen Kinder, von denen einer, Jakob Linckh jun., Architekt wurde. Als einer der bekanntesten Philhellenen entdeckte er 1811 den Aeginetenfries, der heute das Glanzstück der Münchner Glyptothek darstellt.

Die Posthalterstelle war über Jahrhunderte eine der wichtigsten Posten im vorindustriellen Cannstatt, in dem sich alte Heer- und Handelsstraße kreuzten. Die Cannstatter Poststelle der Thurn- und Taxis’schen Reichspost war bis Anfang des 19. Jahrhunderts die zentrale Poststelle in Württemberg. Von hier aus wurden die Briefe und andere Sendungen für die anderen Destinationen nach Sichtung umverteilt. Sophia Linckh erreichte es, dass sie als Frau diesen verantwortungsvollen Posten nach dem Tod ihres Mannes übernehmen durfte, um ihre Familie zu unterhalten. Der von ihr und ihrem Sohn Jakob Linckh jun. in Auftrag gegebene Grabstein für ihren früh verstorbenen Mann steht auf dem Steigfriedhof in Stuttgart-Bad Cannstatt.


Hanna Henning wurde als Johanna Julie Adelheid von Koblinski am 16. August 1884 in Cannstatt geboren. Sie war die Tochter eines Versicherungsunternehmers und wurde zur vermutlich ersten deutschen Filmregisseurin und –produzentin.

Ihr Debüt als Regisseurin hatte Hanna Henning 1911 in einer Produktion der in Berlin ansässigen Deutschen Bioscop GmbH. Mit den beiden Darstellern dieses „Tonbildes“ Ally Kay und „Bubi“ Josef Roemer arbeitete sie in den folgenden Jahren immer wieder zusammen - oft bei der Bubi-Film Badner & Co, bei deren Produktionen sie bis 1917 Regie führte und Drehbücher schrieb. 1915 gründete sie eine eigene Firma (Hanna Henning-Film; 1917/1918 Bubi-Film Henning & Co). Ihr erster längerer Film war das dreiaktige Melodram „Im Banne des Schweigens“ (1916). Für ihren filmischen Spendenaufruf „Mutter“ (1917) erhielt Hanna Henning das „Verdienstkreuz für Kriegshilfe“.

Von 1918 an arbeitete sie nur noch vereinzelt als Produzentin. Umso häufiger führte Hanna Henning für andere Firmen Regie oder schrieb Drehbücher. 1919 realisierte sie bei der Berliner Segall-Film ihren ersten großen Spielfilm, das Dreiecksdrama „Die Siebzehnjährigen“. 1919/1920 folgte „Das große Licht“ mit Emil Jannings, 1921 „Die Furcht vor dem Weibe“ und „Am roten Kliff“. Zur gleichen Zeit begann sie auch mit der Produktion von Dokumentarfilmen. Insgesamt sind von 1911 bis 1924 42 Filme nachgewiesen, in denen sie Regie führte; 12 von ihnen hat sie auch produziert, für 15 das Drehbuch verfasst.

Hanna Henning starb am 9. Januar 1925 in Berlin an einer Lungenentzündung. Den Namen Henning trug Hanna von Koblinski seit einer frühen, nach kurzer Zeit geschiedenen Ehe mit dem Mühlenbesitzer Hans Henning.


Marga (eigentlich Margarethe) von Etzdorf wurde am 1. August 1907 in Spandau als Tochter des königlich preußisches Hauptmanns Fritz Wolff und dessen Ehefrau Margarethe geboren. Nach dem Unfalltod ihrer Eltern 1911 lebte sie bei ihrem Großvater, dem 1910 geadelten königlich preußischen General der Infanterie Ulrich von Etzdorf auf dessen Gut in der Niederlausitz. Seit 1920 führte sie den Namen Wolff gen. von Etzdorf.

Marga von Etzdorf war eine sportliche Frau und entschloss sich mit 19 Jahren, eine Ausbildung zur Pilotin zu machen. Ende 1927 erhielt sie als zweite Frau in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eine Fluglizenz sowie einen Kunstflugschein. Anschließen gelang es ihr, als erste Frau eine Stelle als Copilotin bei der Lufthansa zu bekommen. In einer Junkers F 13 beförderte sie Passagiere auf den Strecken Berlin-Breslau sowie Berlin-Stuttgart-Basel. Mit Unterstützung ihrer Großeltern machte Marga von Etzdorff sich 1930 selbständig. Sie kaufte ein eigenes Flugzeug und führte damit Reklame- und Passagierflüge durch. Außerdem bot sie, unter anderem über dem Cannstatter Wasen, Schaukunstflüge an, wobei Loopings und Flüge auf dem Rücken zu ihren Spezialitäten gehörten. Bald packte sie das Langstreckenfieber, und ab Herbst 1930 flog sie mit ihrer Maschine nach Afrika und Asien. 1931/1932 unternahm sie einen spektakulären Alleinflug nach Japan.

Am 28. Mai 1933 brachte sich Marga von Etzdorf während eines Langstreckenfluges nach Australien um. Bei einer Flugunterbrechung in Syrien erschoss sie sich aus unbekannten Gründen.











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