Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
172
3
VerhandlungDrucksache:
439/2020
GZ:
Sitzungstermin: 27.05.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:der Vorsitzende, BM Dr. Schairer
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Corona-Krise in Kultur und Sport: Auswirkungen und Hilfsmaßnahmen

Beratungsunterlage ist die gemeinsame Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht und des Referats Sicherheit, Ordnung und Sport vom 22.05.2020, GRDrs 439/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat beschließt die nachfolgenden Hilfspakete für die Kultur für den Zeitraum bis zum 31.07.2020:
1.1 Existenzielle Hilfe für Stuttgarter Kultureinrichtungen in Höhe von 2.920.000 EUR
1.2 Erhöhung des Live Music-Fonds um 80.000 EUR auf 160.000 EUR

2. Der Gemeinderat beschließt die nachfolgenden Hilfspakete für den Sport für den Zeitraum bis zum 31.07.2020:
2.1 Strukturelle Hilfe für die Stuttgarter Sportvereine in Höhe von 1.000.000 EUR
2.2 Existenzielle Hilfe für die Stuttgarter Sportvereine und Bundesligisten (ohne VfB Stuttgart) in Höhe von 1.000.000 EUR

3. Die mit GRDrs 250/2020 bereitgestellten 5.000.000 EUR werden für diesen Zweck in die Teilhaushalte des Kulturamts (3.000.000 EUR) und des Amts für Sport und Bewegung (2.000.000 EUR) umgesetzt.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Dieser Tagesordnungspunkt wird mit folgenden Tagesordnungspunkten gemeinsam behandelt:

TOP 3a "COVID 19 - Auswirkungen auf den Sport; Stuttgarter Sportförderung - Zuschüsse für abgesagte oder verschobene Großsportveranstaltungen im Jahr 2020", heutige NNr. 173

TOP 3b "COVID 19 - Auswirkungen auf den Sport; Stuttgarter Sportförderung - Verschiebung Deutsche Straßenradmeisterschaften mit Brezel Race in das Jahr 2021; Verschiebung Schlussetappe Deutschland Tour mit Jedermann-Rennen in das Jahr 2022", heutige NNr. 174

Die Aussprache ist nachstehend wiedergegeben.

In seiner Einleitung weist EBM Dr. Mayer auf die GRDrs 250/2020 hin. Mit dieser Vorlage habe der Rat einen Rettungsschirm für die Bereiche Sport und Kultur in der Größenordnung von 5 Mio. € beschlossen. BM Dr. Schairer, die Amtsleiterin des Amtes für Sport und Bewegung, Frau Klein, der Amtsleiter des Kulturamtes, Herr Gegenfurtner, und er hätten in den letzten Wochen die Bedarfslagen festgestellt und einen Vorschlag über die Aufteilung dieser Mittel ausgearbeitet.

In den genannten Bereichen habe eine große Solidarität auch innerhalb der Bürgerschaft erlebt werden können. Die Aufrufe von BM Dr. Schairer und ihm, sowohl im Sportbereich als auch im Bereich der Kultur, Mitgliedsbeiträge bzw. Ticketbeiträge nicht zurückzufordern, hätten entweder Wirkung gezeigt oder diese Aufrufe hätten sich als unnötig erwiesen, da die Menschen ohnehin Solidarität mit diesen Bereichen empfunden hätten. Von vielen Seiten sei zu hören, dass sich die Situation ohne diese Solidarität sehr viel schlechter darstellen würde. Auch in der Verwaltung sei angekommen, wie sehr der Shutdown in diesen Bereichen die Menschen umtreibe. Die wahrgenommene Betroffenheit sei sehr groß, und umso wichtiger sei dieser Rettungsschirm, der den überwiegend gemeinnützigen Institutionen im Kultur- und Sportbereich eine Überlebensperspektive gebe.

Zum Kulturbereich fährt er fort, dieser Bereich sei heftig betroffen. Die sich nun ab Juni mit maximal 100 Personen abzeichnenden Öffnungsperspektiven seien für viele Einrichtungen ein kleiner Hoffnungsschimmer, aber noch weit entfernt von der Normalität und den seither verfolgten Geschäftsmodellen. Die massiven finanziellen Betroffenheiten könnten dankenswerterweise durch die zur Beratung stehende Vorlage abgemildert werden. Die Institutionen seien gebeten worden, der Verwaltung ihre wirtschaftliche Lage/ihre wirtschaftlichen Bedarfe mit überarbeiteten Haushaltsplänen mitzuteilen. 45 Institutionen hätten sich daraufhin gemeldet, und mit der Sportverwaltung sei die Kulturverwaltung so verblieben, dass die Summe von 5 Mio. € im Verhältnis 3 : 2 aufgeteilt werden solle (s. Beschlussantragsziffer 1: Stuttgarter Kultureinrichtungen 2,92 Mio. €, Live Music-Fonds: Verdoppelung auf 160.000 €). Die Verdoppelung dieses neu installierten Fonds diene dazu, Clubbetreibern und Veranstaltern eine gewisse Förderung zuteilwerden zu lassen. Mit der Mitteilungsvorlage, GRDrs 400/2020 "Kulturelle Infrastruktur der LHS in Zeiten von Corona - Situationsbericht" werde jedoch die tatsächliche Lage aufgezeigt.

Auch wenn mit der geplanten Unterstützung die Bedarfe nur knapp und befristet bis August 2020 gedeckt werden könnten, stelle die Vorlage ein gutes Signal dar. Gehofft werde, dass durch Hilfsprogramme des Landes und des Bundes weitere Unterstützung erfolge.

Von BM Dr. Schairer wird ergänzt, der Sport sei ebenfalls massiv betroffen, insbesondere auf der Veranstaltungsseite. Dabei verweist er auf die heutigen Tagesordnungspunkte 3a und 3b. Der Sportbetrieb sei am 14.03.2020 eingestellt worden. Eine von der Verwaltung durchgeführte Umfrage bei den Sportvereinen zeige, wie diese auf der Ebene des Sportkreises von der Schließung betroffen seien. Seit dem 11.05.2020 gebe es schrittweise Lockerungen, vom Normalbetrieb sei man aber noch sehr weit entfernt. Dies werde sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern. Von daher könne das heute Vorgelegte lediglich eine Zwischenbilanz sein. Wie es weitergehe, sei auch für die Sportvereine nach wie vor unklar. Insofern werde es nicht die letzte Bilanz sein, die gezogen werde. Die Aufteilung der durch den Gemeinderat beschlossenen Mittel, und dies betont er, sei in sehr guter Partnerschaft erfolgt. Sein Dank gelte allen, die daran mitgewirkt hätten.

Der Shutdown habe wie gesagt die Sportvereine hart getroffen, aber umso deutlicher habe sich wieder einmal die Bedeutung des Sports für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gezeigt. Sie leisteten zudem einen ganz wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität in der LHS. Als verantwortlicher Sportbürgermeister hoffe er, dass der Gemeinderat dem Verwaltungsvorschlag für eine schnelle, unbürokratische finanzielle Unterstützung der Vereine folge. Ziel der Maßnahmen sei, dass die Stuttgarter Sportlandschaft möglichst so wie bekannt erhalten bleibe.

Die StRe Winter (90/GRÜNE), Pitschel (90/GRÜNE), Sauer (CDU), Perc (SPD), StRin Yüksel (FDP) sowie StR Walter (PULS) bedanken sich bei den bei der Vorlagenerstellung beteiligten Verwaltungsteilen. StR Winter spricht die belebende Wirkung von Kultur und Sport auf das Stadtleben an. Er geht bei der Kultur davon aus, dass die Auswirkungen auf die Veranstaltungsbereiche noch weit in den Herbst spürbar sein werden. Damit der Rat über die Weiterentwicklung informiert wird, wünscht er sich seitens der Verwaltung Zwischenberichte. Insbesondere seien die Einrichtungen betroffen, die sich stark über ihren Veranstaltungsbetrieb finanzierten (z. B. Wagenhallen, Wizemann). Aufführungen unter Corona-Bedingungen erforderten größere Säle. Bezogen auf die GRDrs 400/2020 sollte geprüft werden, welche Nachsteuerungsmöglichkeiten es bei der kulturellen Infrastruktur gebe. Hierbei nimmt er Bezug auf den Antrag Nr. 115/2020 "Kulturelle Infrastruktur absichern" (90/GRÜNE, CDU, Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, SPD, FDP, FW, PULS) vom 21.04.2020.

Für den Sportbereich ergänzt StR Pitschel, trotz eingestellten Sportbetriebs hätten die Stuttgarter Sportvereine in den letzten Wochen großes Engagement z. B. in Form von Einkaufshilfen für vulnerable Gruppen gezeigt. Die Vereine stünden, obwohl das ehrenamtliche Engagement groß sei, vor sehr großen finanziellen Herausforderungen. Der GRDrs 439/2020 komme in punkto Erhalt der Sportlandschaft große Bedeutung zu. Der Ansatz, dass die Hälfte des für den Sportbereich vorgesehenen Betrags dem Breitensport zugutekommen soll (7 €/Vereinsmitglied) sei klug. Wichtig sei, keine Einzelfall-/ Bedarfsprüfungen vorzunehmen. Seiner Einschätzung nach kommen die großen Herausforderungen für den Sport erst jetzt durch die langsame Wiederaufnahme des Betriebs. Dass die zweite Hälfte der Finanzmittel den Bundesligisten (ausgenommen VfB Stuttgart) zugutekomme, sei wichtig, da deren Haushalte oft auf Kante genäht seien. Diese Vereine zeigten, dass die LHS nicht nur in der Breite eine von Vielfalt geprägte Sportstadt sei.

Die Vorlage, so StR Sauer, mache auf jeder Seite deutlich, mit welcher Wucht die Coronakrise das gesellschaftliche Leben treffe. Mit der bereits im April beschlossenen Summe von 5 Mio. € hätten die Verwaltung und der Gemeinderat frühzeitig auf die Entwicklungen in den besonders betroffenen Bereichen Sport und Kultur reagiert. Bei der konzeptionellen Ausgestaltung der Hilfe gehe es richtigerweise nicht um Stundungen/Kredite, sondern um einmalige, nicht rückzahlbare Hilfen in Form von Zuschüssen. Damit erfolge gegenüber den Kulturschaffenden und den Sportvereinen ein klares Signal für die Bereitschaft der Stadt, zu unterstützen. Die städtische Unterstützung und die bisher von Bund und Land auf den Weg gebrachten Maßnahmen (Soforthilfeprogramme für Unternehmen und Soloselbstständige, Kurzarbeiterregelung) reichten aber nicht aus, da - und dies mache die Vorlage deutlich – nur ein geringer Teil dieser Maßnahmen von den überwiegend ehrenamtlich geführten Sportvereinen und Kultureinrichtungen in Anspruch genommen werden könnten. Die Verdoppelung des Ansatzes des Live Music-Fonds, den Betrag von 7 €/Vereinsmitglied sowie die 1 Mio. € für existenzielle Hilfen für Vereine, die ihren weitergehenden Finanzbedarf (über die 7 €/Mitglied hinaus) im Rahmen einer Einzelfallprüfung gegenüber dem Sportamt nachgewiesen haben, begrüßt er und betont, den Vorlagen werde gerne zugestimmt. Oberstes Ziel müsse sein, möglichst vielen Kultureinrichtungen und Sportvereinen eine Perspektive für die Zeit nach der Pandemie zu geben. Daher werde die von der Verwaltung vorgeschlagene weitere Vorgehensweise mitgetragen. Noch vor der Sommerpause werde ein weiterer Bericht benötigt, um gegebenenfalls nachsteuern zu können. Zudem wünscht er sich, wie schon durch den Antrag Nr. 76/2020 gefordert, einen Bericht zu der aktuellen Situation und über mögliche Hilfeangebote für selbstständige Sportanbieter (z. B. Fitnessstudios, Tanzschulen).

Ebenfalls zustimmend zu den Vorlagen äußert sich StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Die weitere Entwicklung müsse beobachtet werden. Zwar würden wohl zwar die Sponsoren des Frauen-Volleyball-Bundesligisten Allianz MTV Stuttgart nicht wegbrechen, angesichts der Pandemielage werde es aber sicherlich schwierig, dass dieser Verein die kommende Saison mit Eintrittsgeldern auskömmlich gestalten könne. Geisterspiele sind seines Erachtens im Volleyball kaum denkbar. Wenn lediglich 500 Zuschauer in der SCHARRena zugelassen würden, könnten nicht einmal die Hallenkosten finanziert werden. Von ähnlichen finanziellen Problemen geht er beim Handball-Bundesligisten TVB 1898 Stuttgart aus. Klärungsbedarf artikuliert er zu privaten Sportanbietern.

Von StR Perc, der für seine Fraktion den Vorlagen zustimmt, wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachverwaltungen gelobt. Von ihm wird die Integrationsleistung des Sports hervorgehoben. Mit der Förderung von 45 Kultureinrichtungen werde seitens der Stadt sichergestellt, dass diese Betriebe über eine Planungssicherheit erhalten. Sorge bereiteten den Einrichtungen bei der Wiederaufnahme des Betriebs die durch die Corona-Einschränkungen absehbar geringen Besucherzahlen und die damit einhergehenden Einnahmeausfälle. Er spricht von der Gefahr eines "nachgelagerten Kultursterbens". Dies gelte es zu beobachten, um gegebenenfalls negative Entwicklungen abmildern zu können. Ein Schwachpunkt der Vorlage ergibt sich für StR Perc daraus, dass Einrichtungen gefördert werden sollen, die bereits städtische Fördergelder erhalten, aber andererseits Einrichtungen nicht berücksichtigt werden, die schon bislang keine städtische Förderung erhalten. Auch bei diesen Einrichtungen stehe die Stadt in der Pflicht zu unterstützen. Beispielhaft spricht er in diesem Zusammenhang Mietleistungen vieler Migrantenvereine an. Anfang April seien von seiner Fraktion bereits Überlegungen für Mietkostenzuschüsse beantragt worden. Dieses Instrument könnte auf bislang nicht geförderte Vereine ausgeweitet werden. In der Folge bittet er die Kulturverwaltung zu prüfen, welche alternativen Auftrittsorte gegebenenfalls für Kultureinrichtungen angemietet werden können. Zudem fragt er die Auswirkungen der derzeit zur Diskussion stehenden 15%igen Haushaltsbremse nach. Konkret wirft er dabei die Frage auf, ob davon ausgegangen werden kann, dass der heute zur Beschlussfassung stehende Betrag in Höhe von 5 Mio. € in vollem Umfang ausgegeben werden kann. Hierzu informiert der Vorsitzende, die Bremse beziehe sich auf Haushaltsansätze und nicht auf Beschlüsse zu der GRDrs 250/2020.

Für StRin Yüksel ist die Situation vieler Kultureinrichtungen und vieler Sportvereine existenzgefährdend. Eine Rückkehr zur Normalität schätzt sie insbesondere beim Spielbetrieb des Sports als kaum möglich ein. Kontaktsportarten wie Judo stünden vor unüberbrückbaren Schwierigkeiten. Diese seien nicht nur auf Hilfsmaßnahmen, sondern auch auf die Solidarität ihrer Mitglieder angewiesen. Ihre Bitte ist, die Kommunikation mit den Vereinen und Kultureinrichtungen zu intensivieren.

Die Einschätzung, dass die Vorlage ein starkes Signal gegenüber den Kulturbetrieben und den Sportvereinen darstellt, teilt StR Walter. Er lobt die von der Verwaltung in der Vorlage vorgeschlagene weitere Vorgehensweise.

Auf die von Bund und Land angekündigten Unterstützungsmaßnahmen für die beiden in Rede stehenden Bereiche weist StR Winter hin. Dass seitens der Bundeskanzlerin in ihrer entsprechenden Ankündigung die Kommunen nicht als Leistungsträger für die Kultur genannt wurden, bedauert er. Wenn Klarheit über die Maßnahmen des Bundes und des Landes bestehe, sollte in der nächsten Sitzung des Verwaltungsausschusses über einen Stuttgarter Weg befunden werden. StR Sauer appelliert an die Verantwortlichen in Bund und Land, zusätzliche, insbesondere für die Wiederaufnahme des Betriebs (Phase 2) passgenaue Hilfsprogramme für den Kultur- und Sportbereich auf den Weg zu bringen. Diese Phase sei angesichts der Corona-Einschränkungen (z. B. geringe Zuschauereinnahmen) organisatorisch aufwendiger und kostenintensiver. Als Hoffnungsschimmer bezeichnet er die Ankündigung des baden-württembergischen Kulturministeriums, 9 Mio. € für den Fördertopf "Kultur trotz Abstand" bereitzustellen.

Abschließend stellt EBM Dr. Mayer fest:

- Zu TOP 3: Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.

- Zu TOP 3a und TOP 3b:
Der Verwaltungsausschuss beschließt jeweils einstimmig die Beschlussanträge.

zum Seitenanfang