Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 1165/2011
Stuttgart,
11/03/2011



Haushalt 2012/2013

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 11.11.2011



Zukunft des Projekts PengA (Perspektiven nach gemeinnütziger Arbeit))

Beantwortung / Stellungnahme

Das Projekt PengA wird seit 2001 durch das Jugendamt gefördert. Eine aktuelle Auswertung des Projektes findet sich in der GRDrs 671/2011 (s. Anlage 1).

Das Projekt richtet sich an jugendliche Straftäter, die zur Ableistung ihrer Arbeitsstunden sozialpädagogische Unterstützung benötigen. Über diese Unterstützung soll auch erreicht werden, dass die Jugendlichen für sich eine schulische oder berufliche Perspektive entwickeln können. Die jungen Menschen erhalten Bewerbungstrainings, werden in Ausbildung, Arbeit oder weiterführende Bildungs- und Förderangebote vermittelt und erhalten sozialpädagogische Unterstützung bei allen Problemen, die einer erfolgreichen Integration in Ausbildung oder Arbeit entgegenstehen.

Aufgrund der Zielgruppe und der inhaltlichen Ausrichtung des Projekt PengA ist die Zuordnung zu den Angeboten der Jugendberufshilfe des Jugendamtes folgerichtig.


Vorliegende Anträge/Anfragen

506/2011 CDU-Gemeinderatsfraktion




Isabel Fezer
Bürgermeisterin




Auswertungsbericht
PengA – Berufliche Perspektiven nach gemeinnütziger Arbeit


1. Grundlagen zum Projekt

Das Projekt PengA wurde 2000 ins Leben gerufen, seit 2001 wird das Projekt durch das Jugendamt gefördert. PengA verfolgt das Ziel, den Kontakt während der Ableistung gemeinnütziger Arbeitsstunden zu nutzen, um straffällige junge Männer und Frauen auf ihre beruflichen Perspektiven hin zu beraten und in Ausbildung, Arbeit oder weiterführende Bildungs- und Förderangebote zu vermitteln. Die Jugendlichen erhalten Bewerbungstrainings und darüber hinaus sozialpädagogische Unterstützung bei allen Problemen, die einer erfolgreichen Integration in Ausbildung oder Arbeit im Weg stehen. Träger des Angebots ist die gemeinnützige Gesellschaft für Schulung und berufliche Reintegration mbH (SBR gGmbH).

Das Jugendamt förderte das Projekt in 2010 und 2011 in Höhe von 92.269 €.
Die Arbeitsförderung der Stadt Stuttgart gewährt einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 10.000 € für Teilnehmer/-innen über 21 Jahre.


2. Zahlen und Fakten zu 2010
- 364 Personen wurde in 2010 das Angebot PengA unterbreitet.
- 317 Personen leisteten insgesamt 16.361 Arbeitsstunden bei PengA ab.
- 237 Personen leisteten die Stunden vollständig ab, 12% brachen die Ableistung ab.
- In 59% der Fälle wurden bis zu 50 Stunden geleistet, in 24% bis 100 h, in 17% über 100 h.
- 31% der Personen waren bis 17 Jahre alt, 35% bis 21 Jahre, 34% über 21 Jahre
- 71% der Personen wurden über die Jugendgerichtshilfe des Jugendamtes vermittelt, 29% über Justiznahe Soziale Dienste und Sonstige.
- 21% der Personen verfügten über keinen Schulabschluss.
- 70% verfügten über keinen beruflichen Abschluss, 16% hatten eine Ausbildung abgebrochen, 14% verfügten über einen Berufsabschluss.
- 51 % der Personen waren beim Erstkontakt „unversorgt“ (arbeitslos); 25% befanden sich in Schule oder Ausbildung, 5 % jobbten, 18% waren in Berufsvorbereitung/Jugendprojekt/geförderter Beschäftigung.
- Nach Beendigung von PengA waren 36% der Personen „unversorgt“, 25% befanden sich in Schule oder Ausbildung, 8% jobbten, 24% waren Berufsvorbereitung/Jugendprojekt/geförderter Beschäftigung, 3% in Reha/Therapie und 1% im Strafvollzug.


3. Auswertung

Die Auswertung des Erfahrungsberichtes zu PengA 2010 sowie Gespräche mit der hauptsächlich zuweisenden Stelle, der Jugendgerichtshilfe im Jugendamt, führen zu folgenden kritischen Anfragen an das Projekt:

Alter der teilnehmenden Personen
Förderangebote der Kinder- und Jugendhilfe richten sich in der Regel an junge Menschen bis 21 Jahre. In Penga sind 34% der betreuten Personen zwischen 22 und 27 Jahren. Dieses Verhältnis der real betreuten Personen findet keine Entsprechung in der Aufteilung der finanziellen Förderung (Jugendamt 92.269 €, Arbeitsförderung 10.000 €). Im Erfahrungsbericht von 2010 weist der Träger zwar darauf hin, dass Über 21- Jährige „nicht die gleiche konzeptionelle Begleitung“ erhalten (S.2), in der Beschreibung der Leistungen und in den Ergebnissen wird aber immer die Gesamtheit der im Projekt PengA unterstützten Personen (bis 27 Jahre) zugrunde gelegt. Welche spezifischen Leistungen aufgrund welcher Bedarfe die über die Jugendhilfe geförderten Personen erhalten, wird nicht ersichtlich.

Aufnahmekriterien und Aufnahmepraxis
Höhere Anzahl der abzuleistenden Arbeitsstunden
„Das Projektziel ist demnach neben der vollständigen Sozialstundenableistung die Vermittlung in schulische/berufliche Perspektiven und die bedarfsgerechte Heranführung des Teilnehmers an ein professionelles Hilfesystem“ (Erfahrungsbericht 2010, S. 1). Die Entwicklung von schulischen/beruflichen Perspektiven benötigt Zeit, deshalb gilt als ein Kriterium zur Aufnahme in PengA, dass eine „höhere Zahl“ an Arbeitsstunden abzuleisten ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint es problematisch, dass in 2010 in 59% der Fälle „nur“ bis zu 50 Arbeitsstunden abgeleistet werden. Insbesondere weil in PengA
überwiegend junge Menschen mit äußerst problematischen Biographien unterstützt werden sollen (so ein Zuweisungskriterium der Jugendgerichtshilfe), ist es fraglich, ob in der Kürze dieser Zeit ein vertrauensvoller Kontakt und darauf aufbauend tragfähige berufliche Perspektiven überhaupt entwickelt werden können.

„Schwerere“ Delikte der Teilnehmenden
Die ergänzende sozialpädagogische Betreuung während der Ableistung der Arbeitsstunden in PengA wird u.a. damit begründet, dass es sich dabei um Personen handelt, die aufgrund der Schwere des Deliktes und ihrer insgesamt problematischen Biographie in anderen (nicht sozialpädagogisch betreuten Einsatzstellen zur Ableistung von Arbeitsstunden) nicht genommen werden. Ob sich die gegenwärtige Aufnahmepraxis ebenso wie die Zuweisungspraxis durch die Jugendgerichtshilfe (und andere zuweisende Stellen) an diesem Kriterium wirklich orientiert, ist fraglich. Die Deliktart wird im Erfahrungsbericht nicht dokumentiert und in der Zuweisung durch die Jugendgerichtshilfe hat sich aufgrund der sozialräumlichen Nähe eine Routine eingestellt, überwiegend die Jugendlichen aus Bad Cannstatt an PengA zuzuweisen.

Schul- und Berufssituation der Teilnehmenden
PengA zielt – neben der Ableistung von Sozialstunden - auf die Entwicklung von beruflichen Perspektiven. Demgegenüber wurde in 2010 eine nennenswerte Zahl an Personen in PengA aufgenommen, bei denen diese Zielsetzung eigentlich nicht im Vordergrund stehen kann. 25% der Personen befinden sich in Schule oder Ausbildung. 10% sind in Berufsvorbereitung oder in einen Jugendarbeitsprojekt, in deren Kontext berufliche Orientierung und Perspektiventwicklung bereits geleistet wird.

Die genannten drei Punkte zusammengenommen lassen darauf schließen, dass es bei einer nennenswerten Zahl von Personen, die vom Träger als PengA-Personenkreis aufgelistet sind, überwiegend um die Ableistung von Arbeitsstunden geht, ohne dass eine ergänzende sozialpädagogische Unterstützung notwendig ist und diese durch den Träger auch nicht geleistet wird. Da sich PengA aber konzeptionell auf einen ganz spezifischen Personenkreis bezieht, muss diese Gruppe eindeutig von den „reinen Arbeitsstunden-Ableistern“ getrennt werden und deutlich gemacht werden, welche Leistungen für den spezifischen PengA-Personenkreis erbracht werden. Nur damit legitimiert sich die finanzielle Förderung, die für PengA zur Verfügung gestellt wird. Eine „reine“ Ableistung von Arbeitsstunden ermöglichen nämlich auch andere Träger der Arbeitshilfe, die dafür keine gesonderte Förderung erhalten.


4. Empfehlungen
1. Das Jugendamt hat nach der in 2009 durchgeführten Auswertung des Sachberichtes eine Anfrage an das Jobcenter gerichtet, inwieweit eine anteilige Förderung des Projektes PengA durch das Jobcenter möglich ist. Laut Bericht des Trägers hatten in 2009 (für 2010 liegen dazu keine Zahlen vor) ca. 40% der in PengA unterstützen Personen einen eigenen Anspruch auf ALG-II oder lebten in ALG-II-Bedarfsgemein­schaften. Eine anteilige Förderung durch das Jobcenter wurde mit der Begründung abgelehnt, dass im Angebot PengA „zwar Elemente einer beruflichen Aktivierung enthalten (sind), diese aber gegenüber den Inhalten, die auf Sanktionsvollzug angelegt sind, erheblich unterrepräsentiert (sind)“ (vgl. Schreiben des Jobcenter).

Nachdem nun auch die Auswertung 2010 vorliegt, ist erkennbar, dass das Projekt PengA konzeptionell geschärft werden muss:
- Welches ist die konkrete Zielgruppe von PengA (ausschließlich Unter 21-Jährige, „höhere“ Anzahl an Ableistungsstunden, „schwerere“ Delikte, Jugendliche, die bei anderen Einsatzstellen nicht genommen werden etc.)? Hierfür sind klare Kriterien festzulegen, welche dann Grundlage für die Zuweisung und Aufnahme in PengA darstellen. Genauso ist auf der Grundlage der Erfahrungen in den letzten Jahren eine „Größenordnung“ festzulegen (um wie viele junge Menschen handelt es sich jährlich), für die das Angebot zur Verfügung zu stellen ist.
- Welche zusätzliche sozialpädagogische Unterstützung ist für diese Zielgruppe notwendig und sinnvoll von dem Träger zu erfüllen, bei dem es vornehmlich um die Ableistung der Arbeitsstunden geht? Hier ist auch in Frage zu stellen, inwieweit die Schwerpunktsetzung „Entwicklung beruflicher Perspektiven“ bedarfsgerecht ist.
- Wie ist die in PengA geleistete Arbeit künftig zu dokumentieren, damit sowohl die in PengA unterstützte Personengruppe als auch die erbrachten Leistungen des Trägers eindeutiger erkennbar werden? Wie ist die Einhaltung der Zuweisungs- und Aufnahmekriterien überprüfbar?

Da die Mehrheit der Fälle in PengA durch die Jugendgerichtshilfe im Jugendamt zugewiesen wird, ist eine solche Klärung und konzeptionelle Schärfung nur mit Beteiligung dieser Dienststelle möglich. Es wird deshalb ein Arbeitsprozess - unter Federführung der Jugendhilfeplanung - zur Klärung dieser Fragen vorgeschlagen, an dem der Träger von PengA und die Jugendgerichtshilfe mitwirken. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe können dann auch die finanziellen Mittel, die für das Angebot zur Verfügung zu stellen sind, klarer benannt werden.

2. Die oben genannten Zahlen machen deutlich, dass aktuell viele Personen als Zielgruppe von PengA beschrieben werden, die nicht der eigentlichen Zielgruppe des Projektes entsprechen. Ob diese Personen zur Ableistung ihrer Arbeitsstunden tatsächlich die ergänzende sozialpädagogische Betreuung brauchen und auch nutzen und ob für diese Personen die Schwerpunktsetzung „Entwicklung beruflicher Perspektiven“ die Richtige ist, ist fraglich. Im Vergleich mit anderen Städten stellt Stuttgart mit PengA für ca. 16.000 Arbeitsstundenableistung eine zusätzliche sozialpädagogische Betreuung zur Verfügung, während dies in München gerade einmal ca. 1.300 Stunden sind, die zusätzlich betreut abgeleistet werden. In Mannheim existiert überhaupt kein Angebot der betreuten Arbeitsstundenableistung.

Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, die für das Projekt PengA für 2012/2013 zur Verfügung zu stellenden Mittel um 64% zu reduzieren:

- aufgrund des überwiegenden Anteils an sehr kurzen Arbeitseinsätzen (59% bis zu 50h), in denen die Entwicklung tragfähiger beruflicher Perspektiven kaum möglich ist,
- aufgrund der Tatsache, dass sich 43% der in PengA betreuten Personen in Schule/Ausbildung bzw. in Berufsvorbereitung/Jugendprojekt/geförderter Beschäftigung befanden. In diesen Kontexten wird an der Entwicklung beruflicher Perspektiven entweder bereits gearbeitet (z.B. BVJ oder Jugendprojekt) oder diese Thematik steht aktuell überhaupt nicht im Vordergrund (bei denen, die sich bereits in Ausbildung befinden oder noch die weiterführende Schule besuchen).

Daraus ergibt sich eine Fördersumme für das Projekt von Seiten der Jugendberufshilfe von gerundet 33.300 € p.a. und 10.000€ von Seiten der Arbeitsförderung für die Über 25-Jährigen.

Der unter 1. beschriebene Arbeitsprozess wird deutlicher machen, für welche Zielgruppe konkret PengA gebraucht wird und in welcher Höhe dann tatsächlich Fördermittel zur Verfügung zu stellen sind.

Zu den Haushaltsplanberatungen 2014/2015 wird ein weiterer Auswertungsbericht zu PengA vorgelegt.