Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 325/2023
Stuttgart,
06/05/2023



Finanzwirtschaftliches Gesamtsteuerungssystem, aktueller Sachstand und weitere Vorgehensweise



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
19.06.2023
21.06.2023



Beschlußantrag:





Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Finanzwirtschaftliches Gesamtsteuerungssystem, aktueller Sachstand und Ausgangssituation

Die Verwaltung wurde vom Gemeinderat beauftragt, ein finanzwirtschaftliches Gesamtsteuerungssystem zu entwickeln (Grundsatzbeschluss GRDrs 1034/2020). Als Basis für ein erstes zugrundeliegendes Zielesystem wurden die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen ausgemacht (Englisch: Sustainable Development Goals, kurz: SDGs).





Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) hat die aktive Umsetzung der 17 Nachhaltigkeits- ziele auf lokaler Ebene beschlossen (GRDrs 206/2018). Mit der seit 2019 bundesweit ersten und regelmäßig fortgeschriebenen SDG-Bestandsaufnahme „Lebenswertes Stuttgart“ verfügt die LHS über ein fachbereichsübergreifend erarbeitetes und kontinuierlich weiterentwickeltes Indikatorensystem für die kommunale Ebene (vgl. GRDrs 1246/2019).

Pilotprojekt

Zur Verknüpfung des Haushaltsplans mit den SDGs wurde von der Stadtkämmerei ein Pilotprojekt im Rahmen des von L/OB-Int koordinierten Prozesses zur bereichsübergreifenden Verankerung der Agenda 2030 in der LHS durchgeführt.

Im Rahmen des Pilotprojekts sollten Zusammenhänge von Budgets, Finanzkennzahlen, Nachhaltigkeitszielen und Indikatoren zur Darstellung im Haushaltsplan erarbeitet werden.

Für die externe Unterstützung konnte ab Oktober 2022 die Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 aus NRW (LAG 21) in Zusammenarbeit mit dem Institut für den öffentlichen Sektor e.V. / KPMG gewonnen werden.

Projektverlauf

Pilothaft beteiligt haben sich die Ämter des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration (SI), Sozialamt, Gesundheitsamt und Jobcenter, unterstützt von der Abteilung Strategische Sozialplanung.

Die LAG 21 haben gemeinsam mit der KPMG den Prozess inhaltlich und organisatorisch gesteuert. In insgesamt drei Koordinationsteamsitzungen mit Verantwortlichen aus der Abteilung Außenbeziehungen, der Stadtkämmerei und der Abteilung Strategische Sozialplanung wurde im Vorfeld eine gemeinsame Vorgehensweise festgelegt und die Fortschritte, Hürden und Herausforderungen eng abgestimmt. In der Basis wurden gemeinsam mit den Pilotämtern insbesondere inhaltliche Fragestellungen und konkrete Fragen der Umsetzung der SDG-Zuordnung zu den Produkten des Haushalts thematisiert und konkrete Ergebnisse erarbeitet. In drei Kernteamsitzungen fand eine inhaltliche und strukturelle Abstimmung mit der Stadtkämmerei und Vertreter*innen der drei Pilotämter statt.

Durch eine durchgängig transparente Kommunikation, Einbindung aller relevanten Akteure und der Moderation des Prozesses konnte ein abgestimmtes und akzeptiertes Ergebnis erarbeitet werden.

Für insgesamt 44 identifizierte Produkte der betreffenden Ämter wurde je ein prioritäres SDG, ein bis maximal fünf weitere SDGs und entsprechende Indikatoren / Kennzahlen aus verschiedenen Quellen wie dem Haushaltsplan, dem SDG-Bericht „Lebenswertes Stuttgart“ sowie bestehenden Zielvereinbarungen mit dem Gemeinderat zugeordnet.

Durch die Aufnahme von SDGs und Indikatoren in die Teilhaushalte der Ämter wird erkennbar, für welche Nachhaltigkeitsziele das jeweilige Produkt einen Betrag leistet. Die im Rahmen des Prozesses erarbeiteten Muster zur Darstellung im Haushaltsplan dienen einer integrativen und einheitlichen Darstellung, die sich im Vorbericht sowie auf Teilhaushaltsebene in das Layout des Haushaltsplans einfügt (s. Anlagen).

Die beispielhafte Befüllung des erarbeiteten Musters für die Teilhaushalte der Ämter dienst lediglich der Darstellung der Möglichkeiten der SDG-Abbildung im Haushaltsplan. Sowohl die endgültige Umsetzung als auch die Inhalte der dargestellten Ämter sind noch nicht abschließend festgelegt worden.

Perspektivisch bietet der bisher erarbeitete Ansatz erste Grundlagen für eine künftige wirkungsorientierte Steuerung und legt damit den Grundstein für eine weitergehende nachhaltige Stadtentwicklung.


Weitere Vorgehensweise

Damit ein Roll-Out über alle Ämter gelingen kann, ist ein ausreichender Ressourceneinsatz unerlässlich. Dauer und Ablauf des Implementierungsprozesses sind maßgeblich davon abhängig, ob ausreichend Unterstützung für die betroffenen Ämter bereitgestellt werden kann, z. B. durch Beratung bei der Entwicklung von (operativen) Zielsetzungen und Kennzahlen.

Die LAG 21 und die Verwaltung empfehlen daher, nicht zuletzt auf Grundlage der gewonnenen Projekterfahrungen, in einem begleiteten Prozess die weiteren Arbeiten schrittweise mit ungefähr 10 bis 15 Ämtern unter Einbindung der jeweiligen Referate pro Jahr umzusetzen. Das heißt, die Integration der SDGs und der entsprechenden Indikatoren für alle Ämter/die noch verbleibenden 24 Teilhaushalte soll bis zum Doppelhaushalt 2026/2027 abgeschlossen sein.

Bereits parallel soll gemeinsam mit dem Gemeinderat die Weiterentwicklung des Zielsystems angegangen werden.

LAG 21 empfehlen, auf Basis des bisher von der LHS gewählten Ansatzes, eine wirkungsorientierte Nachhaltigkeitssteuerung zu etablieren. Ein Ergebnis dieses Prozesses könnte ein sogenannter Nachhaltigkeitshaushalt sein.

Ein kommunaler Nachhaltigkeitshaushalt ist eine spezifische wirkungsorientierte Haus-halts- und Verwaltungssteuerung (Outcomesteuerung), deren Zweck darin besteht, die Verteilung von Finanzmitteln an Nachhaltigkeitszielsetzungen auszurichten.

Potentiale des Nachhaltigkeitshaushalts:
(Verwaltungstätigkeit liefert Beiträge z. T. sogar für UN Ziele, 17 SDGs)
bei Verhandlungen um Ressourcen

Die weitere Prüfung der konkreten nächsten Schritte und die Ausarbeitung eines möglichen Konzepts für ein Zielsystem im Finanzbereich erfordert die Erarbeitung entsprechender Grundsätze und Rahmenbedingungen sowie referatsübergreifende Abstimmungen. Über Fortschritte wird zeitnah dem Gemeinderat berichtet.

Eine mögliche Weiterentwicklung in Richtung eines Nachhaltigkeitshaushalts geht tatsächlich weit über die Haushaltsplanung und -steuerung hinaus: „Eine partizipativ entwickelte und politisch beschlossene Strategie, die ein Zielsystem mit strategischen und operativen Zielsetzungen beinhaltet, bietet eine verbesserte Grundlage für das Verwaltungshandeln und die politische Entscheidungsfindung. Aushandlungsprozesse insbesondere im strategischen Zielbereich können im Rahmen der Strategieentwicklung durchgeführt und entschieden werden, sodass klare Prioritäten für die nachhaltige Stadtentwicklung gelegt werden.“ (KPMG in einer Präsentation zu den Ergebnissen)

Für eine solche Outcomesteuerung wäre nicht nur ein stadtweit konsensfähiges und umsetzbares Steuerungssystem zu entwickeln, dazu bedarf es auch eingehender Beratungen und einer möglichst breiten Zustimmung des Gemeinderats. Die Verwaltung hält es für erforderlich, entsprechende Grundsatzentscheidungen gemeinsam mit dem Gemeinderat zu erarbeiten.


Finanzielle Auswirkungen

Für die weitere Umsetzung der Verknüpfung von internationalen Nachhaltigkeitszielen und Haushalt soll wiederum eine begleitende externe Unterstützung gefunden werden. Für diese Beratung insbesondere der Referate und Ämter kann im Haushaltsjahr 2023 auf übrige Mittel des Projektbudgets zurückgegriffen werden. Für die Folgejahre wird mit einem Finanzbedarf von 80.000 in 2024 und 40.000 in 2025 gerechnet.

Zudem ist ein Budget für Schulungen, Informationsveranstaltungen und eventuelle Exkursionen – auch mit Vertreter*innen des Gemeinderats – erforderlich. Hier sollten im Jahr 2024 40.000 EUR und 2025 20.000 EUR eingeplant werden.

Die Mittelbedarfe werden zum Doppelhaushaltsplan 2024/2025 angemeldet.



Beteiligte Stellen

Die Referate L/OB und SI haben mitgezeichnet.




Thomas Fuhrmann
Bürgermeister


Anlagen

1. Auszüge Ergebnisbericht LAG 21/KPMG
2. Muster/Beispiel Darstellung im Vorbericht
3. Muster/Beispiele Darstellung in Teilhaushalten


Zuordnung der SDGs zu Produkten der Ämter (Ergebnisse)

In enger Abstimmung mit den drei Pilotämtern Gesundheitsamt, Sozialamt und Jobcenter wurden aufbauend auf bereits bestehenden Ergebnissen und laufenden Prozessen eine inhaltliche Zuordnung der SDGs sowie entsprechender Kennzahlen zu den Produkten in den Teilhaushalten der Pilotämter vorgenommen. In drei Workshops wurden Vorschläge zur Verknüpfung vorgestellt, diskutiert, abgestimmt und finalisiert. Weiterhin wurden Grundlagen zur SDG-Verankerung und zur Wirkungsorientierung im Haushaltsplan vorgestellt. Die finalen Ergebnisse sind je Amt in einer Excel-Matrix festgehalten, in der die SDGs, die SDG-Indikatoren der LHS sowie weitere Kennzahlen bzw. Indikatoren den einzelnen Produkten der Teilhaushalte zugeordnet wurden.

Für 44 Produkte wurde je ein prioritäres SDG, ein bis maximal fünf weitere SDGs und entsprechende Indikatoren aus verschiedenen Quellen wie dem Haushaltsplan, dem SDG- Bericht „Lebenswertes Stuttgart“ sowie Zielvereinbarungen mit dem Gemeinderat zugeordnet.

Im Rahmen des ersten Projektbausteins konnten im Laufe des Prozesses zahlreiche Fragestellungen bearbeitet und geklärt werden. Diese enge Begleitung und Abstimmung wurde von den Pilotämtern als positiv für den Prozess kommuniziert, insbesondere vor dem Hintergrund der oft knappen Personal- und Zeitressourcen in den Ämtern.

Besonderen Fokus in den Sitzungen mit den Pilotämtern haben Fragestellungen bezüglich der Passgenauigkeit der Ziele sowie die Einheitlichkeit zwischen den Ämtern eingenommen. Im Hinblick auf die Passgenauigkeit der Ziele wurde die Formulierung der SDGs sowie auch die SDG-Indikatoren der LHS insbesondere hinsichtlich ihres allgemeinen und übergeordneten Charakters hinterfragt, die häufig nicht den spezifischen Tätigkeiten der Ämter im Rahmen der Produkte entsprechen. Dies führt unter anderem dazu, dass einige der SDGs und Indikatoren mehreren Produkten zugeordnet wurden. Die Diskussion in den Sitzungen ergab, dass dies kein Problem darstellt, da das vorliegende Projekt sich zunächst auf eine Bestandserfassung konzentriert. Zur Weiterentwicklung des Prozesses hinsichtlich einer Wirkungsorientierung und Nachhaltigkeitssteuerung sind sich die Ämter einig, dass hier die SDGs an den Produkten der Stadt durch Formulierung eigener Ziele ergänzt bzw. ersetzt werden sollten. Bezüglich der Eignung der Indikatoren einigte man sich auf die Vorgehensweise, dass neben den Indikatoren aus dem Bericht
„Lebenswertes Stuttgart“ auch weitere Kennzahlen aus anderen Quellen wie dem Haushaltsplan oder Zielvereinbarungen mit dem Gemeinderat herangezogen wurden, sofern diese aussagekräftiger im Hinblick auf die Zielerreichung durch die Produktaktivitäten sind.

In Bezug auf die Einheitlichkeit der Zielstrukturen zwischen den Ämtern wurde im Laufe des Prozesses festgestellt, dass die Ämter zu Beginn teilweise eine sehr unterschiedliche Anzahl an SDGs und Unterzielen zugeordnet haben. Vor dem Hintergrund der Unterschiedlichkeit von Produkten, die teilweise eine erhebliche Bandbreite an Tätigkeiten umfassen, einigte man sich darauf, dass ein Produkt zwar nicht mit Zielen überladen werden sollte, um eine gewisse Aussagekraft zu erhalten aber eine Beschränkung der Anzahl sinnvoll erscheint: Zuordnung eines prioritären SDG mit maximal 5 Unterzielen sowie maximal 4 weitere SDGs.



Empfehlungen zum weiteren Prozess der Verankerung von Nachhaltigkeitszielen

Die zugeordneten Unterziele zum prioritären SDG sind aktuell eher informativ zu verstehen. Sie konkretisieren den Zielerreichungsbeitrag des Produktes zum prioritären SDG, werden aber (noch) nicht mit Indikatoren und Kennzahlen gemessen. Es ist empfehlenswert, die Unterziele direkt mit den Indikatoren und Kennzahlen zu verknüpfen.

Um Widersprüche, Überschneidungen und Unklarheiten zu vermeiden, sollte auf parallele Ziel- und Kennzahlensysteme im Haushalt möglichst verzichtet werden. Dementsprechend wird angeregt, die bereits vor der SDG-Integration im Haushalt aufgeführten und noch nicht integrierten Ziele und Indikatoren in die neue SDG-Zielsystematik mit aufgenommen werden, sofern ein Zielerreichungsbeitrag erkennbar wird bzw. mindestens kein Widerspruch zu den SDG entsteht. Die vorhandenen Fachziele sowie Kennzahlen und Indikatoren sollten folglich hinsichtlich ihrer Eignung zur Messung von (operativen) Nachhaltigkeitszielen überprüft werden. Für Ziele und Kennzahlen, die dafür nicht geeignet sind, ist eine Umformulierung oder Streichung in Erwägung zu ziehen.

Der bisherige Projektprozess hat gezeigt, dass eine fachliche Begleitung und Unterstützung der Ämter insbesondere im Rahmen der Zuordnung von Zielen und Kennzahlen notwendig sind, um die gewünschte Qualität und Akzeptanz der Ergebnisse zu erzielen.
Auch die neu hinzukommenden Ämter und Bereiche werden einen Anlaufpunkt für Fragen sowie fachliche Unterstützung benötigen. Schwerpunkt der Begleitung liegt auf dem Wissenstransfer bezüglich der Nachhaltigkeitsziele, die Klärung offener Fragen sowie die Vermittlung von Vorteilen, Potentialen und Grenzen des Ansatzes.

Ein noch zu erstellender prozessbegleitender Leitfaden zur Umsetzung des Prozesses für die Verwaltung ist ein sinnvolles Hilfsdokument und Nachschlagewerk zur Wissensvermittlung und als praxisnahe Anleitung, um Wissen langfristig verfügbar und zugänglich zu machen. Vor dem Hintergrund der Komplexität des Prozesses und der nötigen Fachexpertise zur Nachhaltigen Entwicklung wird der prozessbegleitende Leitfaden als komplementäres Instrument zur fachlichen Begleitung empfohlen.



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