Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 7811-09
GRDrs 1274/2011
Stuttgart,
11/28/2011



Haushalt 2012/2013

Unterlage für die 2. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 05.12.2011



Wirtschaftsförderung - Einrichtung einer Agentur für kreative Freiräume

Beantwortung / Stellungnahme


In der 1. Lesung des Verwaltungsausschusses am 7.11.2011 wurde bei der Behandlung des Antrags 411/2011 Ziffer I, 1. (s. GRDrs 1012/2011) ein ergänzender Bericht mit der Darstellung der Prozesse, der Akteure und deren Zusammenarbeit gewünscht.

Leerstände im Allgemeinen
Leerstände haben kurzfristige und langfristige Folgen für eine Stadt. Zunächst machen sich Umsatzeinbußen bei den Eigentümern leer stehender Immobilien bemerkbar. Dadurch sinken die Investitionsbereitschaften und auch die Möglichkeiten, notwendige Modernisierungen und Anpassungen für eventuelle Nachfrager zu tätigen. Dies kann zur Folge haben, dass potenzielle Investoren dem Standort fernbleiben, weil das Immobilienangebot ihren Bedürfnissen nicht mehr entspricht. Weiterhin strahlen Leerstände negativ auf die Umgebung aus und setzen somit einen „Trading down“ Prozess in Gang, der in der Folge weitere Leerstände „produziert“. Letztendlich führt dies zu einer Verödung, zu einem Attraktivitätsverlust und letztendlich zu dem Funktionsverlust einer Stadt.

Leerstands- und Zwischennutzungskonzeption als Lösungsansatz
Leerstands- und Zwischennutzungskonzeptionen wirken den negativen Entwicklungen, die mit brachliegenden Gebäuden verbunden sind, entgegen. Leerstände können gezielt beseitigt und Zwischennutzungen ermöglicht werden. Dies führt zu einer Inwertsetzung von Immobilen und ganzen Stadtquartieren, zu neuen Arbeitplätzen an diesen Orten und einer Steigerung der Wirtschafts- und Innovationskraft am Standort. Die Kreativwirtschaft spielt in diesem Entwicklungsprozess eine entscheidende Rolle. Denn kreative Szenen siedeln sich bevorzugt als Pioniernutzer in Brachen und Zwischennutzungsimmobilen an, die Raum für Gestaltung bieten und finanziell erschwinglich für die überwiegend kleinteilig organisierten Kreativunternehmen sind. Von einer kreativen Zwischennutzungen profitiert sowohl die Kreativschaffenden selbst, als auch der Standort insgesamt.

Konzeptidee für ein Leerstands- und Zwischennutzungsmanagement
Leerstände können in Gewerbe- (produzierendes und verarbeitendes, sowie im klassischen Einzelhandel) und Wohnimmobilien entstehen. Das Management von Leerständen hat sich in vielen Städten und Gemeinden im Stadtmarketingprozess angesiedelt, mit dem Ziel, die Konkurrenzfähigkeit des Standorts im Städtewettbewerb zu stärken.

Vorschlag für eine Struktur des Leerstands- und Zwischennutzungsmanagements für die Landeshauptstadt Stuttgart
Eine Zwischennutzung ist dann erfolgreich, wenn der Leerstand behoben wird. Das setzt voraus, dass eine win-win Situation für den Immobilieneigentümer und für den zukünftigen Nutzer der Immobilie geschaffen werden kann. Dazu bedarf es eines Leerstandsmanagements, das die Schnittstellenfunktion zwischen diesen beiden Interessenslagen wahrnimmt. Um diese Aufgabe meistern zu können, müssen die verantwortlichen Zwischennutzungsagenten sehr gut vernetzt sein, sowohl mit der Immobilienwirtschaft und der Stadtverwaltung, als auch mit der Gründer- und Kreativszene, dem Einzelhandel und den Bezirksvorstehern.

In eben diesen Bereichen besitzt die Wirtschaftsförderung durch ihre Geschäftsbereiche „Stadtteilmanagement“, „Kreativwirtschaft“, „Existenzgründung“ und „Investoren und Ansiedlung“ sehr gute und gefestigte Verbindungen. Daher ist eine Ansiedlung des Leerstand- und Zwischennutzungsmanagements bei der Wirtschaftsförderung zu empfehlen. Hinzu kommt, dass eine stadtverwaltungsinterne Struktur eine höhere Neutralität und Glaubwürdigkeit besitzt, als dies bei einer externen Zwischennutzungsagentur der Fall wäre. Zudem handelt eine stadtverwaltungsinterne Organisation im gemeinnützigen, nicht profitorientierten Interesse und besitzt den direkten Zugang zu Eigentümerdaten sowie zu Immobilien und Grundstücken im städtischen Besitz. Vielfach liegen der Wirtschaftsförderung bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt Informationen über in Kürze leer stehende Immobilien vor. Externe Agenturen verfügen in der Regel nicht über derartige Informationen und können daher nicht ebenso schnell agieren.

Die Vermittlung von Leerständen ist als Schnittstellenaufgabe zwischen den beiden Feldern „Stadtteilmanagement“ und „Kreativwirtschaftsförderung“ zu betrachten, da die Nutzer der leer stehenden Flächen überwiegend aus der Kreativszene stammen, (z.B. Galerien, bildende Künstler, Studierende von Kunst- und Medienhochschulen, Designer etc.). Die Wirtschaftsförderung hat sich bereits erfolgreich für die Einrichtung von Gründerzentren engagiert (z.B. Römerkastell, Türlenstraße, H7). Insbesondere leer stehende Einzelhandelsimmobilien wurden vorrangig im Rahmen des „Stadtteilmanagements“ neuen (Zwischen-)Nutzern zugeführt. In Zukunft sollen Zwischennutzungskonzepte jedoch stärker als bislang auch Bestandteil der „Kreativwirtschaftsförderung“ sein, um das kreative Potenzial am Standort stärker herauszustellen und zu fördern. Denn eine im Jahr 2010 im Auftrag der Wirtschaftsförderung durchgeführte Strukturanalyse ergab spezifische Wachstumsfelder für die Wirtschaft der Landeshauptstadt und identifizierte die Kreativwirtschaft als einen der wichtigsten Wachstumstreiber.

Die folgende Tabelle stellt Kriterien für ein Leerstand- und Zwischennutzungsmanagement auf und führt diese für eine verwaltungsinterne Lösung und für eine externe Agenturstruktur aus:

KriterienkatalogVerwaltungsinterne StrukturExterne Agentur
GlaubwürdigkeitSehr hochGeringer, da Agenturen gewinnorientiert arbeiten „müssen“
NeutralitätSehr hochGeringer, da Eigeninteressen der „Agentur“ eine Rolle spielen können
Zugang zu EigentümerdatenZugang zu GrundbucheinträgenKein Zugang, nur mit Unterstützung der Stadtverwaltung möglich
Zugang zu Immobilen und GrundstückenZugang zu Immobilen und Grundstücken im städtischen Besitz und im Privatbesitz durch Zuständigkeitsbereich „Investoren“ und „Stadtteilmanagement“ in der WirtschaftsförderungZugang zu Immobilen und Grundstücken im Privatbesitz, teilweise über die Vermittlung der Wirtschaftsförderung
SchnittstellenImmobilienmakler, Investoren, Projektentwickler, Immobilieneigentümer, Bezirksvorsteher, Handels- und Gewerbevereine, StadtverwaltungHauptsächlich Immobilienmakler und Stadtverwaltung
ZielsetzungLeerstände beheben aus stadteigenen Interessen (Arbeitsplätze, Existenzgründungen, Kreativwirtschaft als Standortfaktor, Stadtentwicklung, attraktive Stadtquartiere)Leerstände werden primär behoben, sofern sie lukrativ sind
LeerstandsdatenbankInternetportal der Stadt Stuttgart (ist für Stadtteilmanagement bereits angelegt)Eigenständiger neuer Auftritt
Erfahrungswert
    · Investoren, Projektentwickler und Immobilieneigentümer werden bereits durch die Leitung der Wirtschaftsförderung z.B. auf dem Immobiliendialog sensibilisiert
    · Einzelhandelsimmobilienbesitzer werden durch das Stadtteilmanagement sensibilisiert
    · der Geschäftsbereich Kreativwirtschaft hat bereits Erfahrungen gesammelt mit Zwischennutzungskonzepten für Büroräume (z.B. H7) und Kreativwirtschaftsmessen und -veranstaltungen
„Agentur“ hat geringe Erfahrungen und greift auf Erfahrungen aus anderen Städten zurück. „Agentur“ lebt von den Vorgaben der Stadtverwaltung
Spezifisches KnowhowWirtschaftsförderung besitzt Know-how bei Genehmigungsprozessen, Informationen über in Kürze leer stehende ImmobilienAgentur muss hinsichtlich Genehmigungsprozessen auf die Wirtschaftsförderung zurückgreifen
KontrolleEigenleistungWirtschaftsförderung muss sich fortwährend darüber informieren, welche Flächen bespielt worden sind, bzw. nachvermietet worden sind.

Fazit
Die Tabelle verdeutlicht, dass eine verwaltungsinterne Lösung als Organisationsstruktur für ein Leerstand- und Zwischennutzungsmanagement zahlreiche Vorteile besitzt. Die Leistungen aus dem Kriterienkatalog könnten intern aus der Abteilung Wirtschaftsförderung erfüllt werden.

Die Wirtschaftsförderung verfügt jedoch aktuell über lediglich 10,5 Personalstellen und 1 zusätzliche Ermächtung (Stadtteilmanager) und ist damit im Vergleich mit Wirtschaftsförderungen in anderen deutschen Großstädten sehr schlank aufgestellt (bei durchschnittlich 0,63 Mitarbeiter pro 10.000 Einwohner wären dies in Stuttgart 36,5 Mitarbeiter).

Auch die für das Leerstand- und Zwischennutzungsmanagement relevanten Geschäftsbereiche der Wirtschaftsförderung sind insgesamt personell schwach aufgestellt. So verfügt das „Stadtteilmanagement“ über eine Personalstelle und die „Kreativwirtschaftsförderung“ über zwei Halbtagsstellen. Die Arbeitszeit dieser beiden Halbtagsstellen ist jedoch zu knapp 50 Prozent durch das EU-Projekt „ECCE Innovation“ gebunden, das die Wirtschaftsförderung im Auftrag des Gemeinderats durchführt, um die Innovationskraft der Kreativwirtschaft in Stuttgart zu stärken (siehe GRDrs 919/2008).

Aufgrund der beschränkten Personalressourcen bei der Wirtschaftsförderung bedarf es bei einer stadtinternen Lösung, ohne Beauftragung einer Agentur, einer zusätzlichen 50% Stelle für das Leerstand- und Zwischennutzungsmanagement. Diese Aufgabe auf mehrere bereits vorhandene Mitarbeiter aufzuteilen, ist aus Kapazitätsgründen nach Ansicht der Abteilung Wirtschaftsförderung nicht möglich. Darüber hinaus ist es notwendig, dass eine Person als fester Ansprechpartner für das Leerstandsmanagement eingesetzt wird, um bei den Eigentümern zu signalisieren, wer innerhalb der Stadtverwaltung für dieses Thema zuständig ist.

Für diese Maßnahme würden Kosten i.H.v. ca. 70.000 € p.a. entstehen (Personalkosten für eine EG 13 50%-Stelle i.H.v. 39.800 € p.a. zzgl. Sachkosten i.H.v. 30.200 € p.a. für Internetauftritt und Publikationen).

In der GRDrs 1012/2011 zur 1. Lesung am 07.11.2011 wurde folgender Personalbedarf dargestellt: „im ersten Jahr der Projektlaufzeit ist eine 50 % -Stelle und in den nachfolgenden Jahren eine 25 %-Stelle erforderlich“. Dieser Personalbedarf würde anfallen für die Betreuung einer externen Zwischennutzungsagentur (Ausschreibung, Unterstützung beim Aufbau der Agentur, laufender Austausch der Verwaltung mit der Agentur im Hinblick auf frei werdende oder leer stehende Immobilien und Nachfrage von potentiellen Nutzern, Kontaktvermittlung zu Kreativwirtschaft sowie Handels- und Gewerbevereinen/Bund der Selbständigen, Koordinierung Genehmigungsfragen, Abrechnungen, Leistungskontrolle/Evaluation, Eigentümerrecherche). Abweichend hiervon wird ein Personalbedarf einer 50 %-Stelle – auch nach Ablauf des ersten Jahres – dann erforderlich, wenn eine verwaltungsinterne Lösung umgesetzt wird, also keine externe Zwischennutzungsagentur beauftragt wird. Der Personalbedarf würde sich erhöhen, da die gesamte Leistung einer externen Zwischennutzungsagentur zusätzlich von der Verwaltung übernommen würde. Gleichzeitig würden dann aber die Kosten für die Beauftragung einer externen Zwischennutzungsagentur entfallen.

Stellungnahme des Referates AK:
Bei der Stadt Stuttgart ist zu beachten, dass durch die dezentrale Stadtteilstruktur mit den Bezirksvorsteherinnen und -vorsteher sowie der Bezirksbeiräte eine hohe Orts- und Sachkenntnis innerhalb der Stadtverwaltung auch zum Thema „Leerstand“ zur Verfügung steht. Diese Kenntnis muss in einem zukünftigen Konzept für Kreativräume genutzt werden, dies gilt genauso für die Aufgabe zur Stärkung der Stadtbezirke durch Aktivierung des Einzelhandels. Die Gefahr von Parallelstrukturen wird gesehen. Zumindest eine Verzahnung und enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen ist sicherzustellen.

Wir weisen darauf hin, dass sowohl das Stadtteilmanagement als auch eventuelle weitere Geschäftsbereiche der Wirtschaftsförderung ihren Internetauftritt im Rahmen des städtischen Internetauftritts
www.stuttgart.de ansiedeln.





Vorliegende Anträge/Anfragen

Mündlicher Antrag aus dem GR, 1. Lesung im VA am 7.11.2011
Antrag 411/2011 Ziff. I, 1. Bündnis 90/DIE GRÜNEN





Dr. Wolfgang Schuster



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