Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 142/2011
Stuttgart,
04/26/2011



Verbesserung der Integration benachteiligter Jugendlicher
in Ausbildung und Beschäftigung
1. Pilotprojekt Ausbildungschance
2. Netzwerk "Stuttgart bildet aus"




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
06.05.2011
09.05.2011
11.05.2011
12.05.2011



Beschlußantrag:

1. Dem Pilotprojekt „Ausbildungschance“ mit den in der Begründung dargestellten Inhalten und Leistungen wird zugestimmt.

2. Von voraussichtlich 40 Ausbildungsplätzen in der Pilotphase 2011 finanziert das JobCenter Stuttgart die von SGB II-Leistungsbeziehern belegten Plätze, die Landeshauptstadt bis zu 20 Ausbildungsplätze für Nicht-Leistungsbezieher. Die städtischen Finanzmittel von jährlich 207.600 € werden aus dem Budget der Arbeitsförderung erbracht.

3. Von der Einrichtung eines Netzwerkes „Stuttgart bildet aus“ wird Kenntnis genommen.

4. Die Verwaltung berichtet jährlich über die Umsetzung des Projektes und die Arbeit des Netzwerkes.

5. Der Zuordnung von JobConnections zum Referat WFB, Arbeitsförderung, wird zugestimmt.


Begründung:


Ausgangssituation

Das Deutsche Jugendinstitut München, hat in der dritten Folgeerhebung im Rahmen der Stuttgarter Schulabsolventenstudie (vgl. GRDrs 810/2010) u.a. folgende zentrale Ergebnisse formuliert:

- Drei Jahre nach Beendigung der Hauptschule befinden sich 7% der Jugendliche in unqualifizierten Beschäftigungsverhältnissen. Die Zahl der unqualifiziert arbeitenden Jugendlichen ist im Vergleich zur zweiten Folgeerhebung angestiegen.

- 9% der Jugendlichen sind drei Jahre nach Beendigung der Hauptschule erwerbslos bzw. ohne Tätigkeit. Auch diese Gruppe ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen.

- 2% der Hauptschulabsolventen befinden sich nach drei Jahren immer noch in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Im Vergleich zu den Vorjahren, ist hier ein deutlicher Rückgang zu erkennen.

Zusammenfassend kann die Aussage getroffen werden, dass jede/-r Zehnte/-r im dritten Übergangsjahr nach dem Hauptschulabschluss unversorgt ist.18% der Jugendlichen (in manchen Stadtteilen sogar über 20%) befinden sich in unqualifizierten Arbeitsverhältnissen, sind erwerbslos bzw. ohne Tätigkeit oder sind in weiterhin berufsvorbereitenden Maßnahmen.

Für viele Stuttgarter und Stuttgarterinnen, die eine Hauptschule besucht haben, ist demnach die Realisierung einer Ausbildung im Anschluss an den Hauptschulabschluss oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme trotz zahlreicher Einzelfördermaßnahmen immer noch sehr schwierig.


Folgerung und Zielsetzungen für Stuttgart

Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse empfiehlt das Deutsche Jugendinstitut folgende Maßnahmen bzw. werden folgende Handlungsansätze abgeleitet:

- In einer Gesamtbetrachtung muss überprüft werden, wie die Übergänge in und die Zugänge zur Ausbildung für alle Stuttgarter Hauptschüler und Hauptschülerinnen flächendeckend verbessert und bestehende Angebote (z.B. Schulsozialarbeit, 400plus Zukunft etc) passgenauer und effektiver eingesetzt werden können.

- Durchführung eines den individuellen Bedürfnissen angepassten, niederschwelligen Ausbildungsangebots für Jugendliche, die (mindestens) ein Jahr nach dem Hauptschulabschluss nicht in Ausbildung, in weiterführende schulische Bildung oder Fördermaßnahmen des bestehenden Systems der Bundesagentur für Arbeit bzw. des Job Centers gemündet sind.

- Vorrangig vor allen anderen zu entwickelnden Projekten muss der Zugang zu den bestehenden Maßnahmen erleichtert und Jugendliche müssen bereits im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) erreicht und begleitet werden.

- Jugendlichen muss eine „Ausbildungschance“ geboten werden, wenn Sie nicht andere Maßnahmen wahrnehmen oder nicht zu vermitteln waren. Gleichzeitig sollen erfolgreiche Elemente des „Hamburger Modells“ in das Konzept einfließen, um z.B. in einem Netzwerk unterschiedlicher Akteure mehr Ausbildungsplätze für die Jugendlichen im Projekt „Ausbildungschance“ und darüber hinaus für die Ausbildung chancenarmer junger Menschen überhaupt zu gewinnen.


Pilotprojekt „Ausbildungschance“

Das Pilotprojekt Ausbildungschance eröffnet ausbildungswilligen jungen Menschen, denen bisher der Zugang zum regulären Ausbildungsmarkt versagt war, eine Option für den Einstieg in das Berufsleben über einen regulären Ausbildungsabschluss.

Es bietet jungen Menschen, auch solchen mit schlechten Schulabschlüssen oder abgebrochenen Ausbildungen, die Möglichkeit, durch kleine Lerngruppen, Sonderbeschulung und eine intensive Ausbildungsbegleitung das Ausbildungsziel zu erreichen. Das Projekt richtet sich in erster Linie an junge Menschen, die das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) oder das Berufeinstiegsjahr (BEJ) erfolgreich absolviert haben, an Ausbildungsabbrecher sowie an junge Menschen aus Arbeitsgelegenheiten und aus dem Programm 400+ Zukunft.

Vorrangiges Ziel ist es, Jugendliche in das bestehende System zur beruflichen Qualifizierung zu integrieren. Daher sollen die jungen Menschen bereits im Berufsvorbereitungsjahr begleitet, in Kooperation mit der Jugendberufshilfe / Schulsozialarbeit stärker an das bestehende Fördersystem und die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit und des Job Centers herangeführt und integriert werden.

Zudem wird eine Ausbildung für diejenigen angeboten, die nicht im bestehenden Fördersystem zu integrieren sind. Durch Sonderbeschulungen, pädagogische Begleitung und durch ein niederschwelliges Ausbildungssystem wird den Jugendlichen eine Ausbildungschance geboten.

Elemente des „Hamburger Modells“ werden u.a. durch die Bildung eines Netzwerks
„Stuttgart bildet aus“ mit Vertreter/-innen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung integriert.


Umsetzung

Im Rahmen eines Pilotprojekts werden im Rahmen eines bis zu dreijährigen Ausbildungszeitraums Ausbildungsberufe angeboten. Bei einer regulären Ausbildungsdauer von 2 Jahren besteht die Option, durch ein drittes Ausbildungsjahr eine Vollausbildung zu erreichen. Durch die verlängerte Ausbildungszeit kann die Ausbildung bis zu 6 Monate unterbrochen werden. Bei Unterbrechungen auf Grund persönlicher Krisen, Krankheit o.ä. wird eine Zusatzvereinbarung über den beabsichtigten Zeitpunkt der Wiederaufnahme abgeschlossen. Eine Wiederholung des Ausbildungsjahrs ist möglich.

In Abstimmung mit der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer kommen insbesondere die auf Seite 4 der beiliegenden Präsentation genannten Ausbildungsberufe in Betracht.

Die praktische Ausbildung erfolgt in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarkts. Sollte dies auf Grund fehlender Ausbildungsreife oder persönlicher Auffälligkeiten nicht möglich sein, kann ein Teil der Ausbildung bei einem Sozialunternehmen absolviert werden.

Der Berufsschulunterricht findet für Jugendliche mit besonderem Bedarf in einer Sonderberufschule in Stuttgart mit individuellem Unterricht in kleinen Klassen und Gruppen statt.

Während der gesamten Ausbildungszeit werden die Auszubildenden von einem Ausbildungsbegleiter unterstützt. Dieser steht den Betrieben als Ansprechpartner zur Verfügung und unterstützt bei persönlichen Problemstellungen und Konflikten im Betrieb. Eine individuelle Qualifizierungs- und Förderplanung und die anschließende Eingliederung und Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gehören ebenso zu den Aufgaben des Ausbildungsbegleiters wie die Unterstützung bei Unterbrechung und Wiederaufnahme der Ausbildung sowie das Übergangsmanagement beim Verlassen des Projekts. Der Schlüssel für die Ausbildungsbegleitung liegt bei 1: 12.

Der Zugang der Jugendlichen in das Projekt „Ausbildungschance“ erfolgt über JobConnections. Dort bestehen langjährige Erfahrungen in der Sicherung des Nachrangs kommunaler Arbeitsförderungsangebote, denn die vorrangig zuständigen Institutionen (Arbeitsagentur, JobCenter) sollen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Gleichzeitig wird so die Zielgruppe optimal erreicht. Alle BVJ- und BEJ-Klassen besuchen in der Regel zweimal pro Schuljahr JobConnections. Zunächst in der Mitte des Schuljahres zur ersten Information und zur Erstellung von Bewerbungsportraits, danach zum Ende des Schuljahres mit den unvermittelten Schülerinnen und Schüler zur Weitervermittlung in Maßnahmen. Zu den rd. 500 Beratungskundinnen und -kunden pro Jahr zählen auch solche junge Menschen, „die zwischen allen Stühlen“ sitzen. Im Rahmen der Fachberatung kann das Angebot weiteren jungen Menschen eröffnet werden. So ist die umfassende Erreichbarkeit der Zielgruppe gleichzeitig mit einer Wahrung des kommunalen Nachrangs sichergestellt.

Ausbildungsbeginn ist im September 2011. Die Zuweisung und Aufnahme erfolgt ab Juli 2011. Im ersten Jahr stehen 40 Plätze für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Verfügung. Die Ausbildungsvergütung beträgt 200 € im Monat zuzüglich Fahrtkosten und Lernmittel.

Die Federführung und Koordination des Projekts liegt in der Verantwortung der städtischen Arbeitsförderung beim Referat WFB. Durchgeführt wird das Projekt in gemeinsamer Trägerschaft von Caritasverbands für Stuttgart (Projektleitung) und Evangelischer Gesellschaft. Beide Projektträger bringen langjährige und erfolgreiche Erfahrungen aus den Bereichen „assistierte Berufsausbildung im allgemeinen Arbeitsmarkt“ (EVA) und aus der Berufsausbildung in außenbetrieblichen Einrichtungen (CVS) mit. Diese Erfahrungen und die bereits vorhandenen Strukturen der Kammern sind für diese Zielgruppe besonders wichtig.

Durch das Projekt „Ausbildungschance“ werden die Aufgabenstellungen von JobConnections deutlich erweitert und an der Zielgruppe der Jugendlichen, die sich nicht mehr im Übergang Schule und Beruf befinden, sondern im Bereich des Arbeitsmarktes anzugliedern sind, orientiert. Diese Weiterentwicklung der Aufgaben führt zu einer stärkeren Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Arbeitsförderung, so dass es angezeigt ist, JobConnections zukünftig der Arbeitsförderung beim Referat WFB zuzuordnen.


Netzwerk „Stuttgart bildet aus“

Das Projekt „Ausbildungschance“ wird flankiert vom Netzwerk „Stuttgart bildet aus“. Das Netzwerk soll sich zusammensetzen aus Persönlichkeiten und Organisationen der Stuttgarter Wirtschaft, der Politik sowie der Träger, die sich für Jugendliche im Projekt „Ausbildungschance“ engagieren und / oder selbst einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen.

Die Mitglieder des Netzwerks sollen über ihre speziellen Zugänge zu Unternehmen und Betrieben für das Projekt werben und als so genannte „Testimonials“ (Referenzgeber) für die Jugendlichen und in enger Absprache mit dem Projektträger als „Türöffner“ wirken. Erfahrungen und Synergien aus vergleichbaren erfolgreichen Programmansätzen in Stuttgart werden miteinbezogen.

Die Netzwerkmitglieder werden durch die Arbeitsförderung der Landeshauptstadt Stuttgart begleitet. Durch Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen wird auf das Projekt hingewiesen und die Arbeit des Netzwerkes unterstützt. Ziel ist es, eine breite Handlungsebene für das Thema und eine flächendeckende Vernetzung unterschiedlichster Akteure zu schaffen sowie zusätzliche Mittel für das Projekt „Ausbildungschance“ zu gewinnen. Es sind ferner unterschiedliche Strategien zu entwickeln, die das Projekt sichern und ggf. ausbauen; zu denken ist an die Schaffung eines Fonds und an die Einwerbung von Drittmitteln.


Finanzierung

Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Teilnehmer/-innenzahl auf Grundlage der Studie des Deutschen Jugendinstituts nur geschätzt werden, da noch keine Erfahrungswerte vorhanden sind. Ferner liegen noch keine Ergebnisse vor, wie viele Jugendliche in das bestehende System zu integrieren sind, wenn die Betreuung und Begleitung intensiviert wird. Das Projekt „Ausbildungschance“ wird daher zunächst als Pilotprojekt angelegt und umfasst einen Ausbildungsgang mit 40 Ausbildungsplätzen, beginnend im September 2011.

Das Pilotprojekt wird in regelmäßigen Abständen ausgewertet. Die Ergebnisse sind Grundlage für weitere Handlungsansätze zur Verbesserung der Integration benachteiligter Jugendlicher in Ausbildung und Arbeit ggf. auch zum Ausbau des Projekts „Ausbildungschance“.

Es wird mit ca. 40 Teilnehmer/-innen gerechnet. Die Zahl wurde auf Grundlage der Studie des deutschen Jugendinstituts als Schätzung herangezogen. Aus den Erfahrungen des ersten Ausbildungsgang und den verstärkten Bemühungen, Jugendliche in die bestehende Systeme zu integrieren, muss für den zweiten Ausbildungsstart die Teilnehmer/-innenzahl überprüft werden.
Die Finanzierung der Ausbildungsplätze, die durch SGB II-Leistungsempfänger belegt werden, erfolgt über das Job Center. Ausbildungsplätze für sonstige Teilnehmer, höchstens aber 20 Plätze, werden aus Mitteln der Arbeitsförderung getragen, soweit nicht Drittmittel (insbesondere vom Netzwerk eingeworbene zusätzliche Finanzmittel) zur Verfügung stehen.

Kosten je Teilnehmer
Monatlich
Jährlich
3 Jahre
Monatspauschale für die Träger
Die Monatspauschale leitet sich von dem Regelbetrag der Maßnahme „Berufsausbildung außerhalb von Einrichtungen“ und einem Personalschlüssel von 1 : 18 ab
575 €
6.900 €
20.700 €
Ausbildungsvergütung pro Teilnehmer
200 €
2.400 €
7.200 €
Fahrtkosten pro Monat durchschnittlich
75 €
900 €
2.700 €
Lernmittel pro Monat
15 €
180 €
540 €
Summe
865 €
10.380 €
31.140 €

Für die bis zu 20 von der Landeshauptstadt zu finanzierende Ausbildungsplätzen im Ausbildungsjahr 2011/2012 entstehen jährliche Kosten in Höhe von 207.600 €. Das Pilotprojekt „Ausbildungschance“ kann für einen Ausbildungsjahrgang (3 Jahre) aus Budgetmitteln der Arbeitsförderung finanziert werden. Bei einer Weiterführung des Projekts im Sinne weiterer, paralleler Ausbildungsjahrgänge müssten ergänzende städtische Finanzmittel bereitgestellt werden.


Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen






Michael Föll
Erster Bürgermeister


Anlagen

Projektübersicht




zum Seitenanfang
Pilotprojekt_Ausbildungschance.pdf