Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 04.11.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:Herr Hein (SchulverwA)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: "Schule und Corona - Hält die Stadtverwaltung mit der Geschwindigkeit der Pandemie mit?"
- Antrag Nr. 436/2020 vom 16.10.2020 (CDU)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der Antrag Nr. 455/2020 vom 29.10.2020 (90/GRÜNE) ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


EBM Dr. Mayer entschuldigt zunächst BMin Fezer, die verhindert sei.

Herr Hein beantwortet Antrag und Anfrage Nr. 436/2020 der CDU-Gemeinderatsfraktion.

Zur Gesamtlage erklärt er, das Kultusministerium verweise generell auf das Umweltbundesamt. Mobile Lüftungsgeräte stellten, da sie keine frische Luft zuführten, aktuell keine Alternative zu regelmäßigem Stoßlüften gemäß der Formel 5 - 20 - 5 (alle 20 Minuten 5 Minuten Stoßlüften) dar. Studien, insbesondere von Herstellerseite, bescheinigten den mobilen Geräten zwar eine Filterwirkung, doch gebe es noch keine belastbaren Informationen über den Praxisbetrieb in einem Klassenzimmer mit 30 Schüler*innen, die auch sprächen. Ebenfalls unklar sei, wann ein Filter voll sei und gewechselt werden müsse. Zudem müssten die Rahmenbedingungen für den Wechsel geklärt sein. Alle Städte in Deutschland, mit denen Stuttgart sich im Austausch befinde, verhielten sich diesbezüglich eher zurückhaltend. Hier gehe es auch um Arbeitsschutz. Die Stadt habe eine Fürsorgepflicht bezüglich des Filterwechsels. Im Praxisbetrieb sei noch nicht ganz klar, ob die Filter das Lüften ersetzten und einen größeren Infektionsschutz gewährleisteten.

Zu Ziffer 1 des Antrags Nr. 436/2020 berichtet er, das Schulverwaltungsamt habe in den vergangenen Wochen bereits die Fenstersituation in sämtlichen Schulräumen (rund 12.500 Räume) geprüft. Über 82 % der Fenster seien uneingeschränkt zu öffnen. Räume, in denen dies nicht der Fall sei, würden nun nochmals konkret daraufhin beleuchtet, ob man dies durch Umbauten, Reparaturen etc. kurzfristig beheben könne. In diesen Räumen würden zudem professionelle CO2-Messungen durchgeführt. Außerdem habe man CO2-Messgeräte für die Schulen bestellt, die in den kommenden Wochen geliefert würden. Für je rund 200 €/Stück erhalte man funktionstüchtige Ampelsysteme. Je nach Schulgröße erhalte eine Schule ein bis drei Geräte, um damit das Lüften zu lernen und zu üben. Bis von Bund und Land Empfehlungen vorlägen, stelle das Schulverwaltungsamt aktuell die betrieblichen Anforderungen an ein Lüftungsgerät zusammen.

Zu Ziffer 2 merkt er an, aktuell gebe es keine Alternative zum Stoßlüften, unabhängig von der Außentemperatur. Deshalb müsse das Lüften eingeübt werden.

Zu Ziffer 3 führt er aus, seit März 2020 seien rund 6.000 iPads zusätzlich an die Schulen ausgeliefert worden. Im Rückgriff auf das Sofortausstattungsprogramm des Landes habe der Gemeinderat vor der Sommerpause beschlossen, rund 13.000 iPads für die Stuttgarter Schulen zu beschaffen. Diese seien ab Mitte September an die Schulen ausgeliefert worden. Insgesamt verfüge man dann über rund 35.000 Endgeräte in den Schulnetzen.

Zu Ziffer 4 legt er dar, in der ersten Sitzung nach der Sommerpause sei die Schaffung der personellen Kapazitäten beschlossen worden, um den Betrieb und Support der zusätzlichen 13.000 Endgeräte in den pädagogischen Netzen dauerhaft sicherzustellen. Die Stellenausschreibungen seien auf dem Weg. Arbeitsräume bzw. -plätze müssten noch bereitgestellt werden. Inwieweit darüber hinaus noch Bedarfe entstünden, werde sich zeigen, wenn die weiteren geplanten Förderprogramme des Landes vorlägen. Unter anderem stehe noch ein Lehrer*innen-Laptop-Sofortausstattungsprogramm im Raum.

Zu Ziffer 5 führt er aus, seit März seien rund 45 zusätzliche Schulen wenigstens mit punktuellem WLAN ausgestattet worden. Da die IT-Infrastruktur in den Schulgebäuden mit der Stromversorgung zusammenhänge, könne eine umfassende Vernetzung nur im Zuge größerer Baumaßnahmen installiert werden. Eine kurzfristige Vollvernetzung könne deshalb nicht hergestellt werden. Seit März bemühe man sich verstärkt, dort, wo die vorhandenen Kabel und Anschlüsse es zuließen, zusätzlich WLAN Access Points zu installieren. Mittlerweile hätten rund 150 von knapp 170 Schulen WLAN, zumindest in Teilen der Gebäude. Ein Zugriff von Privatgeräten auf dieses WLAN werde aus Sicherheitsgründen weiterhin nicht möglich sein. Gegenwärtig plane die Stadtverwaltung, öffentliche Gebäude mit einem freien WLAN auszustatten und hier auch die Schulgebäude - parallel zum pädagogischen Netz - mit einzubinden.

Abschließend erklärt er, teilweise habe er auch Grundsätzliches zu Antrag Nr. 455/2020 ausgeführt. Er kündigt an, die Anträge auch noch schriftlich zu beantworten.

Die Vertreter der Fraktionen danken für die Ausführungen.

StR Kotz (CDU) hätte die schriftliche Beantwortung bereits zur Sitzung bzw. sogar einen Tag zuvor erwartet. Nach den Ausführungen sei für ihn klar, dass die Stadtverwaltung mit der Geschwindigkeit der Pandemie nicht mithalte. Sie agiere zu zögerlich und verstecke sich hinter dem Warten auf belastbare Daten und Zertifizierungen, statt mutig als Pilotstadt voranzugehen. Zum Lüftungssystem 5 - 20 - 5 erkundigt er sich nach der Raumtemperatur bei minus 10 oder minus 15 Grad Außentemperatur. Was die Stellenausschreibungen anbelangt, kritisiert er, dass offensichtlich noch keine Arbeitsplätze für die einzustellenden Personen vorhanden sind. In Bezug auf das städtische WLAN sehe er aufgrund des marginalen Stromverbrauchs keinen zwingenden Zusammenhang mit einer Grundmodernisierung. Den Plan, Hotspots in den Schulen einzurichten, begrüßt er, bittet aber um den vorgesehenen Zeitrahmen. Ein schlechtes Signal habe BMin Fezer in die Elternschaft gesendet, als sie in einem Interview der Stuttgarter Zeitung eingeräumt habe, sie wisse nicht, ob die Arbeitsgruppe Digitalisierung bereits getagt habe.

Wichtig sei in erster Linie nun, so StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE), die Schüler*innen zu schützen. Sie halte aber nichts davon, pauschal einzukaufen, ohne zu wissen, ob die Produkte überhaupt sinnvoll und wirksam seien. In Stuttgart müssten 3.200 Klassen ausgestattet werden, und dafür wünsche sie sich von der Verwaltung einen Richtungshinweis. Das Schulverwaltungsamt habe zumindest den Schulbeirat durchaus über den Sachstand informiert. An der Digitalisierung arbeite man schon seit vielen Jahren. Jetzt müsse dies in der Breite an die Schulen gebracht werden. Ihr stelle sich die Frage, ob es bei den 18 Schulen, die noch kein WLAN hätten, an der Stromversorgung liege. Wichtig sei nun angesichts der zweiten Welle, dass die pädagogischen Netze funktionierten.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) sieht eine Gefahr darin, dass die Lüfter die Schulen auch in falscher Sicherheit wiegen könnten, sodass nicht mehr ausreichend über die Fenster gelüftet werde. Dies sollte nicht an Schüler*innen/Schulklassen ausprobiert werden. Man sollte so lange stoßlüften, bis eine technische Alternative als sicher getestet worden sei. Seine Fraktion unterstütze die Digitalisierung der noch verbliebenen Schulen sowie die personelle Aufstockung. Nicht verständlich sei für ihn, dass die Schüler*innen im Unterricht und den Pausen strikt getrennt seien, anschließend aber in den Schülerhäusern mangels Personal alle Klassen gemischt würden. Er fragt, ob bei erneutem Homeschooling die Ausstattung mit Hardware und den entsprechenden Räumlichkeiten in den Haushalten gesichert sei. Hier habe man während des ersten Shutdowns große Bildungsungerechtigkeiten erlebt. Auch in der Unterbringung von Geflüchteten müsse man für ausgestattete Lernräume mit ausgebildetem Personal sorgen.

Den Ausführungen von StRin Nuber-Schöllhammer und StR Rockenbauch, Luftfilter nicht ohne Prüfung ihrer Wirksamkeit zu bestellen, schließt sich StRin Meergans (SPD) an. Doch müsse die Bestellung dann schnell erfolgen und ein Plan zur Ausstattung der Schulen vorhanden sein. Mit Blick auf die iPads aus dem Sofortausstattungsprogramm bittet sie um Auskunft zum Zeitplan. Des Weiteren erkundigt sie sich nach dem Sachstand der geplanten Verhandlungen mit Mobilfunkbetreibern bezüglich des Internetzugangs der Leihgeräte bzw. ob es einen Tarif für Schüler*innen ohne Internetzugang gebe. Sie halte es auch für pädagogisch sinnvoll, wenn Schüler*innen und Lehrende mit privaten Endgeräten einen WLAN-Zugang erhielten. Sie stelle sich die Frage, ob es zuerst gelinge, alle Schüler*innen mit städtischen Endgeräten auszustatten oder dass die Schulen über ein freies WLAN verfügten. In Zusammenhang mit der Absicht, städtische Gebäude mit freiem WLAN auszustatten, fragt sie nach einem Zeitplan für die Ausstattung erster Schulen.

StR Dr. Oechsner (FDP) weist vorab darauf hin, dass die Frist für die schriftliche Beantwortung im Antrag Nr. 436/2020 sehr kurz sei. Zur Zertifizierung merkt er an, diese sei durchaus wünschenswert, benötige aber zu viel Zeit. Das Stoßlüften funktioniere zumindest in den Schulen seiner Kinder gut. Erforderlich sei dafür eine angemessene Kleidung. Nur so könnten die Schulen offen bleiben, und dies sei für ihn das Wichtigste, um die sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten. Sobald man eine gesicherte Möglichkeit habe, die Raumluft auf andere Weise zu reinigen, könne man auf diese umsteigen. Mit Blick auf das erwähnte Interview mit BMin Fezer bedauert er, dass StR Kotz den gesamten Artikel auf die Aussage reduziert habe, die Bürgermeisterin wisse nicht, ob die Arbeitsgruppe bereits getagt habe. Zur Vorbereitung auf das Homeschooling erklärt er, es sei sehr viel geschehen. So sei Moodle in vielen Schulen eingeführt worden, das nun störungsfrei laufe, außerdem stelle die Stadt Stuttgart WLAN bereit. Für entscheidend halte er auch, dass die Lehrenden technisch so ausgestattet würden, dass sie einen Online-Unterricht abhalten könnten.

Im Hinblick auf die Lüftungsgeräte betont StR Kotz, Bayern habe ein millionenschweres Förderungspaket aufgelegt, Rheinland-Pfalz habe 6 Mio. € bereitgestellt. Die Lüftungsgeräte könnten nicht überall eingesetzt werden, aber man sollte zumindest ein Zeichen setzen und die Geräte mit dem Stoßlüften kombinieren. Seinem Eindruck nach müsse die Verwaltung immer wieder für das Thema sensibilisiert werden. So sei für ihn unverständlich, dass das Baurechtsamt den Bürgerservice Bauen noch nicht geöffnet habe. An seinen Vorredner wendet er sich mit dem Hinweis, er habe nicht das gesamte Interview kritisiert, sondern nur diese eine Aussage.

StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) weist gegenüber seinem Vorredner auf die Komplexität des Sachverhalts Luftqualität hin. Neben den baulichen Gegebenheiten seien auch die Lüftungsanlagen unterschiedlich, und die Mikroturbulenzen im Zimmer könnten bei einer CO2-Messung zu unterschiedlichen Werten führen. Weitere Faktoren seien auch die Außentemperatur, die Windgeschwindigkeit und der Grad der Auskühlung beim Lüften.

Zum Thema Lüften stellt Herr Hein klar, die Verwaltung warte nicht auf Empfehlungen des Umweltbundesamts, sondern agiere mehrgleisig und den jeweiligen Anforderungen entsprechend. Es gebe unterschiedliche Filterleistungen und -systeme (Ozon oder UV). Eine Filterwechselanzeige sei erforderlich, und die Wartung müsse geklärt sein. Bisher gebe es auf dem Markt noch kein Gerät, das für alle Fragen fundierte Lösungen anbiete. Es gebe nur von den Herstellern in Auftrag gegebene Studien zur Frage, ob ein Gerät Aerosole herausfiltere, nicht aber, inwieweit es den Infektionsschutz in der Unterrichtssituation verbessere. Das Umweltbundesamt rate aktuell davon ab, ungeprüft Geräte einzusetzen. Und trotz Förderprogramm statte die Stadt München ihre Schulen nicht mit Lüftungsgeräten aus. Das Schulverwaltungsamt bereite sich vor, sofort starten zu können, sobald es ein Förderprogramm gebe.

Die schulischen pädagogischen WLAN-Netze seien von den Anforderungen her mit dem städtischen Verwaltungsnetz vergleichbar. Man brauche neben einer höheren Stabilität und Verfügbarkeit auch eine Ausfallsicherheit, zudem müssten die Daten sicher sein. Der Stromverbrauch bei den Access Points sei weniger das Problem, doch die Server und Switche benötigten mehr Strom, für den die Stromversorgung in älteren Bestandsgebäuden oft nicht ausgelegt sei. Das Schulverwaltungsamt bemühe sich, auch die fehlenden rund 20 Schulen noch auszustatten. Das WLAN laufe nicht über das Stromnetz, sondern werde über die Switche versorgt (Power-over-Ethernet).

Zum Interview merkt er an, es gebe einen laufenden Dialog mit den Netzwerkberatern in den Schulen. Darüber hinaus habe sich das Schulverwaltungsamt mit den geschäftsführenden Schulleitern Ende 2019 darauf verständigt, im Hinblick auf den Digitalpakt die künftige Strategie in einer Arbeitsgruppe festzulegen. Es sei aber damals schon klar gewesen, dass zunächst die Haushaltsbeschlüsse abgewartet werden müssten. Dann sei die Corona-Pandemie gekommen, mit der sich die grundsätzliche Strategie geändert habe.

Wenn von Landesseite ein Förderprogramm für Lehrer*innen-Notebooks aufgelegt werde, wolle das Schulverwaltungsamt darauf vorbereitet sein, um dem Gemeinderat dann sogleich Beschlüsse vorlegen zu können.

Zum Internettarif erläutert er, den Tarif der Telekom müsse der Schulträger für die Schüler*innen abschließen. Dies funktioniere nicht, da dem Schulverwaltungsamt die personenbezogenen Schülerdaten nicht vorlägen. Aus Sicht des Amtes wäre dies der ideale Tarifmodus mit 10 € monatlich. Um die individuelle Situation zu berücksichtigen, entschieden die Schulleitungen vor Ort über die Verteilung der Laptops. Die Abteilung Bildungspartnerschaft habe zusammen mit der Jugendhausgesellschaft Modelle entwickelt, mit Spenden Standalone-Laptops mit Internetanschluss an Schüler*innen auszugeben, die zuhause über kein WLAN verfügten. Vodafone habe für die Zukunft ebenfalls einen Tarif angekündigt, Näheres liege ihm noch nicht vor.

Die Mischung der Schüler*innen verschiedener Klassen in den Schülerhäusern oder der verlässlichen Grundschule komme zustande, wenn aus einzelnen Klassen so wenige Kinder das Betreuungsangebot wahrnähmen, dass die Personalkapazität für eine Trennung nicht ausreiche. Ziel sei, die Zusammensetzung der Gruppen im Schul- und Betreuungsbereich nach Möglichkeit beizubehalten. Wo dies nicht gehe, müssten solche Gruppen über einen längeren Zeitraum konstant zusammengesetzt sein.

Er kündigt die schriftliche Beantwortung zeitnah an. Darin werde auch der Zeitplan zum freien WLAN nachgeliefert.

Abschließend stellt EBM Dr. Mayer die Antragserledigung fest.
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