Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 633/2015
Stuttgart,
07/10/2015


Welcome Center Stuttgart- Zwischenevaluation



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Internationaler Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
22.07.2015
24.07.2015
29.07.2015

Bericht:


Nach einer Aufbauphase bis September 2014 wurde das Willkommenszentrum Stuttgart unter dem offiziellen Namen Welcome Center Stuttgart im Oktober 2014 eröffnet. Es wird als ein Gemeinschaftsprojekt der Landeshauptstadt Stuttgart und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) betrieben. Die WRS ist Kooperationspartner der Stadt im Auftrag der Fachkräfteallianz der Region Stuttgart und wird vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg gefördert. Stadt und WRS bringen als gleichberechtigte Partner je 1,5 Personalstellen für die Einzelfallberatung im Welcome Center ein und teilen sich die Sachkosten je zur Hälfte.

Die 1,5 städtischen Personalstellen werden bis Ende 2016 aus der Förderung der Robert Bosch Stiftung und des Integrationsministeriums Baden-Württemberg finanziert. Stadt und WRS bringen weitere Personalressourcen in die Arbeit des Welcome Center Stuttgart (WCS) ein, die über den einzelfallbezogenen Neubürgerservice hinaus geht (übergeordnete Leitungsaufgaben, Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung und Finanzcontrolling, Koordinierung von bestimmten Veranstaltungsreihen und Einbindung der Zivilgesellschaft).

Der städtische Anteil an den Betriebskosten des WCS beträgt 50 000 €/Jahr.

Während der Öffnungszeiten beteiligen sich die Migrationsdienste der freien Wohlfahrtspflege mit zusammen einer 0,5-Stelle am Neubürgerservice. Diesen Stellenpool teilen sich vier erfahrene Beraterinnen und Berater, die weitere Fremdsprachenkenntnisse einbringen. Das WCS-Team bietet Beratung in Englisch und Deutsch an und bei Bedarf in etwa acht weiteren Sprachen: Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Russisch, Kroatisch/Serbisch/Bosnisch, Mazedonisch und Türkisch.

Das Beratungsteam arbeitet in den Räumen des WCS und des benachbarten Vereins Welthaus Stuttgart e.V. mit weiteren Partnern zusammen, u.a. mit der Agentur für Arbeit, mit Vertretern der Hochschulen und weiteren Stellen bei Veranstaltungen für internationale Studierende, mit Migrantenvereinen, mit ehrenamtlichen Willkommenspaten, und nicht zuletzt mit dem Welthaus selbst.

Das WCS kann zu bestimmten Zeiten das Weltcafé und das Globale Klassenzimmer des Vereins Welthaus nutzen, insbesondere für Gruppenveranstaltungen.

Die Kooperationen der Stadt mit der WRS, mit den Migrationsdiensten und mit dem Welthaus sind durch schriftliche Vereinbarungen geregelt. Das Team des WCS hat darüber hinaus Kooperationen mit städtischen Stellen, Arbeitsmarktakteuren und anderen Einrichtungen, die für Zugewanderte weiterführende Dienstleistungen zum Leben und Arbeit in der Stadt und Region Stuttgart anbieten.

Das WCS hat mit der gemeinsamen Trägerschaft von Stadt und WRS und mit seinen vielfältigen Vernetzungen eine Willkommensstruktur für Neubürger/innen und für internationale Fachkräfte aufgebaut, die in dieser Form einmalig in Deutschland ist. Entsprechend groß ist das Interesse aus anderen Städten an der Arbeit des WCS.

Die Verbindung von Integrations- und Wirtschaftsförderung mit kommunaler und regionaler Perspektive sowie von hauptamtlichen Stellen und der Zivilgesellschaft ist zugleich eine Herausforderung für das Beratungsteam des WCS – zumal die Inanspruchnahme des Neubürgerservice von Beginn an sehr hoch ist (siehe externe Evaluation weiter unten).

In der Aufbauphase wurde vom Gemeinderat beschlossen, dass über die Organisation und die personelle Ausstattung des Willkommenszentrums ab 2017 auf der Grundlage eines Evaluationsberichts zum Doppelhaushalt 2016/2017 entschieden wird (vgl. GRDrs. 321/2014, Beschlussziffer 1.1.).

Die externe Evaluation wird von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd unter der Leitung von Dr. Sandra Kostner durchgeführt. In der Anlage 1 ist die Zwischenevaluation für den Zeitraum 2. Oktober 2014 bis 29. Mai 2015 beigefügt, d.h. für die ersten acht Monate.

Der Fokus der wissenschaftlichen Begleitung in diesem Zeitraum liegt auf der Auswertung der Einzelfallberatungen der Kundinnen und Kunden. Diese Evaluation ist erforderlich zur Bewertung der personellen Ausstattung des WCS.

Wie aus den Ergebnissen der Auswertung ersichtlich ist, wurden im Zeitraum Oktober 2014 – Mai 2015 insgesamt 2 075 Beratungen durchgeführt, davon 73 % im Rahmen persönlicher Gespräche im WCS.

53 % der Ratsuchenden kommen aus der EU (darunter 4 % Deutsche), 47 % sind Drittstaatsangehörige. Das WCS wird somit überwiegend von Neuzugewanderten aus dem Ausland in Anspruch genommen – aus bisher insgesamt 99 verschiedenen Herkunftsländern. Darunter waren auch 79 Personen aus Syrien (3,8 %) und 11 aus dem Irak (0,5 %). Der Anteil der Flüchtlinge an der Ratsuchenden stieg von 2% im 4. Quartal 2014 auf zuletzt 5 % im April/Mai 2015 an.

74 % der Ratsuchenden haben ihren Wohnsitz in Stuttgart.

Mit Abstand am häufigsten erkundigten sich die Ratsuchenden nach zwei Themen, die eng zusammenhängen: Spracherwerb (33 %) und Arbeit (30 %). Bei Drittstaatsangehörigen spielen auch aufenthaltsrechtliche Fragen eine wichtige Rolle.

Bei Unionsbürgern sind die Berufsgruppen aus dem Handwerk und aus den sozialen Berufen häufiger vertreten als bei Personen aus Drittstaaten. Dafür weisen Drittstaatsangehörige einen deutlich höheren Anteil an Studierenden und Hochschulabsolventen auf. Von den verzeichneten Berufsgruppen und Branchen bzw. Abschlüssen der Ratsuchenden sind am stärksten vertreten: Gesundheitswesen, Ingenieurberufe und andere technische Berufe.

Wenn man die Zahl der Beratungen im Erfassungszeitraum der ersten acht Monate hochrechnet auf ein Jahr, kommt man auf über 3 000 Beratungen, davon etwa 2 200 für Neubürgerinnen und Neubürger mit Wohnsitz in Stuttgart. Damit würden vom WCS etwa 10 % aller Neuzugänge aus dem Ausland pro Jahr erreicht werden (bzw. mehr, denn viele Zugewanderte kommen mit Familienangehörigen nach Stuttgart). Der Anteil der persönlichen Beratungen (¾ aller Kontakte) ist trotz eingeschränkten Öffnungszeiten an vier Halbtagen pro Woche sehr hoch.

Aufgrund der Komplexität der aufenthaltsrechtlichen und anderen Fragestellungen ist eine reine Informationsvermittlung mit Verweis an andere Fachstellen in vielen Fällen nicht möglich. Die Praxis der ersten acht Monate zeigt, dass die ursprünglich konzipierte Beschränkung von 10 – 15 Minuten pro Beratung nicht eingehalten werden kann. Manche Beratungen benötigen auch den Zeitumfang von einer Stunde.

Die in der Anlage beigefügte externe Zwischenevaluation fokussiert sich auf die Auswertung der einzelfallbezogenen Beratungen. Nicht erfasst sind die Besucherkontakte im Rahmen der Gruppenveranstaltungen und der weiteren Serviceleistungen im WCS.

Diese ergänzenden Angebote wurden bedarfsgerecht für die Ratsuchenden entwickelt und werden gern in Anspruch genommen – bspw. die Vermittlung von Willkommenspaten, die je nach Bedarf Unterstützung bei Stellenbewerbungen, Wohnungssuche und Behördengängen anbieten. Die passende Vermittlung von Ratsuchenden zu Willkommenspaten („Willkommen-Tandems“) beansprucht jedoch auch zusätzliche personelle Ressourcen.

Die Bedeutung der ergänzenden Dienstleistungen in Form von thematischen Informationsveranstaltungen und anderen Unterstützungsangeboten wird zu einem späteren Zeitpunkt gesondert untersucht werden.

Das Beratungsteam des WCS erfasst im Rahmen der eigenen Dokumentation die vielfältigen Serviceleistungen wie den Welcome Club für internationale Studierende, die Einsätze der Willkommenspaten sowie die thematischen Gruppenveranstaltungen, die im Weltcafé stattfinden.

In der Anlage 2 sind die weiteren Angebote des Welcome Center Stuttgart in einer Gesamtübersicht dargestellt.

Einen Schwerpunkt hier bilden verschiedene Veranstaltungen für internationale Studierende („Welcome Club“), die von zwei Mitarbeiterinnen der Abteilung Integration (S-IP) in Abstimmung mit dem WCS koordiniert werden.

Im Zusammenwirken von S-IP, Forum der Kulturen und WCS werden etwa 20 Migranten-vereine mit Herkunftsbezug zu Ländern aus Europa, Asien, Afrika und Südamerika eingebunden, ebenso der Welthaus-Verein und weitere zivilgesellschaftliche Akteure. Mit einigen Vereinen gibt es bereits eine regelmäßige Zusammenarbeit (Italiener: ACLI und Dante Gesellschaft, Rumänen: Deutsch-Rumänisches Forum, Griechen: Kalimera Deutschland).

Ein bundesweit einmaliger Ansatz ist das Engagement von freiwilligen Einzelpersonen als Willkommenspaten. Seit Anfang 2015 konnten 70 Willkommenspaten gewonnen und geschult werden und 45 sog. Willkommens-Tandems gebildet werden. Dieses Angebot wird von S-IP in Abstimmung mit dem WCS-Team koordiniert.

Die Mitarbeiterinnen der WRS haben einen Neubürgerstammtisch initiiert und bieten verschiedene Informationsveranstaltungen für internationale Fachkräfte an, ebenso für ausländische Studierende aus der Region sowie für klein- und mittelständische Unternehmen. Die Agentur für Arbeit, das spanische Generalkonsulat und weitere Stellen sind seitens der WRS ebenfalls aktiv eingebunden.

Im Rahmen ihrer Sprechstunden im WCS hat die Agentur für Arbeit bisher 60 Beratungen durchgeführt. Hinzu kommen 12 Beratungen der Akademie der Ingenieure und 6 Beratungen des Welcome Center Sozialwirtschaft der Diakonie.

Anlage 3 bezieht sich wieder auf die externe wissenschaftliche Evaluation der PH Schwäbisch Gmünd.

In der Auswertung der Befragung „Perspektive der Kundinnen und Kunden auf das Welcome Center Stuttgart“ wurde die Zufriedenheit der Ratsuchenden erfasst, die eine persönliche Beratung in Anspruch genommen haben.

58 % der 31 insgesamt Befragten waren mit dem WCS sehr zufrieden, 36 % waren zufrieden, 6 % nur teilweise. Alle Befragten sagten, dass sie einer Beratung im WCS an andere Personen empfehlen würden. Einige der Befragten wünschen sich verlängerte Öffnungszeiten, einige mehr Informationsmaterial in ihrer Muttersprache.

Im weiteren Evaluationsprozess sollten auch die Angebote in den Einrichtungen bewertet werden, in welche die Ratsuchenden des WCS weitervermittelt werden.

Das WCS wurde als eine Erstberatungsstelle eingerichtet, die Neubürger bei Bedarf gezielt an die zentralen und dezentralen Fachstellen verweist bzw. vermittelt, wenn eine vertiefte Bearbeitung der jeweiligen Fragestellungen erforderlich ist (Lotsenfunktion). Einen besonderen Stellenwert haben hier neben den Anbietern der Deutsch- und Integrationskurse und den Migrationsdiensten der freien Träger die Ausländerbehörde (bei Drittstaatsangehörigen), die Agentur für Arbeit und die Fachstellen zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse.

Unser Ansinnen ist es, dass die Ratsuchenden auch außerhalb des Welcome Centers eine kundenfreundliche und kompetente Beratung bekommen und sich dadurch ohne unnötige Hindernisse erfolgreich integrieren - beruflich und gesellschaftlich.

Neben der strukturellen Integration (qualifizierte Bildung und Beschäftigung, Wohnen) entscheidet insbesondere die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben darüber, ob Zugewanderte aus dem In- und Ausland eine emotionale Verbundenheit mit ihrer neuen Heimat aufbauen und somit längerfristig in Stuttgart bleiben. Deswegen ist die Einbindung von Willkommenspaten, Migrantenorganisationen und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Welthaus eine notwendige Ergänzung zur Arbeit der Hauptamtlichen.

Das offene Raumkonzept des Welcome Centers im engen Zusammenwirken mit dem Weltcafé und anderen Kooperationspartnern im ifa-Gebäude am Charlottenplatz 17 bietet ideale Rahmenbedingungen für interkulturelle Begegnungen. Neben den thematischen Veranstaltungen werden auch die informellen Treffen sehr gern in Anspruch genommen.

Nicht zuletzt geht es darum, dass das WCS einen kompetenten Neubürgerservice für alle Ratsuchenden anbietet und nicht nur für die internationalen Fachkräfte. Die Erstberatung für Flüchtlinge leisten die Sozialarbeiter der freien Wohlfahrtspflege in den Gemeinschaftsunterkünften. Deswegen sind Flüchtlinge als Ratsuchende im WCS unterrepräsentiert. Es gilt aber: das WCS ist eine Anlaufstelle für alle Stuttgarter Neubürger sowie für internationale Fachkräfte aus der Stadt und Region Stuttgart.

Flüchtlinge nutzen verstärkt das WCS, um sich über Möglichkeiten der Ausbildung und Beschäftigung zu informieren. Bei Arbeitsmigranten in prekären Beschäftigungsverhältnissen wird mit der Beratungsstelle „Faire Mobilität“ kooperiert.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Frage der künftigen finanziellen Ausstattung ist im weiteren Verfahren der Haushaltsplanberatungen für 2016/17 zu entscheiden.

Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Fritz Kuhn




Anlage 1:
Wissenschaftliche Begleitung "Welcome Center Stuttgart"
Ergebnisse der Auswertung: 2. Oktober 2014 bis 29. Mai 2015
(bezogen auf die Einzelfallberatungen)

Anlage 2:
Weitere Angebote des Welcome Center Stuttgart

Anlage 3:
Wissenschaftliche Begleitung "Welcome Center Stuttgart"
Auswertung der Befragung "Perspektiven der Kundinnen und Kunden auf das Welcome Center Stuttgart"




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