Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Gz: OB 5035-05
GRDrs 1030/2016
Stuttgart,
02/24/2017



Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart zur Abwehr der von Tauben- und Wasservögeln ausgehenden Gefahren vom 16.03.2017



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
15.03.2017
16.03.2017



Beschlußantrag:

Der „Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart zur Abwehr der von Tauben- und Wasservögeln ausgehenden Gefahren vom 16.03.2017“ wird gemäß § 15 Abs. 2 Polizeigesetz Baden-Württemberg zugestimmt.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Bereits 1964 hat die Landeshauptstadt Stuttgart ein erstes Taubenfütterungsverbot erlassen. Es hat sich in der Praxis bewährt und wurde durch die Rechtsprechung bestätigt. 1991 wurde das Verbot wegen der geänderten Sachlage auf Wildtauben, 1997 auch auf Enten und Schwäne erweitert.

Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörden treten nach § 17 Abs. 1 Polizeigesetz 20 Jahre nach ihrem Inkrafttreten kraft Gesetzes außer Kraft. Die bisherige „Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart als Ortspolizeibehörde zur Abwehr der von verwilderten Haustauben, Wildtauben, Enten und Schwänen ausgehenden Gesundheitsgefahren“ trat am 14. März 1997 in Kraft. Sie hat daher mit Ablauf des 13. März 2017 ihre Gültigkeit verloren.

Die Verwaltung hat dies zum Anlass genommen, die Verordnung der veränderten Sachlage anzupassen und nach Beteiligung der betroffenen Fachämter, Fachbehörden, des Landes Baden-Württemberg und des Landesbauernverbands das Fütterungsverbot sowohl räumlich als auch inhaltlich auszuweiten:

1. Das Fütterungsverbot für Tauben wird unverändert übernommen.

2. Das bisher auf bestimmte Grünflächen beschränkte Fütterungsverbot für Enten und Schwäne wird auf alle Grünflächen und öffentliche Gewässer im Stadtgebiet ausgeweitet. Außerdem gilt das Fütterungsverbot zukünftig für alle Wasservögel, also neben Enten und Schwänen insbesondere auch für Gänsevögel und Rallenartige.

Zur Klarstellung wurden zudem Begriffsbestimmungen in die Polizeiverordnung aufgenommen. Im Übrigen war eine redaktionelle Änderung in Bezug auf Gesetzeskonkurrenzen erforderlich.

Der Erlass der Polizeiverordnung hat keine finanziellen Auswirkungen auf die Landeshauptstadt Stuttgart.

Die Polizeiverordnung ist mit dem Polizeipräsidium Stuttgart, dem Land Baden-Württemberg als Eigentümer der Schlossgartenanlagen und weiterer Parkanlagen im Stadtgebiet sowie dem Landwirtschaftsamt Ludwigsburg abgestimmt.


Finanzielle Auswirkungen

Der Erlass der Polizeiverordnung hat keine finanziellen Auswirkungen auf die Landeshauptstadt Stuttgart.



Beteiligte Stellen

Referate AKR, WFB, StU, T




Dr. Martin Schairer
Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1: Ausführliche Begründung
Anlage 2: Text der "Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart zur Abwehr
der von Tauben- und Wasservögeln ausgehenden Gefahren vom 00.00.2017"


Ausführliche Begründung


1. Allgemeines Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörden treten nach § 17 Abs. 1 Polizeigesetz spätestens 20 Jahre nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Die bisherige „Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart als Ortspolizeibehörde zur Abwehr der von verwilderten Haustauben, Wildtauben, Enten und Schwänen ausgehenden Gesundheitsgefahren“ trat am 14. März 1997 in Kraft. Sie hat daher mit Ablauf des 13. März 2017 ihre Gültigkeit verloren.


2. Vorgeschichte Das Taubenfütterungsverbot wurde mit dem Ziel erlassen, die Taubenplage und die damit verbundenen Gesundheitsgefahren durch die Begrenzung des Futterangebots in den Griff zu bekommen (Gemeinderatsdrucksache Nr. 60/1977). Bereits am 15.7.1964 wurde das erste Taubenfütterungsverbot erlassen (Gemeinderatsdrucksache Nr. 315/1964). Es hat sich in der Praxis bewährt und wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1.7.1991 bestätigt. Mit Urteil vom 27.9.2005 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg außerdem festgestellt, dass einem Taubenfütterungsverbot auch die Staatszielbestimmung des Tierschutzes nicht entgegensteht. Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 27.5.2014 festgestellt, dass ein Taubenfütterungsverbot geeignet ist, den Bestand an Tauben in einem Stadtgebiet zu verringern, ihre Anzahl auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren und den durch die große Anzahl von Stadttauben für die Bevölkerung bestehenden Gesundheitsgefahren und der Verunreinigung sowie Beschädigung von Bauwerken und Denkmälern durch Taubenkot entgegenzuwirken.

Die Polizeiverordnung wurde am 25.6.1991 der geänderten Sachlage angepasst und auf Wildtauben ausgedehnt (Gemeinderatsdrucksache Nr. 397/1991). Die Ausweitung des Fütterungsverbots auf Enten und Schwäne durch Neufassung der Polizeiverordnung vom 6. März 1997 war aufgrund der festgestellten und zunehmenden Gesundheitsgefahren, die durch die Überpopulation dieser Tierarten entstanden sind bzw. entstehen, notwendig. Außerdem soll das Fütterungsverbot einer Überdüngung der Gewässer (Eutrophierung) entgegenwirken.

Der Neuerlass der „Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart zur Abwehr der von Tauben- und Wasservögeln ausgehenden Gefahren“ ist aus formalen Gründen wegen Außerkrafttreten der bisherigen Polizeiverordnung notwendig. Der Neuerlass ist aber auch erforderlich und zweckmäßig, um die Gefahren abzuwehren, die durch eine ungehemmte Vermehrung der genannten Tiere verursacht werden. Die Ausweitung der Polizeiverordnung auf weitere Vogelarten und die Anpassung des räumlichen Gültigkeitsbereichs des Fütterungsverbots für Entenvögel trägt der Entwicklung und den Verhaltensänderungen der Vögel als Kulturfolger genauso Rechnung wie den wissenschaftlichen Erfordernissen, die durch eine Stellungnahme der Wildforschungsstelle Baden-Württemberg bestätigt wurden.


3. Zu § 1 Begriffsbestimmungen Die Begriffsbestimmungen wurden eingefügt, um den sachlichen und räumlichen Geltungsbereich der Verordnung eindeutig festzulegen. Dies ist notwendig, um die Vögel, für die das jeweilige Verbot gilt, eindeutig festzulegen und beispielsweise gegenüber als Nutz- und Haustieren gehaltenen Tieren abzugrenzen.

Da die Fütterungsverbote unterschiedliche räumliche Geltungsbereiche haben, ist eine genaue begriffliche Festlegung der für die räumlichen Geltungsbereiche verwendeten Begriffe notwendig. Dies gilt umso mehr, als Grünflächen und öffentliche Gewässer im Stadtgebiet in vielfältiger Form auftreten, was deren eindeutige begriffliche Bestimmung erforderlich macht.

4. Zu § 2 Abs. 1 Das Taubenfütterungsverbot hat das Ziel, der Bildung und dem Anwachsen von großen Taubenschwärmen entgegenzuwirken und die damit verbundenen Gefahren für Mensch und Tier, aber auch für die Gebäudesubstanz (Taubenkot) abzuwehren.

Die Bekämpfung der Taubenplage in den Städten stellt nach wie vor ein Problem dar. Das Taubenfütterungsverbot, das die Gefahrenabwehr über die Reduzierung des Taubenbestands durch die Begrenzung des Futterangebots angeht, hat sich bewährt.
Das Taubenfütterungsverbot ist aus der Sicht der Tiermedizin die natürlichste und tierschutzgerechteste Art der Bestandsregulierung. Dabei gibt es für den Laien keinen erkennbaren Unterschied zwischen Straßentauben/Stadttauben und Wildtauben. Straßentauben/Stadttauben sind herrenlose Tiere im Sinne von § 960 BGB und unterliegen nicht dem Jagdrecht. Wildtauben dagegen sind jagdbare Tiere im Sinne von
§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 Bundesjagdgesetz. Das Jagdrecht steht jedoch einer Regelung des Taubenfütterungsverbots für Wildtauben durch eine Polizeiverordnung nicht entgegen.

Aus der Bürgerschaft gehen beim Amt für öffentliche Ordnung regelmäßig Beschwerden über Belästigungen und Schäden ein, die durch größere Taubenansammlungen (Schwärme) entstehen. Große Taubenschwärme entstehen immer dort, wo regelmäßig gefüttert, Taubenfutter ausgelegt oder Futter für andere Vögel so ausgelegt wird, dass es von Stadttauben erreicht werden kann.

Nach der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung zur Schädlingseigenschaft von Stadttauben vom 26.02.1998 wird bestätigt, dass von freilebenden Tauben ein erhöhtes Risiko ausgehen kann, wenn sie in direkten Kontakt mit Lebensmitteln kommen, insbesondere, wenn sie diese mit ihrem Kot kontaminieren (Marktstände mit offenen Auslagen, Straßencafes und andere Freiluftrestaurants). Ein erhöhtes Risiko ist danach auch anzunehmen, wenn aufgrund einer Massierung von Tauben verwahrloste Nistplätze und Kotansammlungen in unmittelbarer Nähe des Menschen entstehen, beispielsweise bei unkontrolliertem Nisten auf Dachböden. Dies begünstigt die Ausbreitung von Krankheitserregern und Parasiten, was in der Folge zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit von Hausbewohnern führen kann.

Größere Taubenansammlungen im Lebensbereich des Menschen stellen darüber hinaus ein vielfältiges gesundheitliches Risiko dar. Die Gesundheitsgefahren umfassen insbesondere ansteckende Krankheiten, Parasiten und Allergien. Als mögliche Erkrankungen kommen dabei in erster Linie Salmonellose, Geflügeltuberkulose, Pseudotuberkulose, aviäre Influenza (Vogelgrippe) sowie der Befall mit verschiedenen Endo- und Ektoparasiten sowie pathogene Mykosen (durch Pilze verursachte Erkrankungen) in Betracht.
Auch wenn die Erreger bei Tauben oft nicht häufiger nachgewiesen werden als bei anderen wildlebenden Vögeln ergibt sich ein höheres Infektionsrisiko durch die unmittelbare „Nachbarschaft“ einer größeren Ansammlung von Tauben zum Menschen und deren fehlender Scheu vor dem Menschen. Dies gilt auch für die größere Menge Kot und Staub, die durch Taubenschwärme oft konzentriert auf engem Raum hinterlassen werden. Die Gesundheitsgefahr für den Menschen entsteht hier insbesondere durch das Einatmen von erregerhaltigem Kotstaub, der beim Auffliegen der Schwärme oder durch Wind aufgeweht wird.

Außerdem verursacht der ekelerregende, stinkende, ätzende und korrodierende Taubenkot in größeren Mengen Schäden an Gebäuden, Kirchen, Denkmalen etc. und führt zu Geruchsbelästigungen. Ferner ist konzentrierter Taubenkot auf öffentlichen Verkehrsflächen bei Regen eine erhebliche Rutschgefahr für Fußgänger mit der Gefahr von Verletzungen bis hin zu Knochenbrüchen. Lärmbelästigungen durch Taubengurren größerer Schwärme sind ebenfalls als Belästigung für Anwohner, Angrenzer und Besucher anzuführen.

Nicht zuletzt wehrt das Fütterungsverbot auch Gesundheitsgefahren für den Taubenbestand selbst ab. Natürliche Regularien sind in der Stadt verlorengegangen. Große Taubenansammlungen auf engem Lebensraum erzeugen bei den einzelnen Tieren Stress und einen erhöhten Befall- und Durchseuchungsgrad. Die Sterblichkeitsrate bei Nestlingen steigt. Die jungen Tiere werden durch Parasiten gequält und kommen schließlich kläglich um.

Bei einem reduzierten Futterangebot lösen sich die Schwärme auf. Die Tiere wandern in Randgebiete ab, wo sie natürliche Futterquellen suchen. Sie sind auf keinen Fall vom Hungertod bedroht.

Das in Satz 2 enthaltene Verbot und das in Satz 3 enthaltene Gebot verhindern, dass das Fütterungsverbot umgangen und in seinen Zielsetzungen gefährdet wird.

5. Zu § 2 Abs. 2 Die Ausnahmeregelung ist für die Durchführung des Projekts „Stadttauben“ notwendig, in dessen Rahmen inzwischen acht Taubenschläge betrieben werden.
Um die Tauben dazu zu bringen, in den Taubenschlägen zu nisten und dort zu brüten, ist es notwendig, die Taubenschläge durch regelmäßige und gezielte Fütterung attraktiv zu machen und attraktiv zu halten. Durch die Gelegekontrolle, also den Austausch der Taubeneier gegen Kunststoffeier, wird erreicht, dass sich der Taubenbestand in der Stadt nicht weiter erhöht. Zusammen mit dem Taubenfütterungsverbot entsteht damit ein wirksames Programm, um in der Stadt einen gesunden und überschaubaren Bestand an Stadttauben zu erreichen.

6. Zu 3 Abs. 1 Das bisherige Fütterungsverbot für Enten und Schwäne hat sich bewährt. Allerdings hat die Praxis gezeigt, dass die räumliche Beschränkung auf bestimmte Grünflächen und Gewässer genauso wenig sachgerecht ist wie die Beschränkung auf Enten und Schwäne. Die Erfahrungen haben vielmehr gezeigt, dass eine Ausweitung des Verbots auf alle öffentlichen Grünflächen und Gewässer genauso erforderlich ist wie die Einbeziehung weiterer Wasservögel, insbesondere Gänsevögel und Rallen. Dies wurde im Rahmen der Anhörung auch von Experten bestätigt.

6.1 Gefahren durch Wasservögel

Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die Ausbreitung der Wasservögel nicht auf die bisherigen Grünflächen und Gewässer beschränkt hat. Vor allem durch die zunehmende Verstädterung ganzer Populationen werden innerhalb des Stadtgebiets immer mehr Nischen von den Wasservögeln besiedelt. Dies wird unter anderem durch die fachliche Stellungnahme der Wilhelma bestätigt. Außerdem ist wissenschaftlich erwiesen, dass Wasservögel angrenzende Wiesen und andere Uferbereiche durch Kot verunreinigen. Dies gilt insbesondere für Gänse und Schwäne. Mit Beschluss vom 9. Februar 2005, Az.: 1 S 2673/04 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt, dass eine erhöhte Infektionsgefahr für spielende Kinder und Spaziergänger durch mit Vogelkot verschmutzte Uferbereiche eine Gefahr sein kann, gegen die mit einem Fütterungsverbot vorgegangen werden kann. Außerdem ist wissenschaftlich klargestellt, dass ein verstärkter Ansiedlungsdruck der Wasservögel auf Park- und Anlagenseen auch durch einen Anstieg der Wasservogelpopulation im Uferbereich von Fließgewässern wie dem Neckar verursacht werden kann. Eine Zielsetzung des Fütterungsverbots, eine „stadtverträgliche“ Population der Wasservögel zu erreichen, kann also nur erreicht werden, wenn sich das Fütterungsverbot auf alle Wasserflächen im Stadtgebiet erstreckt, auf denen die Wasservögel siedeln.

Gleichzeitig steigt die Zahl der Wasservögel durch das ganzjährig überreichlich angebotene bzw. ausgelegte Futter. Die Tiere werden dazu veranlasst, sich anzusiedeln. Außerdem ist es wissenschaftlich erwiesen, dass ein hohes Nahrungsmittelangebot die Zahl der aufgezogenen Nachkommen erhöht, wobei das verwendete Futter in der Regel nicht den natürlichen Futtergewohnheiten der Tiere entspricht. Dies führt bei Wasservögeln, die sich natürlicherweise von Wasserpflanzen, Samen und Teilen der Uferbepflanzung sowie von kleinen Tieren wie Würmern und Schnecken ernähren, zu Mangelerkrankungen, Verdauungs- und Stoffwechselstörungen.

Eine ganzjährige intensive Fütterung führt zudem zu unnatürlich hohen Dichten, weil durch die Fütterung die Lebensraumkapazität künstlich erhöht wird. Die futterzahmen Tiere verlieren ihre Scheu gegenüber dem Menschen und zeigen fast keine Fluchtdistanz mehr. Semidomizierte Parkvogelbestände mit künstlich durch Fütterung erhöhten Dichten sind anfälliger für Krankheiten und Parasitenbefall, die sich durch den engen Kontakt der Tiere an den Futterstellen schneller verbreiten, d. h. der Durchseuchungsgrad der Kolonien steigt mit der Dichte der Massenansammlung der Vögel.

Dadurch entstehen nicht nur Gefahren für Mensch und Tier, sondern es entstehen Gefährdungen für das Ökosystem und das ökologische Gleichgewicht, deren Ursachen durch bestandsbegrenzende Maßnahmen, also insbesondere der Reduzierung des Futterangebotes, begegnet werden muss.

Das Füttern der Wasservögel erhöht die Gefahr, dass Gewässer umkippen. Die Tiere bringen zu viel Kot ein, der insbesondere in der wärmeren Jahreszeit das Algenwachstum verstärkt. Auch das nicht verzehrte Brot und das andere Futter sorgen durch Überdüngung für eine Störung des natürlichen Stoffkreislaufs. Dies wiederum senkt schlagartig den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt im Wasser. Übelriechende Gase sind die Folge des Fäulnisprozesses der abgestorbenen Algen und Kleinlebewesen. Gefährlicher als die unzumutbaren Geruchsbelästigungen durch diese Gase ist das Auftreten des Botulismus. Dieser giftbildende Keim, der lähmend wirkt, kann sich in sauerstoffarmen Gewässern massenhaft vermehren. Wasservögel, die wie gewohnt aus dem Gewässer trinken, verenden in einem stundenlangen Todeskampf, der erst endet, wenn die Tiere nach Eintritt einer Atemlähmung bei vollem Bewusstsein ersticken.
Dabei ist natürlich in erster Linie der Bestand der betroffenen Arten selbst gefährdet, ein gewisses Übertragungsrisiko besteht aber auch für andere Vogelarten und nicht zuletzt für den Menschen. Außer Kindern und älteren Menschen sind hier immungeschwächte Personen besonders gefährdet, die in Kontakt mit dem verseuchten Wasser kommen.
Eine weitere Gesundheitsgefahr, die durch das ungehemmte Futterauslegen entsteht, ist die zunehmende Rattenplage. Die Ratten werden durch das übriggebliebene Futter angezogen. Deren Stellenwert ist als Gesundheitsgefahr allgemein anerkannt.

Daneben manifestieren sich durch das Füttern typische Domestikationsmerkmale, wie z. B. abnormes Größenwachstum und abweichende Färbung, aber auch Hypersexualität, wodurch sehr oft Entenweibchen zu Tode kommen, da sie gleichzeitig von mehreren Männchen bedrängt werden. Die Verhaltensänderung geschieht vor allem durch die Bastardisierung mit Hausenten, aber auch durch spontan auftretende Mutationen, die unter den unnatürlichen Bedingungen nicht wieder "wegselektiert" werden können. Vielerorts ist deshalb eine fast vollständige Verdrängung der ursprünglich vorkommenden Wildform erfolgt. Man kann zumindest gebietsweise durchaus von einer akuten Gefährdung der (wilden) Stockente durch diese "genetische Kontamination" reden.

An und in einem ökologisch gesunden Gewässer besteht ein ausgewogener Nährstoffkreislauf. Dieser ist an den innerstädtischen Seen durch die Massenansammlungen von Enten und Schwänen gestört. Aus ökologischer Sicht verhindert das Anwachsen der Wasservogelkolonien deshalb, dass sich an und in den Seen eine ausgewogene Unterwasser- und Ufervegetation ansiedelt. Aufgrund des Eingreifens des Menschen durch das übermäßige Füttern gerät nicht nur die Vegetation in Gefahr, sondern es wird auch verhindert, dass sich eine naturnahe Wirbellosenfauna, Fische, Amphibien, Reptilien und weniger anpassungsfähige Wasservögel ansiedeln.

Wildenten, Wildgänse, Höckerschwäne und das Blässhuhn unterliegen dem Jagdrecht nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 Bundesjagdgesetz. Da ein Unterschied zwischen den jagdbaren Wasservögeln von anderen Wasservögeln für die Allgemeinheit kaum erkennbar ist, wurde das Fütterungsverbot in den genannten Bereichen für alle Wasservögel ausgesprochen, insbesondere Enten, Gänse, Schwäne und Rallenartige. Die Gefahren, die von einer Massenansammlung von Wasservögeln ausgeht, sind unabhängig von der einzelnen Vogelart, die sich innerhalb der Ansammlung bewegt.

Die Reduzierung dieses Tierbestands durch Bejagung wäre im befriedeten Jagdbezirk mit Genehmigung möglich. Das Kollegium Kreisjagdamt der Landeshauptstadt Stuttgart lehnt jedoch die Genehmigung der Bejagung von Wasservögeln im befriedeten Jagdbezirk aus Sicherheitsgründen ab.

Für Wildenten, Wildgänse und Schwäne enthält § 33 Abs. 4 Jagd- und Wildtiermanagementgesetz ein Verbot der (jagdlichen) Fütterung. Eine Fütterung ist nur nach Anordnung der unteren Jagdbehörde in Notzeiten und zur Ablenkung zulässig. Nach § 3 Abs. 1 Jagd- und Wildtiermanagementgesetz ist in Jagdbezirken allein der Jagdausübungsberechtigte zur Hege und damit auch zur Fütterung von Wildenten, Wildgänsen und Schwänen berechtigt. Andere Personen sind von der Fütterung in Jagdbezirken damit bereits gesetzlich ausgeschlossen. Im Übrigen sind Fütterungen nach naturschutz- und jagdrechtlichen Grundsätzen weitgehend zu vermeiden.

Eine entsprechende Regelung für die befriedeten Jagdbezirke besteht nicht. Befriedete Jagdbezirke sind der bebaute Bereich, Friedhöfe, öffentlichen Grünanlagen und Parks. Somit ist Raum für eine entsprechende, allgemein geltende polizeirechtliche Regelung.
Der Geltungsbereich kann sich dabei auch für Wildenten, Wildgänse und Schwäne auf Jagdbezirke erstrecken, da die Polizeiverordnung auch den Gesundheitsschutz für den Menschen und weitergehende ökologische Ziele verfolgt, die vom Jagdrecht nicht abgedeckt sind. Dies entspricht aus Sicht des Vollzugs auch praktischen Anforderungen, da damit eine Abgrenzung zwischen Jagdbezirken und befriedeten Jagdbezirken vor Ort nicht erforderlich ist.

Bei Einstellung der bisherigen Fütterung sind die Tiere nicht vom Hungertod bedroht. Sie würden aus dem Stadtgebiet an andere Gewässer abwandern. Schwäne und Enten waren in früheren Jahrhunderten Strich- und Zugvögel, sie sind also durchaus in der Lage, größere Strecken zu fliegen, um Futterplätze zu finden.

Unberührt bleiben die Wildfütterung des Jagdausübungsberechtigten im Rahmen der Hege sowie die Fütterung aus natur- und artenschutzrechtlichen Gründen.

Die Mehrzahl der aufgeführten Gefahren könnte durch eine drastische Reduktion des Futterangebots in den genannten Bereichen, wenn nicht vollständig abgewehrt, so jedoch auf biologisch sinnvolle und tierschutzgerechte Weise entschärft werden.

6.2 Sachlicher Verbotsbereich

Die Ausweitung des Geltungsbereichs auf Gänse und Rallenartige entspricht nicht nur den praktischen Anforderungen, sondern wird auch von den angehörten Experten ausdrücklich empfohlen.

Das liegt zum einen daran, dass es für die ökologischen und gesundheitlichen Folgen gleichgültig ist, welche Vögel gefüttert werden, zum anderen hat sich auch das Vorkommen von Gänsen und Rallen so verändert, dass ein Fütterungsverbot gerechtfertigt ist. So ist die Verstädterungstendenz, die früher vor allem bei Stockenten und Höckerschwänen beobachtet werden konnte, inzwischen auch bei Graugänsen und der Nilgans festzustellen.

Die Fütterungen wirken sich bei Graugänsen erheblich auf das Verhalten der Tiere aus, dabei verlieren v. a. im Winter subdominante Tiere eher an Reserven (indem sie viel umherlaufen/schwimmen, aber nichts vom gefütterten Brot abbekommen), nur dominante Tiere profitieren von der Fütterung. Damit wird die Fütterung durch den Menschen zu einem unerwünschten Auslesemerkmal, das aus ökologischer Sicht verhindert werden muss.

7. Zu § 3 Abs. 2

Das Verbot, Futter auszulegen, das für Wasservögel bestimmt ist, soll verhindern, dass das Fütterungsverbot umgangen wird, indem Futter ausgebracht und so die Fütterung „indirekt“ erfolgen kann. Auch darf Futter für andere Tiere nicht so ausgelegt werden, dass es von Wasservögeln erreicht werden kann. Auch dieses Gebot dient der Sicherung des Fütterungsverbots. Diese Bestimmung entspricht § 3 Abs. 2 S. 2 Durchführungsverordnung zum Jagd- und Wildtiermanagementgesetz für die Fütterung von Wildtieren durch den Jagdausübungsberechtigten.

8. Zu § 4

Die Bestimmung dient der Klarstellung und Abgrenzung gegenüber anderen Rechtsbereichen.
Regelungen zu Fütterungen und Fütterungsverboten oder durch die zuständige Behörde genehmigte und angeordnete Fütterungen aufgrund jagd-, natur- oder artenschutzrechtlicher Vorschriften gehen den Verboten dieser Polizeiverordnung vor.

9. Zu § 5

Geahndet wird nur das verbotene vorsätzliche Füttern der genannten Vogelarten. Eine Ahndung der fahrlässigen Fütterung erscheint unverhältnismäßig.

Die genannte Geldbuße richtet sich nach dem Bußgeldrahmen des § 18 Abs. 2 Polizeigesetz.

10. Fütterungsverbot für Krähenvögel

Der Kreisbauernverband hat ein Fütterungsverbot für Krähenvögel angeregt, um mögliche Ernte- und Einrichtungsschäden für die Landwirtschaft zumindest zu reduzieren. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Fütterung zur Verfestigung von Schwärmen beiträgt, die durch die große Zahl der Vögel und die Ortstreue der Schwärme erhebliche Schäden anrichten können. Einzelfälle dieser Art sind dokumentiert und bekannt (vgl. Landtagsdrucksache 15/429 vom 17. August 2011).

Aus der Stellungnahme des Landratsamts Ludwigsburg, Fachbereich Landwirtschaft, das auch für den Stadtkreis Stuttgart die Aufgaben der unteren Landwirtschaftsbehörde wahrnimmt, geht hervor, dass für das Stadtgebiet Stuttgart entsprechende flächendeckende oder großräumige Schäden für die Landwirtschaft nicht bekannt sind. Gleichzeitig betont die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, Referat 25 Artenschutz, Landschaftsplanung in ihrer Stellungnahme, dass ein Fütterungsverbot wegen des geringen Anteils, den eine Fütterung von Krähenvögeln zu deren Ernährung beiträgt, nicht geeignet ist, um eventuelle Schäden für die Landwirtschaft zu vermeiden.
Die für den Erlass einer Polizeiverordnung notwendige abstrakte Gefahr ist demnach nicht gegeben, da eine ausreichende Gefährdungslage nicht vorliegt. Außerdem wäre das Fütterungsverbot nicht geeignet, das gewünschte Ziel, nämlich Gefahren für landwirtschaftliche Erträge und Einrichtungen durch die Krähenvögel zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, zu erreichen.

Dem Anliegen des Kreisbauernverbands kann deshalb nicht entsprochen werden.

11. Zu § 6

Die amtliche Bekanntmachung erfolgt durch Veröffentlichung des Volltexts der Polizeiverordnung im Amtsblatt.

Anlage 2 zur GRDrs 1030/2016

Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart
zur Abwehr der von Tauben- und Wasservögeln
ausgehenden Gefahren vom 00.00.2017


Aufgrund des § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 Polizeigesetz Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Januar 1992
(GBl. S. 1, ber. S. 596, 1993 S. 155), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2016 (GBl. S. 569), hat der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart mit Zustimmung des Gemeinderats vom 16.03.2017 folgende Polizeiverordnung erlassen:


§ 1 Begriffsbestimmungen

(1) Taubenvögel im Sinne dieser Verordnung sind sowohl Straßentauben/Stadttauben als auch Wildtauben, die im Stadtgebiet siedeln (Stadttauben). Domestizierte Tauben wie Brieftauben fallen nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung.
(2) Wasservögel im Sinne dieser Verordnung sind Enten, Schwäne, Wildgänse und Rallenvögel, soweit sie nicht als Nutztiere gehalten werden.
(3) Grünflächen sind alle der Öffentlichkeit dienenden und zugänglichen Grünanlagen und sonstigen Grünflächen, Spielplätze, Bolzplätze, Trendspielanlagen einschließlich der darin befindlichen Wege, Plätze und Wasserflächen.
(4) Öffentliche Gewässer im Sinne dieser Verordnung sind alle oberirdischen Seen, Teiche, Tümpel, Feuerseen, Parkseen und sonstige, für die Allgemeinheit zugänglichen Wasserflächen einschließlich des gesamten Verlaufs des Neckars im Stadtgebiet. Zu den öffentlichen Gewässern zählen auch deren unmittelbare Ufer- und Randzonen sowie angrenzende Wege und Grünstreifen.
(5) Außenbereich ist der außerhalb der im Zusammenhang bebauten Siedlungsfläche liegende Teil des Stadtgebiets. Dazu gehören insbesondere land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen.
§ 2 Fütterungsverbot für Tauben

(1) Tauben dürfen im Stadtgebiet nicht gefüttert werden. Auch darf kein Futter, das zum Füttern von Tauben bestimmt ist, ausgelegt werden. Futter für andere Vögel ist so auszulegen, dass es von Tauben nicht erreicht werden kann.
(2) Das Fütterungsverbot für Tauben gilt nicht für die vom Tierschutzverein oder von Dritten mit Zustimmung der Stadt zur Regulierung des Taubenbestandes betriebenen oder betreuten Taubenschläge.
§ 3 Fütterungsverbot für Wasservögel

(1) Wasservögel dürfen im Bereich öffentlicher Grünflächen und öffentlicher Gewässer nicht gefüttert werden.
(2) § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 gelten entsprechend.
§ 4 Gesetzeskonkurrenzen

Die Vorschriften des Jagdrechts, des Natur- und des Artenschutzrechts bleiben unberührt.

§ 5 Zuwiderhandlungen

(1) Ordnungswidrig im Sinne von § 18 Abs. 1 Polizeigesetz handelt, wer
1. entgegen § 2 Abs. 1 im Stadtgebiet Straßentauben/Stadttauben oder Wildtauben füttert,
2. entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 im Stadtgebiet Futter auslegt, das zum Füttern von Straßentauben/Stadttauben oder Wildtauben bestimmt ist,
3. entgegen § 2 Abs. 1 Satz 3 im Stadtgebiet Futter für andere Vögel so auslegt, dass es von Straßentauben/Stadttauben oder Wildtauben erreicht werden kann,
4. entgegen § 3 Abs. 1 Wasservögel füttert,
5. entgegen § 3 Abs. 2 Futter auslegt, das zum Füttern von Enten oder Schwänen bestimmt ist,
6. entgegen § 3 Abs. 2 Futter für andere Vögel so auslegt, dass es von Enten oder Schwänen erreicht werden kann.
(2) Die Ordnungswidrigkeiten können nach § 18 Abs. 2 des Polizeigesetzes Baden-Württemberg mit einer Geldbuße geahndet werden.
§ 6 Inkrafttreten

Diese Polizeiverordnung tritt am Tage nach der amtlichen Bekanntmachung in Kraft.



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