Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 620/2010
Neufassung
Stuttgart,
10/14/2010



Finanzierung der Frauenhäuser ab 2011



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Beratung
Beratung
Beschlussfassung
nicht öffentlich
nicht öffentlich
öffentlich
18.10.2010
20.10.2010
21.10.2010



Beschlußantrag:

1. Der Erhöhung der Tagessätze für die Nutzung der Stuttgarter Frauenhäuser ab 1. Januar 2011 wird zugestimmt.

2. Die Satzung zur Änderung der Satzung über die Benutzung des Städtischen Frauenhauses wird gemäß Anlage 1 beschlossen.


Begründung:


1. Ausgangslage und bisherige Gebührenkalkulation

Die Sozialverwaltung hat mit Wirkung vom 1. Januar 2006 die Umstellung der Tagessätze für die Nutzung der Stuttgarter Frauenhäuser geregelt (GRDrs 723/2005 „Finanzierung der Stuttgarter Frauenhäuser“). Die Kostenträger von Frauenhäusern waren auf Grund der im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) verankerten Revisionsklausel gehalten, die bisherigen institutionellen Leistungen für die Frauenhäuser auf eine an Tagessätzen ausgerichtete Finanzierung umzustellen.

Für schutzsuchende Frauen im Frauenhaus, die einen Leistungsanspruch nach dem SGB II oder SGB XII haben, werden seit 1. Januar 2005 die Kosten der Unterkunft sowie die Betreuungskosten vom jeweils zuständigen JobCenter als SGB II-Leistung bzw. von dem zuständigen Sozialamt als SGB XII-Leistung übernommen.

Für Frauen, die keinen Anspruch auf laufende SGB II-Leistungen haben (sog. Selbstzahlerinnen), wird, damit diese wegen der hohen Kosten nicht zu Leistungsempfänger-innen im Sinne des SGB II werden, der Aufenthalt im Frauenhaus dadurch ermöglicht, dass eine – nicht kostendeckende – Kostenbeteiligung in Höhe von derzeit 8,50 EUR pro Tag für die Frau bzw. 11,00 EUR für Frauen mit Kindern erhoben wird.


2. Notwendigkeit einer Neukalkulation

In den letzten Jahren sind die Anforderungen an die Arbeit zur Unterstützung für von Gewalt betroffenen Frauen und deren Kinder stark gestiegen. Dies betrifft in den Frauenhäusern vor allem die komplexen Bedarfslagen der Frauen, die gleichzeitig einen großen Unterstützungsbedarf in mehreren Lebenslagen haben (vgl. GRDrs 309/2009 „Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder“).

Aufgrund der im Jahr 2009 gestellten Haushaltsanträge der Fraktionen (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN – Nr. 386, CDU – Nr. 414, SPD – Nr. 469, FDP – Nr. 494, SÖS und Linke – Nr. 597) wurde bei den Haushaltsplanberatungen zum Haushalt 2010/2011 je eine Stelle ab 2011 für das Städtische Frauenhaus und das Autonome Frauenhaus beschlossen (vgl. GRDrs 1424/2009 „2. Änderungsliste zum Haushaltsplanentwurf 2010/2011 und Entwicklung des Finanzstatus nach der 2. Lesung“). Die Finanzierung der zusätzlichen Stellen für die Betreuung in den Frauenhäusern erfolgt ab 2011 über die Erhöhung des Betreuungsanteils im Tagessatz. Da die Kalkulation der Kosten der Unterkunft auch bereits fünf Jahre zurückliegt, ist dieser Tagessatzanteil ebenfalls neu zu kalkulieren.


3. Neukalkulation

Bei der Neuberechnung (s. Anlage 2) wird ein Auslastungsgrad von 88 % zugrunde gelegt. Der Betreuungskostenanteil wird anhand der tatsächlichen Stellenausstattung der Frauenhäuser mit den Werten aus Anlage 3.2 des Rundschreibens Nr. 03/2010 Kosten eines Arbeitsplatzes abzüglich der Raumkosten (vgl. Seite 3 der o.a. Anlage 3.2) ermittelt. Berechnungsgrundlage für die Kosten der Unterkunft sind die vom Amt für Liegenschaften und Wohnen (AfLW) im Jahr 2009 verrechneten Mieten und Nebenkosten.

Auf dieser Grundlage ergeben sich für die Frauenhäuser in Stuttgart folgende neue Tagessätze ab 1. Januar 2011:

a) Städtisches Frauenhaus

Bisheriger TagessatzNeuer TagessatzSteigerung
Betreuungssatz38,70 EUR47,90 EUR23,8 %
Kosten der Unterkunft 5,60 EUR 9,60 EUR71,4 %
Tagessatz gesamt44,30 EUR57,50 EUR29,8 %


b) Autonomes Frauenhaus

Bisheriger TagessatzNeuer TagessatzSteigerung
Betreuungssatz34,90 EUR42,20 EUR20,9 %
Kosten der Unterkunft 5,20 EUR 7,40 EUR42,3 %
Tagessatz gesamt40,10 EUR49,60 EUR23,7 %

c) Sonderregelung für Selbstzahlerinnen / Sozialkomponente

Von Selbstzahlerinnen, die keine SGB II- oder SGB XII-Leistungsansprüche haben und deshalb die Betreuungskosten nicht bezahlen können, werden weiterhin – nicht kostendeckende – Benutzungsgebühren in sozialverträglicher Höhe erhoben. In diesen Fällen soll die Benutzungsgebühr ab 1. Januar 2011 um jeweils 0,50 EUR angehoben werden und beträgt dann für eine Frau ohne Kind 9,00 EUR (bisher 8,50 EUR) pro Tag bzw. für eine Frau mit einem Kind oder mehreren Kindern 11,50 EUR (bisher 11,00 EUR).

Die von den Frauen ohne Transferleistungsansprüche nicht erhobenen Betreuungskosten- und Unterkunftsanteile sind auch künftig – wie bisher – im Rahmen der institutionellen Förderung der Frauenhäuser auszugleichen.

Mit diesem Verfahren wird sichergestellt, dass erwerbstätige Frauen keine aussichtlosen Anträge beim JobCenter stellen und nicht über Gebühr für den Schutz im Frauenhaus selbst aufkommen müssen. Die Motivation zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit als Basis wirtschaftlicher Unabhängigkeit vom gewalttätigen Partner kann damit erhalten werden.

Die Empfehlung des Städtetages Baden-Württemberg, die Betreuungskosten im Rahmen der §§ 67 und 68 SGB XII zu übernehmen und entsprechend § 68 Absatz 2 SGB XII die Leistungen ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen der in § 19 Absatz 3 SGB XII genannten Personen zu erbringen und für den Zeitraum bis zu 6 Monaten von der Inanspruchnahme Unterhaltspflichtiger abzusehen, wird weiterhin nicht angewendet.

Die vorgeschlagene Vorgehensweise hat bei den Frauenhäusern in anderen Stadt- und Landkreisen zu einem erhöhten Arbeitsaufwand geführt, da einzelne Stadt- und Landkreise die Kostenerstattungsregelung nicht anwenden.


4. Folgen der neuen Tagessatzfinanzierung für Frauen helfen Frauen e. V.

Die Neukalkulation der Tagessätze wurde mit Frauen helfen Frauen e. V. abgestimmt und wird vom Verein akzeptiert. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass Frauen helfen Frauen e. V. ein kleiner Träger ist, der aufgrund seiner Größe mögliche Einnahmenausfälle nicht kompensieren kann. Eine besondere Bedeutung erhält daher der Sockelbetrag, den Frauen helfen Frauen e. V. als Zuschuss erhalten. Dieser Betrag dient zur Finanzierung der Leistungen, die nicht über die Tagessätze abgedeckt sind. Bei einer schwankenden bzw. phasenweise geringeren Auslastung ist es möglich, dass der Sockelbetrag in höherem Maß als bisher in Anspruch genommen werden muss. Da die Sockelfinanzierung eine Eigenbeteiligung des Vereins von 30 % voraussetzt, steigen dadurch auch die Ausgaben des Vereins.

Um die Zahlungsfähigkeit des Vereins und die Existenz des Frauenhauses von Frauen helfen Frauen e. V. zu sichern, ist es notwendig, die Kostenentwicklung bei Frauen helfen Frauen e. V. zu beobachten und auszuwerten. Ein erstes Gespräch dazu ist im Frühjahr nächsten Jahres geplant.


Finanzielle Auswirkungen

Die Berechnung der finanziellen Auswirkungen ist im Detail aus Anlage 3 ersichtlich.

a) Städtisches Frauenhaus

Die Anpassung der bisherigen Gebühr führt beim Amtsbereich „5003140 Soziale Einrichtungen“ beim Schlüsselprodukt „1.31.40.01.50.00-500 – Hilfe für Frauen“ zu einer Ertragserhöhung in Höhe von ca. 118.800 EUR. Durch die zum Stellenplan 2011 beschlossene Stellenschaffung steht dieser Ertragserhöhung eine Erhöhung der Personalaufwendungen in Höhe von ca. 60.000 EUR gegenüber. Im Haushaltsplan 2011 ist bereits eine Ertragserhöhung durch die Gebührenerhöhung von 50.000 EUR sowie die Erhöhung der Personalaufwendungen in Höhe von 60.000 EUR berücksichtigt

b) Autonomes Frauenhaus

Das Autonome Frauenhaus hat derzeit ein städtisches Gebäude angemietet, bezahlt jedoch nicht die volle Miete an das AfLW. Der Mietnachlass in Höhe von ca. 50.200 EUR wird derzeit als Mittelbare Zuwendung vom Sozialamt an das AfLW erstattet. Da in der neuen Kalkulation der Tagessätze für die Unterkunft die gesamten Miet- und Betriebskosten enthalten sind, d. h. die tatsächlichen Mietaufwendungen des Autonomen Frauenhauses über die Benutzungsgebühren refinanziert werden, entfällt ab 2011 diese mittelbare Zuwendung, die im Amtsbereich 5003161, Schlüsselprodukt „1.31.60.01.00.00-500 – Förderung freier Träger der Wohlfahrtspflege“ veranschlagt ist. Das Autonome Frauenhaus zahlt demnach ab 1. Januar 2011 die volle Miete an das AfLW.

Als Ausgleich für den nicht erhobenen Betreuungskosten- und Unterbringungsanteil für die Selbstzahlerinnen im Autonomen Frauenhaus erhöht sich der Förderaufwand um voraussichtlich ca. 8.500 EUR. Im Haushaltsplan 2011 ist bereits eine Erhöhung des Förderbetrages um 10.000 EUR berücksichtigt.

c) JobCenter

Derzeit erhalten ca. 90 % der Frauenhausbewohnerinnen Leistungen nach dem SGB II. Von der vorgesehenen Gebührenerhöhung beim städtischen und beim autonomen Frauenhaus von zusammen 232.300 EUR entfallen lediglich 1.200 EUR auf Selbstzahlerinnen.
Die Benutzungsgebührenerhöhung im Städtischen bzw. im Autonomen Frauenhaus wird somit den Teilhaushalt „290 - JobCenter“ (Amtsbereich 2903121) als Transferleistungsaufwand in Höhe von ca. 231.100 EUR (Betreuungskosten 169.200 EUR und Kosten der Unterkunft 61.900 EUR) belasten. An den Kosten der Unterkunft beteiligt sich der Bund mit 27 %, sodass dem zusätzlichen Aufwand ein Ertrag in Höhe von ca.16.700 EUR gegenübersteht.

Die Verwaltung geht derzeit davon aus, dass der Mehraufwand mit den im laufenden Haushalt vorhandenen Ansätzen finanziert werden kann.




Beteiligte Stellen

Das Referat Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen hat die Vorlage mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

1. Satzung über die Nutzung des städtischen Frauenhauses
2. Kalkulation der Gebühren
3. Darstellung der finanziellen Auswirkungen

Anlage 1 zur GRDrs 620/2010




Satzung zur Änderung der Satzung über die Benutzung des städtischen Frauenhauses vom 5. Mai 1983


Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat am 21.10.2010 auf Grund von § 4 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg und der §§ 2 und 13 des Kommunalabgabengesetzes folgende Satzung zur Änderung der Satzung über die Benutzung des Städtischen Frauenhauses (Stadtrecht 4/9) beschlossen:


Die Satzung über die Benutzung des Städtischen Frauenhauses vom 5. Mai 1983 (Amtsblatt Stuttgart vom 19. Mai 1983), zuletzt geändert am 24.11.2005 (Amtsblatt Stuttgart vom 22.12.2005), wird wie folgt geändert:

§ 7 Abs. 1 wird wie folgt neu gefasst:

(1) Erwerbsfähige Frauen (SGB II) und leistungsberechtigte Frauen nach SGB XII und AsylbLG entrichten für die Benutzung des Städtischen Frauenhauses eine Gebühr in Form eines Tagessatzes. Dieser beinhaltet die Kosten der Unterkunft und der Betreuung. Der Tagessatz wird sowohl für Frauen als auch für deren Kinder erhoben und beträgt pro Person und Tag für

Kosten der Unterkunft 9,60 EUR
Betreuung 47,90 EUR
Tagessatz gesamt 57,50 EUR

Erwerbstätige Frauen (Selbstzahlerinnen) ohne Anspruch auf Transferleistungen nach SGB II oder XII, AsylbLG, o. ä. entrichten für die Benutzung des städtischen Frauenhauses eine Gebühr. Diese beträgt einschließlich aller Betriebskosten je Tag für

Frauen ohne Kinder 9,00 EUR
Frauen mit einem oder mehreren Kindern 11,50 EUR.


Diese Satzung tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.



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Anlage 2_GRDrs 620_2010.pdf Anlage 3_GRDrs 620_2010.pdf