Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
1029/2013
GZ:
-
Sitzungstermin: 04.12.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Wölfle
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Grundsatzbeschluss Bürgerbeteiligung

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 20.11.2013, öffentlich, Nr. 495
Gemeinderat vom 21.11.2013, öffentlich, Nr. 200
jeweiliges Ergebnis: Zurückstellung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 21.11.2013, GRDrs 1029/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Verwaltung wird beauftragt, die schon bestehenden Bürgerbeteiligungsverfahren in Stuttgart zu ergänzen und zusammenzuführen, um im Sinne einer neuen Beteiligungskultur den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zum Wohl der Stadtgesellschaft voranzubringen. Dies soll durch verlässliche und verbindliche Verfahren zur Durchführung von Bürgerbeteiligung in Stuttgart, die sowohl von den Bürgern als auch von der Verwaltung initiiert werden können, erreicht werden. 2. Eine erweiterte Arbeitsgruppe unter der Federführung von Referat AK, bestehend aus Vertretern von Verwaltung, Bürgerschaft und Wissenschaft erarbeitet unter Berücksichtigung der Erfahrungen anderer Städte eine umfassende Regelung zu Prozess- und Standardabläufen von Bürgerbeteiligung, die nicht über gesetzliche Vorgaben formalisiert ist und legt dem Gemeinderat einen Vorschlag zur Umsetzung vor.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Für ihre Fraktionen unterstreichen StRin Münch (90/GRÜNE), StR Kotz (CDU), StR Kanzleiter (SPD), StRin von Stein (FW) und StR Klingler (FDP) sowie für seine Fraktionsgemeinschaft StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) die Bedeutung der Bürgerbeteiligung.

StRin Münch erklärt, die Vorlage gehe auf den Antrag Nr. 29/2013 "Spielregeln und Standards zu Beteiligungsverfahren gemeinsam entwickeln" zurück. Nach Einschätzung von StR Rockenbauch tendiert die Vorlage in die Richtung des Leitantrags seiner Fraktionsgemeinschaft "Demokratie und Transparenz". Er legt Wert darauf, dass die Inhalte dieses Antrags (z. B. Direktwahl der Bezirksbeiräte) trotz der GRDrs 1029/2013 in den laufenden Etatberatungen aufgerufen werden.

Seitens der Ausschussmitglieder werden die nachstehenden Punkte angesprochen, welche im weiteren Verfahrensgang aufgegriffen werden sollen:

- Aufgabe ist es zu überlegen, wie man die "Politik des Gehörtwerdens" fasst (StRin Wüst).

- Es geht darum, die verschiedenen bislang nicht geregelten informellen Beteiligungsverfahren verfahrensmäßig zu fassen und so dem Bürger, sofern er dies wünscht, einen reglementierten Zugang zu eröffnen. Bestehende Verfahren sollen systematisiert werden (StRin Münch, StR Kanzleiter).

- Bürgerbeteiligung muss zum Umdenken bei der Verwaltung und beim Gemeinderat führen (StRin Münch, StR Klingler, StR Rockenbauch).

- Ohne eine personelle Stärkung kann die Verwaltung den erhöhten Aufwand in Sachen Information/Transparenz nicht leisten. Nur dann wird der anstehende Prozess erfolgreich sein (StR Rockenbauch).

- Bessere Bürgerbeteiligung dient zur Informationsverbesserung und zu einem transparenteren Verwaltungshandeln (StR Kanzleiter, StR Rockenbauch).

- Verbindlichkeit/Verlässlichkeit - es dürfen nur realistische Ziele in Aussicht gestellt werden, um Enttäuschungen zu vermeiden (StRin Münch, StR Kotz, StR Kanzleiter, StRin von Stein und StR Klingler).

- Ein Widerspruch ist es, wenn zum einen Wert auf Verlässlichkeit und Verbindlichkeit gelegt wird, zum anderen aber die Entscheidungshoheit des Gemeinderats weiter uneingeschränkt bestehen bleibt (StR Rockenbauch).

- Wenn die Bürgerbeteiligung ernst genommen wird, muss auch die Verantwortung, z. B. das Einhalten von Kostenrahmen, thematisiert werden (StRin von Stein).

- Einbezogen gehören nicht nur die informellen, sondern auch die formalen Beteiligungsverfahren (StR Kotz, StR Kanzleiter).

- Für die jeweils getroffenen Entscheidungen muss um Verständnis geworben werden. Einerseits sollen praktische Erfahrungen der Bürger in die Verwaltung eingespeist werden, und andererseits müssen gewisse Sachzwänge auf Seiten der Verwaltung kommuniziert werden (Informationsasymetrie/mehrere Personen mit unterschiedlichem Wissensstand treten in Interaktion), (StRin Münch, StR Kanzleiter).

- Der Wunsch von Bürgern, sich einzubringen und gegebenenfalls mitzuentscheiden, wird unterstützt. Darunter können jedoch ehrenamtliche Strukturen z. B. in Vereinen leiden (StR Kotz).

- Eine große Herausforderung ist, die Bürgerbeteiligungsprozesse so zu organisieren, dass die Bedeutung der Bezirksbeiräte nicht geschmälert wird, dass die Prozesse mit der Gemeindeordnung konform sind und dass die Prozesse durch den Gemeinderat, nicht zuletzt auch zeitlich, begleitet werden können (StR Kotz, StRin von Stein).

- Der Gemeinderat sollte mit Zwischenberichten über den Stand des anstehenden Prozesses unterrichtet werden (StR Kanzleiter).

- Überlegt werden muss, wie Ergebnisse von Beteiligungsprozessen trotz wechselnder Personen Bestand haben (StRin von Stein).

- Der Gemeinderat muss lernen, Macht abzugeben. Auf der kommunalen Ebene kann die Weisheit der Bürgerschaft am besten genutzt werden, und es sollten die Vorteile einer Bürgerbeteiligung in einem solchen Grundsatzbeschluss benannt werden (StR Rockenbauch).

- Im anstehenden Prozess sollten auch Dinge wie z. B. Selbstverpflichtung von Ratsmitgliedern ausprobiert/angedacht werden. Die Stadt muss darüber nachdenken, was auf Landes- und Bundesebene an Änderungen vorgenommen werden muss (StR Rockenbauch).

- Durch die Form des Verfahrens, auf dem der Bürgerhaushalt (BHH) basiert, kann, da eine Abwägung über den eigenen Stadtteil hinaus nicht vorgesehen ist, keine Verantwortung entstehen. Abwägungsprozesse finden zu selten statt (StR Rockenbauch).

- Der Gemeinderat sollte in die in der Beschlussantragsziffer 2 angesprochene Arbeitsgruppe einbezogen werden, damit der Rat schon im Vorfeld einer Beschlussfassung Kenntnis über die Hintergründe der Gestaltungsvorschläge hat. Dies ist auch für die spätere Zusammenarbeit zwischen Bürgerbeteiligung und Gemeinderat bedeutsam (StRin Münch, StR Kotz, StR Kanzleiter, StR Rockenbauch).

- Dass der Gemeinderat bei der Erarbeitung des Prozesses beteiligt sein muss, sollte noch in die Vorlage aufgenommen werden (StR Kanzleiter).

- Die Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachleuten, ist dem Gemeinderat vorgelagert. Der dort ohne die Beteiligung von Ratsmitgliedern erarbeitete Umsetzungsvorschlag soll vom Gemeinderat diskutiert werden (StR Klingler).

BM Wölfle bedankt sich für die umfangreichen Wortmeldungen. Es sei erfreulich, dass der Gemeinderat die Intention der Vorlage bestätigt, nämlich dass die Verwaltung seitens des Gemeinderats beauftragt werden soll, eine bessere Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Zur Vermeidung von Enttäuschungen seien der Gemeinderat, die Bürgerschaft und die Verwaltung gefordert. Mit den Worten "verlässlich" und "verbindlich" werde verbunden, dass alle Prozessbeteiligten frühzeitig Kenntnis über Rahmenbedingungen (Zeitabläufe, Kosten etc.) haben. Genau dieses sei in der Vergangenheit häufig nicht der Fall gewesen. Zum Thema "Aufgabe von Macht" verweist er gegenüber StR Rockenbauch auf die eindeutigen Spielregeln der repräsentativen Demokratie. Diese, und dies zeige auch die Vorlage auf, würden nicht angezweifelt. Es gehe ohnehin nicht um die Abgabe von Macht, sondern um die Beteiligung derer, die von den Entscheidungen betroffen sind, damit die Entscheidungsträger qualifizierter entscheiden können.

Vom Vorsitzenden wird zugesagt, dass die Besonderheit Stuttgarts, die Bezirksstruktur, im anstehenden Prozess beachtet wird. Mit der Vorlage, so BM Wölfle weiter, stehe die Entscheidung an, ob die Verwaltung eine neue Beteiligungsstruktur erarbeiten und entsprechende Vorschläge unterbreiten soll. Er vertritt die Auffassung, dass, wenn die Fraktionen entsprechend ihrer Stärke vorab als Mitglieder der Arbeitsgruppe gesetzt würden, keine tragfähigen Ergebnisse erzielt werden können. Die Verwaltung, und damit hebt er auf die Vertreter der Bürgerschaft ab, sei der Überzeugung, dass mit wechselnden Personen/-kreisen und nicht mit einer institutionalisierten Form agiert werden soll. Die Verwaltung werde jedoch mit dem Gemeinderat regelmäßig über festgehaltene Ideen und Zwischenschritte kommunizieren, damit die Verwaltung darüber Kenntnis hat, ob sie sich auf dem richtigen Weg befindet. Am Schluss entscheide ja der Gemeinderat. Die Aufgabe bestehe darin zu beteiligen, die richtigen Ideen herauszufiltern und mit dem Gemeinderat regelmäßig zu kommunizieren. Sobald eine Festlegung über die ersten Gesprächskreise getroffen sei, werde der Gemeinderat zum ersten Mal informiert. Sollte das eine oder andere Ratsmitglied sich dann beteiligen wollen, wäre dies nicht ausgeschlossen. Von einer institutionalisierten Vorgehensweise bittet er mit Nachdruck Abstand zu nehmen.

In der Folge präzisiert StRin Münch die Überlegungen ihrer Fraktion. Angedacht worden sei eine gemeinderätliche Beteiligung, ähnlich wie bei der Arbeitsgruppe, die am BHH mitgearbeitet hat. Hier habe e sich um ein freies Gremium gehandelt, an dem aus jeder Fraktion ein Mitglied beteiligt war. Interessierte Ratsmitglieder sollten zu den Terminen Zugang haben. Es sei also nicht die Rede von einem Unterausschuss. Die Teilnahme von Ratsmitgliedern, die sie als angemessener bezeichnet, würde das Einbeziehen des Gemeinderats in der konsultativen Form, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, erübrigen.


Sinngemäß äußert sich StR Kotz. Er bezieht sich beispielhaft auf ein derzeit arbeitendes Gremium zum Klinikum Stuttgart. Aus dem Nicht-Einbeziehen des Gemeinderats beim Eiermann-Areal sollten Lehren gezogen werden. StR Klingler hält an seiner Position fest, dass eine Teilnahme des Gemeinderates an dieser Arbeitsgruppe nicht weiterführend ist. Gegebenenfalls bittet er die Beschlussantragsziffer 2 separat zur Abstimmung zu stellen. Demgegenüber betont StR Kanzleiter seine Auffassung, dass die Organisation der Bürgerbeteiligung damit beginnt, dass diejenigen, die die Entscheidungen treffen, bereits an der Erarbeitung der Grundlagen mitwirken. Von daher sollte festgelegt werden, dass pro Fraktion ein Vertreter/eine Vertreterin teilnehmen.

Zum Ende der Aussprache sagt BM Wölfle, Bezug nehmend auf die in der Beschlussantragsziffer 2 beschriebene Zusammensetzung der Arbeitsgruppe, zu, sobald die Verwaltung einen Vorschlag über die Personen vorlegen kann, werde dieser mit den Fraktionen kommuniziert. Die Termine, an denen sich die Arbeitsgruppe treffe, seien dem Gemeinderat bekannt. Somit könnten gegebenenfalls Ratsmitglieder daran teilnehmen (nicht formalisiert/ohne Sitzungsgeld). Er empfiehlt den Gemeinderatsmitgliedern, dabei darauf zu achten, welche Wirkung eine Teilnahme von Ratsmitgliedern angesichts der Tatsache hat, dass der Gemeinderat über das Weitere, auch über Personalstellen und Finanzen, zu entscheiden hat.

Abschließend stellt BM Wölfle fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.
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