Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 16.11.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Maßnahmen zur Förderung von KI-Infrastrukturen in Stuttgart - Antrag Nr. 298/2022 vom 23.09.2022 (CDU)
- mündlicher Bericht

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüßt EBM Dr. Mayer den Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart, Herrn Dr. Rogg, sowie den städtischen Wirtschaftsförderer, Herrn Grieb.

Nach der Erläuterung des Antrags durch StR Kotz (CDU) wird von Herrn Grieb (OB/82) einführend vorgetragen, zunächst wolle er das Thema "KI-Standort Stuttgart" einordnen. Nachdem sich das Land für den Standort Heilbronn entschieden habe, gehe es nun in Stuttgart darum, mit Fakten und Daten zu belegen, wie stark Stuttgart aufgestellt sei und welche Potenziale daraus abgeleitet werden könnten. Das KI-Ökosystem Stuttgart sei sehr beachtlich. Es gebe diverse Netzwerk- und Cluster-Initiativen, wie z. B. das Mittelstandskompetenzzentrum 4.0 für Usability, einen sogenannten AI-CIRCLE, eine KI-Community der Region des VDC (Virtual Dimension Center) in Fellbach. Es gebe verschiedene Labs und Inkubatoren, wie z. B. ein KI-Lab für erneuerbare Energien oder den Vegetable Hub, der mit Bundesmitteln gefördert werde. Hinzu kämen Forschungseinrichtungen wie das KI-Fortschrittszentrum der Fraunhofer Gesellschaft, das Cyber Valley, die Ferdinand-Steinbeis-Stiftung mit ihrem Institut, das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart und viele weitere Initiativen, die sich mit dem Thema KI in Stuttgart befassten.

Betrachtet worden sei auch die unternehmerische Seite. Dazu gebe es eine Studie des ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) in Mannheim. Dort werde aufgezeigt, dass es seit 1995 bis Ende 2021 800 Unternehmensgründungen in Baden-Württemberg, die sich auf das Thema KI beziehen, gegeben habe. Davon würden sich 125 in der LHS befinden. Dies zeige, dass Stuttgart, auch was die Unternehmen angehe, sehr stark aufgestellt sei. Baden-Württemberg belege nach Bayern und Nordrhein-Westfalen im Bundesgebiet den dritten Rang. Es gebe also Potenzial, auch in der Forschung. Allein die Universität Stuttgart und die Robert-Bosch-GmbH hätten in den letzten fünf Jahren für über 50 KI-Projekte Bundesfördermittel beantragt. Damit würden mehrere 100 Mio. € an Bundesmitteln nach Stuttgart fließen.

Die Wirtschaftsförderung sehe den Auftrag darin, die geballte KI-Kompetenz vernünftig zu bündeln. Man habe sich in den letzten Monaten damit beschäftigt, die durch den Gemeinderat zur Verfügung gestellten 5 Mio. € wirkungsvoll einzusetzen.

Durch Herrn Dr. Rogg wird anschließend ausgeführt, dass der Wettbewerb des Landes Baden-Württemberg um einen KI-Innovationspark mit einem Zuschlag für Heilbronn geendet habe, habe Verblüffung und Erstaunen ausgelöst, da die Kompetenzen der LHS, der Region Stuttgart gebündelt mit Karlsruhe und Tübingen, als überlegen angesehen worden seien. Durch dieses Ergebnis wolle man sich aber nicht entmutigen lassen. Vielmehr werde selbstbewusst gesagt, wenn die LHS, die Region, Karlsruhe, Tübingen und seit neuestem auch Freiburg, der Nordschwarzwald sowie der Ostalbkreis mit der Hochschule Aalen gemeinsam ein dezentrales Konzept einer KI-Allianz Baden-Württemberg formulierten und man sich gegenüber anderen Regionen/Landesteilen (z. B. Friedrichshafen), auch gegenüber der Region Heilbronn/Franken, offen zeige, handle es sich um einen überlegenen Ansatz. Dieser Ansatz entspreche auch mehr der DNA Baden-Württembergs als Wirtschaftsstandort.

In den letzten Monaten sei zu dem zentralen Park in Heilbronn ein alternatives Konzept, die KI-Allianz Baden-Württemberg, entstanden. Sitz dieser Allianz, für die die Form einer Genossenschaft vorgesehen sei, werde Stuttgart. Der Aufsichtsratsvorsitz der Genossenschaft solle im kommenden Jahr an den Stuttgarter Oberbürgermeister gehen. Einer der beiden Vorstandssitze der Genossenschaft werde auch aus der Region Stuttgart besetzt; diese Position dürfe er bis Mitte nächsten Jahres ausfüllen.

In zwei Befragungen (erste Umfrage aller Industrie- und Handelskammern 2019, zweite Umfrage 2021 der IHK Karlsruhe) hätten die Kammern ihre Mitglieder um Auskunft gebeten, was sie an Unterstützung benötigten, um KI zu beschleunigen, um künftig KI als Mittel für Prozessoptimierungen sowie für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit nutzen zu können. Die Ergebnisse lauteten, Stand heute nutze nicht einmal jedes vierte Unternehmen KI-Lösungen für seine Geschäftsprozesse. Lediglich jedes dritte Unternehmen ziehe solche Lösungen für die Zukunft in Betracht. Gerade kleine und mittlere Unternehmen würden sich hier besonders schwertun, da es bei ihnen derzeit noch nicht das erforderliche Know-how und die notwendige Expertise gebe; mit Prozessen der Digitalisierung seien die Unternehmen schon hinreichend beschäftigt, und nun solle als weitere Entwicklungsstufe noch KI hinzukommen. Wichtig sei, dass die Firmen selbst die Notwendigkeit erkennen, KI im Haus zu haben, um selbst wesentliche Entwicklungen anstoßen zu können (kein Outsourcen an IT-Dienstleister).

Die baden-württembergische Wirtschaft im IHK-Bereich erkläre, dringend benötigt würden gemeinsam nutzbare, standardisierte Zugänge und qualitätsgesicherte Datenpools/-räume. Darüber hinaus würden Testfelder und Labore als erforderlich angesehen, wo mehrere Firmen gemeinsam KI-Anwendungen entwickeln und testen könnten. Zudem seien KI-Sicherheits-/Ethik-Checks vorgesehen. Im Gegensatz zu Asien, wo KI insbesondere zum Zwecke der Überwachung entwickelt werde, wolle man KI-Produkte unterstützen, die den europäischen Werten entsprechen. Weiter würden Schaufenster, in denen kleinere und mittlere Firmen Best-Practice-Beispiele anschauen könnten, Wettbewerbe und gemeinsames Werben um Investoren und Fachkräfte benötigt. Dafür habe der baden-württembergische Landtag für Stuttgart, Neckar-Alb, Karlsruhe, Freiburg, Ostalbkreis und Nordschwarzwald 15 Mio. € zur Verfügung gestellt. Zudem habe der Stuttgarter Gemeinderat 5 Mio. € vorgesehen, und die Regionalversammlung Stuttgart habe dankenswerterweise dazu weitere 16 Mio. € Kofinanzierungsprogramme für die Städte und Gemeinden der Region aufgelegt. Somit könnten die durch die LHS für die KI-Unterstützung beschlossenen Summen verdoppelt werden, und damit lasse sich eine konkrete Unterstützung von Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung bewerkstelligen; KI werde nicht zuletzt in den Bereichen Smart City, Verwaltung und Gesundheit eine große Rolle spielen.

Neben dem Sitz der Gesellschaft werde auch ein Experience Center (Erfahrungszentrum) in Stuttgart entstehen. Dort würden sich Start-ups ansiedeln, Firmen könnten gemeinsam forschen und entwickeln, und es werde Transfermöglichkeiten zur Universität Stuttgart und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen wie Fraunhofer Institut, Max-Planck-Institut und Cyber Valley geben. Des Weiteren solle es für kleinere Firmen ein mobiles KI-Labor geben, welches in Gemeinden und kleinere Städte der Region fahre, um dort exemplarisch kleinere Unternehmen Best-Practice-Beispiele aus der realen Wirtschaft vorzustellen.

Das Experience Center und das Labor/Schaufenster, so Herr Grieb in der Folge, würden den größten Teil des Projekts ausmachen. Über den dritten Teil, ein Zentrum für Start-ups, werde mit dem Beratungsunternehmen Drees & Sommer gesprochen. Dies sei bereits Teil des Antrags zum Landeswettbewerb gewesen. Das vergangene Jahr sei genutzt worden, um dieses Projekt zu konkretisieren. Ursprünglich sei es lediglich darum gegangen, ein Bestandsgebäude mit KI-Technologie, Software-Schnittstellen etc. auszustatten. Ausgegangen werde davon, dass die Kombination Technologie/Start-ups sehr viel sinnvoller sei. Dazu werde in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen (WA) Anfang Dezember ein Antrag für ein sogenanntes Wachstumszentrum (SCALUP-Center) vorgelegt. Angedacht sei, dort die Themen "Zuhause für Start-ups" und "KI" zu kombinieren. Hierzu würden Gespräche mit dem Immobilienunternehmen WÖHR + BAUER mit dem Ziel geführt, mit einem Bestandsgebäude schnell voranzukommen. Das Gebäude müsse auch Werkstattflächen und Ähnliches aufweisen. Zwei, drei spannende Gebäude habe man im Fokus.

Während es im Antrag gegenüber dem Land hauptsächlich darum gegangen sei, einen Ort für ein KI-Zentrum zu schaffen, solle nun durch das Experience Center die unterschiedlichen Kompetenzen (große Unternehmen, Start-ups, Wissenschaft) gebündelt werden. Hier werde ebenfalls nach einem geeigneten Bestandsgebäude Ausschau gehalten. Ein solches Gebäude könnte dazu führen, gegenüber Heilbronn "auf die Überholspur zu gehen". Insgesamt seien in den letzten 9 Monaten seit seinem Dienstantritt die Akteure identifiziert worden, Gespräche seien geführt worden, und mit der Konzeptionierung sei begonnen worden. Im nächsten Halbjahr werde das Start-up-Center angegangen, und im 2. Halbjahr 2023 sei geplant, mit dem Experience Center zu starten.

Zum Mittelabruf nennt Herr Grieb folgende Positionen:
- 25.000 € für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen (spätestens 1. Quartal 2023)
- jährlicher Zuschuss für die Genossenschaft (82.500 €)
- 4,8 bis 4,9 Mio. € für die Kofinanzierung des Experience Centers und des Start-up-Centers.

Die Federführung in der Stadtverwaltung liege bei der Abt. Wirtschaftsförderung (OB/82). Der Gemeinderat habe dankenswerterweise eine Vollzeitstelle geschaffen. Diese Stelle, die sich um das KI-Thema kümmern werde, sei zum 01.10.2022 besetzt worden. Angedacht sei, die Sichtbarkeit dieses Themenfeldes zu erhöhen. Diesbezüglich werde über KI-Events 2023 nachgedacht.

Es werde ein Potenzial gesehen, das Thema KI mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammen zu denken. Digitalwirtschaft/IT benötige sehr viel Energie. Wenn über Green-IT gesprochen werde, gehe es nicht nur darum, die Elektrizität für IT mit erneuerbaren Energien zu erzeugen, sondern es müsse zudem geprüft werden, wie Themen/Anwen-dungen aus dem KI-Bereich die Nachhaltigkeit/den Klimaschutz unterstützen könnten. Hierin werde ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem man sich positionieren könne, gesehen.

Neben dem Ersten Bürgermeister bedanken sich StR Kotz, StR Pitschel (90/GRÜNE) und StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) für die Berichte. Sie äußern sich mit Nachdruck zustimmend zu den Berichtsinhalten und wünschen den Akteuren viel Erfolg bei den anstehenden Arbeiten. StR Kotz und StR Pitschel sprechen dabei das Ethikthema an. StR Kotz bittet um regelmäßige Berichte, und StR Pitschel unterstreicht die Bedeutung von Datensicherheit und Datensouveränität.

Von StR Ebel (AfD) wird angemerkt, er habe in die IT kein Vertrauen, solange es keine Quantencomputer gebe. Zu seiner Frage, welche Vorteile KI im Vergleich mit Digitalisierung für kleinere und mittlere Unternehmen bringen kann, merkt Herr Grieb an, die Vorteile seien vielfältig. Beispielhaft informiert er, bezogen auf Fachkräfte, künftige KI-Pro-zesse eröffneten gegenüber einer klassischen Digitalisierung sehr viel mehr Prozesse. Wenn es gelinge, durch KI fehlende Arbeitsplätze zu kompensieren, würden sich für die Unternehmen relevante Vorteile ergeben. Durch das Geplante würden mittlere und kleine Unternehmen die Chance erhalten, von KI zu profitieren. Dies werde deren Wettbewerbsfähigkeit steigern. Als konkretes Rationalisierungsbeispiel nennt Herr Grieb Selbstbedienungskassen in Supermärkten.

Nachdem EBM Dr. Mayer regelmäßig weitere Berichterstattungen ankündigt, stellt er, ohne dass sich Einwendungen ergeben, fest:

- Der Verwaltungsausschuss hat von den Berichten Kenntnis genommen.
- Der Antrag Nr. 298/2022 ist erledigt.
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