Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
462/2014
GZ:
WFB 9011-00.00
Sitzungstermin: 16.07.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Bürgerhaushalt Stuttgart
Verfahren zur Beteiligung der Bürger an der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2016/2017

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 07.07.2014, GRDrs 462/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Mit Ausnahme der Gemeinderatsfraktion Freie Wähler äußern sich alle Fraktionen positiv zum Bürgerhaushalt Stuttgart (BHH). Alle Redner sehen die Notwendigkeit, den BHH weiterzuentwickeln. StR Kotz (CDU) äußert sich lobend zur Durchführung des 2. Stuttgarter Bürgerhaushalts im Frühjahr 2013. Für StR Kanzleiter (SPD) zeigt die Auswertung, dass die vom Gemeinderat während der Haushaltsplanberatungen beschlossenen Projekte im Wesentlichen der Bürgermeinung entsprechen.
StRin
von Stein (FW) räumt ein, dass die Evaluationsrunde zu Verbesserungen beigetragen hat. Nach wie vor beteilige sich aber lediglich eine Minderheit der Einwohnerschaft (ca. 5 %).


Für die FDP-Gemeinderatsfraktion begrüßt StR Klingler (FDP) jeden Ansatz, durch den Bürger ihre Meinung äußern können. Sein Dank gilt dem Team bei der Stadtkämmerei, das den BHH und dessen Weiterentwicklung betreut. Diesem Dank schließt sich StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) an. Er merkt an, der BHH sei ein hervorragender Ideenspeicher für den Gemeinderat. Zu den von ihm gesehene Defizite nennt er die Stichworte Verbindlichkeit, Zeit und Abwägung. Dies erläuternd fährt er fort, der Gemeinderat müsse die Gesamtstadt im Blick haben und darauf basierend Abwägungen vornehmen. Solange BHH-Formate solche Abwägungsprozesse nicht erlauben, könne das Verfahren zu Ergebnissen führen, die im Widerspruch zu den eigentlichen Notwendigkeiten in der Stadt stehen. Dies dürfe nicht den Bürgern vorgeworfen werden, sondern die Verwaltung/der Gemeinderat müsse ein Verfahren andenken, mit dem Abwägungen durchgeführt werden können. Da für ordentliche Abwägungsprozesse Zeit benötigt wird, sollte für die Abwägungsorganisation gemeinsam mit den Bezirksbeiräten das Jahr vor den Doppelhaushaltsplanberatungen genutzt werden. Anschließend könnte eine gesamtstädtische Abwägung durch die Verwaltung und den Gemeinderat stattfinden. Zum Stichwort Verbindlichkeit spricht StR Rockenbauch die Einführung von Budgets z. B. auf Stadtteilebene an. Der Mut für solche Veränderungen sollte aufgebracht werden.

StR Kanzleiter bittet um Kenntnisnahme, dass der BHH in den Stadtteilen unterschiedlich intensiv genutzt wird. Sinnvoll sei es, dies in Verbindung mit dem Sozialdatenatlas zu sehen. Es könne vielleicht dadurch eine bessere Beteiligung erreicht werden, dass sich beispielsweise Schulen in den Stadtteilen mit geringer Beteiligung im Gemeinschaftsunterricht des Themas Bürgerbeteiligung in einem kommunalen Willensbildungsprozess annehmen. Dieser Vorschlag findet die Unterstützung von StR Klingler. StRin von Stein äußert die Vermutung, dass sich Stadtteile mit einem sozioökonomisch höheren Status besser beteiligen. Andere Bevölkerungsgruppen benötigten nach wie vor andere Lobbygruppen. Dies müssten die Bezirksbeiräte und der Gemeinderat berücksichtigen. Wenn ein BHH Umverteilungen ermöglicht, so StR Rockenbauch, werde auch für sozioökonomisch benachteiligte Menschen eine Beteiligung attraktiver.

Für ihre Fraktion erklärt StRin Münch (90/GRÜNE), dass in Zukunft keine Unterschriftlisten mehr gewünscht werden. Sie erhebt dies zum Antrag. In ihrer Begründung führt sie an, gewollt werde, eine individuelle Beteiligung gegenüber einer organisatorischen Beteiligung zu stärken. Zudem werde angestrebt, die Beteiligung am BHH-Verfahren insgesamt zu stärken. Das BHH-Verfahren werde als geeignet angesehen, den Bürgern einen verfahrensmäßigen Zugang zum Haushaltsverfahren zu schaffen. Bürger sollten sich zur Beteiligung am Verfahren grundsätzlich im Internet registrieren. Das Kartenverfahren soll nur für nicht interneterfahrene/nicht internetaffine Bürger vorbehalten bleiben. Die Übertragung von Unterschriftslisten in das System durch die Stadtkämmerei sei nicht effektiv. Interessant werde sein, wie viele Personen sich in Zukunft per Internet oder per Karte beteiligen und auf welche Themen die abgegebenen Karten abzielen.




Dieser Vorschlag findet die Unterstützung von StR Kotz, StR Kanzleiter und StR Klingler. Laut StR Kotz sollten im Verfahren einzelne Bürger und nicht Verbände/Organisationen ihre Meinung abgegeben. Nach Einschätzung von StR Kanzleiter ist ein Stück weit mehr individuelle Beteiligung erforderlich.

Von BM Wölfle wird angemerkt, er nehme regelmäßig - wie auch Mitglieder des Gemeinderates - an den Sitzungen des Arbeitskreises Stuttgarter Bürgerhaushalt teil. Dort sei dreimal, auch unter Mitwirkung der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, intensiv die Frage "Unterschriftenlisten ja - nein" besprochen worden. Dabei habe Einvernehmen darüber bestanden, Unterschriftenlisten weiterhin zuzulassen. Über den gestellten Antrag seien die nicht gemeinderätlichen Mitglieder dieses Arbeitskreises nicht informiert. Er selbst könne die Argumentation für diesen Antrag nicht nachvollziehen. In der Vergangenheit seien häufig als Kern der Meinungsbildung/Bürgerbeteiligung Unterschriften gesammelt worden. Weiter erinnert er an Initiativen, auch vonseiten Bündnis 90/DIE GRÜNEN, zur Erleichterung von Onlinepetitionen. Wenn dem Antrag entsprochen würde, wäre dies ein Rückschritt. Manche Lobbyistenvereinigungen hätten sich des letzten BHH bedient, und von daher sei das Anliegen, diese "auszubremsen" nachvollziehbar. Außer Frage stehe aber doch, dass diese Gruppen in der Lage sind, auch Postkarten abzusenden. Zudem müsse gesehen werden, dass sich durch einen Wegfall von Unterschriftenlisten die Teilnahme drastisch reduziert. Im weiteren Verlauf wirft er die Frage auf, wie sich die Verwaltung verhalten soll, wenn eine Postkarte zwei Unterschriften aufweist.

Gegen Ende der Aussprache schlägt BM Wölfle vor, die Vorlage heute zur Abstimmung zu stellen und das Für und Wider beim Thema Unterschriftenlisten im Arbeitskreis nach der Sommerpause abzuwägen.

Laut StRin Münch möchte ihre Fraktion den BHH nicht mit anderen Beteiligungsformen gleichsetzen. In der Entwicklungsphase eines modernen Beteiligungsverfahrens gebe es Mischformen. Gewollt werde die Bürger am BHH-Verfahren zu beteiligen und nicht nur punktuell einzubeziehen. Daher werde insgesamt eine Stärkung des BHH-Verfahrens angestrebt. Der gestellte Antrag sei eine Reaktion auf eine festgestellte "Unwucht". Sollte bei einem geänderten Verfahren durch Postkarten weiterhin diese "Unwucht" festgestellt werden, müsste überlegt werden, ob erneut nachgesteuert werden soll. Sie hält ihren Antrag aufrecht.

Dem Vorschlag von BM Wölfle und einer Wortmeldung von StR Kanzleiter Rechnung tragend stellt EBM Föll zum Abschluss dieses Tagesordnungspunktes fest:

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