Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 24.07.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: "Hotel Silber: kaum eröffnet, schon wichtiger Ort der Bildung und Kultur für Stadt und Land"
- gemeinsamer Antrag Nr. 182/2019 vom 10.05.2019
(90/GRÜNE, SPD, SÖS-LINKE-PluS)

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 03.07.2019, öffentlich, Nr. 317

Ergebnis: Vertagung


Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der Bitte des Vorsitzenden entsprechend wird dieser Tagesordnungspunkt vor der Behandlung des heutigen Tagesordnungspunkts 8 "Leitlinie für informelle Bürgerbeteiligung Evaluation der Leitlinie und Weiterentwicklung des Beteiligungsportals www.stuttgart.meine-stadt.de", heutige NNr. 427, vorgezogen.


Zu Beginn informiert EBM Dr. Mayer, dass das Hotel Silber am 03.12.2018 nach umfangreicher Sanierung mit freiem Eintritt eröffnet wurde. Zuvor habe ein Dialogprozess zwischen Stadt, Land und der Initiative Hotel Silber stattgefunden. EBM Dr. Mayer bittet die Direktorin des Hauses, Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger, um einen Bericht.

Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger trägt daraufhin vor, das Hotel Silber sei als Außenstelle des Hauses der Geschichte eröffnet worden. Betreiber sei die Landeshauptstadt Stuttgart gemeinsam mit der Initiative "Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V". Die Partner hätten gemeinschaftlich alle Konzepte und Texte erarbeitet und würden nun auch gemeinschaftlich diesen Ort betreiben. Alle Inhalte und Veranstaltungen würden gemeinsam in den Gremien wie Programmbeirat, Verwaltungsrat sowie Runder Tisch besprochen. Es habe zur Eröffnung eine große und positive öffentliche Resonanz gegeben. Alle Ausstellungstexte stünden in englischer und französischer Sprache zur Verfügung, zudem als Booklets und als Audio-Guide, der die Besucher/-innen durch das Haus führe. Im ersten Halbjahr seien 30.000 Besucher/-innen, davon allein 3.000 in der "Langen Nacht der Museen", gekommen. Den Besuchern würden über einen Audio-Guide beim Hausdurchgang in deutscher, englischer und französischer Sprache 20 "Points of interest" zur Verfügung gestellt. Für Gruppen, Schulklassen und Erwachsende würden Rundgänge mit 60 oder 90 Minuten angeboten, außerdem würden für Schulklassen auch Workshops mit 120 Minuten angeboten. Für alle Schularten gebe es Lern- und Lehrhefte sowie unterschiedliche Materialen. Diese hätten vor ihrer Drucklegung Probe- und Evaluierungsläufe durchlaufen. Zusätzliche Angebote gebe es für Menschen mit speziellen Bedürfnissen, Beeinträchtigungen oder besonderen Interessen. Über Formulare, die den Geschichtsvermittlern zur Verfügung gestellt und ausgelegt werden, könnten die Besucher/-innen ein Feedback geben, entweder elektronisch per E-Mail oder Briefen, aber auch in persönlichen Gesprächen. Es gebe also drei Gruppen: einmal Menschen, die an historisch politischen Themen an Museen interessiert seien. Dann die Menschen, die einen familiären Bezug zum Hotel Silber hätten (NS-Opfer) sowie deutschlandweit und darüber hinaus Experten, die zu ähnlichen Themen arbeiteten. An dieser Stelle weist Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger auf den Austausch mit Hamburg und Trier hin.

Insbesondere werde der Bürgerbeteiligungsprozess deutschlandweit als sehr gelungen angesehen. Einerseits würden Interessierte selbst nach Stuttgart kommen, andererseits würden manche einladen. Als Fazit könne man sagen, viele Menschen in Stuttgart und in der Region hätten lange darauf gewartet, dass das Haus eröffnet werde, und dass man diesen für die NS-Geschichte historischen Ort erhalten habe. Es liege allen am Herzen, dass das Haus für alle Besucher/-innen offengehalten werde, und das man dem historisch politischen Bildungsauftrag weiter gerecht werden könne. Man stelle fest, dass der freie Eintritt ein Baustein sei aber nicht der alleinige. Zusätzlich müsse ein Programm dazukommen. So müssten immer wieder neue Besucheranlässe angeboten werden, um Menschen ins Haus zu holen. Dies geschehe über Veranstaltungen.

Im ersten Halbjahr des Jahres seien über 30 Veranstaltungen durchgeführt worden, und viele folgten noch. Es gebe ein breitgefächertes Angebot von Vorträgen, Filmveranstaltungen und Podiumsdiskussionen. Diese Informationen seien ein erster Einblick.

EBM Dr. Mayer bedankt sich für die Ausführungen. Er merkt an, es sei ein langer Anlauf von den ersten Ideen und dem Dialogprozess bis hin zur Sanierung und Eröffnung gewesen (ca. zehn Jahre). Dieser Weg sei begleitet worden durch sehr intensives bürgerschaftliches Engagement. EBM Dr. Mayer begrüßt es nachdrücklich, dass der Gemeinderat die maßgeblichen Initiatoren Frau Banabak und Herr Stingele mit der Bürgermedaille der Stadt Stuttgart ausgezeichnet habe. Aber es habe nicht nur ehrenamtliches Engagement gegeben, sondern auch hauptamtliches Engagement. Daher bedankt sich EBM Dr. Mayer bei Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger und auch bei Herrn Prof. Dr. Schnabel ganz herzlich und bezeichnet das Ergebnis als großartig. Es sei eine fesselnde und berührende Ausstellung. EBM Dr. Mayer empfiehlt deren Besuch.

StR Winter (90/GRÜNE) bedankt sich bei Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger für ihren Bericht. Er bezeichnet es als sehr schön, wie sich alles entwickelt hat. Die Institution stehe auf den drei Säulen bürgerschaftliches Engagement, Land und Stadt. Seiner Einschätzung nach handelt es sich um eine großartige Ausstellung. Dabei hebt er insbesondere auf aktuelle politische Entwicklungen sowie auf bis Ende der 1960er-Jahre verfolgte Gruppen ab. Über die Auszeichnung von Frau Banabak und Herrn Stingele freue er sich sehr.

StRin Vowinkel (SPD), Vorstandsmitglied der Initiative Hotel Silber, berichtet von einem harten Ringen, das Haus zu erhalten. Es sei ein Erfolg der Geschichte, dass zudem ein Regierungswechsel auf Landesebene erfolgt sei. Ansonsten wäre das Haus nicht mehr existent. StRin Vowinkel begrüßt es, dass es gelungen sei, sehr viele Beteiligte an einen Tisch zu bekommen und dass diese sehr gut zusammenarbeiteten. Es freut sie, dass das Konzept, welches bundesweit nachgefragt werde, aufgegangen sei und man damit neue Wege betreten habe. Die Stadt sei gut beraten gewesen, sich auf diesen wichtigen Weg zu begeben. Man müsse nun weiterhin vieles gemeinsam angehen und überlegen, was für einen stetigen Entwicklungsprozess noch benötigt werde. Dies sei bedeutsam, um weiterhin Besucher/-innen, hauptsächlich junge Menschen, an das Hotel Silber und die Erinnerungsarbeit heranzuführen. Information und Bildung der Besucher/-innen sei das Ziel. Ehrenamtlichkeit führe zu anderen betrieblichen Voraussetzungen. Dann brauche es Unterstützung, um Veranstaltungen auch selbst zu organisieren. Entsprechend müsse der Etat angepasst werden. Die Personalstelle beim Hotel Silber sei gut besetzt, allerdings am Rande der Kapazität angekommen, was Anforderungen und Anfragen betreffe. Letztendlich sei alles eine Haushaltsfrage. Sie vertritt die Auffassung, dass die NS-Historie der Stadt Stuttgart intensiver erforscht werden muss. Andere Städte seien hier schon weiter. Sie dankt dem Stadtarchiv, namentlich dem Leiter Herrn Dr. Müller, für die Unterstützung und stellt der Stadtverwaltung die Frage, welche Konsequenzen es für den Haushalt hätte, die Erinnerungskultur über mehrere Jahre aufzuarbeiten.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) schließt sich bezüglich der Bedeutung des Ortes und der Bedeutung der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Arbeit den Vorrednern und Vorrednerinnen an. Er fordert wie StRin Vowinkel weiterhin freien Eintritt für das Haus, als Sicherung der weiteren Aufarbeitung der NS-Geschichte in Stuttgart. Von ihm wird an die lange Vorgeschichte und daran erinnert, dass er anfangs nur wenig Unterstützung bei der Verfolgung dieses Projekts erfahren hat. Mit dem nun Erreichten zeigt er sich jedoch zufrieden.

Von StRin von Stein (FW) wird angeregt, den Audio-Guide außer mit englisch und französisch auch mit weiteren Sprachen, z. B. türkisch, zu ergänzen. Angesichts der Bevölkerungszusammensetzung wäre dies aus ihrer Sicht hilfreich.

Anschließend zeigt sich StR Brett (AfD) davon überzeugt, dass es richtig ist, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Bezogen auf die französische Besatzungszeit und auf die damals erfolgten Vergewaltigungen schlägt er die Erarbeitung einer Erinnerungskultur gemeinsam mit dem französischen Generalkonsulat vor.

Der Vorsitzende ist der Meinung, dass der Sinn des Hotels Silber diesem Ansatz nicht entspricht. Er trägt vor, bislang seien 280.000 €/Jahr für das Hotel Silber vorgesehen. Aufgrund von Tarifsteigerungen und einem zusätzlichen Aufwand für den technischen Gebäudedienst habe sich die Verwaltung für das Jahr 2020 auf einen Mittelansatz in Höhe von 345.000 € geeinigt (2021 322.000 €). Im Jahr 2020 liege der Betrag aufgrund einer für das Jahr 2019 zu verbuchenden Nachzahlung höher. In den jetzigen Planungen sei ein freier Eintritt bereits veranschlagt bzw. es würden keine Erträge für die Ausstellung veranschlagt. Im Dezember wäre für ihn die Frage zu stellen, was ein Kassensystem mit Kassenpersonal kosten würde. Er könne sich nicht vorstellen, dass dies einen wirtschaftlicheren Betrieb bewirken könnte. Darüber sollte allerdings in den Etatberatungen diskutiert werden.

Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger äußert die Vermutung, dass sich eine entsprechende Umstellung unwirtschaftlich auswirken würde und sieht viele Vorteile in einem freien Eintritt, was vor allem mit dem attraktiven Standort zu tun habe. Viele Besucher/-innen kämen in der Mittagspause oder nach der Arbeit für eine halbe Stunde vorbei. Auch die Abendveranstaltung mittwochs sei gut besucht und führe zu Wiederholungsbesuchen. Sie bezeichnet den freien Eintritt als sehr hilfreich und als einen großen Beitrag zur historisch politischen Bildung sowie zur Museumslandschaft. Zum Anliegen von StR Brett ergänzt Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger, dass der Auftrag vom Haus der Geschichte ein Auftrag für das ganze Land sei und nicht nur stuttgart-spezifisch. Sie könne sich vorstellen, dass das Thema etwas für das Stadtmuseum sein könnte. Das Thema sei zwar wichtig, aber für sie ergebe sich zum Hotel Silber keine Brücke.

StR Winter macht den Vorschlag, einen Runden Tisch der beim Hotel Silber Beteiligten noch vor den Haushaltsberatungen einzuberufen. EBM Dr. Mayer und Frau Prof. Dr. Lutum-Lenger begrüßen diesen Vorschlag. Sie wollen das Anliegen weitergeben.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt EBM Dr. Mayer diesen Tagesordnungspunkt ab.

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