Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
483/2022
GZ:
OB 7831-10.20
Sitzungstermin: 27.07.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Beschluss des Sonderlenkungskreis Stuttgart 21 am 18.07.2022

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 20.07.2022, öffentlich, Nr. 251
Ergebnis: Einbringung
Gemeinderat vom 21.07.2022, öffentlich, Nr. 140
Ergebnis: Zurückstellung

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 19.07.2022, GRDrs 483/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat stimmt nachträglich der Unterzeichnung der unter Vorbehalt stehenden gemeinsamen Erklärung zur Planung und Realisierung Ausbaustrecke Stuttgart - Singen - Grenze D/CH (Gäubahn, Abschnitt Nord (Stuttgart-Flughafen - Böblingen-Goldberg) und "P-Option" zu.

2. Der Gemeinderat stimmt nachträglich der Unterzeichnung der unter Vorbehalt stehenden Übereinkunft zum Erhalt der Gäubahn im Abschnitt Stuttgart Nord - Stuttgart-Vaihingen (sog. Panoramabahn) über die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 hinaus zu.

3. Der Gemeinderat stimmt nachträglich dem unter Vorbehalt gefassten Beschluss des Sonderlenkungskreises Stuttgart 21 am 18. Juli 2022 "Änderung der Anbindung der Strecke 4860 Stuttgart - Singen - Grenze D/CH (Gäubahn) über den Stuttgarter Flughafen an den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof" zu.
4. Der Vertreter der LHS in der Gesellschafterversammlung der Flughafen Stuttgart GmbH wird beauftragt, den Weisungen an die Geschäftsführung der FSG, die "gemeinsame Erklärung" vom 18.07.2022 (Ziff. 1) sowie die dazu erforderlichen Anpassungen zur Finanzierungsvereinbarung Stuttgart 21 vom 02.04.2009 (sobald diese rechtlich geprüft und freigegeben ist) zu unterzeichnen, zuzustimmen.


OB Dr. Nopper berichtet, im Sonderlenkungskreis S21 sei aus seiner Sicht der "Gordische Gäubahn-Knoten" durchschlagen worden. Der mehrheitlich geäußerte Wunsch des Gemeinderates sei in Erfüllung gegangen. So habe man sich einmal auf die Führung der Gäubahn über den Flughafen und Pfaffensteigtunnel zum Stuttgarter Hauptbahnhof (Hbf.) verständigt. Zum anderen sei eine Verständigung über den Erhalt der Panoramastrecke bis zum Nordhalt sowie gegebenenfalls darüber hinaus bis Feuerbach und Bad Cannstatt erfolgt. Am Rande des Treffens hätten verschiedene Teilnehmende von einer historischen Verständigung gesprochen.

Von einer sehr wichtigen und guten Entscheidung für die LHS und die Region spricht StRin Rühle (90/GRÜNE). Analog äußern sich StR Kotz (CDU) und StR Conzelmann (SPD).

Für StRin Rühle stellen die Panoramastrecke und der Nordhalt dringend notwendige Ergänzungen des Bahnprojekts S21 dar. Schwierig würden die Bildung der Betreibergesellschaft sowie die Festlegung des städtischen Finanzierungsanteils. Schnellstmöglich müsse die Sanierung und die Realisierung des Nordhalts beginnen, damit die Unterbrechung des Bahnverkehrs ab Vaihingen in Richtung Hbf. - diese werde wohl trotzdem kurzzeitig nötig sein - so kurz wie möglich gehalten werden könne. Zudem müsse geschaut werden, wie sich nach Norden sowie perspektivisch eine sinnvolle Anbindung nach Osten schaffen lasse, damit der Nordhalt wirklich der dort notwendige Umsteigeknotenpunkt werde. Als sehr gut habe sich gezeigt, dass alle Fraktionen in Teilen bei der Formulierung des interfraktionellen Antrags über ihren Schatten gesprungen seien. Ergänzungen wie beispielsweise eine Ergänzungsstation am Hbf. würden von ihrer Fraktion weiterhin perspektivisch für sinnvoll und richtig angesehen.

Insbesondere ergibt sich für StR Kotz Eile beim Bau des Nordhalts. Die Streckenkappung müsse zeitlich so kurz wie möglich gehalten werden. Dem Oberbürgermeister und allen denjenigen, die die Sitzung des Lenkungskreises vorbereitet haben, sprechen er sowie StR Conzelmann ihren Dank aus.

Für seine Fraktion, so StR Conzelmann, sei es wichtig, dass die Finanzierung durch den Bund soweit geklärt sei und dass vom Planfeststellungsabschnitt 1.3b (Gäubahnführung) auf den Pfaffensteigtunnel umgeswitcht werden könne. Dabei sei es bedeutsam, dass in Plieningen mit den Flächen für die Bauinfrastruktur möglichst schonend umgegangen werde. Begrüßenswert wäre, und dies sei seitens der SPD-Gemeinderatsfraktion bereits im UA S21/Rosenstein zum Ausdruck gebracht worden, dass über die tatsächlich benötigten Flächen eine ehrliche Kommunikation stattfinde. Neben dem Umgang mit den städtischen Grundstücken müsse die Frage geklärt werden, wie es gelinge, den Verband Region Stuttgart an der Betreibergesellschaft zu beteiligen. Er kündigt an, sich langfristig politisch für das Nordkreuz engagieren zu wollen.

Verbunden mit seiner grundsätzlichen Kritik am Bahnprojekt S21 wird von StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) angemerkt, der Nordhalt werde nicht rechtzeitig fertiggestellt. Die Beschlussantragsziffer 2 bittet er getrennt zur Abstimmung zu stellen. Lediglich dieser Beschlussantragsziffer könnte seine Fraktionsgemeinschaft heute zustimmen. Fakt sei, dass durch den heute zur Beratung stehenden Beschlussantrag viele Anrainerkommunen und auch die Schweiz vom Stuttgarter Hbf. abgehängt werden. Dies sei unnötig und bahntechnisch nicht sinnvoll. Für die heute noch anstehende Unterzeichnung der Vereinbarung zur Klimaneutralität 2035 stelle der Beschlussantrag einen "Bärendienst" dar, und zudem werde dadurch die Verkehrswende behindert und der Pendlerverkehr erschwert.

Ebenfalls zustimmend zur Beschlussantragsziffer 2 äußert sich StR Ozasek (PULS). Die Rettung der Panoramabahn sei ein großer Erfolg, der einer Initiative aus dem Gemeinderat geschuldet sei. Seine Fraktionsgemeinschaft sei mit dem Erreichten zufrieden. Man habe hier Bedenken beiseite geräumt, um den historischen Fehler der Schließung der Panoramabahn abzuwenden. Auch das Commitment zum Nordkreuz sei sehr wertvoll. Mit der Panoramabahn werde sich ein großer Evolutionsschritt insbesondere der S-Bahn, womöglich auch der Nebenbahnen, eröffnen. Nicht glücklich sein könnten die Anliegerkommunen der Gäubahn (1,4 Mio. Menschen) mit dem Ergebnis des Lenkungskreises. Ihr Anschluss an den Hbf. werde letztlich gekappt. Dies entspreche nicht dem Wunsch seiner Fraktionsgemeinschaft. Bedauert wird von ihm, dass zu der Tunnellösung keine Variantenkonkurrenz stattgefunden hat, dass keine strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde und dass keine standardisierte, belastbare Bewertung vorliegt. Ungeklärte Fragen gebe es zu den Themen Erdaushub und Baustelleneinrichtungen "auf besten Filderböden". Dies alles jetzt schon als abgeschlossen zu betrachten, werde als Fehler angesehen. Dies entspreche nicht der Systematik, wie in Deutschland Verkehrsinfrastruktur entwickelt werden sollte. Insbesondere die klimatologischen Folgen des Tunnelbauwerks würden sehr kritisch gesehen. Zudem sei eine solche Lösung angesichts des hohen Sanierungsbedarfs bei der DB-Infrastruktur nicht mehr zeitgemäß.

Abschließend stellt EBM Dr. Mayer fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt der Beschlussantragsziffer 2 einmütig zu.

Der Verwaltungsausschuss stimmt den Beschlussantragsziffern 1, 3 und 4 bei 3 Gegenstimmen mehrheitlich zu.
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