Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 26.10.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Grundsteuerreform nicht für städtische Mehreinnahmen missbrauchen!
- Antrag Nr. 282/2022 vom 16.09.2022 (CDU)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der Sachvortrag von BM Fuhrmann ist nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

BM Fuhrmann:

"Die Antragsziffer 1 betrifft das Grundsatzthema Hebesatzneutralität. Ab 2025 müssen die Bundesländer aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts neue Regelungen schaffen. Das Land Baden-Württemberg hat sich für das Bodenrichtwertmodell entschieden.

Vorab kann ich sagen, die Verwaltung strebt eine aufkommensneutrale Hebesatzveränderung an. Das entspricht nicht nur der Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundes- und Landesebene, sondern die von Bundes- und Landesregierung geäußerten Erwartungen besagten ebenfalls, dass im Zuge der Neuregelung eine aufkommensneutrale Veränderung stattfinden soll. Dem schließt sich die Verwaltung also uneingeschränkt an.

Die Verwaltung beabsichtigt dem Gemeinderat im zweiten Halbjahr 2024 einen Entwurf für die Änderung der Realsteuerhebesatzung mit aufkommensneutralen Hebesätzen vorzuschlagen. Bis dahin werden weitestgehend die Grundsteuermessbeträge feststehen und verlässliche Zahlen vorliegen. Wenn man dies zu einem früheren Zeitpunkt machen würde, müsste teilweise auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Da das Thema in der Bevölkerung diskutiert wird, könnten wir uns allerdings auch einen früheren Zeitpunkt, um die Emotionen etwas herauszunehmen.

Zu der neuen Grundsteuer C (für unbebaute aber baureife Grundstücke) - diese wird seitens der Verwaltung eher kritisch gesehen. Im ersten baden-württembergischen Landesgrundsteuergesetz war diese Grundsteuer C zunächst gar nicht vorgesehen. Diese wurde erst später mit § 50a eingefügt. Der Grund, warum man diese ursprünglich nicht vorsah war, dass nach dem Bodenwertmodell eigentlich klar war, und die Musterberechnungen haben dies auch bestätigt, dass ohnehin schon eine sehr starke Erhöhung für diese Grundstücke erfolgt.

Die jetzige Regelung würde bedeuten, dass diese Grundstücke gleich besteuert würden. Bei Wohnbaugrundstücke würde sich das noch verstärken, da Wohnbaugrundstücke nochmal einen 30 %igen Abschlag bekommen, wenn sie bebaut sind. Insofern ist da schon eine gewisse Diskrepanz enthalten, weil eben diese Vergünstigung von 30 % zu berücksichtigen ist. Hinzu kommt, das ist für die Verwaltung natürlich immer ein Punkt auf den man abstellt, die Grundsteuer C ist sehr aufwendig zu bearbeiten. Es muss eine genaue Bezeichnung der baureifen Grundstücke erfolgen (die Lage, das Gemeindegebiet, auf den sich der besondere Hebesatz bezieht). Die Grundstücke müssen in einer Karte ausgewiesen werden und dann im Wege einer Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gemacht werden. Allgemeinverfügungen sind wie Verwaltungsakte angreifbar, sprich, da erwarten wir dann Rechtsstreitigkeiten, die natürlich von der Stadt zu führen sind. Ich möchte nochmal in Erinnerung rufen, in den 60er-Jahren gab es schon mal eine Grundsteuer C, die dann aber relativ schnell wieder abgeschafft wurde, genau aus diesem Grund, weil diese unglaublich streitanfällig ist.

Eine weitere Frage der CDU-Fraktion ist, wie die Lenkungswirkung beurteilt wird. Wir schätzen die Lenkungswirkung für den Wohnungsbau als eher gering ein, da wir sehen, dass die Menschen, die heute schon Grundstücke brach liegenlassen, es vielleicht wirtschaftlich nicht notwendig haben, diese zu bebauen. Wir sind der Meinung, dass die Grundsteuer C nicht das Mittel sein wird, um die Menschen zu bewegen, ihre Häuser zu verkaufen. Die betreffenden Personen würden wohl dann eben etwas mehr Grundsteuer bezahlen. Sollte darüber nachgedacht werden, die Grundsteuer C durchaus spürbar hoch anzusetzen, könnte das Auseinanderfallen von Grundsteuer C und Grundsteuer B möglicherweise rechtlich problematisch ausfallen; beide Grundsteuerarten müssen vergleichbar sein.

Von welchen Grundstücken reden wir denn in diesem Zusammenhang? Eine genaue Datenanalyse war kurzfristig nicht möglich. Wir haben uns aber die Potenzialanalyse Wohnen, die sie ja kennen, angeschaut. Demnach würden rund 11 % dieser Potenzialflächen unter diese Grundsteuer C fallen. Also ein überschaubarer Anteil.

Von uns wurde noch eine Betrachtung aus haushalterischer Sicht vorgenommen. Das Ergebnis lautet, die Einführung einer Grundsteuer C wäre haushaltsneutral, weil sich die Erträge durch Mehraufwendungen kompensieren würden. Insofern wäre diese Grundsteuerartes zumindest für den Haushalt nicht relevant.

Wir haben ebenfalls geschaut welche anderen Instrumente mit Lenkungswirkung möglich wären. Darüber hatten wir bereits im Rahmen der Grundsatzvorlage Bodenpolitik gesprochen. Das Thema Baulandmobilisierungsgesetz, welches in das BauGB eingeführt worden ist, bietet die Möglichkeiten eines erweiterten Vorkaufsrechts, eines weiteren Baugebots und von Baubefreiungen bei bestimmten Festsetzungen des Bebauungsplans. Diese Möglichkeiten sehen wir als die richtigen Instrumente an, die wahrscheinlich mehr Auswirkungen auf die Bebauung von Grundstücken haben, als die Grundsteuer C. Das ist zumindest unsere vorläufige Einschätzung.

Zum dritten Antragspunkt, den Oberbürgermeister aufzufordern, hinsichtlich der Umlegungsfähigkeit der Grundsteuer im Bereich der Nebenkosten, aktiv zu werden. Diese Umlegungsfähigkeit wird weiterhin durch § 556 BGB vorgeschrieben. Uns ist nicht bekannt, dass der Bundesgesetzgeber da irgendetwas ändern möchte."

Für den Bericht bedanken sich StR Kotz (CDU), StR Winter (90/GRÜNE) und StRin Meergans (SPD). Davon, dass sich viele Verzerrungen hätten vermeiden lassen, wenn sich Baden-Württemberg dem Bundesmodell angeschlossen hätte, geht StRin Meergans aus. StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) äußert die Hoffnung, dass "Großgrundbesitzer", wie die Fa. Daimler, künftig mehr Grundsteuer entrichten müssen. Für StR Dr. Oechsner (FDP) ist zu hoffen, dass die unterschiedlichen Modelle der Grundsteuerveranlagung nicht angreifbar sein werden; eine Vergleichbarkeit auf Bundesebene wird nicht mehr vorliegen.

Von StR Kotz wird der Antrag Nr. 282/2022 erläutert. Er betont dabei, der Gemeinderat könne in seiner morgigen Sitzung die wichtige Botschaft senden, dass er den Willen hat, die neue Grundsteuer einkommensneutral zu gestalten. Je schneller bei der Verwaltung Klarheit über die Rahmenbedingungen bestehe, umso besser. Dies müsse dann, um der Bevölkerung Planungssicherheit zu vermitteln, deutlich vor dem zweiten Halbjahr 2024 kommuniziert werden. Trotz eines in der Gesamtsumme gleichbleibenden Grundsteueraufkommens werde es wohl bei den Grundsteuerbescheiden doch zu deutlichen Veränderungen kommen. Die stärker belasteten Steuerpflichtigen könnten sich bei frühzeitiger Information besser darauf einstellen. Die seitens des Vorsitzenden geäußerten Bedenken zu der Grundsteuer C teilt er. Zu dieser Grundsteuer C kann sich StR Winter eine vertiefte Befassung im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vorstellen. Dies unterstützen StRin Meergans und StR Urbat. Von BM Fuhrmann wird dies zugesagt.

StRin Meergans, StR Urbat und StR Dr. Oechsner unterstützen ebenfalls eine einkommensneutrale Umsetzung sowie eine möglichst frühzeitige Einbindung der Bevölkerung.

Die Beibehaltung der Umlagemöglichkeit (Antragsziffer 3) lehnen StRin Meergans und StR Urbat ab. Sie sprechen sich dafür aus, dass die Grundstückseigentümer künftig die Grundsteuer nicht mehr auf Mieter umlegen können. Dagegen stellt die Umlage der Steuer für StR Dr. Oechsner eine faire Kostenaufteilung dar. Er rät, darüber nachzudenken, ob es klug ist zu sagen, die Vermieter müssen alle Abgaben bezahlen. Diese Vorgehensweise schätzt er hinsichtlich der Schaffung von Wohnraum als kontraproduktiv ein.



Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt BM Fuhrmann diesen Tagesordnungspunkt mit der Ankündigung ab, dass der Antrag Nr. 282/2022 in der morgigen Sitzung des Gemeinderates zur Abstimmung gestellt wird.

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