Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 35/2012
Stuttgart,
02/10/2012



Ein Quadratkilometer Bildung in Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich15.02.2012



Beschlußantrag:

1. Der Umsetzung des Programms der Freudenberg Stiftung Ein Quadratkilometer Bildung als Kooperationsprojekt zwischen der Landeshauptstadt und einem Stiftungsverbund wird zugestimmt. Das Projekt wird bevorzugt im Einzugsgebiet einer Grundschule an einem der Modellstandorte der Bildungsregion verortet und ist als ein nachhaltiges lokales Bündnis für Bildung auf insgesamt zehn Jahre angelegt. Nach jeweils drei Jahren wird über die gemeinsame Fortführung der Arbeit entschieden.

2. Der Stiftungsverbund unter Federführung der Freudenberg Stiftung trägt die Kosten für die Projektleitung und mögliche weitere Mitarbeiter/innen im Projekt für die gesamte Laufzeit des Projekts. Anstellungsträger für das Personal ist die Weinheimer Forschungsgruppe Modellprojekte FGM e.V., die als Träger von Gemeinschaftsprojekten der federführenden Freudenberg Stiftung fungiert.

3. Die Landeshauptstadt trägt die Sachkosten in gleicher Höhe, aber bis zu maximal 80.000 Euro/Jahr. Darin enthalten sind die Arbeitsplatzkosten für die Projektleitung und Raumkosten für eine Pädagogische Werkstatt vor Ort. Die städtischen Mittel von bis zu 80.000 Euro/Jahr werden aus dem allgemeinen Budget der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft (S-BiP) bestritten.

4. Die Steuerung der Entwicklung und Umsetzung erfolgt inhaltlich durch S-BiP und die Freudenberg Stiftung auf der Basis einer Kooperationsvereinbarung.


Begründung:


1. Das Konzept

Das Programm von Ein Quadratkilometer Bildung entspricht den Zielen, konkretisiert und vertieft die gesamtstädtische Stuttgarter Bildungspartnerschaft und die stadtteilbezogene Bildungsregion. Er zielt als Public Private Partnership auf den Aufbau eines kleinräumigen Bildungsverbunds, der gemeinsam Verantwortung dafür übernimmt, dass Kinder und Jugendliche eine ermutigende Bildungsbiografie durchlaufen, und der alle beteiligt, die dazu etwas beitragen können.

Die Bildungsförderung fokussiert sich dazu auf den überschaubaren Einzugsbereich einer Grundschule, um möglichst nah an den Bildungsbedürfnissen der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien zu sein.

Der Schwerpunkt liegt auf der früh ansetzenden Bildung als einer Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kindertageseinrichtungen, der Grundschule als Schlüsselschule im Projekt sowie ihren Kooperationspartnern seitens der Jugendhilfe, der Kultur, des Sports, der freiwilligen Bildungspaten und der weiterführenden Schulen vor Ort. Daher wird im Projekt auch stark an den Stärken und Interessen der Eltern angesetzt. Sie sind die zentralen Bildungspartner der Einrichtungen.

Bildungspolitisch geht es um ein Steuerungsmodell für mehr Bildungsgerechtigkeit in der Stadt, basierend auf modellhafter Erprobung und Evaluation gelingender Praxis in einem besonders benachteiligten und zugleich besonders entwicklungsbereiten Grundschulbezirk.

Das Programm bietet den Bildungseinrichtungen vor Ort mit seiner langfristigen Entwicklungsperspektive sowie einer Pädagogische Werkstatt als gemeinsamer Lernplattform für Erzieher/innen, Lehrer/innen, Eltern und weitere lokale Bildungsakteure die Möglichkeit, eine an den Bedürfnissen und Potenzialen der Kinder und ihrer Familien ansetzende Bildungsförderung im Sinne einer funktionierenden „Bildungskette“ zu etablieren. Ein solches komplexes Vorhaben lässt sich in üblichen Förderperioden von 2 – 3 Jahren nicht realisieren.

Durch das Programm Ein Quadratkilometer Bildung soll auf keinen Fall eine Parallelstruktur zu bestehenden Bildungsprogrammen in der Stadt entstehen.

Im Unterschied zum Landesprogramm Bildungsregion ermöglicht der ergänzende Förderansatz von Ein Quadratkilometer Bildung mit seinen zusätzlichen Ressourcen die Entwicklung, langfristige Umsetzung und wissenschaftliche Evaluation einer binnendifferenzierten und individuell ausgerichteten Förderung der einzelnen Kinder vor Ort. Das betrifft insbesondere eine engere Verzahnung der bestehenden Sprachförderkonzepte von Kitas und der Grundschule als der Schlüsselschule im Projekt.

Die Schlüsselschule kann ein durchgängiges Sprachförderkonzept für alle Klassenstufen (weiter-)entwickeln, das vor allem den Kindern aus bildungsbenachteiligten Familien zugute kommt. Die erarbeiteten individuellen Förderansätze sollen in die konzeptionelle Ausgestaltung anderer Grundschulen als künftige Ganztagesschulen einfließen.

Individuelle Bildungsbedürfnisse und Kompetenzen der Kinder können im Rahmen von Ein Quadratkilometer Bildung systematisch erfasst werden, ebenso die tatsächlich erreichten Lernerfolge im Laufe des Projekts. Eine am kindlichen Bildungserfolg orientierte Wirkungskontrolle durch die wissenschaftliche Begleitung ist fester Bestandteil des Programms von Beginn an.

Die in Stuttgart bereits sehr weit entwickelten Kita-Ansätze (Portfolio in Einstein-Kitas und andere Methoden zur Erfassung und Förderung der individuellen Lernentwicklung, vergleichbare Ansätze wie LernWerkstatt KiTa beim kath. und Bildungs- und Lerngeschichten beim evang. Kita-Träger, „Rucksack“-Programm zur Elternbildung, vorurteilsbewusste Erziehung im Projekt „Kinderwelten“ u.a.) sollen auch in schulische Qualitätsentwicklungsprozesse integriert werden.

Bildungsbenachteiligte Familien mit Kindern unter drei Jahren durch ergänzende Angebote im Familienzentrum früh eingebunden werden. Dadurch kann auch der Zugang von Familien in psychosozialen Notlagen zu Hilfen zur Erziehung frühzeitig sichergestellt werden. Das Beratungszentrum des Jugendamtes und andere Jugendhilfeträger sind neben dem städtischen Elternseminar wichtige Unterstützungssysteme im lokalen Bildungsverbund.

Kulturelle Bildung und ergänzende individuelle Lernangebote durch freiwillige Bildungspaten können in der Grundschule längerfristig verankert werden. Kulturelle Bildung, Sport und Bewegung sowie gesunde Ernährung sollen auch ein fester Bestandteil der vor- und außerschulischen Förderung im Stadtteil werden.

Die Projektleitung begleitet all diese Entwicklungsprozesse intensiv und hat auch ihren Arbeitsplatz vor Ort in der Pädagogischen Werkstatt des Grundschulbezirks.

Die Beteiligung an der Mobilen Lernplattform des Stiftungsverbundes Ein Quadratkilometer Bildung garantiert Austausch, Beratung, Fortbildung und Qualitätsentwicklung mit anderen Standorten dieses Programms bundesweit.

Umgekehrt sollen gute Praxisansätze aus Ein Quadratkilometer Bildung Stuttgart kontinuierlich dokumentiert und gesamtstädtisch sowie überregional vorgestellt werden mit dem Ziel, gelingende Umsetzungsstrategien frühzeitig auf andere lokale Bildungsverbünde auszuweiten.

Nicht zuletzt bietet ein erfolgreiches Engagement des Stiftungsverbundes in Ein Quadratkilometer Bildung Anreize für weitere potenzielle Förderer aus der Bürgergesellschaft (Stiftungen, Lions Clubs, Rotarier, Unternehmen), gemeinschaftliche und ganzheitlich ausgerichtete Bildungsansätze in anderen sozial benachteiligten Quartieren zu fördern – anstatt nur befristete Einzelprojekte, die oft wenig mit den alltäglichen Bildungsangeboten von Kitas und Schulen verzahnt sind.

In Stuttgart gibt es viele vorbildliche Projekte, aber nur in einem engen Zusammenwirken von vorschulischer, schulischer und außerschulischer Bildung können gelingende Bildungsverläufe und –übergänge nachhaltig sichergestellt werden.

Ein Quadratkilometer Bildung soll kein singuläres Projekt ohne Transferbezug bleiben. Das Programm versteht sich als ein Motor für gelingende gemeinschaftliche Bildungsprozesse in benachteiligten Stadtteilen, die sich kleinräumig um entwicklungsbereite Grundschulen als „Magnetschulen“ konzentrieren.
Deshalb werden erfolgreiche Praxisansätze aus Ein Quadratkilometer Bildung regelmäßig in anderen kommunalen Arbeitsgremien vorgestellt. Die detaillierte Konzeption der Freudenberg Stiftung für den Aufbau von Ein Quadratkilometer Bildung in Stuttgart ist in der Anlage beigefügt. Diese beinhaltet auch einen vorläufigen Kostenplan für 2012 und für die Jahre ab 2013.


2. Die Umsetzung

Das Projekt beginnt nach der Beschlussfassung durch den Gemeinderat auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Stadt Stuttgart und der Freudenberg Stiftung bzw. ihres Projektträgers FGM e.V.

In der Entwicklungsphase bis Sommer 2012 erfolgt

o die Einrichtung eines Fachbeirats zum Projekt,
o die Auswahl der Grundschule als Schlüsselschule des Projekts, in enger Abstimmung mit dem Fachbeirat nach dem Konsensprinzip
o sowie weitere vorbereitenden Maßnahmen.

Im Fachbeirat sind alle an der Förderung beteiligten Stiftungen vertreten, die Stadt Stuttgart durch den Leiter der Abteilung Bildungspartnerschaft und eine Vertretung des Jugendamts sowie das Land durch das Staatliche Schulamt.

Ein Quadratkilometer Bildung Stuttgart startet offiziell zum Schuljahr 2012/2013.


Die Auswahl des Grundschulbezirks für Ein Quadratkilometer Bildung erfolgt im Rahmen eines mehrstufigen Informations- und Antragsverfahrens für die in Betracht kommenden Schulen und im Konsens mit dem Fachbeirat zum Projekt.

In vorangegangenen Sitzungen der Lenkungsgruppe und des Unterausschusses (jetzt Beirat) Stuttgarter Bildungspartnerschaft in 2011 wurde unserem Vorschlag zugestimmt, die Auswahl vorab auf die Grundschulen an Standorten der Bildungsregion zu begrenzen, die sich in besonders benachteiligten Sozialräumen nach dem Sozialdatenatlas befinden.

Die Schulen entscheiden auf der Grundlage der bereits erfolgten schriftlichen Erstinformation und nach einer gemeinsamen Informationsveranstaltung mit der künftigen Projektleitung sowie weiteren Referenten, ob sie sich in Verbund mit ihren Kooperationspartnern als Standort für Ein Quadratkilometer Bildung bewerben wollen.

Die Steuerungsgruppe, vertreten durch S-BiP und die Freudenberg Stiftung, entwickelt in enger Abstimmung mit dem Fachbeirat die Auswahlkriterien und trifft auch im Konsens mit dem Fachbeirat die Auswahl des Grundschulbezirks.

Sollte keine der genannten Schulen die notwendigen Auswahlkriterien erfüllen, müsste das Auswahlverfahren auf weitere Grundschulbezirke außerhalb der Modellstandorte der Bildungsregion ausgeweitet werden.

Über die weiteren Umsetzungsschritte wird regelmäßig im Beirat Stuttgarter Bildungspartnerschaft und auf Wunsch in anderen Gemeinderatsgremien berichtet. Grundlegende Abweichungen von den Punkten 1 bis 4 dieser Vorlage bedürfen einer neuen Beschlussfassung durch den Gemeinderat.


Finanzielle Auswirkungen

Die städtische Kofinanzierung des Projekts erfolgt aus dem vorhandenen allgemeinen Budget der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft. Sie erstreckt sich auf die vertraglich vereinbarte Projektlaufzeit mit der Freudenberg Stiftung bzw. ihrem Projektträger FGM e.V. ab Projektbeginn für maximal zehn Jahre.

Sie umfasst im Sinne eines gleichberechtigten Public Private Partnership die Sachkosten des Projekts in vergleichbarer Höhe zur Fördersumme des Stiftungsverbunds, jedoch maximal 80.000 Euro/Jahr.

Die Personalkosten für die Projektleitung und ggf. für weitere Projektmitarbeiter trägt der Stiftungsverbund mit FGM e.V. als Anstellungsträger.

Darüber hinaus wird auch eine finanzielle Beteiligung des Landes am Projekt im Sinne von zusätzlichen Lehrerstunden für die beteiligte Grundschule von Ein Quadratkilometer Stuttgart angestrebt.


Beteiligte Stellen

Die Referate KBS und SJG haben die Vorlage mitgezeichnet.




Dr. Wolfgang Schuster

Anlagen

Konzeption für den Aufbau von "Ein Quadratkilometer Bildung in Stuttgart"




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GRDrs 35-2012 Anlage Ein Quadratkilometer Bildung.doc