Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
403
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VerhandlungDrucksache:
660/2022
GZ:
JB
Sitzungstermin: 26.10.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:die Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Auswirkungen des Tarifabschlusses des TVöD-SuE auf den Personalbedarf des Jugendamtes

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Jugend und Bildung vom 17.10.2022, GRDrs 660/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Von den Auswirkungen des Tarifabschlusses 2022 im Sozial- und Erziehungsdienst wird Kenntnis genommen. 2. Vom zusätzlichen vordringlichen und unabweisbaren Personalbedarf ab 01.01.2023 im Umfang von insgesamt 5,17 Stellen wird Kenntnis genommen. Die Stellen sind wie folgt auf die verschiedenen Vergütungsgruppen verteilt:
Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


StRin Tiarks (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) macht deutlich, dass ihr zur Entlastung der Kita-Fachkräfte die Abdeckung zusätzlicher Stellenbedarfe durch Schließtage wichtig ist (siehe drittletzter Absatz der Vorlagenseite 2). Weiter trägt die Stadträtin vor, Baden-Württemberg habe beschlossen, dass zwei Kinder pro Gruppe zusätzlich aufgenommen werden könnten. Damit verbindet sie die Frage, wie dies in Stuttgart gehandhabt werden soll.

Ihr, so StRin Meergans (SPD), liege das Schreiben der Verwaltung an die Eltern vor, in dem zusätzliche Schließtage angekündigt würden. Dort stehe zwischen den Zeilen "Liebe Eltern, bedanken Sie sich bitte bei ver.di, dass Ihre Kinder jetzt an weniger Tagen betreut werden." Ein Schreiben mit einer solchen Botschaft sei nicht angemessen. Dieser Äußerung schließt sich Frau Häußler (GPR) an. Sie informiert, beim GPR seien viele Nachfragen eingegangen, ab wann denn der Tarifvertrag umgesetzt werden soll. Die Beschäftigten müssten ja diese beiden Entlastungstage jetzt beantragen. Weiter merkt sie an, der Tarifvertrag beziehe sich auf die Beschäftigten, aber nicht auf die Auszubildenden. Daraus ergebe sich, bezogen auf diese Entlastungstage, ein Ungleichgewicht und ein Nachbesserungsbedarf. Die Frage sei, ob nicht freiwillig die Möglichkeit bestehe, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen auf die Auszubildenden zu übertragen. Sie bittet das Jugendamt, entsprechende Nachsteuerungen vorzunehmen.

Die sich anschließende Stellungnahme von BMin Fezer ist nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

BMin Fezer:
"Wir werden die Schließtage einführen, um der Umsetzung des Tarifvertrages Rechnung zu tragen. Es tut mir leid, wenn jetzt in dem Brief an die Eltern der Eindruck entstanden ist, dass hier irgendjemand der Schwarze Peter zugeschoben wird. Das war sicherlich nicht die Absicht. Uns lag es daran, dass die Eltern frühzeitig Bescheid erhalten und sich auf die Schließtage einstellen können. In Zeiten, in denen wir viel zu wenig Kitaplätze haben und in denen wir immer wieder vor das Problem gestellt werden, dass wir nicht die volle Besetzung aufrechterhalten können und dadurch eben Betreuungszeiten verkürzen müssen, ist es wichtig, dass wir die Eltern frühzeitig informieren und Ihnen mitteilen, dass dies seitens der Träger nicht aus Jux und Tollerei geschieht, sondern dass es dafür Gründe und rechtliche Zwänge gibt. Das war der Grund unseres Schreibens.

Zur Landesregelung, zwei Kinder mehr pro Gruppe aufzunehmen. Es ist noch keine Regelung getroffen worden, sondern es ist mitgeteilt worden, dass man überlegt, eine solche Regelung auf den Weg zu bringen. Es geht auch nicht darum, dass zwei Kinder mehr pro Gruppe aufgenommen werden, sondern ein oder zwei. Die ganze Regelung ist derzeit noch in einem Anhörungsprozess. Das Land hat bislang nur mitgeteilt, was es vorhat und ist jetzt in einem Anhörungsprozess mit den Kommunen eingetreten. Da werden wir Stellung beziehen. Ich gehe aber davon aus, dass diese Regelung kommen wird. Man muss noch hinzufügen, bislang sieht das Land vor, dass diese Erhöhung der Gruppengrößen auf einer freiwilligen Basis erfolgt. Es ist noch nicht ganz klar, ob das jeweils durch die jeweilige Einrichtung oder den jeweiligen Träger entschieden wird, Das Ganze soll bis Mitte nächsten Jahres befristet werden.

Vielleicht lehnen sich jetzt einige zurück und sagen, dann ist es ja vielleicht nicht ganz so schlimm. Ich bin nicht zufrieden mit diesem Vorschlag, weil wir hier ein großes, bundesweites Problem haben. Das Problem ist, dass wir einfach zu wenig Erzieher*innen haben und deswegen viel zu wenig Kita-Plätze anbieten können. Wir müssen uns, und das tun wir bekanntlich seit Jahren, damit auseinandersetzen, mit welchen Möglichkeiten können wir als Kommune dem begegnen. Diese Möglichkeiten haben wir ausgeschöpft. Wir haben Ihnen kürzlich nochmals eine sehr umfangreiche Vorlage vorgelegt, in der wir die ganzen Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, aufgezählt haben und in der wir dargestellt haben, welche Maßnahmen wir mit Ihrer Beschlussfassung dankenswerterweise auf den Weg gebracht haben. Damit wurde zwar viel erreicht, aber es reicht bei weitem nicht.

Nun ist es nicht nur so, dass wir einen Rechtsanspruch haben, den die Kommune erfüllen muss, nicht die Träger, sondern die Kommune muss diesen Rechtsanspruch erfüllen. Das ist der eine Punkt. Was mich aber auch persönlich noch viel stärker bewegt ist die Tatsache, dass wir sehr viele Kinder in unserer Stadt haben, die keinen Kita-Platz bekommen. Die meisten dieser Kinder sind nicht die Kinder deren Eltern mir und Ihnen schreiben. Überwiegend sind es Kinder, bei denen die Eltern nicht die Durchsetzungsfähigkeit und soziale Stärke haben, um sich mit Druck zu artikulieren. Um diese Kinder mache ich mir Gedanken. Dass ich mir diese Gedanken zu Recht mache, sehen wir an der Leistungsstanderhebung in den Schulen. Dass die Kinder in der vierten Klasse zu wenig Deutsch können, zu wenig Mathe können. Das hat ganz viel damit zu tun, dass sie zu wenig Unterstützung von zu Hause bekommen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass Kinder schon mit guten Deutschkenntnissen in die Schulen kommen. Diese Deutschkenntnisse werden ihnen in den Kitas vermittelt. Dass Kinder, die wenig Deutsch können, nicht in ausreichender Zahl in die Kitas kommen, hat nichts mit Kitagebühren zu tun, denn diese können die Kitas kostenlos besuchen. Es hat damit zu tun, dass wir in ganz Deutschland zu wenig Plätze haben.

Mich stört beim Land, dass alle immer nur schauen, wie geht es den Erzieherinnen und Erziehern. Da schaue ich auch hin. Das ist meine Pflicht als Dienstherrin. Und man schaut darauf, was die Eltern dazu sagen und welche Eltern sich artikulieren, wenn es um Kita-Plätze geht. Es artikulieren sich die verbandlich organisierten Eltern. Das sind die Eltern, deren Kindern in den Kitas bereits sind. Die anderen sind nicht verbandlich organisiert, die äußern sich nicht lautstark.

Ich habe im Moment das Gefühl, dass die nicht in den Kitas betreuten und deren Familien zu wenig Lobby haben. Er jetzt auf dem Tisch befindliche Vorschlag, ist ein Vorschlag, der halbherzig ist. Man will den Gewerkschaften nicht auf die Füße treten, man will keine Erzieherinnen und Erzieher verstören, man will auch Eltern und auch Einrichtungsträgern, die keinen Rechtsanspruch zu erfüllen haben, nicht vergrämen. Was bleibt sind die Kommunen, die den Rechtsanspruch erfüllen müssen und die Kinder, die keinen Kita-Platz haben. Für die fühle ich mich verantwortlich. Deswegen meine ich, am Ende wird es nur helfen, wenn wir zu Gruppenvergrößerungen kommen. Wenn diese Gruppenvergrößerungen so gestaltet werden, dass sie nur ausnahmsweise und freiwillig stattfinden, dann wissen Sie alle, was dann passieren wird. Dann werden tatsächlich Erzieher*innen abwandern und zu den Trägern gehen, bei denen es keine Gruppenvergrößerungen gibt. Das ist der eine Effekt.

Ich plädiere nicht für bedingungslose Gruppenvergrößerungen. Sondern ich meine, wir müssen natürlich die Erzieher*innen in den Einrichtungen stärken, wenn sie größere Gruppen bekommen. Deswegen habe wir gemeinsam mit den Trägern einen ganzen Katalog von flankierenden Unterstützungsmaßnahmen vorgelegt. Der Kita-Manager, da haben wir einen Antrag auf dem Tisch, ist einer von diesen Vorschlägen. Diese Vorschläge würden den städtischen und die anderen freien Träger in der Stadt Stuttgart sowie die Erzieher*innen in ihrer Arbeit unterstützen, wenn die Gruppen etwas größer wären.

Eins muss man sehen, wir würden mit einem Schlag bei einer Gruppenvergrößerung in allen Stuttgarter Kitas fast alle Kinder unterbringen. Das ist ein Punkt für den ich mich einsetze Frau Tiarks. Deswegen bin ich dankbar für Ihre Frage. Diese Haltung habe ich auch gegenüber dem Land in einem Brief an die Ministerin vertreten. Ich werde versuchen, diesen Weg in Stuttgart gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vom Jugendamt zu gehen. Wir sind uns da einig. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung."

StRin Schanbacher (SPD) geht davon aus, dass die Verwaltung und der Gemeinderat übereinstimmend das Ziel verfolgen, den Rechtsanspruch zu erfüllen. Als unabdingbar erachtet sie, Kindern, die zuhause nicht gefördert werden (können), und Kindern, deren Eltern finanziell bedingt beide berufstätig sein müssen, Kita-Plätze anzubieten. Ihr gegenüber erklärten Erzieher*innen, wenn Gruppen sich vergrößern würden, müssten sie ihren Beruf wechseln, da es ihnen die dann anstehende Belastung nicht mehr erlaube, ihre pädagogischen Ansprüche umzusetzen. Darüber, wie dieses Spannungsfeld gelöst werden könne, müsse offen diskutiert werden.

Danach unterstreicht die Vorsitzende erneut, es sei nicht ihr Anliegen, Gruppen zu vergrößern und das Kita-Personal damit allein zu lassen. Die Arbeit der Erzieher*innen sei sehr schwierig. Diese benötigten Unterstützung, insbesondere wenn sich Gruppen vergrößerten. Gemeinsam mit den Trägern und einer Einrichtungsleitung würden Gespräche geführt. Ziel sei, einen Maßnahmenkatalog vorzuschlagen. Eine Reihe von Maßnahmen habe sie auch gegenüber der Ministerin bereits benannt, um klarzustellen, dass es nicht nur um die eingeforderte Gruppenvergrößerung gehe, sondern dass dafür flankierende Maßnahmen vorgesehen werden müssten. Die Forderung der Träger nach besseren Rahmenbedingungen für die Kitas seien für sie in Ordnung. Aber dies lasse sich nur mit mehr Plätzen bewerkstelligen. Beides müsse gekoppelt werden. Die Verantwortlichen müssten an alle Stuttgarter Kinder denken. Kritik äußert sie an der Planung des Landes, die nun in Rede stehende Gruppenvergrößerung bis August 2023 zu befristen. Die Bürgermeisterin fragt an dieser Stelle, wie es danach weitergehen soll.

Dafür, dass Maßnahmen, die Gruppenvergrößerungen flankierten, ausgehandelt werden müssen, spricht sich StR Winter (90/GRÜNE) aus. Spielräume, um die Erziehungskräfte zu entlasten, sieht er bei der Verlagerung von administrativen Aufgaben. Dieses gehöre vertiefter im Jugendhilfeausschuss beleuchtet.

StR Kotz (CDU), der an den von seiner Fraktion gestellten Antrag Nr.255/2022 "Pilotprojekt: KITA-Manager. Eine Chance für die Personalgewinnung und -erhaltung in pädagogischen Berufen" erinnert, erklärt, in vielen Dingen teile er die Einschätzung seines Vorredners. Das Problem lasse sich sicherlich nicht in zwölf Monaten lösen. Ansätze, um das Personal zu entlasten, gebe es sicherlich noch mehr als im Antrag Nr. 255/2022 benannt.



Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, stellt BMin Fezer fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag der GRDrs 660/2022 einmütig zu.

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