Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Recht/Sicherheit und Ordnung
Gz: RSO
GRDrs 414/2011
Stuttgart,
06/22/2011


Ausweitung direktdemokratischer Elemente verursacht neue Aufgaben im Bereich Wahlen



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich06.07.2011

Bericht:


Nachdem die direkte Demokratie in Form von Volks-, Bürgerbegehren und –entscheiden in Baden-Württemberg und insbesondere in Stuttgart über lange Zeit fast keine Rolle gespielt hat, ist inzwischen eine neue Situation eingetreten. Mit bereits beschlossenen bzw. beabsichtigten Ausweitungen direktdemokratischer Elemente erhöht sich die Anzahl von plebiszitären Anträgen deutlich. So führten entsprechende Regelungen in Bayern unter anderem dazu, dass in den bayerischen Großstädten über 100 000 Einwohner durchschnittlich alle 1,2 Jahre ein Bürgerentscheid stattfindet, in München waren es in den vergangenen 15 Jahren sogar 17 (Mehr Demokratie e.V.: 15-Jahres-Bericht bayerischer Bürgerbegehren und Bürgerentscheide).

Beschlossene und geplante rechtliche Änderungen im Bereich Direkte Demokratie

1. Europäische Bürgerinitiative

Die Europäische Bürgerinitiative wurde durch den Vertrag von Lissabon eingeführt. Mit der Europäischen Bürgerinitiative können Bürger die Kommission auffordern, Rechtsetzungsvorschläge zu unterbreiten. Laut einer Mitteilung der Kommission (IP/10/1720) werden die ersten Initiativen Anfang 2012 anlaufen. Die Initiatoren haben zwölf Monate Zeit, um die Unterschriften von mindestens einer Million Unionsbürgern aus mindestens sieben Mitgliedstaaten zu sammeln. Alle Unterzeichner müssen Unionsbürger sein und am Tag der Unterzeichnung das erforderliche Alter für das aktive Wahlrecht bei Wahlen zum Europäischen Parlament besitzen. Dies muss von der Melde- bzw. Wahlbehörde entsprechend testiert werden.

2. Volksinitiative

Im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung wird angekündigt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Volksinitiative auf Landesebene geschaffen werden sollen. Dabei kann dem Landtag aufgetragen werden, sich mit einem „Gegenstand der politischen Willensbildung“ zu befassen, wenn die Unterstützung von mindestens 10 000 Bürger/innen vorliegt (Koalitionsvertrag, S. 60). Auch hier müsste bei den erforderlichen Unterschriften jeweils das Wahlrecht am Tag der Unterzeichnung geprüft werden.

3. Volksbegehren/Volksentscheide

Die baden-württembergische Regierungskoalition beabsichtigt außerdem, das Unterschriftsquorum für Volksbegehren zu senken. Die Eintragungsfrist soll verlängert und die Unterschriftensammlung außerhalb von Rathäusern ermöglicht werden. Bei Volksabstimmungen über die Änderung von Gesetzen soll das Zustimmungsquorum entfallen und bei der Änderung der Landesverfassung soll es abgesenkt werden (Koalitionsvertrag, S. 60). Mit diesen Erleichterungen nimmt die Wahrscheinlichkeit von Volksbegehren und –entscheiden deutlich zu.

4. Bürgerbegehren/Bürgerentscheide

Nach vielen Jahren ohne entsprechende Anträge sind in Stuttgart in den letzten Jahren regelmäßig Initiativen aufgelaufen: Eingereicht wurden ein Bürgerantrag des "Wasserforums", zwei Bürgerbegehren zu "Stuttgart 21", das Bürgerbegehren "Hundertwasser". Ein Bürgerbegehren zur Energieversorgung läuft derzeit noch. Die baden-württembergische Regierungskoalition beabsichtigt, die Frist für Bürgerbegehren zu verlängern, den Themenkatalog für Bürgerentscheide zu erweitern und die Quoren abzusenken (Koalitionsvertrag, S. 61). Auch hier dürfte durch die geplanten Erleichterungen die Zahl der Begehren und Entscheide deutlich zunehmen.

Damit fallen folgende neue Aufgaben an:

a) im Rahmen von Initiativen, Volks- und Bürgerbegehren:

- Einreichung von Unterlagen: Beratung von Initiativen zur formal richtigen Einreichung der notwendigen Unterlagen,
- Prüfung von Unterschriften: Annahmestelle für Unterschriftslisten, Wahlrechtsprüfung der Unterzeichner, Aufbau von Ad-hoc-Prüfungsgruppen inkl. Fachaufsicht für bis zu 12 Personen mit Erstellung von rechtssicheren Arbeitsanweisungen und Prüfungsroutinen,
- Kommunikation mit der Rechtsaufsicht und übergeordneten Stellen,
- Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Internetauftritt).

Da sich Bürgeranfragen zu diesem Thema häufen, muss ein kompetenter, informierter Ansprechpartner laufend zur Verfügung stehen. Analog zu den Parlaments- und Kommunalwahlen müssen hier fundierte und rechtssichere Auskünfte gegeben werden. Bei kleinsten Fehlern in der Beantwortung von Anfragen bzw. bei der Behandlung von Einreichungen sind weit reichende rechtliche Folgen und eine entsprechend negative Darstellung der Stadtverwaltung in den Medien zu befürchten.

b) Im Rahmen von Volks- und Bürgerentscheiden (u.a.)

- Beteiligung des Gemeinderats,
- Bildung eines Gemeindewahlausschusses,
- Bildung der Wahlbezirke,
- Festlegung und Einrichtung der Wahllokale,
- Bildung der Wahl- und Briefwahlvorstände,
- Amtliche Bekanntmachungen, Öffentlichkeitsarbeit,
- Aufstellung Wählerverzeichnis, Benachrichtigung der Wahlberechtigten,
- Durchführung der Briefwahl,
- Ermittlung der Abstimmungsergebnisse.

Der Aufwand ist vergleichbar mit der Vorbereitung und Durchführung einer Wahl.

Finanzielle Auswirkung

Durch den zu erwartenden deutlichen Anstieg der Zahl von Initiativen, Begehren und Entscheiden ab 2012 ist zusätzliche Personalkapazität von 0,5 Stellen (EG 10 TVöD) erforderlich, die im Rahmen des Stellenplanverfahrens 2012/13 beantragt sind.


Beteiligte Stellen

Die Referate AK und WFB haben Kenntnis genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der HH-Planberatungen erfolgen.






Dr. Martin Schairer
Bürgermeister





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