Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 211/2014
Stuttgart,
03/27/2014



Nachhaltig mobil: für einen zukunftsorientierten ÖPNV in der Region Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Umwelt und Technik
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
08.04.2014
09.04.2014
10.04.2014



Beschlußantrag:

Vom Bericht über die gemeinsame Erklärung der ÖPNV-Partner für einen zukunftsorientierten ÖPNV in der Region Stuttgart wird zustimmend Kenntnis genommen.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Gemeinsame Erklärung von Land Baden Württemberg, Verband Region Stuttgart (VRS), Verbundlandkreise und Landeshauptstadt Stuttgart

1. Vorbemerkung
Die im Dezember 2009 in Kraft getretene EU-Verordnung Nr. 1370/2007 gibt für die Finanzierung und die Vergabe von Verkehrsleistungen einen neuen Rechtsrahmen vor. Bis spätestens Ende 2019 müssen auch im Vergabebereich alle Verkehre nach der einschlägigen EU-VO vergeben sein. Mit dem zum 1. Januar 2013 novellierten Personenbeförderungsgesetz (PBefG) wurden die europarechtlichen Vorgaben in bundesdeutsches Recht weitgehend transferiert bzw. spezifiziert.

Für die im PBefG weiterhin genannten eigenwirtschaftlichen Verkehre spielt die sog. „Allgemeine Vorschrift“ für die Festsetzung von Höchsttarifen eine wichtige Rolle. Dadurch bleibt es den Aufgabenträgern bzw. Finanzierungsträgern (Fachbegriff: Zuständige Behörde) weiterhin möglich, den Verkehrsunternehmen die aus dem Verbundtarif entstehenden tariflichen Nachteile auszugleichen. Neben den Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverlusten sind dies auch sonstige verbundbedingte Lasten. Dies spielt vor allem für die regionalen Busverkehre der Verbundstufe II und damit für die Landkreise und den VRS eine entscheidende Rolle, da die bisherigen Kooperationsverträge mit den Verkehrsunternehmern sukzessive auslaufen und auf eine neue Basis gestellt werden müssen. Die Landeshauptstadt ist für die Verkehre der SSB nicht auf eine Allgemeine Vorschrift angewiesen, da sie von der EU-rechtlich verankerten Option der direkten Betrauung der SSB Gebrauch macht, welch Ende 2018 in eine Direktvergabe überführt werden soll.

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg hat den Aufgabenträgern bereits vor einigen Jahren Handlungsempfehlungen für den Erlass von Allgemeinen Vorschriften an die Hand gegeben. Im Bereich des VVS wurde Anfang 2011 eine Arbeitsgruppe unter Moderation des VVS eingerichtet, die sich aus Vertretern aller Gesellschafter des VVS zusammensetzte. Man einigte sich im Vorfeld darauf, dass es bei der Allgemeinen Vorschrift nur um die Busverkehre der Verbundstufe II und nicht um Verkehre der Verbundstufe I (SSB-Verkehre und S-Bahn ) gehen sollte. Außerdem stand zunächst die inhaltliche Arbeit im Vordergrund, die Frage der Zuständigkeit für die Allgemeine Vorschrift wurde hintan gestellt.

Anfang 2013 stellte der VRS in der o.g. Arbeitsgruppe einen ersten Entwurf einer Allgemeinen Vorschrift vor und kündigte ein offizielles Anhörungsverfahren im Frühjahr 2013 an. Der VRS sah sich als „Zuständige Behörde“ im Sinne der EU-Verordnung und stützte sich auf ein entsprechendes Gutachten. Die Verbundlandkreise widersprachen dieser Rechtsauffassung unter Berufung auf ein konkurrierendes Rechtsgutachten, welches die Aufgabenträger als „Zuständige Behörde“ auswies.

Im Zuge dieses Streits, der zunehmend in der Öffentlichkeit seine mediale Wirkung zeigte, befasste sich auch der VVS-Aufsichtsrat auf Bitte der Landkreise mit diesem Thema. Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender moderierte die unterschiedlichen Auffassungen der Gesellschafter. In der Sitzung vom 9. Juli 2013 ergab sich nach ausführlicher Diskussion mehrheitlich eine Empfehlung an die Gremien des VRS, die Allgemeine Vorschrift im Einvernehmen aller Beteiligten zu erlassen. Die Regionalversammlung konnte sich dieser Empfehlung nicht anschließen. In der Regionalversammlung vom 25. September 2013 wurde beschlossen, den Landtag und die Landesregierung zu bitten, der Verkehrsminister möge die Moderatorenrolle hinsichtlich der Allgemeinen Vorschrift übernehmen und darüber hinaus der Landtag gesetzlich die Frage der ÖPNV-Zuständigkeiten neu regeln.


2. Verhandlungsergebnisse (unter Gremienvorbehalt)
Der Verkehrsminister machte deutlich, dass es in Anbetracht der dringlichen Verkehrsprobleme in der Region Stuttgart und der begrenzten Finanzausstattung im Verkehr um einen pragmatischen Ansatz gehen müsse. Dabei sollte – jenseits von Kreis- oder Regionsgrenzen – nach Lösungen gesucht werden, die dazu geeignet sind, in einer gemeinsamen Anstrengung einen höheren ÖPNV-Anteil am Gesamtverkehr zu erreichen. Ziel war es, einen ÖPNV-Pakt 2025 zu vereinbaren. Neben einer Schwachstellenanalyse sollten gezielte Verbesserungen im Angebotsbereich angegangen werden. Auch eine verbesserte Vernetzung der Verkehrsträger wird angestrebt. Dazu wurde seitens des MVI ein neun Punkte umfassendes Arbeitsprogramm vorgelegt, welches die Grundlage der Diskussionen bildete.

Dieser Ansatz des MVI wurde von der LHS von Beginn an unterstützt, da dieser mit der LHS-Initiative „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ und dem Ziel, den konventionellen motorisierten Individualverkehr im hereinfließenden Verkehr nach Stuttgart in den nächsten Jahren um 20 % zu reduzieren, sehr gut in Einklang zu bringen war. Der Oberbürgermeister hat insbesondere eingebracht, dass Verkehrsprobleme, die sich besonders in der LHS auswirken, wie Stauwirkungen oder Emissionsbelastungen nur zusammen mit den Verantwortlichen im VVS und den Partnern in der Region lösen lassen. Zudem wurden hinsichtlich der Beteiligung der LHS an den zusätzlichen Kosten immer ein Vorbehalt des Nutzens für die LHS sowie ein allgemein geltender Haushaltsvorbehalt eingebracht.

Seit September 2013 fanden mehrere Vermittlungsgespräche mit dem Verkehrsminister unter Beteiligung der Landräte, des Regionalpräsidenten und des Oberbürgermeisters statt. Neben den Spitzengesprächen tagten auf der Arbeitsebene unter Einbeziehung von Vertretern der SSB und des VVS eine Vielzahl von Abstimmungsrunden bis Anfang Februar 2014.

Folgende Verhandlungsergebnisse konnten im Rahmen des Moderationsprozesses erzielt werden:


3. Bewertung des Verhandlungsergebnisses aus Sicht der LHS

- Die alleinige Aufgabenträgerschaft für Busse und Stadtbahnen bleibt bei der LHS und damit in deren politischen Einflussbereich.
- Es besteht die Chance für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den ÖPNV-Partner durch gesetzliche Klarstellungen der Aufgabenwahrnehmung und Zuständigkeiten für die nächsten zehn Jahre.
- Das Einvernehmen bei der Allgemeinen Vorschrift, dass vom Oberbürgermeister von Anfang an eingefordert und unterstützt wurde, flankiert wesentlich die laufenden Arbeiten von Verbundlandkreisen und der Landeshauptstadt Stuttgart zur EU-rechtlich erforderlichen, vertraglichen Neuordnung des Verkehrs- und Verbundlastenausgleichs.
- Durch den Erhalt der Zuständigkeit der Nebenbahnen bei den Verbundlandkreisen konnten höhere finanzielle Belastungen bei der Landeshauptstadt Stuttgart über die Verkehrsumlage vermieden werden. Aus einer reinen Kompetenzverschiebung bei den Nebenbahnen wären nur Zusatzbelastungen für die LHS, aber keinerlei positive verkehrlichen Wirkungen zu erwarten gewesen.
- Das Thema Infrastruktur im Eisenbahnverkehr bekommt eine höhere Priorität.
- Die Stabilisierung des verspätungsanfälligen S-Bahn-Systems wird angegangen.
- Die Verstärkung der Zubringerlinien zur S-Bahn durch die Verbundlandkreise setzt Anreize zum Umstieg auf Bus und Bahn schon weit außerhalb der LHS.
- Die Einrichtung von Expressbuslinien durch den VRS verbessert die tangentialen Verbindungen und hilft die Engpassstrecken über den Hauptbahnhof zu entlasten.
- Durch ein koordiniertes Vorgehen des regionalen Verkehrsmanagements beim VRS ergeben sich bessere Abstimmungsmöglichkeiten bzw. Synergieeffekte im Zusammenspiel mit den Kommunen.


4. Weiteres Vorgehen

Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, bisher wurden nur grobe Kostenschätzungen vorgenommen, die die generelle Realisierbarkeit der Maßnahmen belegen sollten. Die Einführung einer stärker nachfrageorientierten Einnahmeaufteilung bietet für die SSB und die LHS mittelfristig sicherlich Chancen, gleichzeitig gilt es jedoch Risiken zu vermeiden. Insofern ist die weitere aktive Beteiligung an dem Prozess sinnvoll. Chancen ergeben sich aus der Realisierung höherer Refinanzierungsbeiträge aus expansiven Angebots-, Vertriebs- und Tarifmaßnahmen auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart. Fehlanreize aus einer reinen Umverteilung heutiger Einnahmeanteile gilt es zu vermeiden. Die genaue Bezifferung der Kosten wird im weiteren Verlauf der Umsetzungsberatungen erfolgen. In den nächsten Jahren ist durch die vorgesehenen Maßnahmen jedoch sicherlich mit einem gewissen Anstieg der Verkehrsumlage des VRS zu rechnen. Allerdings kommen die verkehrlichen Vorteile dann direkt und indirekt auch der LHS zu Gute. Nach den Beschlüssen des Gemeinderats regt das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg die Bildung eines Steuerungskreises aus den Beteiligten des Moderationsprozesses an, dieser soll die Umsetzung der Vereinbarungen in einem regelmäßigen Jahrestreffen überwachen. Für Anfang April hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg zu einer erneuten Sitzung auf Arbeitsebene eingeladen, um die weiteren Schritte u.a. im Hinblick auf die Maßnahmenquantifizierung, die Gremienbefassungen und das avisierte Gesetzgebungsverfahren zu klären. Über den weiteren Verlauf des Prozesses werden die Gremien des Gemeinderats informiert.

Finanzielle Auswirkungen

siehe Sachdarstellung


Beteiligte Stellen

Referat WFB

Vorliegende Anträge/Anfragen

CDU-Gemeinderatsfraktion 48/2014




Fritz Kuhn
Oberbürgermeister


Anlagen



Gemeinsame Erklärung der Vertreter der ÖPNV-Partner


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Anhang 211_2014.pdfAnhang 211_2014.pdf