Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1034/2020 Neufassung
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 03.02.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Schmidt
Betreff: Einführung eines finanzwirtschaftlichen Gesamt-
steuerungssystems bei der Landeshauptstadt Stuttgart
Grundsatzbeschluss

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 16.12.2020, GRDrs 1034/2020 Neufassung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Von der Übersicht über die freiwilligen Aufgaben und Pflichtaufgaben in Anlage 1 wird Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, zur Verbesserung der Ertragskraft der Ergebnishaushalte ein wie in der Begründung dargestelltes finanzwirtschaftliches Gesamtsteuerungssystem auszuarbeiten.

3. Die Verwaltung wird beauftragt, bis zu den Planberatungen zum Doppelhaushaltsplan 2022/2023 detaillierte Prioritätenlisten aller Aufgabenbereiche unter Beachtung der Kriterien Handlungsspielraum (freiwillige/Pflichtaufgabe; Beeinflussbarkeit), Kosten bzw. Effizienz der Leistungserbringung und Beitrag zum Gemeinwohl (Outcome) vorzulegen.

4. Der Einbeziehung externer Beratungsleistungen zur Entwicklung des Gesamtsteuerungssystems in einem finanziellen Umfang von vorläufig je 100.000 EUR in den Haushaltsjahren 2021 und 2022 wird zugestimmt.
Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


BM Fuhrmann erläutert zunächst den Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Landeshauptstadt Stuttgart stehe vor großen finanziellen Herausforderungen. Der Transformationsprozess in der Automobilindustrie werde Auswirkungen auf den städtischen Haushalt haben, und es sei auch noch nicht klar, wie sich der Brexit weiterentwickeln werde. Aus diesem Grund seien im Rahmen der Haushaltsberatungen für 2020/2021 die Gewerbesteueransätze von 640 Mio. Euro auf 600 bzw. 590 Mio. Euro spürbar reduziert worden. Die Corona-Pandemie werde zu weiteren erheblichen Einbrüchen bei den Erträgen führen und stelle vor zusätzliche Herausforderungen. Er erklärt, der Nachtragshaushalt für 2021 sei derzeit in intensiver Bearbeitung durch die Stadtkämmerei und werde im März beraten und beschlossen. In seinen weiteren Ausführungen erläutert der Bürgermeister die Vorlage. In einem ersten Schritt seien zunächst die städtischen Aufgaben im Hinblick auf deren Beeinflussbarkeit betrachtet worden. Es gebe Pflicht- und freiwillige Aufgaben, die alle intensiv auf Handlungsspielraum überprüft worden seien. Er verweist auf die Detaildarstellung der einzelnen Referate (Anlage 1). An den Rat richtet er die Bitte, gemeinsam mit der Stadtkämmerei ein gesamtfinanzwirtschaftliches Steuerungssystem einzuführen, wofür er die Erarbeitung im Reform- und Strukturausschuss vorschlägt. Ziel sei, dieses System zumindest teilweise im Doppelhaushalt 2022/23 einzuführen und komplett im folgenden Doppelhaushalt 2024/2025 umzusetzen. Letztendlich gehe es um die Erarbeitung eines stadteinheitlichen Leitbildes, aus dem sich Ziele mit unterschiedlichen Zeitdimensionen entwickelten (siehe dazu auch die Zielpyramide in der GRDrs 1034/2020 Neufassung, S. 5). Zudem sei in kleinem Umfang externe Beratung vorgesehen.

Für StR Winter (90/GRÜNE) spricht die Vorlage viele, große Themen an. Er bestätigt den Transformationsprozess und die internationalen Fragestellungen sowie deren Auswirkungen auf die finanzielle Situation Stuttgarts. Durch die Corona-Pandemie habe es eine weitere Beschleunigung der Prozesse gegeben. Er verweist auf die bisherige Entwicklung, beispielsweise den Visionsprozess und andere Konzepte. Der Stadtrat begrüßt den Hinweis auf die Mustererklärung des Deutschen Städtetages "Agenda für nachhaltige Entwicklung". Für 2021 gebe es eine breite Mehrheit, in der Krise nicht überzogen zu reagieren, sondern die Haushaltsbeschlüsse umzusetzen. Er halte es für notwendig, in dieser schwierigen Zeit die Perspektive fortzusetzen. Nichtsdestotrotz müsse man sich den Herausforderungen stellen, wofür er den Reform- und Strukturausschuss als geeignet halte. Der nun angestoßene Prozess sei sehr wichtig.

Eine erneute Prüfung des nächsten Doppelhaushaltes ist für StR Kotz (CDU) unbestritten. 80 Prozent der Ausgaben seien zwar dem Pflichtbereich zuzuordnen, aber die restlichen 20 Prozent bedeuteten bei einer Stadt der Größe Stuttgarts immer noch viel Geld. Es müsse selbstkritisch geprüft werden, welche Ausgaben tatsächlich notwendig seien. Die nächsten Haushaltsplanberatungen würden sicherlich einen anderen Ansatz wahrnehmen, dem sich seine Fraktion gerne stellen wolle. Des Weiteren merkt er zum Visionsprozess an, dieser dürfe nicht unter der Maxime der Finanzpolitik stehen. Dies sei zu kurz gesprungen, zumal bekannt sei, wie volatil Haushalte sein könnten. StR Kotz weist darauf hin, dass bereits vor über einem Jahr Personalstellen und Mittel zur Entwicklung eines Leitbildes bereitgestellt worden seien. Der Visionsprozess werde nicht vom Referat WFB geführt, sondern betreffe alle Referate. Bezüglich der angekündigten regelmäßigen Berichte im Reform- und Strukturausschuss möchte er wissen, ob mehr Sitzungen vorgesehen seien.

Für den Beitrag von StR Kotz zeigt sich StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) dankbar. Man agiere nun nach dem Sprichwort "Not macht erfinderisch". Wichtig sei die Erkenntnis, dass nicht pauschal gekürzt und entschieden werden könne. Er begrüße diesen Lernprozess sowie die Tatsache, den Haushalt 2020/2021 gesichert zu haben. Für ihn sei es ebenfalls wichtig, dass aufgrund einer Notsituation nicht der Visionsprozess "gekapert" werde. Begrüßenswert sei die Verknüpfung von Vision und Stadtentwicklung; alles andere sei zu abstrakt. Positiv merkt er an, dass die Aufgabe nicht unter dem Primat der Ertragskraft, sondern unter einer inhaltlichen Komponente angegangen werde. Dabei würden sozial-ökologische Themen und Themen der Stadtentwicklung eine große Rolle spielen. Für den Stadtrat ist wichtig, dass die Steuerung dieser Erarbeitung vom Nachtragshaushalt und dem kommenden Doppelhaushalt getrennt wird. Trotzdem erarbeite die Verwaltung nun eine Methodik, die zusätzliche Indikatoren zur Beurteilung von Haushaltsvorlagen und Beschlüssen liefere. Wenn es diese Indikatoren "provisorisch" gebe, weil der Prozess noch nicht abgeschlossen sei, sei dies für ihn unproblematisch. Es müsse jedoch ein verwaltungsinterner Automatismus ähnlich wie bei Stellenplanschaffungskriterien vermieden werden. Für eine gesamtheitliche Erarbeitung des Prozesses hält StR Rockenbauch den Reform- und Strukturausschuss nicht für den richtigen Rahmen. Er schlägt eine enge inhaltliche Rückkoppelung in der Fraktionsvorsitzendenrunde vor. Kritisch sieht er das Planungsverständnis der Vorlage (Pyramide); es fehle die Möglichkeit zur Rückkoppelung der unteren operativen Ebene. Somit ergebe sich ein Kreislauf, der niemals abgeschlossen sei. Es gebe bei dieser Thematik noch sehr viel Diskussionsbedarf. Als letzten Punkt spricht der Stadtrat das Klima an. Im Ausschuss für Klima und Umwelt habe man erfahren, dass klimaneutrale städtische Gebäude 60 Mio. Euro pro Jahr über zehn Jahre und entsprechende Personalstellen benötigten. Dies sei ein Beispiel für die Auswirkungen. In der Beratung sei auch klar geworden, dass einzelne Indikatoren für Einzelmaßnahmen am Ende noch keine Gesamtsteuerung erlaubten. Ähnlich wie bei den Finanzen sei für CO2 ebenfalls ein Gesamthaushalt nötig. Eine wirkliche Steuerung entstehe nur dann, wenn die CO2-Bilanz aller Beschlüsse aufaddiert werde. Dies stelle eine enorme Aufgabe dar.

Bei seinen Ausführungen orientiert sich StR Körner (SPD) an der Zeitschiene für den Haushalt 2020/2021, den Nachtragshaushalt sowie den kommenden Doppelhaushalt. Zum Abschluss des Jahres 2020 erfragt er den aktuellen Kassenstand. Des Weiteren verweist er auf den Antrag Nr. 518/2020 (90/GRÜNE, SPD, Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, PULS), der berücksichtigt werden solle. Er bittet um einen Bericht im Verwaltungsausschuss am 21.04.2021 zu Effizienz und Outcome (Be-schlussantragsziffer 3). Die Leitbilddebatte zum Gesamtsteuerungssystem verstehe er als Perspektive für die Periode ab 2024. Insgesamt sei dies ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Der von StR Rockenbauch vorgeschlagenen "Reihenfolge" - zunächst Diskussion des Leitbildes, dann Gesamtsteuerungssystem - könne er zustimmen. Für diese Leitbilddiskussion seien im Dezember 2019 bereits 1,7 Mio. Euro bereitgestellt worden; diese Mittel müssten zuerst zum Einsatz kommen. Er regt an, den Konsolidierungsprozess der Stadt Esslingen aus dem Jahr 2016 zu Rate zu ziehen.

Für StR Dr. Oechsner (FDP) geht es darum, endlich zu erfahren, welche Ausgaben im Haushalt Pflichtausgaben und welche freiwillige Ausgaben sind. Es werde ein Instrument beschlossen, das neben den Pflichtausgaben die Verfügungsmasse deutlich ausweise. Dies bedeute die Grundlage jedes wirtschaftlichen Handelns, das auf Fixkosten und "Nice-to-have"-Ausgaben basiere. Anhand dieser Angaben könne ein vernünftiger Wirtschaftsplan erstellt werden. Des Weiteren werde beschlossen, dass dieser Prozess fortgeführt werde, wozu er seine Zustimmung gebe. Einen Automatismus könne er in der Vorlage nicht erkennen. Insgesamt sei diese der richtige Ansatz, um in Zukunft gut wirtschaften zu können.

Den Grundsatzbeschluss durch die Vorlage hält StRin von Stein (FW) für sehr vernünftig. Man bekomme faktenbasierte Informationen, wie das vorhandene Geld verwendet werden könne und wo die Spielräume lägen. Trotz mancher positiven Meldungen aus der Wirtschaft müsse davon ausgegangen werden, dass sich einige Rahmenbedingungen ändern werden. Das Gesamtsteuerungssystem sei wichtig, um handlungsfähig bleiben und der Verantwortung gegenüber den Stadtfinanzen gerecht werden zu können.

Zu den Wortmeldungen der Ausschussmitglieder nimmt BM Fuhrmann Stellung und schickt voraus, Hauptziel sei, pauschale Kürzungen zu vermeiden. Er sei überzeugt, dass mit einem neuen System eine deutlich höhere Flexibilität erreicht werden könne. Es müsse die Möglichkeit zur Priorisierung gegeben werden. Gegenüber StR Kotz merkt er an, das Referat WFB wolle in keiner Weise die strategischen Ziele vorgeben, aber die gesamtstädtisch zu erarbeitenden Ziele müssten dennoch aus dem Blickwinkel der finanziellen Ressourcen betrachtet werden. Wenn festgestellt werde, dass der Reform- und Strukturausschuss nicht das geeignete Gremium sei, seien auch Beratungen im Verwaltungsausschuss denkbar. Er gibt die Zusage, diese Möglichkeit im Auge zu behalten. Der von StR Körner angefragte Kassenabschluss befinde sich noch in Bearbeitung; es könne jedoch bereits festgestellt werden, dass der Jahresabschluss 2020 weniger dramatisch ausfalle als befürchtet. Die Hilfen von Bund und Land seien sehr hilfreich gewesen, aber es gebe leider noch keine Signale für 2021. Zum Nachtragshaushalt 2021 schlägt er vor, diesen im VA am 10.03.2021 und GR am 11.03.2021 zu beschließen. Dies habe den Vorteil einer frühzeitigen Umsetzung, da dieser vom Regierungspräsidium noch genehmigt werden müsse. Als Alternativtermin benennt er den 24.03.2021 (VA) / 25.03.2021 (GR). Der Termin solle unter den Fraktionsvorsitzenden abgestimmt werden. Bei dieser Gelegenheit werde er auf die Eckdaten des Nachtragshaushaltes eingehen, da der Gemeinderat keine strukturellen Kürzungen für das Jahr 2021 vornehmen wolle. Für den 21.04.2021 (VA) schlägt der Bürgermeister die Beratung des Outcome vor. Zu diesem Zeitpunkt starte man mit den Budgetgesprächen. Der Prozess in Esslingen werde geprüft. Er betont, es gehe, wie von StR Dr. Oechsner dargelegt, um den Startschuss für die weitere Entwicklung. Man betrete Neuland, er gehe aber davon aus, dass der heutige Beschluss absolut zielführend sein werde.

Zur Nachfrage von StR Körner, die unter Antragsziffer 2 des Antrages Nr. 518/2020 erbetene Auflistung der noch fehlenden Sachbeschlüsse vorzulegen, erklärt BM Fuhrmann, es werde dazu eine Rückmeldung geben. Herr Vaas (StKäm) ergänzt, einige Referate hätten bereits vorgelegt, er werde nochmals nachhaken. StR Winter merkt an, die meisten Sachbeschlüsse seien ohnehin schon gefasst. Ein grober Überblick sei sicherlich hilfreich. BM Fuhrmann sagt zu, die Auflistung bis Ende Februar zur Verfügung zu stellen.

Der Vorsitzende stellt fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.
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