Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser
Gz: AK 0429-02
GRDrs 167/2010
Neufassung
Stuttgart,
05/17/2010



Elektronisches Dokumentenmanagement bei der Landeshauptstadt Stuttgart - Bericht Pilotphase und weitere Vorgehensweise



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Reform- und Strukturausschuss
Verwaltungsausschuss
Beratung
Beschlussfassung
nicht öffentlich
öffentlich
12.05.2010
19.05.2010



Beschlußantrag:

1. Vom Abschlussbericht inkl. Evaluierung wird Kenntnis genommen. Damit ist die Pilotphase abgeschlossen.

2. Um die Grundlagen für eine stadtweite Einführung zu schaffen, wird die Verwaltung beauftragt, kostenneutral eine einheitliche und stadtweite elektronische Ablagestruktur (Aktenplan) unter Berücksichtigung der Anforderungen der Ämter und Eigenbetriebe und der wirtschaftlichen Aspekte zu erstellen.

3. Die Verwaltung wird beauftragt, eine Marktsichtung bei bereits eingeführten Systemen durchzuführen und bis Ende 2011 über das Ergebnis inkl. der notwendigen Investitionskosten und einer Darstellung der zu erwartenden laufenden Kosten sowie der Wirtschaftlichkeit bzw. des finanzwirksamen Ausgleichs der zu erwartenden Betriebs- und Personalkosten zu berichten. Der Gemeinderat entscheidet dann über die weitere Vorgehensweise.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Mit dem Beschluss der GRDrs 938/2006 hat der Verwaltungsausschuss am 17.01.2007 die Verwaltung damit beauftragt eine stadtweite, stufenweise Einführung eines elektronischen Dokumentenmanagementsystems inkl. elektronischer Vorgangsbearbeitung durchzuführen.

Die Verwaltung erhielt den Auftrag, im ersten Schritt eine europaweite Ausschreibung durchzuführen, in einer Pilotphase das ausgewählte System PRODEA zu testen und dem Gemeinderat 2010 eine Evaluierung inkl. aktualisierter Wirtschaftlichkeitsprognose zur abschließenden Entscheidung über einen weiteren Ausbau vorzulegen.


Projektverlauf
Nach dem Grundsatzbeschluss im Verwaltungsausschuss am 17. Januar 2007 wurden die notwendigen Ausschreibungsunterlagen für die europaweite Ausschreibung im Februar 2007 fertig gestellt. Am 21. März 2007 wurde die Ausschreibung der LHS im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Vor dem Hintergrund der hohen Anzahl der zu erwartenden Angebote wurde vor dem eigentlichen Auswahlverfahren ein Teilnahmewettbewerb durchgeführt. An diesem Teilnahmewettbewerb haben sich 18 Firmen beteiligt. Die Projektleitung hat aus den Anträgen fünf Firmen anhand zuvor definierter Kriterien ausgewählt und zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert.

Die fünf eingereichten Angebote inkl. der ausgefüllten Anforderungskataloge wurden durch die Projektgruppe geprüft und bewertet.

Wie bereits in der Ausschreibung angekündigt, wurden davon drei Firmen zu einer Produkt- und Angebotspräsentation eingeladen. Im Rahmen einer Testinstallation aller drei Produkte wurden die Systeme über einen Zeitraum von einem Monat durch ausgewählte Mitarbeiter/-innen aus verschiedenen Bereichen auf „Herz und Nieren“ geprüft. Hierzu wurden 45 Mitarbeiter-/innen der LHS in allen drei Systemen geschult und testeten über mehrere Tage hinweg die Funktionalitäten und Möglichkeiten der Produkte.

Bei der Auswahl der Produkte wurden die Standardversionen der Dokumentenmana-gementsysteme in einer Testumgebung installiert. Hierbei waren keine benutzerspezifi-schen Einstellungen und Prozessabläufe hinterlegt. Diese konnten erst im Verlauf des Projekts definiert und im System hinterlegt werden. Somit war erst im Produktivsystem ein Test der stadtspezifischen Einstellungen möglich.

Die Auswertung der Ausschreibungsunterlagen (Angebot, Anforderungskatalog) und die Auswertung der umfangreichen Produkttests haben schlussendlich ergeben, dass die Firma Hewlett Packard in Kooperation mit der Firma SER den Zuschlag für die Lieferung des Produkts PRODEA erhielt.

Nach der Offenlegung (GRDrs 499/2007) des Ausschreibungsergebnisses im Gemeinderat am 12. März 2008 wurde der Auftrag zum Festpreis an die Firmen Hewlett Packard und SER erteilt.

Nach dem Projekt Kick-Off am 13. Mai 2008 haben die Teilprojekte

§ Schriftgutorganisation und Archivierung
§ Technik
§ Geschäftsprozessoptimierung
§ Schulung und Personalentwicklung

die Arbeit aufgenommen. Parallel dazu starteten insgesamt 20 Workshops zu nachfolgenden Themen:

§ Aufbauorganisation und Aktenplan
§ Berechtigungen und Rollen
§ Posteingang / Scannen / Indizieren
§ Prozessworkshops mit den Pilotbereichen
§ Metadaten
§ Objekt- und Funktionsrechte
§ Aussonderung / Archivierung
§ Technische Spezifikationen

Die Ergebnisse der Workshops wurden in den Konzepten:

§ Technisches Feinkonzept (Zugriffsrechte, Metadaten, Aktenplan, Prozesse)
§ Systemdokumentation
§ Testkonzept
§ Scankonzept und
§ Schulungskonzept

dokumentiert.

Ab August 2008 erfolgte die Implementierung des Produktivsystems PRODEA inkl. ausführlicher Tests der Hard- und Software. Im November 2008 begannen die Schulungen für die Anwender/-innen und Administrator(en)/-innen.

Die Abnahme des Produktivsystems war für Ende 2008 geplant. Aufgrund Verzögerungen bei der Lieferung der benötigten Hardware und technischer Probleme im System wurde die Testphase jedoch bis Anfang 2009 verlängert. Nach Behebung der Probleme und erneuter Tests wurde am 13. Mai 2009 mit dem Echtbetrieb in den Pilotbereichen begonnen.

Die Aufgabe der Pilotbereiche war es, zum einen die Arbeitsweise mit dem ausgewählten System PRODEA der Firma SER auf seine Praxistauglichkeit für die LHS zu testen, sowie die gewählte Einführungsstrategie zu verifizieren und ggf. zu optimieren.

Die folgenden Pilotbereiche wurden umgesetzt:

§ Stabsabteilung für internationale Angelegenheiten/Städtepartnerschaften (L/OB-Int)
- Prozess Förderung Städtepartnerschaften (Basis für strukturierte Prozesse)
- Prozess Entwicklungszusammenarbeit (Basis für amtsübergreifende, unstrukturierte Prozesse)

§ Bezirksamt Weilimdorf
- Prozess Koordination Treffen der Bezirksvorsteher/-innen (Basis für teilstrukturierte Prozesse)

§ Jugendamt (Verwaltungsabteilung)
- Prozess Bewerbermanagement (Basis für strukturierte Prozesse)

§ Hauptaktei / Poststelle des Haupt- und Personalamtes
- Zentrale Posteingangs- und Scanstelle für die Pilotbereiche
- Aktenführende Stelle für L/OB-Int



Ergebnisse der Pilotphase
Die Pilotphase mit dem Produkt PRODEA bei der LHS hat wichtige Erkenntnisse gebracht und zu den folgenden im Vorfeld definierten Zielen der Pilotphase Antworten geliefert:

§ Genereller Test des ausgewählten Produkts PRODEA mit der Option, nach der Pilotphase die Einführung ggf. erneut ausschreiben zu können
§ Möglichkeit, organisatorische Regelungsbedarfe in der Pilotphase zu erkennen und für den stadtweiten Einsatz herbeizuführen
§ Möglichkeit der Einflussnahme auf die Konzeption und den Ablauf der stadtweiten Einführung Dank der intensiven Pilotphase und dem hohen Einsatz der Pilotbereiche können die o.g. Punkte nun hinreichend beantwortet werden.

Die Pilotphase hat darüber hinaus auch gezeigt, dass bei einem weiteren Ausbau eines Dokumentenmanagementsystems zusätzliche Vorteile wie z.B.

- Schnellere Informationszugriffe
- Bessere Transparenz
- Verbesserter Kundenservice
- Ordnungsgemäße Aktenführung
- Verbesserte Dokumentensicherheit
- Reduzierung von Laufzeiten / Suchzeiten

und langfristig auch die Reduzierung der Papierakten, umgesetzt werden können.

Als zentrale Aussage ist festzuhalten, dass ein DMS bei der Stadt Stuttgart grundsätzlich erforderlich ist, auch weil es eine zweckmäßige Basis für E-Government Leistungen darstellt.

Im Rahmen der Pilotphase haben sich in dem System PRODEA immer wieder Mängel gezeigt, die zwar größtenteils behoben wurden, aber grundsätzlich darauf schließen lassen, dass das Produkt PRODEA zum derzeitigen Zeitpunkt für einen stadtweiten Ausbau noch nicht hinreichend ausgereift ist.

Aufgrund der Erkenntnisse bei den Pilotbereichen wurde der weitere Ausbau in einer ersten Stufe gemäß dem Beschluss GRDrs 938/2006 nicht vorgenommen.

Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte aufgeführt, warum das System PRODEA die Anforderungen nicht erfüllt hat:


§ die Stabilität konnte nicht durchgängig gewährleistet werden
§ es sind technische Mängel u.a. bei Basisfunktionalitäten aufgetreten
§ es ist ein sehr hoher Aufwand zur Administration erforderlich
§ ein flexibler Einsatz unter verschiedenen technischen Bedingungen führt zu Komplikationen
§ LHS spezifische Einstellungen sind nach einem Update verloren gegangen
§ es liegen Schwächen im Bereich der Vorgangsbearbeitung vor
§ die Einbindung von Dokumentenvorlagen ist mangelhaft

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Produkt PRODEA den Ansprüchen für einen stadtweiten Einsatz bei der LHS nicht genügt und ein weiterer Einsatz bzw. ein stadtweiter Ausbau mit dem Produkt PRODEA nicht befürwortet werden kann.

Die Auswertung der Pilotphase hat ergeben, dass das Einführungskonzept dahingehend geändert wird, bei der Einführung nicht den Schwerpunkt auf die Abbildung von Prozessen zu legen, sondern zunächst nur die Basisfunktionalitäten eines DMS organisationsbezogen „Amt für Amt“ einzuführen. Infolgedessen kann eine komplette Organisationseinheit durchgängig mit dem gleichen System anhand einer einheitlichen Ablagestruktur arbeiten.

Mit der Konzentration auf die Basisfunktionen eines DMS (Aktenablage, Posteingangsbearbeitung, elektronische Mitzeichnung / Schlusszeichnung) werden die Mitarbeiter-/innen der jeweiligen Organisationseinheit Schritt für Schritt an die neue Arbeitsweise und an den Umgang mit dem Medium elektronische Akte herangeführt.

Eine Stadtverwaltung, vor allem in der Größe der LHS, bietet eine sehr große Palette an unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen für die Bürger und Unternehmen. Aufgrund der Komplexität werden deshalb häufig spezielle kommunale Fachverfahren in den Ämtern und Eigenbetrieben eingesetzt. Die in der Privatwirtschaft, bei Banken oder Versicherungen verwendeten DMS-Systeme sind mit den Anforderungen bei der LHS nicht vergleichbar. In diesen Bereichen werden ausschließlich immer gleichartige und eindeutig strukturierte Prozesse mit Hilfe eines DMS bearbeitet.

Die Erkenntnisse aus der Pilotphase haben bestätigt, dass eine Testphase von wenigen Wochen für eine Produktbewertung mit dem Ziel des stadtweiten Einsatzes nicht ausreichend ist und die von der LHS gewählte Einführungsstrategie, zunächst eine ausführliche Pilotphase durchzuführen, dann zu evaluieren und dann weitere Maßnahmen zu beginnen, richtig war. Die Notwendigkeit einer Pilotphase hat sich auch bei anderen Städten gezeigt, die nach einer kurzen Testphase größere Probleme mit dem jeweils eingesetzten Produkt hatten.

Mit der Durchführung einer Konzeptionsphase, einer europaweiten Ausschreibung und einer Pilotphase inkl. Produkteinführung nimmt die LHS im Vergleich zu anderen Großstädten in Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Viele Städte (z.B. Hannover) befinden sich noch in der Konzeptionsphase zur Einführung eines DMS.

Mit dem umfassenden Ansatz eines geplanten stadtweiten Roll-Outs nimmt die LHS in Ihrer Größenordnung bisher ebenfalls eine Sonderrolle ein. Im Städtevergleich hat sich gezeigt, dass Städte wie Köln, Wuppertal, Chemnitz, Münster, Braunschweig und Düsseldorf bisher lediglich durch sogenannte „Insellösungen“ im Bereich Archivierung von Kassenbelegen, Dokumenten zur KFZ-Zulassung und Steuerbescheiden, Erfolge erzielen.

Die Auswahl von kleinen, übersichtlichen aber trotzdem anspruchsvollen Pilotbereichen hat sich ebenfalls als richtig erwiesen. Aufgrund der aufgetretenen Mängel und Schwierigkeiten in der Pilotphase hätte es fatale Folgen nach sich gezogen, wenn komplexe und bewährte Systeme inkl. deren Abläufe nicht mehr funktioniert hätten.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die vorsichtige und durchdachte Strategie der LHS zur Erprobung eines Systems in einer Pilotphase richtig war. Andere Städte (z.B. Nürnberg) sind mit Ihrem Vorhaben ein DMS ohne ausreichende Pilotierung stadtweit einzuführen, gescheitert.

Die in der Pilotphase gewonnenen Erkenntnisse der LHS müssen nun bei den weiteren Maßnahmen berücksichtigt werden.


Weitere Vorgehensweise

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die LHS den stufenweisen stadtweiten Ausbau eines Dokumentenmanagementsystems unter Berücksichtigung der notwendigen organisatorischen Maßnahmen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten vornehmen sollte.

Der Einsatz eines DMS bringt weitere Vorteile gegenüber der bisherigen Arbeitsweise wie z.B. Ordnungsgemäße Aktenführung, schnellere Informationszugriffe, mehr Transparenz und die Unterstützung der Arbeitsprozesse.

Ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) ist auch eine zweckmäßige Basis für effizientes E-Government, vor allem im Hinblick auf die Herausforderungen der EU-DLR und weiterer Maßnahmen wie z.B. D115, und leistet einen entscheidenden Beitrag für eine moderne öffentliche Verwaltung wie die Stadt Stuttgart.

Auch der Aktionsplan Deutschland-Online Deutschland Online: Projekt des Bundes zum Ausbau von eGovernment www.deutschland-online.de beschreibt eine Vielzahl von Vorhaben wie z.B. die Standardisierung von Datenaustauschformaten, elektronische Abwicklung von Kfz-Wesen, Personenstandswesen, Meldewesen und die IT-Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Bei vielen dieser Vorhaben spielt ein DMS ebenfalls eine wichtige Rolle, vor allem im sogenannten Back-Office Bereich. Hierzu gehört die Beschleunigung und Digitalisierung von Standardprozessen (Mitzeichnung, Stellungnahmen, Antragsbearbeitung) und eine rechtssichere elektronische Ablage.

Für die Verwirklichung der Ziele der LHS in Richtung „One Stop Government“ und im Hinblick auf die Herausforderungen der Vorhaben rund um das Projekt „D115“ D115: Projekt des Bundes zum Aufbau einer bundeseinheitlichen Behördenrufnummer ist ein DMS im allgemeinen Sinne erforderlich.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzlage sollten jedoch vor einer erneuten Auswahl eines Produkts zunächst die weiteren grundlegenden organisatorischen Maßnahmen, in einem ersten Schritt die Umsetzung einer einheitlichen stadtweiten Ablagestruktur (Aktenplan), angegangen werden.

Im Rahmen eines Projektes wird eine einheitliche stadtweite Ablagestruktur (Aktenplan) unter Berücksichtigung der Anforderungen der Ämter und Eigenbetriebe und der wirtschaftlichen Aspekte erarbeitet.

Weiterhin wird empfohlen, im Rahmen einer Marktsichtung ein geeignetes System für die Stadt Stuttgart zu ermitteln. Hierbei wird man sich ausschließlich auf die Basisfunktionen eines DMS (Aktenablage, Posteingangsbearbeitung, elektronische Mitzeichnung / Schlusszeichnung, Aussonderung) konzentrieren. Die Erfahrungen anderer Städte sind dabei zu berücksichtigen.

Weitere finanzwirksame Maßnahmen und Projekte werden erst nach Klärung der konzeptionellen Fragen und der näheren Untersuchung der Wirtschaftlichkeit dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt.


Finanzielle Auswirkungen

Zur Erstellung einer einheitlichen und stadtweiten Ablagestruktur (Aktenplan), der Aktualisierung der Einführungskonzeption und zur Durchführung der Marktsichtung werden keine finanziellen Mittel und keine zusätzlichen Personalressourcen benötigt.


Beteiligte Stellen

Die Referate WFB und KBS haben mitgezeichnet.




Klaus-Peter Murawski
Bürgermeister


Anlagen

Elektronisches Dokumentenmanagement bei der Landeshauptstadt Stuttgart - Bericht Pilotphase -




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Stellungnahme GPR.pdfBericht Pilotphase Elektronisches Dokumentenmanagemt LHS.pdf