Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 15.11.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Mayer
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: "Fachkräfte sichern u. gewinnen, indem die Arbeitsbedingungen bei der Stadt verbessert werden: Grundsatzbeschlüsse zu befristet Beschäftigten u. zum Stellenschaffungskriterium der Mehrarbeit fassen!"
- Antrag Nr. 267/2017 v. 22.09.2017 (SPD)

Der im Betreff genannte Antrag sowie die dazu erfolgte Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 08.11.2017 sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei beigefügt.


BM Dr. Mayer weist auf die Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag hin. In dieser Stellungnahme werde auf die Themen kw-Vermerke und Befristungen ausführlich eingegangen. Diese Stellungnahme sei zudem im Verbund mit der Verwaltungsstellungnahme zum Antrag Nr. 237/2017 zu sehen. Dort werde das Thema kw-Vermerke nochmals vertieft.

Anschließend wird von StR Körner (SPD) der Antrag eingehend erläutert. Insbesondere führt er dabei aus, seine Fraktion sehe es für den Arbeitgeber Stadt Stuttgart als dringender denn je an, für Fachkräfte attraktiver zu werden, um diese zu gewinnen bzw. diese zu binden. Dafür sei die Beschäftigungssituation entscheidend. Hier sehe die SPD-Gemeinderatsfraktion zwei Herausforderungen. Zum einen seien dies die befristet Beschäftigten. Befristete Beschäftigungsverhältnisse seien für die auf solchen Stellen tätigen Menschen nicht zuletzt im privaten Bereich mangels Planungssicherheit sehr belastend. Heute sollte dazu ein Grundsatzbeschluss erfolgen, mit dem Ziel, die Mitarbeiterschaft der Stadt grundsätzlich unbefristet zu beschäftigen. Ausnahmen sollten auf das unabdingbar Erforderliche begrenzt werden. Wenn ein solcher Grundsatzbeschluss gefasst würde, müsste die Verwaltung im ersten Halbjahr 2018 ein Konzept dazu vorlegt, wie sich die Zahl der derzeit befristet Beschäftigten reduzieren lasse. Kw-Vermerke spielten dabei eine Rolle, aber nicht die alleinige.

Die zweite Herausforderung laute "Stellenschaffungskriterium Mehrarbeit". Für seine Fraktion sei der sich abzeichnende Konsens, dass hier so wie seither nicht fortgefahren werden könne, erfreulich. Positiv werde der von der Verwaltung für das nächste Jahr dazu angekündigte Vorschlag gesehen. In der Geschäftsanweisung könnten nach Auffassung der SPD-Gemeinderatsfraktion bereits jetzt die Worte "über die letzten zwei Jahre" gestrichen werden. Dies sei jedoch ein verwaltungsinterner Vorgang. Diese bekannte Problematik müsse Konsequenzen für die anstehenden Stellenplanberatungen haben. Bei den Stellenplanberatungen sei es der SPD-Gemeinderatsfraktion wichtig, die Frage der Arbeitsmehrung mit den Fachämtern, aber auch mit dem Referat Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht zu klären und zu entscheiden. Ein gangbarer Weg wäre der Vorschlag der FDP-Gruppierung (Schaffung von 125 Stellen, die durch die Fachämter begründet werden).

Der Vorsitzende teilt mit, es gebe Stimmen, die kw-Vermerke und Befristungen kritisierten. Die Verwaltung bewege sich bei diesen Themen, und dies betont er, nicht im rechtsfreien Raum. Nach dem Gemeindehaushaltsrecht dürften Mitarbeiter/-innen nur dann eingestellt werden, wenn es eine auf Dauer zur Verfügung stehende, also eine unbefristete Planstelle gebe. Stellen, dies sei der zweite Grundsatz, seien wiederum nur dann unbefristet zu schaffen, wenn es die entsprechende Aufgabe auch auf Dauer gebe. Die Verwaltung gehe mit dem Thema kw-Vermerke insofern zurückhaltend um, als dass lediglich vier Fallgruppen existierten, zu denen überhaupt kw-Vermerke vorgeschlagen würden (befristete Aufgaben, wie z. B. bei Sonderprogrammen und Projekten, Kofinanzierungen, schwierig einzuschätzender Arbeitsanfall, keine gesicherte Annahme der Haushaltsneutralität).

Bereits berichtet worden sei darüber, dass die Verwaltung in bestimmten Bereichen trotz kw-Stellen unbefristete Einstellungen vornehme, in Kenntnis, dass man die Mitarbeiter/-innen durch altersbedingte Fluktuation trotzdem behalten könne. Davon mache die Verwaltung als Maßnahme der Personalwirtschaft, auch ohne gemeinderätliche Hinweise, Gebrauch. Schließlich habe die Verwaltung das Interesse, gute Kräfte an die Stadt zu binden. Nicht zuletzt deswegen sei die Kündigungsquote bei der Stadt nicht nur rückläufig, sondern auf einem absolut niedrigen Niveau. Es gebe beispielsweise große Ämter, die kw-Stellen hätten, bei denen es keine einzige Person mit befristetem Vertrag gebe, da klar sei, dass bei einem Stellenwegfall diese Beschäftigten weiter eingesetzt werden könnten. Diese Form der Personalbewirtschaftung, der Bewirtschaftung des Stellenplans, erfordere eine gewisse Flexibilität. Grundsatzbeschlüsse führten hier nicht wirklich weiter.

Zu dem Thema der Befristungen habe die Verwaltung dargelegt, 30 % entfielen z. B. auf kw-Vermerke. 70 % aller Befristungen benötige die Verwaltung für flexible Arbeitszeitmodelle, um der familienfreundliche Arbeitgeber zu sein, den der Gemeinderat erwarte. Sollte der Gemeinderat anordnen, die Befristungen zurückzufahren, könnten diese flexiblen Arbeitszeitmodelle und die damit einhergehende Familienfreundlichkeit nicht aufrechterhalten werden. Befristungen/kw-Vermerke würden also, ungeachtet der rechtlichen Verpflichtung, weiterhin benötigt.

Zum Stellenschaffungskriterium der Mehrarbeit fährt BM Dr. Mayer fort, hierzu habe die Verwaltung dargelegt, für Überlegungen zu Verbesserungsmöglichkeiten aufgeschlossen zu sein. Die Verwaltung könne sich vorstellen, dieses Kriterium zu reformieren. Ein solcher Schritt müsse aber mit Augenmaß und nicht überstürzt im Verlauf von Haushaltsberatungen erfolgen. Schließlich handle es sich um eine bedeutsame Angelegenheit. Zwar könnten prozentuale oder zeitliche Änderungen sinnvoll sein, aber welcher Weg am besten geeignet sei, müsse genau ohne Zeitdruck überlegt werden. Im Verlauf der Haushaltsberatungen eine Änderung vorzunehmen, indem bspw. der Zeitraum von zwei Jahren gestrichen wäre angesichts der Komplexität des Stellenplanverfahrens etwas skurril. Dadurch würde im Grunde genommen der gesamte bisher getätigte Aufwand obsolet. Außer Frage stehe doch, wenn bspw. zu Beginn des Verfahrens das zweijährige Kriterium nicht bestanden hätte, dass dann seitens der Ämter auch andere Stellenschaffungsanträge gestellt worden wären. Eine Nachbearbeitung auf der Basis veränderter Kriterien könnte die Verwaltung ohnehin nicht leisten. Somit sollte das laufende Verfahren auf der Basis der bestehenden Beschlusslage fortgeführt werden. Gerne werde die Verwaltung im Frühjahr bzw. im ersten Halbjahr 2018 einen Reformvorschlag für das Stellenplanverfahren 2020/2021 unterbreiten.

Für StR Kotz (CDU) ist Anfang 2018 der richtige Zeitpunkt, um Überlegungen zu einer Änderung des Stellenschaffungskriteriums bei Mehrarbeit anzustellen. Seines Erachtens sollte unter anderem beleuchtet werden, wie andere Kommunen vorgehen. Die seitherige Regelung bezeichnet StR Winter (90/GRÜNE) als nicht haltbar und tragbar. Darum müsse man sich im Jahr 2018 intensiv kümmern. Auf Zuruf lasse sich dies heute aber nicht regeln. Dass die strittige Regelung im nächsten Jahr geändert werden soll, begrüßt StR Körner. StRin von Stein (FW) bezeichnet es als vernünftig, die bisher in Sachen Arbeitsmehrung angewendeten Kriterien zu Beginn des Jahres 2018 zu besprechen. Es liege am Rat, bei den kommenden Stellenplanberatungen abweichend von der kritisierten Regelung Stellen zu schaffen. StR Dr. Oechsner (FDP) begrüßt es ebenfalls, die im kommenden Jahr vorgesehenen Gespräche. In den Stellenplanberatungen bestehe die Möglichkeit, vom Verwaltungsvorschlag abweichende Entscheidungen zu treffen. Die kritisierte Regelung gehöre verändert, um personellen Engpässen entgegenzuwirken.

Für StR Kotz liegen die Daten und Fakten über die zu den kommenden Stellenplanberatungen zur Schaffung vorgeschlagenen Stellen vor. StR Winter sieht seine Fraktion angesichts des Austausches mit Personalräten verschiedener Ämter in der Lage, bei den Stellenplanberatungen die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. In der Folge betont StR Körner erneut, dass der Gemeinderat bei den kommenden Stellenplanberatungen in punkto Arbeitsmehrung aufgrund der geltenden unsicheren Regelung bereits konkrete Konsequenzen ziehen sollte. StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) merkt an, mit dem Zukunftspaket Personal seiner Fraktionsgemeinschaft - dieses begründet er - würden bereits für die laufenden Etatberatungen konkrete Vorschläge gemacht, um sofort auf die vorhandenen Defizite zu reagieren. Er teilt die Position von StR Körner, dass sofortiger Handlungsbedarf besteht. Schnellschüsse führten nach Überzeugung von StR Klingler (AfD) nicht weiter. Er sieht zwar seitens der Verwaltung und des Rates Handlungsbedarf, allerdings nicht während der bereits laufenden Haushaltsplanberatungen.

Dass es im positiven Sinne einen Unterschied zwischen der formalen Bedeutung von kw-Vermerken und dem tatsächlichen verwaltungsinternen Umgang mit kw-Vermerken und befristeten Stellen gibt, hat die Verwaltung für StR Kotz dargestellt. Schon mehrfach habe der Gemeinderat artikuliert, dass, wenn es möglich sei, diese Vorgehensweise gutgeheißen werde. Aus sozialer Sicht, aber auch für die Stadt als Arbeitgeber, seien unbefristete Arbeitsverträge vorzuziehen. Die dargestellte Vorgehensweise werde weiter unterstützt. Wenn bspw. eine Person einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterzeichnet habe, sei es ihr wohl eher gleichgültig, ob Stelle einen kw-Vermerk habe. In diesem Zusammenhang weist StR Kotz zudem darauf hin, dass die Stadt zu den Arbeitgebern gehört, die nur in sehr seltenen Fällen außerordentliche Kündigungen vornimmt. Vor diesem Hintergrund müssten aber auch Befristungen möglich sein.

StR Winter hebt auf den von seiner Fraktion gestellten Antrag Nr. 237/2017 "kw-Stellen zur Kompensation von Altersabgängen entfristen!" vom 14.08.2017 sowie auf die dazu mittlerweile ergangene Stellungnahme der Verwaltung ab. Ebenfalls verweist er auf Sachbeschlüsse des Verwaltungsausschusses, wonach bei Stellen mit kw-Vermerken die Verwaltung ermächtigt wurde, unbefristete Arbeitsverträge abzuschließen. Damit werde man sich weiter beschäftigen, auch im Sinne von Personalgewinnung und Personalerhaltung, sowie angesichts der in der Zukunft zunehmenden Anzahl von altersbedingten Abgängen.

Nach Auffassung von StR Körner muss der Gemeinderat einen Rahmen vorgeben, der besagt, grundsätzlich bestehe der Wunsch, möglichst alle städtischen Beschäftigten unbefristet zu beschäftigen. Das Wort grundsätzlich lasse ja Ausnahmen zu, aber mit der Vorgabe eines solchen Rahmens hätte die Verwaltung darüber Kenntnis, dass alle Möglichkeiten ausgenutzt werden müssten, um unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu haben. Dass es Bereiche gebe, in denen man ohne kw-Vermerke nicht auskomme, mache die Verwaltung in ihrer Stellungnahme zum Antrag Nr. 237/2017 deutlich. Dies sei unstrittig.

Ein Bedürfnis für den von StR Körner gewünschten Grundsatzbeschluss kann BM Dr. Mayer nicht erkennen. In der Praxis seien über 90 % der städtischen Arbeitsverhältnisse unbefristet (9,3 % befristet). Angesichts dieses Verhältnisses existiere doch ein Regel-/Ausnahmeverhältnis und zudem seien Befristungen rückläufig.

Für StR Körner, der sich auf Berichte von Personalräten bezieht, sind durch eine restriktive Personalpolitik in den vergangenen Jahren ganze Einheiten der Stadtverwaltung und des Jobcenters in enorme Schieflagen geraten. Wenn dort nicht gegengesteuert werde, drohten dort ebenfalls Zustände wie bei der Ausländerbehörde oder bei den Bürgerbüros. Insgesamt müsse sich der Gemeinderat um die Zukunftsfähigkeit der Verwaltung kümmern. Geklärt gehöre die Frage, wie in Bereichen, die strukturell unterbesetzt sind, zusätzliches Personal angesiedelt und wie überhaupt qualifiziertes Personal gefunden werden könne. Dafür seien die Aspekte Stellenschaffungen, Arbeitsbelastung und grundsätzlich unbefristete Verträge bedeutsam.

Bezogen auf das Zukunftspaket Personal der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS führt StR Rockenbauch aus, vorgeschlagen werde ein 100 Stellen umfassender kw-Pool. Diese zusätzlichen 100 Stellen seien dafür da, dass Personal auf kw-Stellen unbefristete Verträge erhalten könne. Die Personen, die hinter diesen 100 Stellen stünden, verließen den Pool, wenn sich durch Altersfluktuation etc. Spielräume bei regulären unbefristeten Stellen eröffneten. Mit diesem Instrument wolle man langfristig befristete Stellen auf 2,5 % reduzieren. Ob 100 Stellen für diesen Pool reichten, werde sich zeigen. Von ihm wird die Erwartung geäußert, dass die anderen Fraktionen diesen Ansatz unterstützen oder zu den Stellenplanberatungen entsprechende eigene Anträge stellen.

Für StRin von Stein sind kw-Vermerke ein notwendiges Instrument für die Verwaltung, um flexibel handeln zu können. Zwar seien unbefristete Stellen angesichts der demografischen Entwicklung ein erforderliches Instrument zur Personalgewinnung, aber es werde immer wieder Situationen geben, z. B. bei befristeten Projekten, die Stellen mit kw-Vermerken erforderten. Bewährtes Personal könne dann ggf. anderweitig untergebracht werden. Dies praktiziere die Verwaltung ohnehin bereits.

StR Klingler erkennt auch bei Befristungen weitere Änderungsnotwendigkeiten. Es gehöre ein Kompromiss mit den Beschäftigten erarbeitet, der allerdings die Verwaltung weiterhin in die Lage versetze, bei Bedarf flexibel zu handeln. An kw-Vermerken ist für StR Dr. Oechsner bei bestimmten Konstellationen nichts auszusetzen. Gesprochen werden müsse darüber, ob ein Anteil von 9,3 % befristete Arbeitsverträge zu hoch sei. Er meint, dieser Anteil sei angesichts der absehbaren Entwicklungen in den nächsten zwei Jahrzehnten zu hoch. In diesem Zeitraum gingen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Von daher handle es sich bei unbefristeten Verträgen um ein Personalgewinnungs- und Personalerhaltungsinstrument. Die beschriebene pragmatische Vorgehensweise, dass bei Stellen mit kw-Vermerken unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, sei wichtig. Ziel müsse sein, Befristungen auf das unabdingbare Mindestmaß zurückzuführen.

Darauf, dass 13 % der Befristungen, 130 Fälle, auf sachgrundlosen Befristungen basieren, weist StR Körner hin. Die dazu von der Verwaltung verwendete Argumentation, die tarifliche Probezeit von 6 Monaten sei zu kurz, um z. B. im Bereich der Verkehrsüberwachung die Eignung eines Beschäftigten zu prüfen, empfinde er als problematisch. Anschließend unterstreicht der Vorsitzende, dass das Instrument der sachgrundlosen Befristung mit absoluter Zurückhaltung angewendet wird. Dies belegten auch die entsprechenden dargelegten Zahlen. Es gebe nun aber mal z. B. im Bereich der Verkehrsüberwachung Fälle, in der die Verwaltung darauf angewiesen sei. Ansonsten müsste man bei den Einstellungen deutlich zurückhaltender agieren. In der Verkehrsüberwachung gebe es bspw. Qualifizierungserfordernisse, um Verkehrsmessungen durchführen zu können. Ohne diese Qualifizierung könnten diese Messungen nicht erfolgen. Zum Teil werde nahezu ein Jahr zur Durchführung dieser Qualifikationsmaßnahmen benötigt. Ohne erfolgreiche Abschlüsse könnten diese Beschäftigten in diesem Bereich, aber praktisch auch sonst, nirgends in der Stadtverwaltung eingesetzt werden. In solchen im Übrigen auch anerkannten Einzelfällen sei die Verwaltung auf sachgrundlose Befristungen angewiesen. Sachgrundlose Befristungen (ab 2018) lehnt StR Rockenbauch ab. StR Dr. Oechsner räumt ein, dass es für Arbeitgeber schwierig sei, Personal für Aufgaben einzustellen, die eine Einarbeitung von zwölf Monaten erforderten, wobei die Probezeit lediglich sechs Monate andauere. Eine zwölfmonatige Probezeit sehe das Arbeitsrecht aber nun mal nicht vor. Daher seien sachgrundlose Befristungen sicherlich rechtlich angreifbar. Diskutiert werden müsse, ob es keine anderen Möglichkeiten als diese sachgrundlosen Befristungen gebe.

Für Herrn Freitag (GPR) schwingt in der Aussprache der Tenor mit, dass eigentlich so wie bisher weitergemacht werden kann. Er kritisiert die Stellungnahme der Verwaltung. Dort werde insbesondere mitgeteilt, was alles nicht geht. In der Realität gebe es in der gesamten Stadtverwaltung eine Personalunterdeckung im vierstelligen Bereich. Am Arbeitsmarkt vergrößerten sich die Schwierigkeiten bei der Fachkräftegewinnung. Tatsache sei auch die demografische Entwicklung sowie die Kostenentwicklung in Stuttgart, was Wohnen und Leben angehe. Teilzeitbeschäftigte könnten sich Stuttgart als Wohnsitz nicht mehr leisten. Es gebe Halbtagbeschäftigte bei der Stadt, die Aufstockungen beim Jobcenter beantragten oder sich parallel Arbeitsplätze suchten. Weiter gehöre zur Realität, dass befristet Beschäftigte mangels Erfolgsaussicht eigentlich von Kreditanfragen bei Banken absehen könnten.

Nun gehe es darum, so der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats (GPR) weiter, personalwirtschaftliche Maßnahmen zu treffen, damit die Stadtverwaltung die negative Entwicklung abfedern könne. Erste Auswirkungen der "personellen Katastrophe" ließen sich bei der Ausländerbehörde und bei den Bürgerbüros erkennen. Mit den seitherigen Instrumenten könne den Zukunftsherausforderungen nicht entgegengetreten werden. Da die Verwaltung dringend notwendige Schritte nicht einleite, sei der Gemeinderat gefordert. Allerdings sei es nicht richtig, die Misere ausschließlich durch die Politik beheben zu lassen.

Mit ihren Anträgen hätten die Amtsleitungen in Kenntnis der Probleme vor Ort, unter Beachtung der ihnen vorgegebenen Kriterien, Stellen beantragt. Von diesen gestellten Anträgen habe die Zentralverwaltung 171, davon 125 aufgrund des Kriteriums Arbeitsmehrung, nicht anerkannt. Ob die personalwirtschaftlich richtigen Entscheidungen dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt würden, könne an der massiven Personalunterdeckung, gesehen werden.

Der Gemeinderat könne die genannten 125 Stellen dennoch beschließen. Der GPR habe die Querliste um die von den Amtsleitungen genannten Begründungen ergänzt. Die restlichen der von den Amtsleitungen beantragten Stellen gingen auf gemeinderätliche Wünsche und/oder auf gesetzliche Aufgaben zurück. Zum Kriterium "gesetzliche Aufgaben" fährt er fort, bei der Unterhaltsvorschusskasse habe die Fachverwaltung 10 Stellen als notwendig erachtet, während die Zentrale erklärt habe, für die Durchsetzung des Unterhaltsvorschusses für 18-Jährige reichten 3,5 Stellen aus. Das Ergebnis seien überlastete Beschäftigte und Bürger/-innen, die ihren Rechtsanspruch nicht zeitnah erfüllt bekämen.

Solches Handeln müsse man hinter sich lassen, um die aufgezeigte Entwicklung bewältigen zu können. Der Gemeinderat müsse Beschlüsse fassen, die die Verwaltung in die Pflicht nehmen, entsprechende Schritte einzuleiten. Seit dem Jahr 2014 beschäftige sich im Bundesinnenministerium eine Arbeitsgruppe mit der Problematik. Dort gehe es darum, grundsätzlich nur noch unbefristete Einstellungen vorzunehmen, auch auf kw-Stellen. In der Stuttgarter Stadtverwaltung gebe es nichts Vergleichbares. Mittlerweile gebe es durchaus auch pragmatische Lösungsvorschläge (z. B. Pool).

Überrascht sei er von der Äußerung des Vorsitzenden, dass sich auf kw-Stellen unbefristete Beschäftigungsverhältnisse befinden. Davon sei dem GPR nichts bekannt. Eine solche personalwirtschaftliche Maßnahme müsste mit dem GPR geregelt werden. In den Raum stellt er die Fragen, welche Ämter davon profitieren und welche nicht. Ihm seien zwei Beschäftigte beim Amt für Liegenschaften und Wohnen bekannt, die seit acht Jahren immer wieder in zweijährigen Schritten mit der befristeten Aufgabe des Ausbaus von Kindertageseinrichtungen beschäftigt würden. So etwas dürfe bei einem geregelten Umgang mit Befristungen nicht passieren.

Sachgrundlose Befristungen seien letztlich Versuche, den Tarifvertrag zu unterlaufen. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wäre es möglich, befristet zur Erprobung zu beschäftigen. Dies wäre ein Sachgrund. Damit würde offiziell der Tarifvertrag unterlaufen. Da dies aber nicht gewollt werde, werde sachgrundlos vorgegangen. So werde die Realität kaschiert. Es gebe viele Bereiche, in denen die Einarbeitungszeit länger als sechs Monate andauere.

Das Kriterium der Arbeitsmehrung müsse zeitnah geändert werden. Damit dies im ersten Quartal 2018 gelinge, müssten schnell Vorschläge vorgelegt werden. Der Rat sollte seine Absicht als Verhandlungsgrundlage der Verwaltung mitteilen. Nur der Gemeinderat könne sich über die Kriterien, die die Verwaltung einzuhalten habe, bei den Stellenschaffungen hinwegsetzen. Ein Grundsatzbeschluss "entfristet zu beschäftigen" könnte mit einem Auftrag an die Verwaltung verbunden werden, zu sagen, entsprechende Möglichkeiten aufzuzeigen. Auch sei ein Zielbeschluss, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse nur noch 2,5 % der Arbeitsverträge ausmachen dürften, möglich. Zudem gehörten die Befristungen mit kw-Vermerken ausgeräumt und die anderen Befristungen müssten ebenfalls betrachtet werden. Seines Wissens sei es in manchen Arbeitsgebieten möglich, auch über Elternzeit begründete Befristungen trotzdem mit unbefristeten Arbeitsverhältnissen zu versehen. Geprüft gehöre, wo dies möglich sei.

Seitens der Finanzverwaltung und seitens des Oberbürgermeisters vermisst Herr Freitag weiterführende Signale. Über die von der Verwaltung vorgeschlagenen 500 Stellen sei mit dem GPR nicht geredet worden. Darüber sei er verärgert. Er wisse allerdings nicht, was er unternehmen könne, damit einige Verwaltungsbereiche aufwachten. Im Augenblick laufe es sehr "schläfrig", wobei er hier nicht den Gemeinderat meine. Der GPR habe mit allen Fraktionen Gespräche geführt, und von daher sei ihm bekannt, dass die Fraktionen das Problem im Grundsatz erkannt hätten. Gerungen werde im Augenblick darum, wie hier politisch vorgegangen werden könne. Er plädiert dafür, den Antrag grundsätzlich zu befürworten und die notwendigen Korrekturen auf den Weg zu bringen. In den laufenden Etatberatungen sei es möglich, sich an den Anträgen der Amtsleitungen zu orientieren. Entscheidend sei aber, Aufträge an die Verwaltung für die Haushaltsplanberatungen 2020/2021 zu richten.

Mit diesem Beitrag, so BM Dr. Mayer, sei Herr Freitag in Sachen Zuspitzung deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Schräg sei doch, der Verwaltung vorzuwerfen, dass sie dort, wo es Möglichkeiten gebe, unbefristete Arbeitsverträge anbiete. Hinsichtlich der sachgrundlosen Befristungen zitiert er aus der Stellungnahme der Verwaltung zum SPD-Antrag Nr. 296/2016 "Sachgrundlose Befristungen erfolgen ferner, wenn die tarifliche Probezeit von sechs Monaten zu kurz ist, um die Eignung des/der Beschäftigten zu prüfen. Dass eine Befristung zu diesem Zweck nicht missbräuchlich oder gar eine gesetzwidrige Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes sein kann, ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 2 TzBfG, der diesen Befristungsgrund ausdrücklich anerkennt."

Die Verwaltung sei durchaus handlungsfähig. So habe die Verwaltung in der gestrigen Sitzung des Personalbeirats 29,44 Stellen für die Bürgerbüros zur Schaffung vorgeschlagen. Flankierend dazu solle in diesem Bereich die Arbeitsorganisation umgestellt werden (Einführung eines neuen Sachgebiets mit neuer Sachgebietsleitung, Grundsatzsachbearbeitung, Einführung eines Einarbeitungs- und Ausbildungsbürgerbüros, schnellerer Ausbau der Digitalisierung als vom Land und Bund vorgegeben). Dies vorab als nicht zielführend zu bezeichnen, sei argumentativ zu wenig. Die Verwaltung habe damit das Thema mit einem wesentlich breiteren Fokus als seither angegangen, und er gehe von einem richtigen Ansatz aus. Weiter weist er darauf hin, die Verwaltung habe die Fortsetzung von Tarif+ vorgeschlagen, man habe eine Vorlage zur Stärkung der Ausbildung erstellt und die Vorlage zur Personalgewinnung und -erhaltung werde voll bewirtschaftet.

Die Verwaltung schlage von den 453 Stellenplananträgen 287 zur Schaffung vor. 121 Anträge auf Verlängerung oder Wegfall eines kw-Vermerks würden vorliegen. 102 davon schlage die Verwaltung zur Verlängerung oder zum Wegfall vor. Dazu schlage der Oberbürgermeister die Schaffung von 99 Stellen beim Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart vor. Bei somit über 500 Stellenschaffungsvorschlägen der Verwaltung zu sagen, die Verwaltung sei schläfrig, gehe an der Realität vorbei.

In punkto Digitalisierung habe er nie die Stadt als vorbildlich bezeichnet. Im Gegenteil, von ihm werde eine Digitalisierungsstrategie eingefordert. Zunächst einmal müsse hier die Verwaltung sehen, wo sie in Sachen Digitalisierung stehe. Um dies zu beurteilen, werde externe Unterstützung eingeholt. Danach werde eine Strategie über die weitere Vorgehensweise erstellt.

Die Stadt sei nicht der schlechte Arbeitgeber, wie dies Herr Freitag versuche darzustellen. Nicht zuletzt zeige dies der niedrige Stand der Kündigungsquote. Ihn ärgere, dass, selbst wenn die Verwaltung gute und solide Vorschläge vorlege, von Herrn Freitag immer alles schlechtgeredet werde.

Zur weiteren Vorgehensweise merkt StR Winter an, deutlich gemacht worden sei, dass Anfang 2018 das Arbeitsmehrungskriterium neu zu fassen sei. Auch den Fragen der Befristungen und der sachgrundlosen Befristungen werde man sich nochmals annehmen. Vieles, das BM Dr. Mayer angeführt habe, zeige, dass man sich auf einem guten Weg befinde. Vieles davon sei auch durch gemeinderätliche Unterstützung in Bewegung gekommen. Für die Gespräche Anfang nächsten Jahres könne der Rat Fragen noch konkretisieren. Er, so StR Körner, nehme heute mit, dass man sich Anfang nächsten Jahres über das Kriterium Arbeitsmehrung und über Befristungen unterhalte. Dabei sei zu hoffen, dass man die heute beschriebenen Handlungsmöglichkeiten, genau betrachte. Mit dieser Vorgehensweise sei seine Fraktion einverstanden. Zum Zeitfenster 2018 gibt der Vorsitzende zu bedenken, dass die Verwaltung etwas Vorbereitungszeit benötigt. Dafür zeigt StR Körner Verständnis.Angesichts der Komplexität der Themen erachtet es StR Kotz als sinnvoll, dass BM Dr. Mayer Ende des ersten Quartals 2018 eine Gruppe Ratsmitglieder zu einem Gespräch einlädt, um Themen anzudiskutieren. Für StR Rockenbauch ist es dennoch wünschenswert, schon in den kommenden Stellenplanberatungen diverse Punkte, wie Stellenpool, auf den Weg zu bringen.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt BM Dr. Mayer diesen Tagesordnungspunkt ab.

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