Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
744
13
VerhandlungDrucksache:
881/2023
GZ:
AKR 3182, 0300
Sitzungstermin: 29.11.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Schmidt as
Betreff: Linden-Museum - Restitution von Kulturgütern: Aufgabenübertragung auf den Oberbürgermeister im Einzelfall und Auftrag zur Änderung der Hauptsatzung hinsichtlich einer dauerhaften Übertragung

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht vom 27.11.2023, GRDrs 881/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Dem Oberbürgermeister wird gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 GemO jeweils einzelfallbezogen die Entscheidung über die Restitution bezüglich der folgenden Objekte des Linden Museums übertragen:
2. Der Gemeinderat befürwortet eine dauernde Übertragung der Entscheidung über die Restitution von Kulturgütern des Linden Museums auf den Oberbürgermeister gem. § 44 Abs. 2 Satz 2 GemO. Die Verwaltung wird beauftragt eine entsprechende Änderung der Hauptsatzung der Landeshauptstadt vorzubereiten und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


StR Ebel (AfD) stellt sich bezüglich der Benin-Bronzen die Frage, ob es der Verwaltungsausschuss als Erfolg betrachte, wenn wenige Wochen nach Rückgabe der Bronzen die nigerianische Regierung die Objekte an Privatpersonen übergebe. Damit würden die Objekte der Öffentlichkeit entzogen, und "man kann auf die Idee kommen, dass finanzielle Mittel geflossen sind". Obwohl die Relevanz dieser Kulturgüter für Deutschland nicht sehr groß sei, stellten diese dennoch eine Erinnerung an das Deutsche Reich als Kolonialmacht dar. Entgegen der Vorlage werde damit nicht koloniales Unrecht korrigiert, denn selbst im Kaiserreich habe eine parlamentarische Kontrolle stattgefunden. Wenn der Vorlage zugestimmt werde, nehme sich der Gemeinderat aus der Verantwortung.

Die Vorkommnisse in Nigeria seien zwar diskussionswürdig, so EBM Dr. Mayer, machten Deutschland aber nicht zum besseren Besitzer. Es handle sich um eine bestens dokumentierte und geschichtlich klare Strafexpedition des britischen Militärs, während der diese Bronzen geplündert und ihren rechtmäßigen Eigentümern widerrechtlich entzogen worden seien. Dies stelle somit keine politische, sondern eine wissenschaftliche Frage dar. Die Provenienzforschung werde vom Linden-Museum sehr sorgfältig betrieben, und in diesem Fall sei die Restitution ein völlig klarer Sachverhalt. Die Frage, in welcher Form die Benin-Bronzen in Nigeria gezeigt würden, stehe nicht in der Entscheidungsbefugnis der Stadt, da sie nicht legitime Eigentümerin gewesen sei. Es werde dem wissenschaftlichen Rat derjenigen Personen gefolgt, die mit der Thematik hauptamtlich betraut seien. Wenn der Ausschuss dies anders sehe, würden weiterhin Einzelentscheidungen zur Vorlage gebracht. Er gibt jedoch zu bedenken, dass bereits drei weitere Restitutionsbegehren anhängig seien.

Für die gute Einordnung dankt StR Roth (90/GRÜNE), der wissen möchte, ob es möglich sei, dennoch Informationen über die Sachverhalte zu bekommen. Dazu sagt EBM Dr. Mayer zu, bereits im Vorfeld eine entsprechende Informationsnotiz zu ver-schicken.

Gegenüber StR Ebel erklärt StR Sauer (CDU), Gemeinderat und Verwaltung seien beim Linden-Museum in Verwaltungs- und Beirat eingebunden, wo derartige Entscheidungen diskutiert und beschlossen würden. Eine Sammelbefugnis erspare es dem Verwaltungsausschuss, sich mit einer Vielzahl von Rückgabeersuchen beschäftigen zu müssen. Dies sei ein guter, praktischer Vorschlag, dem er in Gänze zustimmen könne.

Durch die Debatte im Gremium könne sich bewusst gemacht werden, was damals geschehen sei, so StR Perc (SPD). Er plädiere daher eher dafür, diese Aufgabe nicht zu delegieren.

StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) schlägt vor, die Sachverhalte im Ausschuss für Kultur und Medien vorzustellen, um der Öffentlichkeit Genüge zu tun. Dies habe den Nachteil, dass dieser Ausschuss nur selten tage und man nicht kurzfristig reagieren könne, erklärt EBM Dr. Mayer. Zur Nachfrage von StR Ebel hält er fest, diese Befugnis könne jederzeit wieder rückgängig gemacht werden.


Die in der Vergangenheit beschlossenen Vorlagen hätten stets eine ausführliche wissenschaftliche Würdigung dieser Raubgüter enthalten und stellten eine öffentliche Transparenz her, erklärt StRin Meergans (SPD). Diese Auseinandersetzung müsse in einer öffentlichen Berichterstattung gewährleistet werden. Dazu führt der Vorsitzende aus, die öffentliche Kommunikation der Restitution werde stets professionell durch das Linden-Museum selbst vorgenommen. Dort liege der Sachverstand und man vertraue deren Urteil.

StR Winter (90/GRÜNE) schlägt eine Kenntnisgabe im Verwaltungsausschuss vor.

Dieser Vorschlag wird von EBM Dr. Mayer aufgegriffen, der bei einer bevorstehenden Restitution jeweils eine Mitteilungsvorlage inklusive der zugrunde liegenden Erwägungen in Betracht zieht. Diesem Vorschlag kann StR Perc folgen.


Der Vorsitzende stellt die GRDrs 881/2023 mit der Maßgabe zur Abstimmung, zukünftig bei Restitutionen dem Verwaltungsausschuss eine Mitteilungsvorlage zur Kenntnis zu geben. Er stellt fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag mit Maßgabe einmütig zu (1 Enthaltung).

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