Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
124/2013
GZ:
OB 8155-04.08
Sitzungstermin: 27.02.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, EBM Föll, Herr Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht)
Protokollführung: Herr Häbe st
Betreff: Erwerb der Wasserversorgung Stuttgart
Klage der Landeshauptstadt Stuttgart gegen die EnBW Regional AG

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.02.2013, GRDrs 124/2013.

Einführend bemerkt OB Kuhn, nach Auffassung der Stadt muss einem Kauf der Wasserversorgung der Ertragswert zugrunde gelegt werden (geschätzt ca. 160 - 180 Mio. €). Die EnBW fordere dagegen eine Vergütung nach dem Sachzeitwert (ca. 600 - 750 Mio. €). Da trotz vieler Gespräche eine Einigung über den Kaufpreis nicht in Sicht ist, habe sich die Verwaltung nach anwaltlicher Beratung dafür entschieden, dem Gemeinderat eine gerichtliche Klärung vorzuschlagen. Da der Stadt viele Dinge über die Stuttgarter Wasserversorgung nicht bekannt sind, geht der Vorsitzende von einem schwierigen Gerichtsverfahren aus.

Ergänzend informiert Herr Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht), darüber, ob eine Stufenklage oder eine Feststellungsklage erfolgt, finde derzeit eine Klärung statt. Bei Einreichung der Klage müsse aufgrund des dann vorliegenden Informationsstandes gesehen werden, welche Klage die passendste ist. Seit der letzten Beratungsrunde sei der Entwurf der Klageschrift vorbereitet worden. Zur Klärung der Datenlage und darüber, wie die Daten sinnhaft zum Gegenstand einer Klage gemacht werden können, gebe es mit den Wirtschaftsprüfern noch Gesspräche. Was die Frage der Aussicht einer solchen Klage angeht, hätten die vergangenen drei Monate zu keinen weiteren Erkenntnissen geführt. Bekanntlich gebe es eine Entscheidung des OLG Frankfurt. Diese Entscheidung werde weiterhin als Grundlage für das Herausgabeverfahren angesehen. Weiter gearbeitet werde an den Aspekten, die mit einem so komplexen Thema wie einer Wasserversorgung in Zusammenhang stehen (z. B. Kunden, Leitungen, Wasserspeicher). Hier müssten genaue Prüfungen erfolgen, da all dieses Gegenstand der Anträge sein muss.

Positiv zum Beschlussantrag äußern sich die StRe Pätzold (90/GRÜNE), Kotz (CDU), Kanzleiter (SPD) und Rockenbauch (SÖS und LINKE).

Als einen der wichtigsten Punkte bezeichnet StR Pätzold die Klärung der Mitgliedschaften in den Zweckverbänden. StR Kotz spricht von keiner Klage im Streit, sondern von einer Klage, um eine Wertfeststellung zu erreichen. Für StR Kanzleiter muss die Klage darüber entscheiden, ob einem Kaufpreis der Sachzeitwert oder der Ertragswert zugrunde zu legen ist. Die EnBW habe vermutlich aus taktischen Gründen versucht, den Wasserpreis zu erhöhen, um den Sachzeitwert zu steigern. Durch die Position des Landeskartellamtes scheine diese Vorgehensweise jedoch nicht haltbar zu sein. Erfreulicherweise werde die Stadt hier in ihrer Haltung durch die Position des Landeskartellamtes bestärkt.

StR Klingler (FDP) bezeichnet die Vorlage als sehr schwierig. Er stellt dabei einen Bezug auf das unternehmerische Risiko der Stadtwerke her. Für die Preiserwartung der EnBW äußert er zwar Verständnis, angesichts des Grundsatzbeschlusses des Gemeinderates zum Erwerb der Wasserversorgung ist jedoch auch für ihn eine Klärung des Kaufpreises vor Gericht notwendig. Der Vorlage werde "mit Bauchschmerzen" zugestimmt.

Die Vorgehensweise der EnBW ist für StR Rockenbauch ein bewusstes Unterlaufen des Rekommunalisierungsprozesses. Die Anteilseigner der EnBW müssten sich damit auseinandersetzen, wie sich ihr Unternehmen in Zukunft gegenüber Kommunen positioniert.

Im weiteren Verlauf bittet OB Kuhn die unterschiedlichen Positionen nicht zu überhöhen. Es gebe zwischen der EnBW und der Stadt Stuttgart unterschiedliche Auffassungen über die Höhe des Kaufpreises. Aufsichtsratsmitglieder der EnBW müssten natürlich mit derselben Sorge um den richtigen Kaufpreis agieren wie die Stuttgarter Ratsmitglieder und er selbst. In einem Rechtsstaat folgten auf solche Auseinandersetzungen Rechtsstreitereien und keine Feindschaften. Insoweit stelle das Ganze eine normale Klärung dar.

An die StRe Zeeb (FW) und Klingler gewandt trägt EBM Föll vor, im Stadthaushalt und in der Finanzplanung seien keine Beträge für einen Erwerb der Wasserversorgung eingestellt. In den Beratungen zum Doppelhaushalt 2012/2013 sei davon abgesehen worden, da man sich auch damals keine sicheren Preisvorstellungen habe machen können. Inwieweit dafür zu welchem Zeitpunkt Sorge getragen werden muss, soll in den kommenden Etatberatungen besprochen werden. Da sich aber ein Zeitpunkt nicht genau bestimmen lässt, müssten Überlegungen auch zur Frage erfolgen, ob es überhaupt sinnvoll ist, in den kommenden Doppelhaushalt bzw. in die Finanzplanung entsprechende Beträge aufzunehmen oder ob bei einer solchen wesentlichen Angelegenheit erst dann, wenn tatsächlich ein Kauf ansteht, ggf. ein Nachtragshaushalt vorgesehen werden muss. Er selbst sei zwar kein großer Freund von Nachtragshaushalten, da eigentlich haushaltsrelevante Dinge ordentlich geplant gehören, aber in solch ungewissen Dingen wie im vorliegenden Fall müsse man sich durchaus einen Nachtragshaushalt überlegen. Ferner gibt er zu bedenken, bei der Wasserversorgung handle es sich um kein Thema, bei dem man Geld verliert. Bei einer Übernahme der Wasserversorgung handle es sich um eine werthaltige Investition. Aus dem Betrieb der Wasserversorgung könne eine entsprechende Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet werden, die im Übrigen dann auch an den Stadthaushalt ausgeschüttet werden darf. Neben der Fremdkapitalverzinsung erwirtschafte auch die EnBW eine Eigenkapitalverzinsung durch die Wasserversorgung. Im Kontext mit der Wasserpreiserhöhung seien im vergangenen Jahr ein Stück weit die Kalkulationen der EnBW vorgelegt worden.

Für den Ersten Bürgermeister stellt die Klage, eine schlüssige Konsequenz zum Bürgerbegehrens 100-Wasser dar, welches der Gemeinderat wohl einmütig aufgegriffen hat. Nachdem im Verhandlungswege keine Einigung habe erzielt werden können, handle es sich nicht zuletzt angesichts der nicht einfachen Rechtsmaterie bei einer solchen Klage um einen normalen Vorgang. Die Verwaltung sei nach einer sorgfältigen und intensiven Abwägung fest davon überzeugt, dass die Erfolgsaussichten einer Klage gut sind bzw. dass man in wesentlichen Teilen erfolgreich sein wird.

Wert legt Herr Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) darauf, dass sein Büro bei einem Auftrag auf Klageprüfung ehrlich die Erfolgsaussichten beziffert. Seines Erachtens besteht bei der Wasserversorgung in jedem Fall gegenüber der EnBW ein Herausgabeanspruch seitens der Stadt. Bei Einzelfragen, wie z.B. weit geht der Herausgabeanspruch bei einem gemischt genutzten Wasserbehälter geht, könne es Nuancen geben. Zur rechtlichen Frage der fehlenden Endschaftsklausel weist er erneut auf die Rechtsprechung des OLG Frankfurts hin. Dort werde dargelegt, wenn eine fehlende Endschaftsklausel zur Folge hätte, dass das gesamte Wasserversorgungsvermögen in der Hand des jetzigen Eigentümers belassen würde, müsste derjenige, welcher das Ende des Konzessionsvertrages erklärt, ein komplett neues Netz aufbauen. Eine solche Zerstörung wirtschaftlicher Werte erachte das OLG Frankfurt zwischen den Zeilen relativ eindeutig jedoch als nicht möglich. Auch im BGB ließen sich eindeutige Regelungen, die diese Position in anderen Kontexten beschreiben, nachlesen. Diese Regelungen würden im vorliegenden Fall Anwendung finden.

Zudem teilt Herr Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) StR Zeeb mit, angesichts interessanter Rechtsfragen könne das Verfahren über drei Instanzen gehen (BGH als dritte Revisionsinstanz). Ende 2013, Anfang 2014, könne wohl eine Entscheidung des Landgerichtes vorliegen. Der weitere Verlauf lasse sich allerdings schwierig vorhersehen, aber bei drei Instanzen werde eine Entscheidung nicht vor Ablauf von vier bis fünf Jahren vorliegen.

An StR Kotz gewandt bekräftigen StR Kanzleiter und OB Kuhn, dass es keinerlei Zusammenhang zu der Frage Energiekonzession gibt. Ein solcher Zusammenhang wäre für den Vorsitzenden nicht akzeptabel und rechtlich anzweifelbar. Wer in diesem Zusammenhang darauf spekuliere, täusche sich gewaltig, so der Oberbürgermeister.

Abschließend stellt OBM Kuhn fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.
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