Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Gz: 6565-00
GRDrs 1205/2021
Stuttgart,
11/17/2021



Haushalt 2022/2023

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 19.11.2021



Umweltgerechtigkeitskartierung

Beantwortung / Stellungnahme

Hintergrund

Derzeit wird in ämterübergreifender Zusammenarbeit das Quartiersmonitoring „Soziale Stadtentwicklung“ entwickelt, das die drei Themenfelder Armut, Wohnraum und Umwelt/Gesundheit abdeckt. Für die jeweiligen Themenfelder werden (Teil-)Indizes aus geeigneten Indikatoren gebildet, die relevante Aspekte des Themenfelds beschreiben. Dabei wird auch auf Anwendungsbeispiele anderer Städte (z.B. das Berliner Umweltgerechtigkeitsmonitoring oder die Münchner Stadtteilstudie) zurückgegriffen. Die konkrete Entwicklung der Indizes für das im Haushaltsantrag 1110/2021 erwähnte Themenfeld Umwelt/Gesundheit ist für die zweite Jahreshälfte 2022 geplant. Dies geschieht federführend durch das Statistische Amt in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt, dem Amt für Stadtplanung und Wohnen, dem Jugendamt und für dieses Themenfeld insbesondere dem Amt für Umweltschutz sowie dem Gesundheitsamt.



Stellungnahme zu Teilantrag 1.)

Die im Haushaltsantrag 1110/2021 beantragte GIS-gestützte Umweltgerechtigkeitskartierung sieht eine Weiterentwicklung durch ergänzende Umwelt- und Gesundheitsindikatoren vor. Nach aktuellem Stand sind für den Teilindex Umweltbelastungen viele relevante Daten auf kleinräumiger Ebene verfügbar. Beim Teilindex Gesundheitsrisiken ist die Datenverfügbarkeit wesentlich geringer, da die dem Quartiersmonitoring zugrundeliegende Einheit der Stadtviertelebene deutlich kleinräumiger ist als beispielsweise die Berliner „lebensweltlich orientierten Räume (LOR)“. Entsprechend wird sich die Indikatorenwahl des Berliner Umweltgerechtigkeitsmonitorings nicht ohne Weiteres auf das Stuttgarter Quartiersmonitorings übertragen lassen.

Im Berliner Umweltgerechtigkeitsmonitoring werden neben den Kernindikatoren Lärmbelastung, Luftbelastung, Grünflächen, Thermische Belastung und Soziale Problematik weitere Ergänzungsindikatoren herangezogen. In vergleichbarer Weise ist das Stuttgarter Quartiersmonitoring nach einem integrierten Baukastenprinzip aufgebaut: Die voneinander unabhängigen Teilindizes beschreiben verschiedene Aspekte der sozialen Stadtentwicklung und können für verschiedene Fragestellungen kombiniert werden. Auf diese Weise soll auch ermöglicht werden darzustellen, wo Armutsrisiken und Umweltbelastungen zusammentreffen. Hierfür würden die Indizes des Themenfelds Armut (Armutsindex und Armutsrisikoindex) mit den noch zu entwickelnden Teilindizes Umweltbelastungen und gegebenenfalls Gesundheitsrisiken kombiniert werden. Insofern wird das Quartiersmonitoring voraussichtlich die Datenaufbereitung leisten, die im Haushaltsantrag 1110/2021 gefordert wird.

Bei der aktuell laufenden Entwicklung des Quartiersmonitoring zeigt sich, dass die dafür bewilligten Stellenanteile im Statistischen Amt (in Höhe von 0,5 EG13) bislang nicht ausreichen, um die notwendigen Aufgaben bei Aufstellung der Indizes, Datensichtung und -erhebung sowie Koordination der Projektpartner zu erledigen. Daher werden derzeit Kapazitäten von weiteren Stellenanteilen hinzugezogen. Es ist damit zu rechnen, dass sich mit der Finalisierung der Indexkonstruktion der Arbeitsaufwand reduzieren wird. Sollte, wie im Haushaltsantrag 1110/2021 beantragt, der Auftrag erfolgen, die Indikatoren im Themenfeld Umwelt/Gesundheit weiterzuentwickeln und auszubauen bzw. die Erarbeitung dieser Indikatoren zu forcieren, wären zusätzliche Stellenanteile (in Anbetracht des aktuell zu bewältigenden Arbeitsaufwands schätzungsweise in Höhe von weiteren 0,5 EG13) im Statistischen Amt erforderlich.

Da das Quartiersmonitoring als Arbeitsinstrument für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat vorgesehen ist, ist auch eine Darstellung der Daten in kartografischer Form, die eine möglichst einfache Kombinierung mit anderen relevanten GIS-Daten erlaubt, geplant. Eine GIS-gestützte Kartierung ist somit naheliegend und wird angestrebt. Die konkrete Umsetzung ist für den Zeitraum 2022-2023 projektiert, wenn Indizes aller Themenfelder entwickelt wurden und die Daten aufbereitet sind. Aus Sicht des Statistischen Amts wäre eine ausschließliche Kartierung des Themenfelds Umwelt nicht zielführend und nicht im Sinne des integrierten Konzepts des Quartiersmonitorings.


Stellungnahme zu Teilantrag 2.)

Im Haushaltsantrag 1110/2021 wird die Entwicklung lebensweltlich orientierter Planungsräume auf Basis der Umweltgerechtigkeitskartierung beantragt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Einheiten von der im Quartiersmonitoring verwendeten räumlichen Einheit der Stadtviertelebene abweichen. Die erst 2019 überarbeitete Stadtviertelgliederung zielt gerade darauf ab, gelebte Sozialräume zu erfassen und entsprechend auszuweisen (GRDrs 612/2016, GRDrs 730/2017). Aus fachlicher Sicht erscheint es fraglich, ob sich bei alleiniger Betrachtung der Indikatoren des Themenfelds Umwelt/Gesundheit eine abweichende Gliederung ergäbe, geschweige denn, ob auf diese Einheit abzielende Handlungsempfehlungen sinnvoller wären. Die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zu den verschiedenen Themenfeldern und Fragestellungen des Quartiersmonitorings durch die Fachämter ist freilich als Bestandteil des Quartiersmonitorings vorgesehen. Im Sinne des Quartiersmonitorings stellt die Stadtviertelgliederung lebensweltlich orientierte Planungsräume dar.


Fachliche Einschätzung

Der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit (im Sinne vorzeitiger Sterblichkeit) ist wissenschaftlich zuverlässig nachgewiesen. Für die Rolle von Umweltbelastungen fehlen dagegen eindeutige Belege. Insbesondere ein kausaler Zusammenhang ist bisher nicht eindeutig gezeigt. Auch Analysen der Berliner Daten zur Umweltgerechtigkeit weisen zwar einen deutlichen positiven, signifikanten Zusammenhang zwischen Armut und vorzeitiger Sterblichkeit auf, können aber den Zusammenhang von Umweltbelastung und vorzeitiger Sterblichkeit nicht belegen. Tatsächlich verändert sich die Stärke des Zusammenhangs von Armut und vorzeitiger Sterblichkeit kaum, wenn Umweltbelastungen zusätzlich berücksichtigt werden. Dies schließt nicht aus, dass sich Umweltbelastungen auf Gesundheit auswirken könnten, dieser Effekt ist aber bisher nicht so gut belegt, wie in der Begründung dargestellt.

Vor diesem Hintergrund muss Erwartungen an das Quartiersmonitoring mit Kartierung der Umweltgerechtigkeit in der aktuellen Form, diesen wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen, eine Absage erteilt werden: Eine entsprechende Interpretation, insbesondere eines kausalen Zusammenhangs, werden die im Rahmen des Quartiersmonitorings auszuwertenden Daten nicht erlauben. Um tatsächlich den Einfluss von Umweltbelastungen auf vorzeitige Sterblichkeit eingehend zu analysieren, wären befristet zusätzliche personelle Kapazitäten im Statistischen Amt notwendig, bzw. diese wären durch die zu Teilantrag 1) dargestellten zusätzlichen Kapazitäten abzudecken oder eine externe Unterstützung zu prüfen.




Vorliegende Anträge/Anfragen

1110/2021/PULS Fraktionsgemeinschaft




Dr. Clemens Maier
Bürgermeister




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