Das Frauenberatungs- und Therapiezentrum Fetz e.V. wurde 1991 gegründet. Es bietet psychologische Beratung und therapeutische Gespräche von Frauen für Frauen* an. Die Ratsuchenden werden als Expertinnen für die je eigene Lebenssituation wahrgenommen. Im Fokus der Unterstützung steht die Hilfe zur Selbsthilfe und die Stärkung schon vorhandener eigener Lösungskompetenzen.
Das Angebot gliedert sich in drei Arbeitsbereiche:
2. Beratung und Information nach Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen (Frauennotruf)
3. Beratung für lesbische und bisexuelle Frauen* und Mädchen*
Das Fetz Frauenberatungszentrum hatte 2022 über 1400 Beratungskontakte mit Frauen nach Gewalt (telefonisch, persönlich, per Mail, Online). Die Beratungsanfragen steigen seit der me-too-Kampagne gerade bei jungen Frauen kontinuierlich an.
Auch im Bereich Beratung für Frauen mit Behinderung nach sexualisierter Gewalt gibt es durch die Arbeit der Netzwerkstelle für Frauenbeauftragte in Werkstätten der Behindertenhilfe vermehrte Nachfragen. Das wird als Erfolg gesehen, da sich nun Frauen mit Behinderung eher Hilfe suchen. Wenn Betroffene in solchen Notsituationen jedoch keine zeitnahe und verlässliche Hilfe finden, kann dies verheerende Folgen für das weitere Leben haben.
Zu lange Wartezeiten
Der Frauennotruf versucht, direkt nach Gewalt in jedem Fall Termine anzubieten, damit betroffene Frauen über ihre Rechte aufgeklärt und psychologisch versorgt werden. Beratungen für Frauen zu Krisenthemen wie PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) und andere Gewaltfolgen können auf Grund der Steigerung der Akutanfragen seit mehreren Jahren kaum mehr vorgehalten werden. Liegt die Gewalterfahrung schon etwas länger zurück, müssen betroffene Frauen durchschnittlich drei bis vier Monate warten, bis sie einen ersten Termin erhalten. Dadurch kann sich die Symptomatik der Frauen deutlich verschlimmern: Depressionen, Ängste, psychosomatische Beschwerden, Schlaflosigkeit, Schmerzen und Arbeitsunfähigkeit sind nicht selten die Folge. Da gleichzeitig weiterhin Therapieplätze für traumatisierte Frauen* fehlen, bleiben etliche von ihnen dauerhaft unversorgt, ziehen sich zurück und werden familiär, sozial und beruflich geschädigt.
Präventions- und Fortbildungsarbeit
Die Präventionsarbeit und Fortbildungsarbeit des Frauennotrufs ist mit der bisherigen, geringen personellen Ausstattung nur völlig unzureichend möglich, da die Akutversorgung der Frauen immer Vorrang haben muss.
2. Bedarf an Fortbildungen und Öffentlichkeitsarbeit (Istanbul-Konvention, Art. 15 und 13)
Angemessene Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen* ist davon abhängig, ob Fachkräfte aus anderen Bereichen dezidiert Wissen über die rechtliche Lage und die psychischen Folgen von sexualisierter Gewalt haben.
Um die Sicherheit von Frauen* vor sexuellen Übergriffen zu erhöhen, müssen in allen Arbeitsbereichen sowie im Freizeitbereich Schutzkonzepte erarbeitet und verankert werden.
Nach sexualisierter Gewalt sollten betroffene Frauen* eine wertschätzende, zugewandte und sachkundige Unterstützung erfahren, um den eigenen Selbstwert zu erhalten, bestehende Rechte wahrzunehmen und das Vertrauen in Gerechtigkeit wiederzuerlangen. Reagieren Fachpersonen abwertend, respektlos oder (unwissentlich) inadäquat nach einem Übergriff, ist dies nicht selten ähnlich traumatisierend wie die eigentliche Gewalt.
Deshalb wird in Art. 15 der Istanbul-Konvention ausdrücklich die Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Berufsgruppen gefordert, die mit Opfern und Tätern von Gewalt gegen Frauen* zu tun haben.
Ziel ist die gezielte Schulung zur Aufdeckung der Gewalttaten, die Verhütung von Gewalt, die Schulung zu Bedürfnissen und Rechten der Betroffenen von Gewalt und die Verhinderung von Sekundärviktimisierung der Gewaltbetroffenen.
Leider kann dieser Passus der Istanbul-Konvention in Stuttgart noch nicht ausreichend umgesetzt werden. Das Fetz Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart e.V. hat große Expertise in der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen*, den gesellschaftlichen und individuellen Hintergründen zur Entstehung von Gewalt und den Auswirkungen von sexualisierter Gewalt auf das Leben von Frauen*.
Als Fachberatungsstelle zu sexualisierter Gewalt wird das Fetz e.V. häufig von verschiedensten Akteur*innen (z.B. Behörden, Polizei, Institutionen, Vereinen, Betrieben und Pflegeeinrichtungen) in Bezug auf Fortbildungen angefragt. Auch Clubs und Veranstalter*innen erfragen regelmäßig die Expertise, um die Sicherheit von Frauen* im Nachtleben zu erhöhen.
In diesen Bereichen ist das Fetz e.V. bereits seit vielen Jahren tätig. Aufgrund mangelnder personeller Ressourcen können Anfragen jedoch nur vereinzelt und punktuell bedient werden. Als Anlaufstelle für Frauen* nach Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen stehen uns bislang nur circa zwei Vollzeitäquivalente zur Verfügung. Diese Ressourcen reichen bereits für die Beratung und Unterstützung gewaltbetroffener Frauen* kaum aus.
Auch Öffentlichkeitskampagnen, die der Sensibilisierung der Bevölkerung dienen (Istanbul-Konvention, Art. 13) können nur vereinzelt durchgeführt werden.
Das Fetz Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart e.V. benötigt eine 50 % Stelle, insbesondere für die erweiterte Fortbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, um sexualisierter Gewalt an Frauen* präventiv zu begegnen. Geplant sind Fortbildungen und Schulungen verschiedener Berufsgruppen zum respektvollen Umgang mit Betroffenen. Darüber hinaus wird das Fetz e.V. immer häufiger zu Fortbildungen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz angefragt.
Wichtig ist darüber hinaus eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch intensivierte Öffentlichkeitsarbeit.
In der Istanbul-Konvention (Art. 15 IK) wird ausdrücklich die Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Berufsgruppen gefordert, die mit Opfern und Tätern von Gewalt gegen Frauen* zu tun haben. Ebenso werden regelmäßige Kampagnen und Programme zur Bewusstseinsbildung der breiten Öffentlichkeit gefordert (Art. 13 IK). Um die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Stuttgart voranzutreiben, soll im Rahmen der beantragten Stelle in folgenden Bereichen fortgebildet und sensibilisiert werden:
· Fortbildungen zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz für Behörden, Institutionen und Betriebe
· Begleitung bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten für Vereine
· Sensibilisierung von Sozialarbeiter*innen für die spezifischen Belange gewaltbetroffener Frauen*
· Sensibilisierung und Schulungen der Polizei im Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen*
· Schulungen von Clubs und Veranstalter*innen zu sicherem Nachtleben für Frauen*
· Öffentlichkeitsarbeit und Prävention
Finanzielle Auswirkungen Der Aufwand von jährlich 39.000 EUR wird ab 2024 zuzüglich jeweils 2 % Personalkostensteigerung ab 2025 ff. im Teilergebnishaushalt 810 - Bürgermeisteramt, Kontengruppe 43100 - Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke beantragt.