Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
891/2014
GZ:
OB
Sitzungstermin: 28.01.2015
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, EBM Föll
Protokollführung: Herr Häbe pö/fr
Betreff: Dialog Rosenstein
Ausschreibung und Durchführung einer mitwirkenden
Bürgerbeteiligung (informelles Verfahren)

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.01.2015, GRDrs 891/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Gemeinderat stimmt der Durchführung einer Bürgerbeteiligung als informelles Verfahren zur Entwicklung Rosenstein zu. Diese soll ab dem Frühjahr 2015 gestartet werden. Die Mittel zur Finanzierung dieses Verfahrens stehen zur Verfügung.

Der Auftrag zur Erbringung einer Beratungsleistung zur Vorbereitung des Verfahrens wird freihändig vergeben. Vertragsinhalt ist dabei die Erstellung einer Leistungsbeschreibung als Grundlage für die im Anschluss folgende öffentliche Ausschreibung zur Konzeption und Durchführung der Bürgerbeteiligung.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die nach dem einführenden Sachvortrag von OB Kuhn erfolgenden Statements der Fraktionen bzw. der Gruppierung sind diesem Protokoll im überarbeiteten Wortlaut als Dateianhang beigefügt. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei sind sie in Papierform beigefügt.
1. Einführung:

In seinem Sachvortrag trägt OB Kuhn vor, die Verwaltung schlage vor, dazu, was aus den im Zuge des Bahnprojekts Stuttgart 21 (S 21) frei werdenden Flächen im Bereich Rosensteinpark geschehen soll, eine informelle Bürgerbeteiligung durchzu- führen. Informell bedeute, die Bürgerbeteiligung solle nicht zu einer fertigen Konzep- tion oder zu einem Verwaltungsentwurf erfolgen, sondern es gehe um die Frage, was auf diesen Flächen geschehen soll. Am Ende einer solchen informellen Bürgerbeteiligung würden eine, zwei oder drei Varianten stehen. Diese müssten dann tiefergehender ausgearbeitet werden. Für diese Phase, also für die Beantwor- tung der Frage, was in diesem Bereich neu entstehen soll, sollte man ein Jahr, allerhöchstens eineinhalb Jahre vorsehen. Betroffen seien nicht nur die Bürger des Stuttgarter Nordens und des Stuttgarter Ostens, sondern diese Fragestellung betreffe alle Stuttgarter Bürger. Es werde wohl nie wieder die Gelegenheit geben, maximal 100 ha im Herzen Stuttgarts zu entwickeln.

Immer wieder gebe es Diskussionen, Anträge und Anfragen zum Thema "Inter- nationale Bauausstellung" (IBA). Die vorgeschlagene informelle Bürgerbeteiligung könne auch in einer IBA enden. Diese Option sollte man sich offenhalten. Wenn solche IBAs Sinn machen, so sein Hinweis, benötigten diese als Alleinstellungs- merkmal sehr spezifische und gut fundierte Themenstellungen. Seitens der CDU- Gemeinderatsfraktion sei in diesem Zusammenhang vorgeschlagen worden, eine IBA zum Thema Nachhaltigkeit ins Auge zu fassen. Dieser Ansatz könne aber nicht in Betracht kommen, da Nachhaltigkeit sozusagen dem Stand der Technik entspricht. Die Frage werde sein, ob ein neues Thema gefunden werden kann, das in der Stadt und vielleicht auch in der Region so bedeutend ist, dass es vielleicht in eine IBA münden kann. Im Übrigen koste eine IBA auch viel Geld. Auch vor diesem Hintergrund werde vorgeschlagen, das Thema IBA mit einer gewissen Offenheit anzugehen. Die Zeit, die eine informelle Bürgerbeteiligung benötigt, sollte zur Klärung der Frage verwendet werden, ob es eine stuttgart-spezifische Fragestellung im Zusammenhang mit der Verwendung der zu überplanenden Flächen geben kann. Von anderen Städten kopierte Themenstellungen seien nicht geeignet. Beispielsweise könne man sich über ein Thema wie "Energie-Plus-Stadtteile mit einer anderen Verkehrskonzeption" zeitnah in einem separaten Kolloquium unter Beteiligung von Experten widmen.

Angesichts von Anträgen, die sich gegen eine Beplanung aussprechen, betont der Vorsitzende, es wäre falsch, jetzt nicht mit einer Planung und einer Bürgerbeteili- gung zu beginnen. Bis 2021 müsse S 21 gebaut werden. Anschließend werde Zeit benötigt, bis die in Rede stehenden Flächen bebaubar werden. Unter anderem werde es erforderlich sein, die alten Gleise vor einer Umwidmung noch bestehen zu lassen, beispielsweise für die Dauer von zwei Fahrplanwechseln. Ein weiterer zeitverzögernder Faktor werde sein, dass das Gelände dann noch nicht baufertig sein wird. Zunächst müssten noch Altlasten etc. abgearbeitet werden. Klarstellend zum Beschlussantrag fährt er fort, gegenüber der Bahn könne die Stadt aber die vertragliche Grundlage einfordern, dass das Bahnprojekt bis 2021 fertiggestellt wird.

Die Schritte des Beginns der informellen Bürgerbeteiligung seien dargestellt. Zunächst würden in einem freihändigen Verfahren Planungsbüros/Mediatoren um Konzepte gebeten. Nach einer Ausschreibung werde ein Zuschlag für die Bürgerbeteiligung erteilt. Diese müsse hochprofessionell und von sehr erfahrenen Personen durchgeführt werden. Bürgerbeteiligungen seien nur dann sinnvoll, wenn es durch sie gelingt, sozusagen das Optimum des Bürgersachverstands zur Geltung zu bringen. Bestehende Vorplanungen würden nicht ignoriert, sondern diese seien Material, das in die informelle Bürgerbeteiligung eingeht. Es werde nicht bei null begonnen, aber gefragt werde durchaus, was sich im Laufe der Zeit verändert hat und was die Bürger dort entwickelt haben wollen.

Die Vorlage mache keine Aussagen dazu, welche Mittel die Grundstückserlöse einspielen müssen. Es gelte hier die Beschlusslage. Diese besage, und dies sei im Zusammenhang mit der Wohnungspolitik beschlossen worden, dass in Zukunft Konzeptvergaben erfolgen. Dies bedeute, zuerst werde eine Konzeption entwickelt, und anschließend werde entschieden, an wen und zu welchem Preis die Konzeption vergeben wird. Moderne, nachhaltige städtebauliche Planung lasse sich nicht durchführen, wenn vorab erklärt wird, dass eine bestimmte Summe erlöst werden muss. Dass natürlich, wenn Klarheit darüber besteht, was auf den Flächen geschehen soll, geschaut wird, dass entsprechend der Konzeption möglichst viel an Erlösen realisiert wird, verstehe sich von selbst.

In der Bürgerbeteiligung, so seine Vorstellung, werde auch klargemacht, dass die Gesamtfläche kleinparzelliert entwickelt werden solle. Als wünschenswert erachtet es der Oberbürgermeister, die Fragestellung einzubringen, was eigentlich eine zukunftsgerechte Planung ist. Fiktiv stellt er dabei die Frage, ob die Stadt im Jahr 2024 das Recht hat, in einem Schritt 100 ha in Zentrumslage zu entwickeln und zu bebauen, oder ob man dieses nicht für verschiedene Zeiten aufteilen sollte. Als nicht nachvollziehbar sieht er es an, spätere Generationen handlungsunfähig zu machen. Dies könne sich jedoch von alleine entwickeln, da die Vorstellung "man baut alles in zwei, drei Jahren" ohnehin weltfremd sei.

Um einer ausufernden Diskussion vorzubeugen, betont OB Kuhn, er unterbreite den Vorschlag und gehe davon aus, dass S 21 gebaut wird. Dieses Projekt sei beschlos- sen, und beim Volksentscheid habe auch in Stuttgart eine Mehrheit dieses so vorgesehen. Argumentationen, die von einem eventuellen Scheitern des Bahnpro- jekts ausgehen, würden nicht dem Mehrheitswillen des Gemeinderats und der Bevölkerung entsprechen. Die sich zwischenzeitlich ergebende Situation beinhalte nicht die Fragestellungen, ob entwickelt wird oder ob nicht entwickelt wird. Der unterbreitete Vorschlag gehe davon aus, dass S 21 kommt, und der Gemeinderat und die Verwaltung seien verpflichtet, durch eine umsichtige, auch bürgernahe Planung dafür zu sorgen, dass die Projektrealisierung zu einer möglichst guten städtebaulichen Entwicklung führt.


2. Die sich anschließenden Statements der Fraktionen und der FDP-Gruppierung sind im überarbeiteten Wortlaut als Dateianhang diesem Protokoll beigefügt



3. Stellungnahme des Vorsitzenden zu den angesprochenen Punkten sowie weitere Anmerkungen von Ausschussmitgliedern

Sofern heute dem Beschlussantrag gefolgt wird, so OB Kuhn in seinen Erläute- rungen zum geplanten Verfahren, würden in der Folge rasch vier oder fünf beteiligungserfahrene Agenturen angesprochen. Diese würden gebeten, ihre Konzeptionen zur Durchführung des Verfahrens zu entwickeln und schriftlich darzustellen. Anschließend solle die Agentur, deren Konzept als am geeignetsten angesehen wird, ausgewählt werden. Diese Vorauswahl werde vorgeschlagen, da es sich um keine einfache Frage handelt, mit welcher Konzeption eine Bürgerbeteili- gung vorgenommen werden soll. Die so ausgewählte Konzeption werde öffentlich ausgeschrieben, und die Agentur, die für ihren Umsetzungsvorschlag dann die beste Bewertung einreicht, erhalte den Zuschlag. Es sei möglich, dass es sich dabei um die Agentur handelt, die die Konzeption vorgeschlagen hat. Andererseits beste- he durchaus die Möglichkeit, dass eine andere Agentur eine bessere Realisierung des ausgewählten Konzeptes vorschlägt. Diese Abstufung ergebe sich aus der freien Vergabe in der 1. Stufe und der Notwendigkeit in der 2. Stufe, eine EU-weite öffentliche Vergabe durchzuführen. Die Verwaltung habe nicht das Ziel verfolgt, selbst zu definieren, wie die Bürgerbeteiligung im Detail aussehen soll. Im Unter- schied zu manch anderen Verfahren zeichne sich vielleicht das Vorgeschlagene dadurch aus, dass es sich um eine Mischung aus Bürgerbeteiligungs- und Mediationsverfahren handeln soll. Die Besonderheit sei ja bekanntlich, dass über Konflikte in der Stadt gesprochen werde.

Der in der Vorlage dargestellte neue Ansatz für eine Bürgerbeteiligung wird von StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) sehr begrüßt. Der Oberbürgermeister gibt StR Kotz (CDU) recht, dass in der mit der Vorlage vorgeschlagenen Vorgehens- weise noch kein Synchronisierungsvorschlag für die Zeit nach der Ausschreibung enthalten ist. Im Idealfall, und dies wolle man den Agenturen auch aufgeben, werde die Bürgerbeteiligung zu zwei oder drei Szenarien kommen, mit denen der Grundtyp dessen, was gemacht und entwickelt werden soll, beschrieben wird. Danach folge die städtische Planung, und anschließend könne die Frage entschieden werden, ob dies in eine IGA mündet. Am Ende könne entschieden werden, ob eine Bürgerbe- teiligung über baurechtliche Planentwürfe entscheiden soll. Dies alles sei offen. Jetzt sei entscheidend, den ersten Schritt zur Frage zu beschreiten, was nach Auffassung der Bürgerschaft mit diesem Quartier zu geschehen hat. Trotz vieler Detailfragen sei es richtig, nun in ein Verfahren einzusteigen.

StR Kotz sieht sich darin bestätigt, dass es sich bei der Stufe 1 eigentlich um den entscheidenden Schritt, nämlich um die Festlegung des Konzeptes, handelt. Daher erachtet er es als angebracht, und dies erhebt er zum Antrag, dass die Vorgaben an vielleicht vier Büros zwischen Verwaltung und Gemeinderat gemeinsam erarbeitet werden (analog Konzessionsvergabeverfahren Energie und Wasser). Der Ausschuss "Stuttgart 21" sei dafür prädestiniert. Zu den Vorgaben sollte die Verwaltung in diesem Gremium einen Vorschlag unterbreiten. Nach eventuellen Ergänzungen/Veränderungen könnten die Büros beauftragt werden. Er geht davon aus, dass diese Büros dann ihre Vorstellungen eventuell auch wieder im Ausschuss "Stuttgart 21" vorstellen. Auch dazu erwartet er einen Verwaltungsvorschlag. Letztendlich könnte dann die Verwaltung gemeinsam mit dem Gemeinderat ein Büro in freihändiger Vergabe auswählen. Nach der Beauftragung schließe sich die 2., nicht mehr so spektakuläre Stufe an. Dort gehe es um die Umsetzung (Wer hat die erforderlichen Kapazitäten zu welchen Kosten?).

Zum zeitlichen Ablauf erläutert der Oberbürgermeister, mit dem ersten Quartal 2015 sei die Auswahl, welche Agentur den Zuschlag erhält, und die öffentliche Aus- schreibung gemeint. In diesem ersten Quartal werde also nicht die erste große Beteiligungsversammlung zu diesem Projekt durchgeführt. Dies, so StR Kotz, könnten Bürger/-innen aus dem zweiten Satz des Beschlussantrages nicht erken- nen. Die dort gewählte Formulierung suggeriere, dass ab dem ersten Quartal 2015 die Beteiligung erfolgt. Die eigentliche Beteiligung erfolge wohl aber erst ab dem Herbst. Dafür, den zweiten Satz im Beschlussantrag herauszustreichen, sprechen sich StR Körner (SPD) und StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) aus. Mit diesem Satz wird laut StR Körner eine Erwartungshaltung geweckt, die nicht erfüllbar ist. Unterstrichen wird nochmals von StR Rockenbauch, dass ein ordentlich durchge- führtes Beteiligungsverfahren seines Erachtens vier bis fünf Jahre Zeit benötigt.

Vor der Kommunalwahl, und damit greift der Oberbürgermeister eine Frage von StR Körner auf, habe es noch keine Konzeption zu den verschiedenen Entwicklungs- stufen einer informellen Bürgerbeteiligung gegeben.

Unter informeller Bürgerbeteiligung sei zu verstehen, dass sich diese Bürger- beteiligung nicht auf einen Verwaltungsvorschlag bezieht, sondern diese Beteiligung solle auf die Frage eingehen, was in diesem Quartier entstehen soll, auch in Bezug auf die Fragestellung, wie man in Zukunft in Stuttgart leben möchte. Er warnt davor, alle derzeit in Stuttgart vorhandenen Problemfelder in diesem Quartier anzugehen. Es müsse klug überlegt werden, welche Mischnutzungen/-formen dort realisiert werden können. Er persönlich erachtet das Thema "Wie kann in der Mitte einer Stadt bei an sich sehr teuren Grundstückspreisen Arm und Reich zusammen- wohnen?" als spannendste Fragestellung für eine IGA. Diese Fragestellung hätten die deutschen Städte bislang nicht wirklich beantwortet. Natürlich werde sich auch eine Fragestellung dazu ergeben, wie Wohnen und Arbeiten gemeinsam entwickelt werden können.

Die sich in den Statements der Fraktionen gezeigte Diskussionslust sei erfreulich. Letzten Endes habe der Gemeinderat die politischen Entscheidungen zu treffen, was in diesem Quartier insgesamt umgesetzt wird.

Weiter führt OB Kuhn aus, wenn er die von StR Rockenbauch aufgeworfenen Fragen heute alle beantworten würde, wäre StR Rockenbauch der Erste, der zu viele Vorgaben für die Bürgerbeteiligung monieren würde. Die Bezeichnung offene bzw. informelle Bürgerbeteiligung meine, dass mit den Bürgerinnen und Bürgern in einem wirklich partizipativen Prozess erörtert wird, was in diesem Quartier geschehen könnte, ehe die eigentlich städtische Bauplanung beginnt. Dass StR Rockenbauch verlangt, z. B. vorher das Thema Feinstaub zu klären, stelle einen Widerspruch zu einer Offenheit dar. Antragstellungen und öffentliche Äußerungen von StR Rockenbauch zu diesem Thema seien nicht mit dem heute von diesem Ratsmitglied Gesagten identisch. Bislang habe er erklärt, eine Planung solle unterbleiben, da das Bahnprojekt S 21 ohnehin nicht realisiert wird. Während bei den Montagsdemonstrationen von StR Rockenbauch erklärt werde, der Bahnhof solle nicht realisiert werden, sei es ein Fortschritt, dass nun heute von ihm im Namen seiner Fraktion SÖS-LINKE-PluS eine Bürgerbeteiligung gefordert wird. Die Verwaltung wolle in einen konkreten Gestaltungsprozess gehen. Dieser müsse nach dem bereits in der Vergangenheit erfolgten Vorlauf neu angesetzt werden, um eine Verständigung der Bürgerschaft zu der Frage, was dort geschehen soll, zu erreichen. Die Synchronisierung müsse im Verlauf des Prozesses im Gemeinderat besprochen werden.

Zudem merkt der Oberbürgermeister an, bei der Debatte Kulturhauptstadt müssten auch die Zeiträume, die sich im Zusammenhang mit S 21 ergeben, berücksichtigt werden. Manche gingen davon aus, dass die in Zukunft beplanbaren Flächen in den Jahren 2020/2021 zur Verfügung stehen. Dieses Thema werde bald auch im Rat erörtert.

Obwohl es sich eigentlich um eine reine Verwaltungsentscheidung handelt, sei er offen, dass der Rat bei der Entscheidung, welches Konzept prämiert wird, einbe- zogen wird. Dazu werde er einen Vorschlag unterbreiten. Über diesen könne eventuell im Ältestenrat diskutiert werden. In der Tat sei die nicht einfache Frage, wie die Bürgerbeteiligung stattfinden soll, besonders wichtig. Möglichkeiten gebe es viele. Der Filderdialog wird von ihm dabei nicht als gutes Beispiel angesehen. Dieser Dialog habe Ergebnisoffenheit nur suggeriert. Beim Rosensteinquartier solle eine offene Beteiligung zu Beginn in Szenarien für das Verwaltungshandeln münden.

Die Vorgabe von "groben" Eckpunkten für die Bürgerbeteiligung durch den Gemeinderat wird von StR Kotz als erforderlich angesehen. Klarheit müsse bei allen Beteiligten darüber bestehen, dass die Ergebnisse einer Bürgerbeteiligung nicht unbedingt eins zu eins umgesetzt werden können. Nach der Beteiligung könnten beispielsweise bei Grundstücksgeschäften, bei planungsrechtlichen Schritten etc., Feinjustierungen notwendig werden, die sich von den Beteiligungsergebnissen unterscheiden. Auch für StRin Deparnay-Grunenberg muss abgesteckt werden, über was offen in der Bürgerbeteiligung gesprochen werden kann. Da noch keine wirkliche Klarheit darüber besteht, welche Leistungen von den Büros erwartet werden (Vorgaben an die Büros, Dauer des Bürgerbeteiligungsverfahrens), sei das Nennen von Kosten schwierig. Dies sei eine Schwäche der Vorlage. Die Büros würden mit den in der Vorlage genannten Kosten von 100.000 € eingeengt. Sie plädiert dafür, in die Vorlage aufzunehmen, dass der Gemeinderat bei der Vorbe- reitung der Leistungsbeschreibung im Vorfeld beteiligt wird. Zudem sollte die Durchführung des Beteiligungsverfahrens offen bleiben; die verschiedenen Büros könnten gegenüber der Stadt komplett unterschiedliche Beteiligungsprozesse darstellen, je nachdem, welchen Umfang und welche Dauer die Stadt wünscht (z. B. ein halbjähriges Verfahren oder Planungsprozesse mit mehreren Etappen über Jahre hinweg). Zumindest gehöre hinsichtlich der Kosten in der Vorlage dargestellt, dass die aufgeführten 100.000 € nur für die laufende Haushaltsperiode vorgesehen sind.

Danach betont StR Körner, auch er sei von einer Beteiligung des Gemeinderats in irgendeiner Form ausgegangen. Die Büroauswahl könne die Verwaltung vorneh- men, aber beim Pitch und der Entscheidung gehöre der Ausschuss "Stuttgart 21" einbezogen.

Gegenüber dem Vorsitzenden stellt StR Rockenbauch klar, er wolle keine Beteili- gung zum Rosensteinviertel. Fragen zum Bahnprojekt S 21 seien völlig ungeklärt. Wenn nicht in einem vorgelagerten offenen Beteiligungsprozess unter Beteiligung von Politik, Verwaltung und Bürgern die strategischen Grundsatzfragen der Landes- hauptstadt geklärt werden, sei es gefährlich, wenn sich die Stadt auf ein Quartier wie das Rosensteinviertel konzentriert. Damit würde wie üblich vorgegangen, indem anlass- und projektbezoge Stadtentwicklungsfragen diskutiert werden. Grundsätzliche Fragen sollten von keiner Seite allein geklärt werden, sondern die Bürger müssten zu einem Stadtentwicklungsprozess zur Klärung dieser Fragen eingeladen werden. Nach einem solchen Prozess könne gesehen werden, ob S 21 kommt oder nicht. Als Stuttgarter Krankheit bezeichnet er projektbezogene Stadtent- wicklung ohne Vorliegen einer Gesamtstrategie. Weitere Kritikpunkte des Beteili- gungsverfahrens sind für ihn fehlende Eckpunkte, nicht verständliche Begrifflich- keiten in der Vorlage, fehlendes Einbinden der Beteiligung in einen weiterführenden Prozess und die nicht geklärte Beteiligung des Gemeinderats.

Zur Wortmeldung von StR Rockenbauch erklärt StR Stopper (90/GRÜNE), absurd sei es anzunehmen, dass es das Gemeinwohl, den Gemeinwillen in der Stadt gibt und dass, um sich auf eine Strategie bzw. auf ein Konzept zu einigen, lediglich ein ausreichend langer Beteiligungsprozess stattfinden muss. Gesehen werden müsse, dass man sich in einem demokratischen Prozess mit der Meinungsvielfalt, mit Interessengegensätzen, auseinanderzusetzen hat.

Betont wird von EBM Föll, dass die Themen Grunderwerbskosten/Grundstücks- werte differenziert zu betrachten sind. Ausgangspunkt sei, dass die Grundstücke im Jahr 2000 auf einer Grundlage von 805 Mio. € bewertet wurden. Da sich aber der Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung und der Übergabezeitpunkt unterscheiden, sei eine entsprechende Abzinsung erfolgt. Bezogen auf die Teilfläche A2 und A3 habe eine Abzinsung in Höhe von 5 % stattgefunden. Bezogen auf die Teilflächen B, C und D habe der Zinssatz 7,5 % betragen. Aus heutiger Sicht seien also vergleichsweise hohe Abzinsungssätze gewählt worden. Das Zinsniveau habe sich bekanntlich im Kontext mit der Finanzkrise 2008/2009 auf ein Niedrigzinsniveau verändert. Unter Berücksichtigung dieser Abzinsung sei ein Kaufpreis von 424,40 Mio. € entstanden. Da die Zahlung Ende 2001 erfolgt sei, habe man eine Verzinsung dieses Kaufprei- ses vorgenommen; die Abzinsung habe zum einen auf 31.12.2000 bezogen auf A2 und A3 stattgefunden und zum anderen für die Teilflächen B, C, D auf 31.12.1999. Der Zeitraum zwischen Ende 1999 respektive Ende 2000 und dem Zahlungstermin am 21.12.2001 habe mit 5,5 % verzinst werden müssen (34,4 Mio. €). Somit ergebe sich ein Kaufpreis in Höhe von 458,8 Mio. € für die Teilflächen A2, A3, B, C und D. Dieser Betrag sei auch in der Bilanz der Landeshauptstadt Stuttgart unter unbebauten Grundstücken auf der Aktivseite als Vermögenswert enthalten.

Grundsätzlich, und dies sei keine Besonderheit der S 21-Grundstücke, finde keine Zuschreibung der rechnerischen Zinsen jährlich statt (keine Wertzuschreibung). Übrigens finde auch keine Zuschreibung aufgrund der allgemeinen Bodenwert- entwicklung, die es ja seit 1999/2000 gebe, statt. Grundsätzlich sei es so, dass der Grundstückspreis zu den Anschaffungskosten in der Bilanz steht.

Der ebenfalls im Raum stehende Betrag von rd. 1 Mrd. € sei aber durchaus auch korrekt. Hier handle es sich um eine fiktive wirtschaftliche Betrachtung (Ausgangsbasis 805 Mio. € plus Verzicht auf die Verzugszinsen durch die Verschiebung des Übergabetermins auf 31.12.2020 bei Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5,5 %/Jahr - somit ergibt sich ein nominaler Betrag von 212 Mio. € (805 Mio. € plus 212 Mio. € ergibt rd. 1 Mrd. €)). Aus heutiger Sicht handle es sich, wie gesagt, um einen hohen Zinssatz. Und bei dieser fiktiven Berechnung sei, wie bereits gesagt, die allgemeine Bodenwertentwicklung nicht berücksichtigt worden.

Beide Rechenwege seien richtig. Tatsache sei aber, dass diese Grundstücksflächen in der städtischen Bilanz mit 458,8 Mio. € enthalten sind.

Zum Aspekt "geförderter Wohnungsbau" fährt der Erste Bürgermeister fort, im geförderten Wohnungsbau würden grundsätzlich entsprechend der für die einzelnen Programmarten geltenden Richtlinien Grundstücksverbilligungen vorgenommen. So werde auch bei der Entwicklung anderer Gebiete vorgegangen. Dies führe dazu, dass zum Teil die Anschaffungswerte nicht erreicht werden. Zum entsprechenden Zeitpunkt müsse darüber gesprochen werden, in welchem Umfang dies beim Rosensteinquartier der Fall sein soll und wie sich dieses dann insgesamt auf das Vermögen und auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt auswirkt. Er hält es für richtig, dass dieses Thema in der informellen Bürgerbeteiligung nicht in den Vorder- grund gestellt wird. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung müssten jedoch auch unter finanziellen Gesichtspunkten bewertet werden. Im Lichte aller Themen, also auch der Finanzlage der Stadt, sei dann eine Abwägung vorzunehmen. Dass auch finanzielle Fragen bei der Stadtentwicklung einen Aspekt darstellen, sei dem Rat hinlänglich bekannt. Dies sei, so seine Überzeugung, auch der Bürgerschaft bekannt.

Gegen Ende der Aussprache zeigt sich der Oberbürgermeister damit einver- standen, die Worte "Frühjahr 2015" aus dem zweiten Satz des Beschlussantrags zu streichen und diesen Satz umzuformulieren. Konkret schlägt er folgende Formu- lierung vor: "Dieses soll noch im Jahr 2015 gestartet werden".

Zur Kostenfrage wird von ihm angemerkt, er erwarte, dass bei der Wettbewerbs- präsentation von den Agenturen bspw. erklärt wird, "100.000 € reichen nicht aus".

Gegenüber StR Kotz fährt OB Kuhn fort, der Ausschuss "Stuttgart 21" werde in Bälde einberufen. Dort werde die Verwaltung dann in einem zweiseitigen Papier darstellen, was den Agenturen zugesandt wird. In diesem Ausschuss könne dies vertieft werden, sodass eine Rückmeldung dergestalt entsteht, was der Rat für sinnvoll und möglich erachtet. Die Agenturen müssten ihre Ergebnisse dann in diesem Gremium mündlich vorstellen. Danach könne eine Entscheidung getroffen werden. Das von StR Kotz und StRin Deparnay-Grunenberg Skizzierte benötige zwar Zeit, aber um zu einer guten Verzahnung zu kommen sei es sinnvoll, so vorzugehen. Nicht beabsichtigt werde eine Bürgerbeteiligung zu allen Fragen der Stadt. Einen solchen Prozess könnten beispielsweise die Fraktionen gemeinsam mit dem Oberbürgermeister anstoßen. Die Auseinandersetzungen der Fraktionen im Gemeinderat müssten sich im Kern mit der Frage befassen: "Wohin soll sich die Stadt in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren entwickeln?" Die Vorstellung, nun die Arbeit des Rates einzustellen und zunächst eine große Versammlung zu dieser Fragestellung durchzuführen, teile er nicht. Dazu gebe es Wahlen. Im Vorfeld von Kommunalwahlen stellten die Parteien/Gruppierungen ihre Vorstellungen dar. In den fünfjährigen Wahlperioden müssten dann die Auseinandersetzungen darüber geführt werden, ob die Grundrichtungen stimmig sind. Die Programme und Äußerungen von Fraktionen zeigten ihm, dass es bei sozialen Themen, bei Wohnen, bei Umweltproblemen, bei Verkehrs- und Energiefragen, durchaus in der Grundrichtung einigen Konsens gibt. Bei der anstehenden Entwicklung des Rosenstein-Areals gehe es nicht nur um den Stuttgarter Norden, sondern es würden auch Zukunftsentwürfe von Bürgerinnen und Bürgern mit abgefragt und erörtert. Wenn es gelingt, diese große Aufgabe gut zu bearbeiten, werde die Stadt einen großen Entwicklungsschritt nach vorne tun.

Danach wiederholt StR Rockenbauch seine Position. Er fordert dabei, Bürgerinnen und Bürger nicht nur an einem interessengeleiteten Wunschkonzert zu beteiligen, sondern dass Formate gefunden werden, um in den schwierigen Abwägungs- prozess eintreten zu können. Die heutige Arbeitsteilung basiere auf Wahlen und Gemeinderatsbeschlüssen. Innovativ wäre, in einen solchen komplexen Prozess durch ein kooperatives Verfahren von Verwaltung und Bürgerschaft einzusteigen, um Abwägungen zu versuchen. Letztendlich müsse nicht ein Leitbild heraus- kommen, sondern es könnten sich unterschiedliche Szenarien/Vorstellungen entwickeln. Entscheidungen wären dann per Bürgerentscheid etc. zu treffen. Mit der Entwicklung eines Quartiers könne die Frage "Wie wollen wir in Zukunft leben?" nicht beantwortet werden. Um Inhalte auszutauschen seien neben ausreichender Zeit und Kommunikationsexperten auch moderierende Fachleute notwendig. So habe die Stadt Karlsruhe in dem dort stattfindenden Prozess die Universität als eine auch finanziell unabhängige Instanz mit eingeschaltet.

Darauf, dass die Landeshauptstadt über die Bezirke und Stadtteile funktioniert, weist anschließend StR Pätzold (90/GRÜNE) hin. Dort erfolgten die Beteiligungs- prozesse. Prozesse wie in Heslach fügten sich zu einer Gesamtstadt zusammen. Der von StR Rockenbauch geforderte Gesamt-Masterplan funktioniere nicht mit der Bürgerschaft. Möglich sei, aus den Stadtbezirken heraus, eine Grundidee zu entwickeln.


4. Abstimmung

Zum Ende der Beratung hält OB Kuhn fest:

- Der zweite Satz des Beschlussantrages erhält folgende Fassung:
"Dieses soll noch im Jahr 2015 gestartet werden."

- Seitens der Verwaltung wird zugesagt, dass im Ausschuss "Stuttgart 21" die Ausschreibung (Wie werden die Agenturen beauftragt?) vorgestellt wird. In einer weiteren Sitzung des Gremiums werden die Pitch-Ergebnisse (Wettbewerbspräsentation) präsentiert. Am Ende dieser zweiten Sitzung des Ausschusses "Stuttgart 21" soll feststehen, welches Konzept prämiert und in die Ausschreibung der 2. Stufe gehen wird.

- Die Vorlagen-Begründung wird entsprechend angepasst.

Mit diesen Maßgaben stellt OB Kuhn fest:

Der Verwaltungsausschuss beschließt bei 15 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 1 Stimmenthaltung mehrheitlich wie beantragt.


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