Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 633/2019
Stuttgart,
06/26/2019


Verzicht auf Schulgeld und Materialgeld für
den Besuch der Fach- und Meisterschulen




Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2020/2021


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Schulbeirat
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
17.07.2019
23.07.2019

Bericht:

Für die öffentlichen Fachschulen besteht nach § 93 Abs. 1 Schulgesetz Baden-Württemberg (SchulG) keine gesetzlich festgelegte Schulgeldfreiheit. Daher kann nach § 93 Abs. 2 SchulG für die nicht in Abs. 1 genannten Schularten – worunter die öffentlichen Fachschulen fallen - ein Schulgeld erhoben werden. Da die Schulträger für Fachschüler keinen Sachkostenbeitrag des Landes im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes erhalten, wird von der Stadt Stuttgart Schulgeld erhoben. Dieses soll die sächlichen Aufwendungen des Schulträgers, zumindest teilweise, decken. Zusätzlich zum Schulgeld wird von den Schulen ein Materialgeld erhoben, das die Schulleitungen entsprechend des Bedarfs im fachpraktischen Unterricht festsetzen. Das Materialgeld wird von den Schulen zur Beschaffung des Bedarfs im fachpraktischen Unterricht eingesetzt.


Das Schulgeld für die von der Stadt Stuttgart unterhaltenen öffentlichen Fach- und Meisterschulen wurde letztmalig zum 1. August 2010 erhöht (GRDrs 122/2010).

Die Schulgeldeinnahmen der letzten Jahre betrugen:

SchulartHHJ 2015HHJ 2016HHJ 2017HHJ 2018
Gewerbliche Schulen
1.376.359 €
1.291.980 €
1.269.443 €
1.203.537 €
Kaufmännische Schulen
34.375 €
27.745 €
21.175 €
11.275 €
Hauswirtschaftliche Schule
19.489 €
17.435 €
18.590 €
18.700 €
Landwirtschaftliche Schule
6.060 €
5.340 €
5.130 €
4.560 €
Gesamt
1.436.283 €
1.342.500 €
1.314.338 €
1.238.072 €

Grund für die sinkenden Schulgeldeinnahmen sind die rückläufigen Schülerzahlen der Fach- und Meisterschulen:


SchuljahrFach- und Meisterschüler gesamtdavon auswärtige
2015/2016
2 035
1 628
2016/2017
1 970
3 179
2017/2018
1 894
1 567
2018/2019
1 773
1 426
(Schülerzahlen lt. Amtlicher Schulstatistik)

Die Fach- und Meisterschulen sind in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Stuttgart:

· Die Weiterbildung in den Fachschulen, die üblicherweise am gleichen Schulstandort wie die berufliche Erstausbildung angesiedelt ist, sichert die hohe Qualität der dualen Ausbildung. Die Fachschulen steigern zudem die Attraktivität der dualen Ausbildung durch berufliche Aufstiegschancen und stellen das Rückgrat des dualen Ausbildungssystems dar, das wiederum die Kernaufgabe der beruflichen Bildung ist.

· Durch die Fachschulen wird der Fachkräftenachwuchs im mittleren Führungsmanagement in den Betrieben gesichert und deren Ausbildungsfähigkeit garantiert.

· Nicht zuletzt stehen die Fachschulen für Innovation: Sie geben vielfach Impulse für eine dynamische Entwicklung der Aus- und Weiterbildung in Stuttgart, rekrutieren Betriebsnachfolgerinnen und Betriebsnachfolger und tragen damit zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Stuttgart bei.

· Die öffentlichen Fachschulen in Stuttgart werden häufig von auswärtigen Schülerinnen und Schülern besucht. Im Schuljahr 2018/2019 betrug der Anteil der Fach- und Meisterschüler mit Wohnsitz außerhalb Stuttgarts ca. 80 %. Diese Schülerklientel steigert zumindest während des Schulbesuchs durch ihren Konsum die Wertschöpfung in Stuttgart. Damit geht teilweise auch die dauerhafte Verlegung des Wohn- und/oder Arbeitsplatzes nach Stuttgart einher. Dies leistet in Folge einen Beitrag zur Wirtschaftskraft der Stadt.

· Die Absolventen der Fachschulen werden dringend benötigt, da auch in den mittleren und kleinen Betrieben ein Generationswechsel ansteht. Der Schülerrückgang im Bereich der Fach- und Meisterschulen ist daher mit allen Möglichkeiten zu stoppen.


Fach-und Meisterschulen setzen eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus und in einigen Fällen eine mehrjährige Berufstätigkeit. Die Ausbildung selbst dauert ein bis zwei Jahre in Vollzeit oder im Einzelfall bis zu vier Jahre in Teilzeit, mit Unterricht vor allem abends und samstags. Die Schülerinnen und Schüler haben während der Ausbildung neben persönlichen und zeitlichen Einschränkungen auch finanzielle Zusatzkosten durch einen teilweisen Einkommensverzicht, Kosten für Arbeitsmaterialien und die zusätzlichen Fahrtkosten. Speziell junge Familien treffen diese zusätzlichen Kosten besonders schwer.
Die Erhebung von Schulgeldern verschärft diese Situation.

Mit dem Wegfall des Schulgeldes würde die Fachschule für Schülerinnen und Schüler attraktiver: Bei einem Schulgeldverzicht würden sich die Unterschiede bei den finanziellen Belastungen im Vergleich zu öffentlichen Hochschulen in Baden-Württemberg, die keine Studiengebühren verlangen, verringern. Es entstünde mehr Bildungsgerechtigkeit und eine Aufwertung des gesellschaftlichen Ansehens und der Wertschätzung dieser beruflichen Aus- bzw. Weiterbildung.

Die Ausbildung gehobener Fachkräfte ist in der Wirtschaft unverzichtbar. Absolventen von Fachschulen ist das Erreichen gehobener Stellungen im Betrieb möglich oder diese machen sich selbstständig und leisteten so einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftsförderung und zur Arbeitsplatzsicherung im Land.

Eine Städteumfrage im Januar 2019 unter den Städten Karlsruhe, Ulm, Freiburg, Mannheim, Heidelberg und Pforzheim, ergab, dass Stuttgart marktübliche Entgelte erhebt. Keine dieser Städte plant in nächster Zeit eine Anhebung der Schulgelder. In Aalen wird auf Schulgeld verzichtet. Blickt man jedoch über die Grenze von Baden-Württemberg hinaus, so ergibt sich ein anderes Bild: In München, Nürnberg, Düsseldorf, Bremen und Potsdam werden bei Fach- und Meisterschulen keine Schulgelder erhoben.

Die Stadt Stuttgart hat entsprechend der sehr breit und vielfältig aufgestellten beruflichen Schulen ein großes und spezialisiertes Angebot an öffentlichen Fachschulen. Viele dieser Angebote haben einen überregionalen Einzugsbereich und stehen im Wettbewerb mit anderen Schulstandorten im ganzen Bundesgebiet. Die Abschaffung des Schulgeldes würde die Konkurrenzfähigkeit der von der Stadt unterhaltenen öffentlichen Fachschulen gegenüber anderen Städten erhöhen. Die Lebenshaltungskosten in der Region Stuttgart sind sehr hoch. In der Abwägung welche Fachschule besucht wird, fällt neben der Höhe der Lebenshaltungskosten am Schulstandort auch die Höhe des Schulgeldes mit ins Gewicht. Mit der von der Stadt Stuttgart zu steuernden Höhe des Schulgeldes bzw. mit dem Verzicht auf diese würden unsere Fach- und Meisterschulen im bundesweiten Wettbewerb gestärkt, was auch deren Weiterentwicklung und eine Stabilisierung der Schülerzahlen fördern würde.

Seit der Aufnahme des sog. „Hinweisverfahrens“ im Schuljahr 2015/2016 aufgrund der Verordnung des Kultusministeriums zur regionalen Schulentwicklung an beruflichen Schulen (RSEbSVO), haben verschiedene Fachschulen in Stuttgart einen Hinweis aufgrund Unterschreitung der Mindestschülerzahlen (im Regelfall 16 Schüler) erhalten:

· Fachschule für Technik – Informationstechnik an der it.schule stuttgart in den Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017
· Fachschule für Visuelle Kommunikation an der Johannes-Gutenberg-Schule in den Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 (startet nur alle zwei Jahre)
· Meisterschule Drucktechnik an der Johannes-Gutenberg-Schule in den Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017
· Meisterschule Damen- und Herrenschneider an der Kerschensteinerschule in den Schuljahren 2015/2016 und 2018/2019
· Meisterschule Feinwerkmechaniker an der Max-Eyth-Schule in den Schuljahren 2015/2016, 2016/2017 und 2018/2019
· Meisterschule Fliesen-, Platten- und Mosaikleger an der Steinbeisschule in den Schuljahren 2015/2016, 2016/2017 und 2017/2018
· Fachschule für Gestaltung – Farbtechnik und Raumgestaltung an der Gewerblichen Schule für Farbe und Gestaltung im Schuljahr 2016/2017
· Meisterschule Metallbauer an der Robert-Mayer-Schule im Schuljahr 2016/2017
· Fachschule für Technik – Druck- und Medientechnik an der Johannes-Gutenberg-Schule in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019
· Meisterschule Raumausstatter an der Kerschensteinerschule im Schuljahr 2017/2018
· Fachschule für Technik – Gießereitechnik an der Wilhelm-Maybach-Schule im Schuljahr 2017/2018 (startet nur alle zwei Jahre)
· Fachschule für Betriebswirtschaft und Unternehmensmanagement an der Kaufmännischen Schule Nord im Schuljahr 2017/2018
· Fachschule für Management – Fachrichtung Hauswirtschaft an der Hedwig-Dohm-Schule im Schuljahr 2017/2018
· Meisterschule Klempner an der Robert-Mayer-Schule im Schuljahr 2018/2019.

Um drei Hinweise in Folge und damit die Schließung des Angebots abzuwenden, wurden von den Schulen überwiegend schulorganisatorische Lösungen, wie zum Beispiel berufs- oder jahrgangsübergreifende Beschulung gewählt oder die Mindestschülerzahl konnte durch verstärkte Werbung im Folgejahr wieder erreicht werden.

Der Bildungsgang „Meisterschule Floristen“ an der Landwirtschaftlichen Schule Hohenheim wurde nach vier Jahren hintereinander im Hinweisverfahren mit Erlass des Regierungspräsidiums vom 10.04.2019 aufgehoben. Die Fachschule für Betriebswirtschaft und Unternehmensmanagement an der Kaufmännischen Schule Stuttgart Nord ruht mangels Nachfrage zum Schuljahr 2019/2020.

Die mit den drohenden Schließungen verbundenen Unsicherheiten können sich negativ auf die Weiterentwicklung und Innovationskraft der Fachschulen auswirken. Es ist davon auszugehen, dass die Aufhebung einer Fachschule einen verzögerten Rückgang in der dualen Ausbildung zur Folge haben wird, da Betriebsinhaber und Betriebsinhaberinnen oder Existenzgründer und Existenzgründerinnen die Ausbildereignung nicht mehr oder nicht in der erforderlichen Qualität erwerben können.

Da der Wirtschaftsstandort Stuttgart ein sehr großes Interesse an den Fachschulen hat und die Schließung weiterer Fach- und Meisterschulen erhebliche Auswirkungen auf Schulentwicklung und Schulstandorte der Beruflichen Schulen in Stuttgart hätte, sollten nicht nur schulorganisatorische, sondern alle Lösungsansätze, die die Fachschulangebote attraktiver machen, in Erwägung gezogen werden. Hierzu gehört auch der Verzicht auf das Schulgeld und das Materialgeld für die Schüler der Fach- und Meisterschulen.

Entsprechend wird vorgeschlagen, künftig auf die Erhebung von Schul- und Materialgeld an Fach- und Meisterschulen zu verzichten.


Finanzielle Auswirkungen


Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2020
TEUR
2021
TEUR
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025 ff.
TEUR
33210000 Einnahmeausfall Schulgeld
-1.200
-1.200
-1.200
-1.200
-1.200
-1.200
42750025 Materialaufwendungen Fachschüler
215
215
215
215
215
215
Finanzbedarf
(ohne Folgekosten aus Einzelmaßnahmen, Investitionen oder zusätzlichen Stellen – diese bitte gesondert darstellen)
Für diesen Zweck im Haushalt/Finanzplan bisher bereitgestellte Mittel:
Maßnahme/Kontengr.
2020
TEUR
2021
TEUR
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025 ff.
TEUR

Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Die Referate AKR und WFB haben Kenntnis genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.


Erledigte Anträge/Anfragen

360/2018 der CDU-Gemeinderatsfraktion




Isabel Fezer
Bürgermeisterin



Anlagen:

keine

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