Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: WFB
GRDrs 490/2010
Stuttgart,
10/04/2010



JobCenter Stuttgart
Künftige Organisationsform




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
15.10.2010
20.10.2010
21.10.2010



Beschlußantrag:

1. Von der Darstellung der Organisationsformen „Gemeinsame Einrichtung“ und „Option“ und der Vergleichsberechnung wird Kenntnis genommen.


2. Die Landeshauptstadt Stuttgart erklärt sich bereit, die Zusammenarbeit und gemeinsame Trägerschaft mit der Agentur für Arbeit Stuttgart in einer „Gemeinsamen Einrichtung“ auf der Grundlage des Entwurfs einer Grundlagenvereinbarung zur näheren Ausgestaltung der Zusammenarbeit in der Gemeinsamen Einrichtung JobCenter Stuttgart (Anlage 1) fortzuführen.


3. Die Landeshauptstadt entsendet in die Trägerversammlung der Gemeinsamen Einrichtung:
- Frau BMin Fezer (Referat SJG)
- N.N. (Stadträtin/Stadtrat Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
- N.N. (Stadträtin/Stadtrat CDU)
- N.N. (Stadträtin/Stadtrat SPD)



Begründung:


I. Vorgeschichte

Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl. I 2003 S. 2954) wurden die Arbeitslosenhilfe und die Vermittlung von Arbeitslosenhilfeempfängern (zuständig Agentur für Arbeit) sowie die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfeempfänger (zuständig Stadt- und Landkreise) ab 1. Januar 2005 zur „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ zusammengefasst. Rechtsgrundlage ist das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Sachlich zuständig und Kostenträger sind

- die Bundesagentur für Arbeit für die Vermittlung in Arbeit und die Regelleistungen (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld),

- die Kommunen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II, für die in § 23 Abs. 3 SGB II genannten Einmalleistungen (Erstausstattung der Wohnung, Erstausstattungen für Bekleidung und bei Schwangerschaft und Geburt, mehrtägige Klassenfahrten) sowie für die kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II (Kinderbetreuung, Schuldnerberatung, Suchtberatung, psychosoziale Betreuung).

Die Kommunen leisten einen Anteil von idR 12,6 % an den Verwaltungskosten. Der Bund beteiligt sich mit einem bestimmten, jährlich neu festzusetzenden Prozentsatz an den kommunalen Aufwendungen für die Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Für die Aufgabenerledigung sah das SGB II ursprünglich drei Organisationsmodelle vor:

- Gesetzlicher Regelfall war die Bildung einer Arbeitsgemeinschaften (ARGE) durch Agentur für Arbeit und Kommune.

- Testweise wurde 69 Kreisen und kreisfreien Städten für zunächst sechs Jahre bis Ende 2010 ermöglicht, die Aufgaben nach dem SGB II in alleiniger Aufgabenverantwortung zu erfüllen („Option“).

- In einigen wenigen Fällen haben sich die Kommunen und die Agenturen nicht auf die Bildung von Jobcentern geeinigt oder eine bestehende Arbeitsgemeinschaft wurde gekündigt. Die Agentur für Arbeit und die Kommune erbringen dann ihre Leistungen nebeneinander (getrennte Trägerschaft).

Stuttgart hat sich für die Bildung einer ARGE JobCenter Stuttgart entschieden (GRDrs 752/2004) und hierfür mit der Agentur für Arbeit Stuttgart einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, der die Details der Zusammenarbeit, die dezentrale Organisation des JobCenters sowie die Aufgaben und Zusammensetzung der Gremien näher regelt.

Mit Beschluss des Gemeinderats vom 27. Oktober 2005 hat sich die Landeshauptstadt Stuttgart bereit erklärt, auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 1. August 2005 zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, der Bundesanstalt für Arbeit, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund in der Trägerversammlung des JobCenters Stuttgart das entscheidende Stimmrecht wahrzunehmen und damit die Führung und Verantwortung in der Arbeitsgemeinschaft zu übernehmen. Der Kooperationsvertrag wurde entsprechend neu gefasst.

Nachdem elf Landkreise Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten, entschied das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2007, dass die Bildung der Arbeitsgemeinschaften teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist bis Ende 2010 gesetzt, um die Organisation der Aufgabenwahrnehmung im SGB II neu zu regeln.

Die Neuregelung war lange politisch umstritten und scheiterte in der letzten Legislaturperiode. Im März 2010 verständigten sich die Bundesministerin für Arbeit und Soziales und die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP auf eine Grundgesetzänderung mit der die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in den ARGEn (künftig als „Gemeinsame Einrichtung“ bezeichnet) verfassungsrechtlich abgesichert wird. Gleichzeitig ist eine begrenzte Ausweitung der Optionsmöglichkeit vorgesehen. Die getrennte Aufgabenwahrnehmung wird nicht mehr möglich sein. Die gesetzlichen Änderungen treten im Wesentlichen am 1. Januar 2011 in Kraft.



II. Kernelemente der heutigen Struktur des JobCenters Stuttgart

Grundlage für das JobCenter Stuttgart ist – neben den gesetzlichen Regelungen des SGB II – der Kooperationsvertrag mit der Agentur für Arbeit Stuttgart vom 27. Oktober 2005 (Anlage 5). Für den aktuellen Geschäftsplan wird auf die GRDrs 415/2010 verwiesen.

- Die Agentur für Arbeit hat die Wahrnehmung ihrer sämtlichen Aufgaben auf das JobCenter übertragen, die Landeshauptstadt die Leistungen für Unterkunft und Heizung, für die Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, die Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt, für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen sowie die psychosoziale Betreuung im Rahmen der Wohnungsnotfallhilfe und in Frauenhausfällen.

- Die Trägerversammlung setzt sich aus je 3 Vertretern der beiden Träger zusammen, wobei jeder Träger eine Stimme hat. Der Vorsitz in der Trägerversammlung steht der Landeshauptstadt zu.

- Die Trägerversammlung entscheidet mit dem Beschluss über den Geschäftsplan vor allem über die Verwendung des Eingliederungsbudgets (2010 rd. 32,6 Mio. €) und setzt damit die Schwerpunkte des Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramms.

- Die Trägerversammlung entscheidet daneben insbesondere über die Bestellung und die Abberufung des Geschäftsführers, die Schaffung und Auflösung von Zweig- und Außenstellen, die Grundzüge der Aufbauorganisation, die Grundzüge des Geschäftsprozesses und die Stellenbesetzung, wenn ein Träger dem Vorschlag des Geschäftsführers widerspricht.

- Der Geschäftsführer wird auf Vorschlag der Landeshauptstadt auf längstens sechs Jahre bestellt. Der Geschäftsführer, Herr Peeß, ist bis einschließlich 31. Dezember 2010 bestellt.

- Zur Förderung des politischen Dialogs und der übergreifenden Zusammenarbeit auf lokaler Ebene und als fachlicher Ratgeber ist ein Beirat eingesetzt, in dem die wesentlichen Akteure des lokalen Arbeits- und Ausbildungsmarkts vertreten sind.

- Die Träger stellen das Personal. Derzeit verfügt das JobCenter Stuttgart über 206,84 Stellen der Landeshauptstadt und 176,65 Stellen der Agentur.

- Die Agentur für Arbeit sorgt für die IT-Infrastruktur. Die räumliche Infrastruktur wird durch die Landeshauptstadt bereitgestellt.

- Personal- und Sachkosten werden aus dem Verwaltungskostenbudget (2010 rd. 27,7 Mio. €, davon 24,3 Mio. € Bundesmittel und 3,5 Mio. € kommunaler Finanzierungsanteil der Landeshauptstadt) finanziert.

- Das JobCenter verfügt über dezentrale Zweig- und Außenstellen, so dass – mit wenigen Ausnahmen – in jedem Stadtbezirk eine Anlaufstelle für die Hilfesuchenden vorhanden ist.

- Das JobCenter anerkennt die von der Bundesagentur für Arbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit jährlich abzuschließende Zielvereinbarung sowie die Controlling-Berichterstattung, das Benchmarking und die Mindeststandards bei der Leistungserbringung für sich als verbindlich an. Die zwischen den Trägern und dem Geschäftsführer abgeschlossene Zielvereinbarung ist Teil des Geschäftsplans.

- Jeder Vertragspartner kann den Kooperationsvertrag mit einer Frist von 12 Monaten jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres kündigen, erstmals zum 31.12.2010.



III. Wesentlicher Inhalt der gesetzlichen Neuregelung

Nachstehend werden die wesentlichen Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht und die Merkmale der künftig möglichen Organisationsformen „Gemeinsame Einrichtung“ und „Option“ dargestellt. Auf Anlage 4 mit einer umfassenden Zusammenfassung durch den Städtetag Baden-Württemberg wird verwiesen.


Einheitlich geltende Änderungen

- Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Bund-Länder-Ausschuss gebildet, der besetzt ist mit Vertretern der Bundesregierung, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände und der Bundesagentur für Arbeit. Er erörtert die zu schließenden Zielvereinbarungen sowie zentrale Fragen der Umsetzung des SGB II und der Aufsicht.

- Auf Länderebene werden Kooperationsausschüsse zwischen der jeweiligen obersten Landesbehörde und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegründet, die jeweils drei Vertreter in das Gremium entsenden. Sie koordinieren die Umsetzung des SGB II auf Landesebene und haben Entscheidungsbefugnisse bei Unstimmigkeiten in den gemeinsamen Einrichtungen.

- Die Einrichtung eines örtlichen Beirats ist künftig zwingend.

- Die Finanzierungsregelungen bleiben im Wesentlichen unverändert. Hinsichtlich der Finanzierung bestehen bei Optionskommunen und gemeinsamen Einrichtungen dem Grunde nach keine Unterschiede. Beim Verwaltungskostenbudget der Optionskommunen entfällt der Vorabzug für zentrale Aufgaben der Bundesagentur; dafür sind diese Aufgaben von den Optionskommunen selbst zu erbringen.

- Der Bund trägt künftig einheitlich 87,4 % der Verwaltungskosten, der Anteil der Kommunen wird jetzt gesetzlich auf 12,6 % fixiert.

- Sowohl die Gemeinsame Einrichtung als auch die für das SGB II zuständige Organisationseinheit der Optionskommunen führen kraft Gesetzes die Bezeichnung „JobCenter“.


Gemeinsame Einrichtung

- Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende sollen im Regelfall die Agentur für Arbeit und die kommunalen Träger eine „Gemeinsame Einrichtung“ bilden. Die gemeinsame Einrichtung wird selbst nicht zum Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, sie nimmt – wie bisher die ARGE – die Aufgaben für die Träger wahr.

- Die gemeinsame Einrichtung hat eine Trägerversammlung, die alle grundlegenden organisatorischen, personalwirtschaftlichen, personalrechtlichen und personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten entscheidet.

- In der Trägerversammlung wird das örtliche Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm abgestimmt.

- Den Trägern obliegt jeweils die alleinige Verantwortung für den ihnen zugewiesenen Aufgabenbereich. Sie haben gegenüber der gemeinsamen Einrichtung ein Weisungsrecht, soweit nicht die Trägerversammlung zuständig ist. Kommt es zu einem Dissens der Träger über die Weisungszuständigkeit, entscheidet der Kooperationsausschuss auf Landesebene.

- Der von der Trägerversammlung bestellte Geschäftsführer führt die laufenden Geschäfte. Er vertritt die Einrichtung nach außen. Der Geschäftsführer hat künftig weit reichende dienst-, personal- und arbeitsrechtliche Befugnisse und erhält damit im Wesentlichen die Befugnisse eines Behördenleiters. Davon ausgenommen sind die Befugnisse zur Begründung und Beendigung der mit den Beschäftigten bestehenden Rechtsverhältnisse (Arbeitsverträge, beamtenrechtliche Ernennungen).

- Das Bundesministerium führt die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesagentur und die Rechtsaufsicht über die gemeinsame Einrichtung im Aufgabenbereich der Trägerversammlung. Die zuständige Landesbehörde führt nach Landesrecht die Aufsicht über die kommunalen Träger.

- Die gemeinsame Einrichtung hat keine Personalhoheit; das Personal wird von den Trägern zugewiesen. Um Kontinuität zu gewährleisten wird das am 31. Dezember 2010 mit Aufgaben nach dem SGB II befasste Personal kraft Gesetzes auf 5 Jahre der Gemeinsamen Einrichtung zugewiesen.

- Die gemeinsame Einrichtung erhält eine einheitliche Personalvertretung (bisher getrennte Personalvertretungen), für die das Bundespersonalvertretungsgesetz anzuwenden ist.


Option

- Die Optionskommunen tragen die alleinige politische und finanzielle Verantwortung für die Aufgabenerledigung.

- Da die Option weiterhin die Ausnahme sein soll, wird die Zahl der Optionskommunen auf 110 (das entspricht einem Viertel aller Grundsicherungsstellen) begrenzt. Über die Verteilung sollen sich die Bundesländer untereinander verständigen.

- In Optionskommunen ist die Aufgabenwahrnehmung SGB II als besondere Einrichtung getrennt von der übrigen Kommunalverwaltung zu organisieren. Der besonderen Einrichtung dürfen auch keine sonstigen Aufgaben der Kommunalverwaltung übertragen werden.

- Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt die Rechtsaufsicht über die Länder, soweit die Optionskommunen Bundesleistungen erbringen. Die Länder haben ihrer Aufsicht gegenüber den Optionskommunen die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit zugrunde zu legen.

- 100 % des BA-Personals (soweit es seit zwei Jahren Aufgaben nach dem SGB II wahrnimmt) wird auf die Kommune kraft Gesetz übergehen. Die Kommune hat dann die Möglichkeit, bis zu 10% des übergegangenen Personals wieder zurück zu überstellen.

- Die Optionskommunen haben einen einheitlichen (kommunalen) Personalkörper.



Vergleichsberechnung

In Anlage 3 wurde auf der Grundlage der derzeitigen Kenntnisse und von Erfahrungswerten versucht, die Einnahmen und Ausgaben des JobCenters Stuttgart für beide Organisationsvarianten einander gegenüber zu stellen. Die Veränderungen im Falle der Option sind wie folgt zu begründen:

- Die Personalkosten für die zu übernehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA werden steigen, da diese künftig entsprechend den Eingruppierungen des städtischen Personals zu vergüten sein werden.

- Bisher von der BA eingekaufte Dienstleistungen oder von der Führungsunterstützung der Agentur und der Zentrale der BA wahrgenommene Aufgaben sind durch das JobCenter selber oder andere städtische Dienststellen zu erbringen. Dies führt zu einem Personalmehrbedarf von insgesamt 25,13 Stellen (davon 15,5 Stellen beim JobCenter und 9,63 Stellen in der übrigen Stadtverwaltung).

Im Wesentlichen ergibt sich die um rd. 200.000 € höhere laufende Kostenbelastung bei der Option dadurch, dass auf Grund der geltenden Abrechnungsvorschriften ein geringerer Anteil der Versorgungslasten der Stadt aus dem Verwaltungskostenbudget erstattet werden kann als nach den fort geltenden Festlegungen bei der Gemeinsamen Einrichtung.



IV. Bewertung der Organisationsformen

Die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit Stuttgart hat sich im JobCenter Stuttgart sehr gut bewährt. Dies hat der Gemeinderat auch in seiner Resolution vom 21. Januar 2010 zum Ausdruck gebracht. Auch unter der neuen Rechtslage lassen sich die für die Landeshauptstadt wesentlichen Fragen und Einflussmöglichkeiten in einer Verabredung mit der Agentur für Arbeit einvernehmlich festschreiben. Deshalb wird im Folgenden nur auf die Chancen und Risiken der Option eingegangen:


- Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm

Es ist nicht ersichtlich, worin sich eine größere kommunale Einflussnahme auf die Gestaltung des Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramms und die Verwendung der Mittel des Eingliederungsbudgets, die allgemein als Vorteil der Option herausgestellt werden, letztlich dokumentiert. Der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Zulässigkeit einzelner Förderinstrumente, ist bei beiden Organisationsvarianten gleich.


- IuK

Die bisherigen IuK-Verfahren (zB A2LL, VerBIS) können nicht weitergenutzt werden (allenfalls übergangsweise mit rein lesendem Zugriff) und müssen durch kommunal betreute Verfahren abgelöst werden. Die BA hat zwar zugesagt, die neuen Optionskommunen bei der Datenmigration zu unterstützen. Auszahlungen an die Hilfesuchenden sollen bis längstens 30. Juni 2012 über das Zahlverfahren der BA möglich sein; dies gilt allerdings nur, solange keine Änderung der bewilligten Zahlung eintritt. Erfahrungsgemäß muss deshalb ein großer Teil der Leistungsgewährung schon zu einem frühen Zeitpunkt auf ein neues IuK-Verfahren umgestellt werden. Das vollständige Risiko einer fristgerechten und funktionierenden Installation der notwendigen Verfahren und damit die Sicherstellung der Auszahlung der Leistungen zum Lebensunterhalt, aber auch der Erbringung der sonstigen Dienstleistungen zugunsten der Hilfesuchenden, liegt bei der Kommune. Die zur Verfügung stehende Zeit ist angesichts der Komplexität der Systeme und nach den Erfahrungen vergleichbarer Verfahrensumstellungen äußerst knapp.


- Finanzmittel

Die Eckpunkte des Sparprogramms der Bundesregierung sehen deutliche Einschnitte bei den Mitteln zur Umsetzung des SGB II vor. Im aktuellen Planungsbrief 2011 ist die zu erwartende Entwicklung wie folgt beschrieben:


- Städtevergleich
Freiburg im Breisgau, Karlsruhe, Berlin, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig, Dresden, Nürnberg, Rostock haben sich für eine Gemeinsame Einrichtung – zum Teil mit Grundlagenvereinbarung – entschieden.



V. Grundlagenvereinbarung für eine Gemeinsame Einrichtung

Mit Schreiben vom 22. Juni 2010 hat die Agentur für Arbeit Stuttgart der Landeshauptstadt angeboten, die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung fortzuführen. Die Verwaltung hat darauf hin Verhandlungen mit der Agentur über die vertragliche Ausgestaltung einer etwaigen weiteren Zusammenarbeit aufgenommen, um dem Gemeinderat konkreten Grundlagen für die Entscheidung Gemeinsame Einrichtung oder Option zu ermöglichen.

In intensiven Verhandlungen ist es gelungen, sich mit der Agentur für Arbeit auf den Entwurf einer Grundlagenvereinbarung für eine Gemeinsame Einrichtung zu verständigen (Anlage 1). Mit Schreiben vom 23. September 2010 (Anlage 2) hat der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stuttgart, Herr Schwab, seine Bereitschaft erklärt, die Grundlagenvereinbarung zu unterzeichnen, sofern sich die Landeshauptstadt Stuttgart für eine Gemeinsame Einrichtung entscheidet.


Die Grundlagenvereinbarung sichert der Landeshauptstadt Stuttgart in einer gemeinsamen Einrichtung weitergehende Rechte als dies im SGB II gesetzlich verankert ist. Sie übernimmt die bisherigen Regelungen im bestehenden Kooperationsvertrag und passt diese – soweit notwendig – der neuen Rechtslage an. In einzelnen Themen sind auch weitergehende Rechte als bislang für die Landeshauptstadt Stuttgart vorgesehen:

· Während der kommunale Träger bisher seine Aufgaben nach dem SGB II ausdrücklich ganz oder teilweise auf die ARGE übertragen musste, nimmt die gemeinsame Einrichtung künftig kraft Gesetzes die Aufgaben beider Träger wahr. Allerdings kann ein Träger einzelne Aufgaben auch weiterhin an Stelle der gemeinsamen Einrichtung wahrnehmen. Dem trägt – ohne inhaltliche Änderung zum heutigen Zustand – § 2 Abs. 2 Rechnung: die Landeshauptstadt erbringt auch künftig die kommunalen Eingliederungsleistungen (Kinderbetreuung, Schuldnerberatung, Suchtberatung, psychosoziale Betreuung) selbst; lediglich die psychosoziale Betreuung im Rahmen der Wohnungsnotfallhilfe und in Frauenhausfällen ist auf die gemeinsame Einrichtung übertragen.

· § 3 Abs. 2 verpflichtet die beiden Träger, etwaige unterschiedliche Auffassungen wie bisher bilateral im Dialog zu klären und auf das gesetzlich vorgesehene Eskalationsverfahren (Anrufung des Kooperationsausschusses) zu verzichten.

· Nach § 3 Abs. 3 beschließt die Trägerversammlung über das Eingliederungsbudget (Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm). Wie bisher können bei den Eingliederungsmaßnahmen die lokalen Strukturen und Programme berücksichtigt werden. Damit kann sichergestellt werden, dass der „Stuttgarter Weg“ (beispielhaft seien die Arbeitsgelegenheiten oder das Programm „Arbeit statt Drogen“ erwähnt) gemeinsam mit den Sozialunternehmen auch weiterhin fortgeführt werden kann, sofern dies die – unabhängig von der Organisationsform GE oder Option – geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zulassen.

· Im § 4 werden verschiedene Regelungen zur Arbeit und Struktur der gemeinsamen Einrichtung zusammengefasst, die bereits im bisherigen Kooperationsvertrag, allerdings an unterschiedlichen Stellen, enthalten sind.

· § 6 nennt neben den Organen der gemeinsamen Einrichtung (Trägerversammlung, Geschäftsführer) auch die sonstigen im SGB II vorgesehenen Gremien und Beauftragten.

· In die Trägerversammlung (§§ 7, 8) entsendet künftig jeder Träger fünf (bisher drei) Vertreter. Durch die Erhöhung der Zahl der Mitglieder soll es dem Gemeinderat ermöglicht werden, an der Arbeit der Trägerversammlung und damit der gemeinsamen Einrichtung unmittelbar mitzuwirken.

· Den Vorsitz der Trägerversammlung hat auch künftig die Landeshauptstadt inne. Dies ist insoweit von inhaltlicher Relevanz, da bei Stimmengleichheit in der Trägerversammlung die Stimme des Vorsitzenden ausschlaggebend ist.

· Für die Besetzung der Geschaftsführerfunktion ist gesetzlich eine Stellenausschreibung vorgeschrieben. Die Bestellung erfolgt durch die Trägerversammlung. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre anstatt bisher bis zu sechs Jahren. Auf Grund des gesetzlich vorgeschriebenen Stellenausschreibungsverfahrens und weil die neue Trägerversammlung erst nach dem 1. Januar 2011 zusammentreten kann, wird es nicht möglich sein, bereits zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung über den künftigen Geschäftsführer zu treffen. Deshalb soll – der gesetzlichen Regel entsprechend – der bisherige Geschäftsführer als kommissarischer Geschäftsführer berufen werden.

· Die Beamten und Beschäftigten beider Träger, die bis zum 31. Dezember 2010 Aufgaben in der ARGE durchgeführt haben, werden der gemeinsamen Einrichtung kraft Gesetzes auf fünf Jahre zugewiesen. Ab dem 1. Januar 2011 notwendige Stellenbesetzungen erfolgen wie bisher grundsätzlich auf Vorschlag des Geschäftsführers; bei Leitungsstellen ist die Zustimmung der Trägerversammlung notwendig. Die nach der Hauptsatzung bestehenden Rechte des Gemeinderats in Personalangelegenheiten der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben gewahrt (§ 11).

· Die dezentrale Struktur des JobCenters bleibt erhalten (§ 12). Wie bisher wird die notwendige Infrastruktur von den Trägern gegen Kostenerstattung gestellt (§ 13).

· Die finanziellen Regelungen (§§ 14 - 19) sind ohne inhaltliche Änderung übernommen worden.

· Die Grundlagenvereinbarung tritt an die Stelle des bisherigen Kooperationsvertrages und der Rahmenvereinbarung von 2005 treten (§ 20 Abs. 1).

Die Grundlagevereinbarung ist unbefristet und kann nur einvernehmlich geändert werden. Lediglich die Landeshauptstadt hat ein einseitiges Kündigungsrecht für den Fall, dass eine Option zum 1. Januar 2017 gewünscht werden würde und möglich wäre (§ 20 Abs. 2).



VI. Gesamtbewertung

Mit der Grundlagenvereinbarung für eine Gemeinsame Einrichtung sichert sich die Landeshauptstadt Stuttgart die maßgeblichen Gestaltungsrechte (insbesondere hinsichtlich der lokalen Arbeitsmarktpolitik und der Dezentralität) um die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit fortführen zu können.

In einer Gemeinsamen Einrichtung können insbesondere der gemeinsame Arbeit-geberservice und die gemeinsame Ausbildungsvermittlung mit der Agentur für Arbeit fortgeführt werden. Die beiden gemeinsamen Einrichtungen müssten im Fall einer Option aufgegeben werden. Damit würden sich aber die Vermittlungschancen der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im SGB II in den 1. Arbeitsmarkt gegenüber der heutigen Situation verschlechtern, da weder ein gemeinsames Stellenportal noch ein gemeinsames „Matching“-Verfahren (automatisierte Auswahl der bestgeeigneten Bewerber auf eine Stellenanforderung unabhängig vom Rechtskreis SGB II oder SGB III) verfügbar wäre.

Vor dem Hintergrund, dass auch für SGB II-Leistungsempfänger die Aufnahmefähigkeit des 1. Arbeitsmarktes wieder zunehmend gegeben ist und sich aufgrund der demographischen Entwicklung (Zahl der ins Arbeitsleben eintretenden Jahrgänge ist geringer als die aus Altersgründen austretenden Jahrgänge) in den kommenden Jahren weiter verstärken wird, werden zukünftig die Qualifizierungs- und Vermittlungsaktivitäten des JobCenters eine stärkere Bedeutung erfahren. Dies ist in Zusammenarbeit mit der
Agentur für Arbeit, die unabhängig von der Organisationsform des JobCenters für die Empfänger von Arbeitslosengeld (SGB III) zuständig bleibt, am besten möglich.

Bei einer Option hingegen begibt sich die Landeshauptstadt Stuttgart in eine politische Alleinverantwortung für Handlungsfelder oder spezifische Aufgabenerledigungen, ohne aufgrund der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen, Zielvereinbarungen und sonstigen generellen Vorgaben die tatsächliche Handlungsfreiheit zu haben.

Unter Abwägung aller Gesichtspunkte werden bei einer Option keine tragenden Vorteile gegenüber einer Gemeinsamen Einrichtung mit Grundlagenvereinbarung gesehen.






Dr. Wolfgang Schuster



Vorliegende/erledigte Anträge

- Antrag 57/2010 vom 26.02.2010 (Städträte Prof. Loos, Hill, Ripsam, Kotz, Rudolf, Bulle-Schmid, Curle, Mayer, alle CDU)
JobCenter oder Optionskommune?

- Antrag 286/2010 vom 27.09.2010 (SPD-Gemeinderatsfraktion)
JobCenter


Anlagen

1 Entwurf einer Grundlagenvereinbarung für eine Gemeinsame Einrichtung
2 Schreiben der Agentur für Arbeit Stuttgart vom 23.09.2010
3 Vergleichsrechnung GE / Option
4 Gegenüberstellung der Organisationsvarianten (Städtetag BW)
5 Kooperationsvertrag vom 27.10.2005
































Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen








Anlagen



<Anlagen>



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Anlage_1_zur_GRDrs_490_2010_Entwurf Grundlagenvereinbarung 2010.pdfAnlage_2_zur_GRDrs_490_2010_Schreiben Herr Schwab.pdfAnlage_3_zur_GRDrs_490_2010_Vergleich_gE_Option.pdfAnlage_4_zur_GRDrs_490_2010_Organisationsvarianten.pdfAnlage_5_zur_GRDrs_490_2010_Kooperationsvertrag_2005.pdf