Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 470/2012
Stuttgart,
07/18/2012



Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
25.07.2012
25.07.2012



Beschlußantrag:

1. Vom Bericht der Verwaltung zum Stand der Verhandlungen mit der EnBW wird Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen rechtlichen Schritte vorzubereiten, um den Anspruch der Stadt auf Herausgabe der Wasserversorgungsanlagen (Eigentumsübertragung) gegen eine angemessene Vergütung gerichtlich klären zu lassen.


Begründung:


I. Ausgangslage

Der Konzessionsvertrag zwischen der Landeshauptstadt und der EnBW über die Energie- und Wasserversorgung läuft am 31. Dezember 2013 aus. Mit Ablauf des Konzessionsvertrages fällt die gemäß § 1 Abs. 1 des Konzessionsvertrages auf die EnBW übertragene Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung wieder an die Stadt zurück. Der Konzessionsvertrag enthält jedoch keine ausdrückliche „Endschaftsklausel“, welche regelt, dass und zu welchem Wertansatz die Wasserversorgung (Wasserversorgungsanlagen und Wasserbezugsrechte) nach Ablauf der Konzession an die Stadt zu übertragen ist.

Aus diesem Grund wurden bereits Anfang 2008 mit der EnBW Regional AG Gespräche über die Fortführung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und der Stärkung des Einflusses der Stadt Stuttgart auf die Wasserversorgung geführt. Als Ergebnis dieser Verhandlungen wurde dem Gemeinderat im April 2009 mit der GRDrs 185/2009 eine Grundsatzvereinbarung zur Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung vorgelegt.

Die Entscheidung über diese Grundsatzvereinbarung wurde am 30.04.2009 jedoch zurückgestellt. Ende März 2010 wurden von der Bürgerinitiative Wasserforum im Rathaus rund 27.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren „100-Wasser“ abgegeben. Am 17.06.2010 wurde vom Gemeinderat der Beschluss gefasst, die Stuttgarter Wasserversorgung frühest möglich, spätestens aber ab 01.01.2014 selbst zu betreiben und die Rechte an der Wasserversorgung nicht ganz oder teilweise in der Hand von Privaten (z.B. der EnBW) zu belassen (GRDrs 390/2010).

Im Laufe der weiteren Beratungen über den Themenkomplex wurde die Verwaltung vom Gemeinderat am 26.05.2011 (GRDrs 118/2011) beauftragt, entsprechende Verhandlungen mit der EnBW zur Übernahme der Wasserversorgung einschließlich der Wasserbezugsrechte aufzunehmen.


II. Ergebnisse der Verhandlungen mit der EnBW

Seit Sommer 2011 wurden mit Vertretern der EnBW Regional AG regelmäßige Gespräche geführt sowie eine gesonderte Arbeitsgruppe zur Sondierung verschiedener Transaktionsfragen eingerichtet. Eine von der EnBW verlangte Vertraulichkeitserklärung wurde von der Landeshauptstadt am 24.11.2011 unterzeichnet. Gegenstand der Gespräche waren der Umfang der zu übertragenden Anlagen und Grundstücke, die Finanzanlagen (Mitgliedschaften und Bezugsrechte an den Wasserzweckverbänden), die Methoden zur Kaufpreisfindung sowie der Umfang der ab 2014 für eine Übergangszeit von der EnBW zu erbringende Dienstleistungen.


a) Umfang der zu übertragenden Wasserversorgungsanlagen

In einer ersten Verhandlungsrunde (Stand Oktober 2011) wurde von Seiten der EnBW ein Entflechtungskonzept für die Wasserversorgung Stuttgart vorgelegt, in dem die EnBW davon ausgegangen ist, dass der Landeshauptstadt lediglich das Wasserverteilernetz und einzelne Sonderaufgaben (Lösch- und Notwasserversorgung) übertragen wird. Die weiteren Anlagen, Einrichtungen und Rechte der Wasserversorgung (wie das Transportnetz, die Speicheranlagen und die Pump- und Wasserwerke, das Wasserlabor, die Leitwarte, die Grundstücke, Zähler und Kundenbeziehungen sowie die Mitgliedschaften und die Bezugsrechte bei den Wasserzweckverbänden) wären demnach bei der EnBW verblieben.

Nach den weiter geführten Gesprächen besteht nunmehr (Stand März 2012) weitgehend Einvernehmen, dass die o.g. Anlagen und Einrichtungen sowie die Mitgliedschaften und Wasserbezugsrechte auf die Landeshauptstadt übertragen werden können. Darüber hinaus wäre die EnBW bereit, das für die Wahrnehmung bestimmter technischer und betrieblicher Funktionen (Kunden-, Zähler- und Anschlusswesen, Dokumentation, technisches Anlagen-, Material- und Versorgungsmanagement sowie die Planung und den Betrieb der Notwasserversorgung) notwendige Personal (24 Mitarbeiter/innen) im Rahmen eines Personalübergangs auf die Landeshauptstadt zu übertragen.

Die Leitwarte, das externe Dienstleistungsgeschäft (Betriebsführung bei Wasserzweckverbänden außerhalb der Landeshauptstadt) sowie das Personal für operative technische und kaufmännische Dienstleistungen würden bei der EnBW verbleiben, wobei die EnBW angeboten hat, diese Leistungen für wenigstens drei Jahre weiterhin vorzuhalten bzw. anzubieten.

Aktueller Modell-Vorschlag:



Das zum Stand März 2012 vorliegende Entflechtungskonzept ist seitens der EnBW jedoch nicht verbindlich, sondern steht u.a. und dem Vorbehalt, dass eine Einigung über den Kaufpreis erzielt und die weitere Erbringung von Dienstleistungen einvernehmlich geregelt werden kann.

b) Kaufpreis

Beim Kaufpreis bzw. bei der Kaufpreisfindung gehen die Vorstellungen zwischen der Landeshauptstadt und der EnBW erheblich auseinander.

Nach den Vorstellungen der EnBW sollte der Kaufpreis für die o.g. Anlagen, Einrichtungen und Rechte auf der Grundlage des sog. Sachzeitwertes ermittelt werden, womit ein Kaufpreis von etwa 600 bis 750 Mio. Euro verbunden wäre. Demgegenüber vertritt die Verwaltung die Auffassung, dass eine Wertermittlung unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Bewertungsgrundlagen, die der Bewertung bei der Veräußerung der Wasserversorgung vor über zehn Jahren zugrunde lagen, nur nach dem sog. Ertragswertverfahren und damit zu einem Wert erfolgen darf, der ganz erheblich unter der Wertvorstellung der EnBW liegt.


Weiterhin vertritt die Verwaltung die Auffassung, dass nach der Gemeindeordnung Verkauf und (Rück)erwerb nicht nach gänzlich unterschiedlichen Grundsätzen durchgeführt werden dürfen und zudem nicht jeder Kaufpreis in die Gebührenkalkulation einbezogen werden kann, sondern nur ein solcher, der im Einklang mit dem Kommunalabgabengesetz steht (sog. gebührentragfähiger Kaufpreis). Hierzu hat die Verwaltung zwischenzeitlich die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg um eine gutachtliche Äußerung gebeten, die voraussichtlich im September 2012 vorliegen wird.

c) Dienstleistungsvertrag

Im Verlauf der Gespräche hat sich die EnBW bereit erklärt, für einen Übergangszeitraum von wenigstens drei Jahren technische Dienstleistungen „im Rahmen einer vollumfänglichen, den jetzigen Qualitäts- und Umfangsstand abdeckenden Betriebsführung“ ab 2014 auf der Basis eines Kostenersatzes von rd. 30,65 Mio. Euro pro Jahr anzubieten bzw. zu erbringen.

Darin enthalten sind noch folgende Dienstleistungen, die die Landeshauptstadt jedoch in eigener Regie erbringen möchte:

· kaufmännische Aufgaben wie Finanzbuchhaltung, Rechnungswesen und das
Controlling,

· Gebührenwesen inkl. Verbrauchsermittlung und -abrechnung
· Trinkwasserlabor und Leitwarte

Die Einzelheiten zu einem solchem Dienstleistungsvertrag sind noch nicht geklärt und können erst nach Eingang eines verbindlichen Angebotes der EnBW weiterverhandelt werden.


III. Aufforderung zur Abgabe einer verbindlichen Erklärung

Die Verwaltung hat den Vorstand der EnBW Regional AG mit Schreiben vom 09.07.2012 (Anlage) aufgefordert, der Landeshauptstadt Stuttgart bis zum 31.08.2012 verbindlich zu erklären, dass die EnBW bereit ist, alle für die Wasserversorgung Stuttgart erforderlichen Anlagen, Einrichtungen und Rechte, insbesondere die Verteil- und Transportnetze, die Pump- und Speicheranlagen, die betriebsnotwendigen Grundstücke, die Messeinrichtungen, die bestehenden Kundenverhältnisse sowie die Mitgliedschaften und Bezugsrechte an den Wasserzweckverbänden auf die Landeshauptstadt im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge zum 01.01.2014 zu übertragen.

Weiterhin wurde die EnBW – ebenfalls bis zum 31.08.2012 – aufgefordert, verbindlich zu erklären, dass die Wertfindung für das zu übertragende Wasserversorgungsvermögen auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens vorgenommen wird und das Volumen der ab 2014 angebotenen Dienstleistungen um die von der Stadt Stuttgart in eigener Regie wahrzunehmenden Aufgaben entsprechend reduziert wird.

Sollte eine entsprechende verbindliche Erklärung bis zum 31.08.2012 nicht vorliegen, empfiehlt die Verwaltung, den Herausgabeanspruch auf der Grundlage der Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren auf dem Klageweg geltend zu machen. Unabhängig vom rechtlichen Standpunkt und vom zeitlichen Aspekt hält die Verwaltung ein solches Vorgehen auch im Blick auf die klare Trennung zwischen dem Erwerb der Wasserversorgung und dem anstehenden Konzessionsverfahren zur Energieversorgung für geboten.


IV. Konzessionsabgabe

Nach dem Konzessionsvertrag erhält die Landeshauptstadt eine jährliche Konzessionsabgabe für den Bereich der Wasserversorgung in Höhe von rund 13 Mio. EUR. Sollte nach Ablauf des Konzessionsvertrages weiterhin Uneinigkeit über die Übereignung der Wasserversorgung und deren Vergütung bestehen, hat die Stadt einen gesetzlichen Anspruch auf Fortzahlung der Konzessionsabgabe für die Dauer eines Jahres.

Die Verwaltung strebt eine vertragliche Zwischenlösung (Interimsvertrag) an, um ihren Anspruch auf die Konzessionsabgabe für den Zeitraum zu sichern, bis eine gerichtliche oder außergerichtliche Klärung der Übereignung und Vergütung erfolgt ist.


V. Gründung des Eigenbetriebes „Kommunale Wasserwerke Stuttgart (KWS)“

Die Wasserversorgung soll gemeinsam mit den bisher vom SES wahrgenommenen Aufgaben unter dem Dach eines Eigenbetriebs zusammen gefasst werden. Der Aufbau und die Organisation des Eigenbetriebs haben unter Berücksichtigung fachlicher und wirtschaftlicher Gesichtspunkte zu erfolgen. Dies gilt im Besonderen für die Frage, welche Aufgaben mit eigenem bzw. fremden Personal wahrgenommen werden und wie viel Personal für die eigene Wahrnehmung von Aufgaben sowie für die Überwachung und das Controlling von Fremdleistungen (einschl. Leistungen, die für eine Übergangszeit von der EnBW erbracht werden) vorzuhalten sind.

In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob durch die Zusammenfassung beider Aufgabenbereiche Synergien vorhanden sind, die beim Aufbau bzw. der Organisation des Eigenbetriebs umgesetzt werden können. Ziel ist es, den Personalbedarf für den Eigenbetrieb "Kommunale Wasserwerke Stuttgart" unter Berücksichtigung fachlicher und wirtschaftlicher Gesichtspunkte (einschl. der möglichen Auswirkungen auf die Gebührenentwicklung) für einen mittelfristigen Betrachtungszeitraum zu konkretisieren.

Über die Ergebnisse der Untersuchung wird dem Gemeinderat voraussichtlich im Herbst berichtet.


Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen






Dr. Wolfgang Schuster

Anlagen



1 Anlage


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Anlage 1 zur GRDrs 470_2012.pdfAnlage 1 zur GRDrs 470_2012.pdf