Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 948/2011
Stuttgart,
11/02/2011



Haushalt 2012/2013

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 11.11.2011



Öffnung von Begegnungsstätten als Regelangebote für Menschen mit geistiger
oder mehrfacher Behinderung


Beantwortung / Stellungnahme

Die Teilhabe von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung an der Gesellschaft soll sich in allen Lebensbereichen vollziehen. Entsprechend der Rahmenzielsetzung der Partizipativen Altersplanung (GRDrs 655/2011 „Partizipative Altersplanung 2011 – Selbstbestimmtes und selbstständiges Leben im Alter in der Landeshauptstadt Stuttgart“) soll es auch Bürgerinnen und Bürgern mit wesentlicher Behinderung möglich sein, aktiv, selbstbestimmt, bedürfnisorientiert und auf der Basis einer Vielfalt von Angeboten und Möglichkeiten abgesichert älter zu werden. Menschen mit Behinderung wünschen sich Inklusion und Teilhabe. Für unsere Gesellschaft stellt es immer noch eine Herausforderung dar, diesen Personenkreis selbstverständlich mit einzubeziehen.

Die Zahl von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung nimmt weiterhin zu, da durch die systematische Ermordung von behinderten Menschen im Nationalsozialismus eine Generation ausgelöscht wurde. Dazu kommt, dass Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung heute älter werden als zuvor (u. a. durch die bessere medizinische Versorgung). Ende Dezember 2010 waren ca. 170 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, die 50 Jahre und älter sind, in einer der 5 Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in der Landeshauptstadt Stuttgart beschäftigt. In der Altersgruppe 45 bis 49 Jahre besuchten 110 Menschen mit Behinderung die WfbM. Immer mehr Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung werden im Seniorenalter zukünftig Angebote im Gemeinwesen nutzen. Die Landeshauptstadt Stuttgart wird dieser Entwicklung dadurch gerecht, dass neben den Angeboten der Eingliederungshilfe auch die Regelangebote für Ältere (z. B. Begegnungsstätten) geöffnet und zugänglich gemacht werden.

Die Sozialverwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart befasste sich im Rahmen des KVJS-Projektes „Neue Bausteine in der Eingliederungshilfe“ mit der Frage, wie ältere Menschen mit Behinderung Zugang zu dem Regelangebot erhalten können. Von Januar 2009 bis September 2009 wurden die Zugangs- und Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderung am Beispiel der Begegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt Stuttgart e. V. im Stadtteil Fasanenhof erprobt. Die Ergebnisse sind in der GRDrs 938/2010 „Ergebnisse des KVJS-Projektes Neue Bausteine in der Eingliederungshilfe in Bezug auf ältere Menschen mit Behinderung nach ihrem Ausscheiden aus der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)“ dokumentiert.

Ältere Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung sind in hohem Maße auf ein verlässliches Tagesstrukturangebot und auf feste Ansprechpersonen angewiesen. Die Begegnungsstätten bieten verschiedene tagesstrukturierende Elemente und eine regelmäßig anwesende Fachkraft als Ansprechperson. Die einzelnen Angebote werden allerdings von Honorarkräften oder Ehrenamtlichen verantwortet und sind nicht auf die Bedarfe älterer Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung zugeschnitten. Auch die inklusiven Angebote für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung erfordern daher die Anwesenheit einer Fachkraft der Behindertenhilfe. Die Fachkräfte aus den beiden Fachdisziplinen, Behindertenhilfe und Altenhilfe haben die gemeinsame Aufgabe, die Interessen verschiedener Besuchergruppen zu vermitteln. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass weitere Gruppen wie Menschen mit demenziellen oder psychischen Erkrankungen bereits die Aufmerksamkeit der Fachkraft der Altenhilfe benötigen.

Möchten Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Ruhestand ein Angebot der Begegnungsstätte regelmäßig an einzelnen Wochentagen besuchen, können
Begegnungsstätten auf Anregung inklusive Angebote vorhalten. Für ein Angebot in einer Begegnungsstätte sind für die spezifische Fachkompetenz der Behindertenhilfe Fördermittel in Höhe von ca. 6.000 EUR/Jahr (für ein Angebot eines halben Tages in der Woche) erforderlich. Diese Finanzierungsbasis ermöglicht Begegnungsstätten, auch auf Anregung des Gemeinwesens, Betroffener oder Angehöriger, ein inklusives Angebot zu entwickeln und umzusetzen.


Mit der Bereitstellung von Fördermitteln in Höhe von 6.000 EUR/Jahr kann die Fortführung des Projektes am ersten Projektstandort, der Begegnungsstätte Fasanenhof (Träger: Arbeiterwohlfahrt Stuttgart e. V.), gesichert werden.

Mit der Bereitstellung von Fördermitteln von insgesamt 18.000 EUR/Jahr kann das bisherige Angebot in der Begegnungsstätte Fasanenhof fortgeführt und zusätzlich in 2 weiteren Begegnungsstätten in anderen Stadtteilen neu eingeführt werden.

Die Sozialverwaltung sieht folgende Kriterien zur Verortung der inklusiven Angebote in den Begegnungsstätten als wesentlich an: Die räumlichen Voraussetzungen, die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Nähe zu Einrichtungen der Behindertenhilfe, die Breite des bereits vorhandenen Angebotsspektrums der jeweiligen Begegnungsstätte und eine Verteilung der inklusiven Angebote im Stadtgebiet.

Neben der Fortführung des bewährten Projektes in der Begegnungsstätte im Stadtteil
Fasanenhof, werden weitere Angebote in der Begegnungsstätte Hedelfingen (Träger: Arbeiterwohlfahrt Stuttgart e. V.), insbesondere aufgrund der Nähe zu den Neckartalwerkstätten, und in Stuttgart-Mitte, im Bischof-Moser-Haus (Träger: Caritasverband für Stuttgart e. V.) aufgrund der sehr zentralen Lage und der großen Angebotsvielfalt vorgeschlagen.






Vorliegende Anträge/Anfragen

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477/2011, 2. (CDU-Gemeinderatsfraktion), 549/2011, 4. (SPD-Gemeinderatsfraktion), 747/2011, 2. (SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft)




Isabel Fezer
Bürgermeisterin




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