Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
OB
GRDrs
742/2011
Stuttgart,
11/15/2011
Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Korruption
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Beratung
öffentlich
16.11.2011
Bericht:
Diese Mitteilungsvorlage dient im Zuge der anstehenden Haushaltsplanberatungen der Vorabinformation des Gemeinderats.
Korruption, Betrug, Untreue und sonstige Delikte, die von kommunalen Amts- und Mandatsträgern durch Missbrauch ihrer anvertrauten Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil begangen werden, führen zu
·
Vermögensverlusten und unwirtschaftlichem Verwaltungshandeln der Kommune;
·
volkswirtschaftlichen Schäden, insbesondere bei Ausschaltung des Wettbewerbs;
·
Vertrauensschäden für Demokratie, Rechtsstaat und Verwaltung.
Unbestritten bedarf es daher geeigneter städtischer Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung solchen Amts- und Mandatsmissbrauchs. Diese Maßnahmen zielen in der Landeshauptstadt Stuttgart darüber hinaus auf
·
den Erhalt der guten Reputation und Integrität von Gemeinderat und Verwaltung;
·
den Schutz der redlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Bewahrung eines korruptionsfreien Arbeitsumfelds;
·
die Absicherung der Landeshauptstadt und ihrer Entscheidungsträger im Hinblick auf Organisationsverschulden (Haftung bei mangelhafter Organisation bzw. fehlenden oder ungeeigneten Maßnahmen).
Aus Sicht der Verwaltung besteht aber im Bereich der Korruptionsprävention noch folgender – zum Teil finanzwirksamer – Handlungsbedarf, der bereits in einer Anlage zur Stellungnahme der Verwaltung vom 27. Juni 2011 zur Anfrage Nr. 100/2011 der FDP-Gemeinderatsfraktion vom 3. März 2011 betreffend Betrugs- und Korruptionsvorgänge skizziert wurde.
A)
Finanzwirksame Maßnahmen
1.
Bestellung eines Ombudsmanns
Anonyme Hinweise sind eine wichtige und
unverzichtbare Erkenntnisquelle
. Ein entsprechendes Hinweisgebersystem wird von Experten und in der einschlägigen Literatur gefordert. Alle städtischen Mitarbeiter/innen – einschließlich des weisungsunabhängigen Rechnungsprüfungsamtes – sind jedoch dienstrechtlich verpflichtet, Hinweisgeber zu melden. Sie können sich auch nicht auf ein strafrechtliches Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO berufen.
Nur ein externer Vertrauensanwalt (Ombudsmann) kann Anonymität bzw. Vertraulichkeit zusichern
. Das Land Baden-Württemberg hat deshalb in Anwendung der Nr. 4.1.3 Abs. 3 der VwV Korruptionsverhütung und –bekämpfung vom 28.12.2005
für mehrere Ministerien einen solchen bestellt (siehe Anlage 1). Hier empfiehlt sich wegen der fachlichen Synergie, dass die Landeshauptstadt ebenfalls diesen Vertrauensanwalt bestellt. Nach Auskunft des Vertrauensanwalts des Landes gehen bei ihm gegenwärtig monatlich im Durchschnitt zwei Hinweismeldungen ein.
Beim Innenministerium sind hierfür jährliche Aufwendungen in Höhe von 7.800 € und beim Justizministerium in Höhe von 9.900 € im Staatshaushaltsplan 2010/2011 angesetzt.
In dieser Größenordnung (ca. 10.000 €) dürften sich schätzungsweise auch die jährlichen Aufwendungen der Landeshauptstadt (Kernverwaltung und Eigenbetriebe) bewegen
. Der vom Land bestellte Ombudsmann rechnet nach tatsächlichem Aufwand ab. Für die Bestellung des Ombudsmanns ist nach einer entsprechenden Beschlussfassung das Rechnungsprüfungsamt zuständig.
2.
Risikoanalyse bzgl. Korruptionsgefährdung
Mit Hilfe von Risikoanalysen werden besonders korruptionsgefährdete Arbeitsgebiete und Prozesse in der Stadtverwaltung im Hinblick auf das Vorhandensein und die Wirksamkeit von internen Sicherungs- und Kontrollsystemen analysiert. Daraus kann sich ggf. konkreter Handlungsbedarf ergeben. Derartige systematische Risikoanalysen, die
sowohl prozess- als auch arbeitsplatzbezogen
ausgestaltet sein können, sind bisher in der Stadtverwaltung nicht vorgenommen worden. Ziel ist die
stadtweite und regelmäßige Durchführung
derartiger Analysen.
Im Tiefbauamt wurde im Rahmen eines Pilotprojekts eine
prozessorientierte Korruptionsrisikoanalyse
unter Beteiligung einer externen Beratungsfirma und dem Rechnungsprüfungsamt durchgeführt. Erkenntnisse daraus liegen seit Oktober 2011 vor. Die prozessbezogene Korruptionsanalyse ist grundsätzlich bei allen Ämtern und Eigenbetrieben mit erhöhtem Korruptionsrisiko notwendig.
Die Voraussetzung für eine derartige Analyse ist jedoch, dass für die wesentlichen Prozesse der Ämter und Eigenbetriebe
Prozessbeschreibungen
vorliegen. Das ist derzeit nicht durchgängig der Fall. Da Prozessbeschreibungen darüber hinaus eine wichtige Grundlage für Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie Prüfungen darstellen, sollten in einem ersten Schritt alle Fach- und Querschnittsämter und Eigenbetriebe – zumindest mittelfristig – solche Prozessbeschreibungen erstellen. Anschließend wären die entsprechenden Risikoanalysen durchzuführen. Die Verwaltung geht davon aus, dass die damit im Zusammenhang stehenden Erhebungen
mit dem vorhandenen Personal
und (bei ggf. erforderlicher externer Unterstützung)
im Rahmen der Ämterbudgets
durchgeführt werden können.
Darüber hinaus hat der städtische Arbeitskreis Korruptionsprävention unter der Leitung des Rechnungsprüfungsamtes ein Konzept zur
arbeitsplatzbezogene Risikoanalyse
erstellt. Diese sollte grundsätzlich von allen Ämtern und Eigenbetrieben durchgeführt werden, mit dem Ziel, einen
Gefährdungsatlas
zu erstellen
In Zusammenhang mit der stadtweiten Risikoanalyse wird auch die
Ausweitung der zentralen Vergabe/Beschaffung
durch das Dienstleistungszentrum Bauvertragswesen beim Hochbauamt bzw. das Dienstleistungszentrum Zentraler Einkauf beim Haupt- und Personalamt zu diskutieren sein, da die Risikoanalyse die Trennung von Planung/Vorbereitung, Vergabe und Realisierung als wichtigen Baustein zur Korruptionsprävention bezeichnet hat (vgl. auch Stellungnahme zur Anfrage FDP-Gemeinderatsfraktion vom 3. März 2011, 100/2011).
3.
Einrichtung einer Zentralen Antikorruptionsstelle beim Rechnungsprüfungsamt
Standards der Korruptionsprävention fordern die
Bestellung eines Anti-Korruptionsbeauftragten
. Er hat insbesondere Hinweise auf Korruption entgegen zu nehmen und ihnen nachzugehen (interne Untersuchungen), Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zu unterstützen sowie städtische Organisationseinheiten und Mitarbeiter/innen für das Thema zu sensibilisieren und sie bei Maßnahmen beratend oder mitwirkend zu unterstützen. Der Anti-Korruptionsbeauftragte soll
weisungsunabhängig
(Transparency International) und „
den Führungskräften der Verwaltung zugeordnet sein und mit diesen auf gleicher ‚Augenhöhe’ verhandeln können. In Verdachtsfällen sollte ihm Akteneinsichtsrecht gewährt werden sowie der Zugriff auf Dateien und Schriftstücke jederzeit möglich sein
“ (Ax/Schneider/Scheffen, Rechtshandbuch Korruptionsbekämpfung, 2. Auflage, Berlin 2010, S.294). Er muss wegen der damit verbundenen Garantenstellung über die erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen.
Mit der Anordnung über die Aufgaben des Rechnungsprüfungsamtes vom 20. Dezember 2006 wurde diesem in § 2 Nr. 8 bereits die Aufgabe der Korruptionsprävention übertragen. Da das Rechnungsprüfungsamt schon per Gesetz weisungsunabhängig ist und ein Dateneinsichtsrecht hat, soll ihm nun auch die
Aufgabe der zentralen Antikorruptionsstelle
mit den entsprechenden Befugnissen übertragen werden. So sieht es auch der gegenwärtige Entwurf einer neuen Rechnungsprüfungsordnung (RPrO) vor. Es soll keine neue Stelle für die Funktion der Leitung der zentralen Antikorruptionsstelle geschaffen werden. Daher soll – nachdem die RPrO durch den Gemeinderat beschlossen wurde – eine Abteilungsleitung des Rechnungsprüfungsamtes diese Funktion wahrnehmen.
Die damit verbundene herausgehobene und verantwortungsvolle Aufgabe führt ggf. zu einer Höherbewertung der Stelle; ein entsprechendes Stellenbewertungsverfahren ist vom Haupt- und Personalamt durchzuführen.
4.
Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Neben der
regelmäßigen Sensibilisierung
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Schulungen des Rechnungsprüfungsamtes sowie im Rahmen von dienstlichen Besprechungen sollen die wesentlichen stadtweiten Regelungen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung in einer gedruckten
Broschüre für die Mitarbeiter/innen
der Landeshauptstadt (Kernverwaltung und Eigenbetriebe) herausgegeben werden. In vielen Unternehmen mit Compliance-Struktur ist die Herausgabe von Verhaltensrichtlinien, Codes of Conducts etc. mittlerweile selbstverständlich. Hierbei können entspr. Kosten entstehen.
Referat WFB
weiß darauf hin, dass von der Information der Mitarbeiter/innen in Form einer gedruckten Broschüre Abstand genommen werden sollte. Das
RPA
sieht hinhegen die Erforderlichkeit (auch) einer Druckfassung, da diese jederzeit „bei der Hand ist“ und außerdem viele Mitarbeiter/innen nicht über einen Intranetzugang verfügen.
B)
Überarbeitung Richtlinien
Bestimmte städtische Regelungen bedürfen der Überarbeitung, so z.B. die Einführung einer
Regelung zum Sponsoring
und die Überarbeitung der
Verwaltungsrichtlinien zur Verwaltungsethik
(Verhaltenskodex), u.a. durch Vorgabe verbindlicher Festlegungen.
Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der HH-Planberatungen erfolgen.
Beteiligte Stellen
Referat AK und Referat WFB
Dr. Wolfgang Schuster
1 Vertrauensanwalt Land BW
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Anlage 1 Vertrauensanwalt Land BW.pdf