Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB 9020-00
GRDrs 454/2022
Stuttgart,
07/14/2022


Zwischenbericht zur Finanzlage 2022



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
20.07.2022
21.07.2022

Bericht:




Zur Jahresmitte wird der Gemeinderat über die Entwicklung der mit der Leistungserstellung verbundenen Aufwendungen und Erträge sowie über die Finanzlage informiert. Ein detaillierter Rückblick auf das Jahr 2021 ist Gegenstand der Jahresabschlussvorlage (GRDrs 453/2022).

Das Haushaltsjahr 2022 steht seit dem Frühjahr im Zeichen der durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Folgen: des Zuzugs von ukrainischen Flüchtlingen sowie der erheblichen Preissteigerungen, insbesondere im Energiesektor. Hierauf wird gesondert eingegangen werden (siehe weiter unten).


1. Ergebnishaushalt

Nachstehend werden die wesentlichen Entwicklungen und aus heutiger Sicht zu erwartenden Abweichungen im Haushaltsjahr 2022 gegenüber den beschlossenen Planansätzen aus dem Doppelhaushaltsplan 2022/2023 dargestellt.

Erträge

Das Gewerbesteueraufkommen ist wegen der Unsicherheiten aufgrund der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (infolge des Ukraine-Kriegs) recht volatil, weshalb sich die Prognose besonders schwierig gestaltet. Trotzdem können vorsichtig optimistisch zum Jahresende 2022 rund 770 Mio. EUR (Verbesserung 120,0 Mio. EUR) prognostiziert werden. Grund hierfür sind insbesondere die Heraufsetzungen von Vorauszahlungen. Mit den erwarteten Mehrerträgen gehen Mehraufwendungen bei der Gewerbesteuerumlage in Höhe von 10,0 Mio. EUR einher. Aus heutiger Sicht ergeben sich folglich netto 110,0 Mio. EUR an Verbesserungen aus der Gewerbesteuer.

Aus der Mai-Steuerschätzung ergeben sich erwartete Verbesserungen beim Gemeindeanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer (18,4 Mio. EUR). Bei den Schlüsselzuweisungen des Landes ist insbesondere infolge der Erhöhung des Kopfbetrags von Verbesserungen in Höhe von 25,2 Mio. EUR auszugehen.

Es wurden bereits Erstattungen für Coronatests in Kindertageseinrichtungen in Höhe von rund 3,1 Mio. EUR seitens des Landes beschieden (Verbesserung).

Die Ausschüttung aus dem Jahresergebnis 2021 der LBBW in 2022 (GRDrs 185/2022) ergibt zum Jahresende voraussichtlich Mehrerträge bei den Gewinnablieferungen (Ansatz 31,9 Mio. EUR, Verbesserung 4,8 Mio. EUR).

Aufwendungen

Für Personal wurden für 2022 insgesamt Aufwendungen in Höhe von 851,7 Mio. EUR geplant.
Trotz unterjährig bereits beschlossenen umfangreichen Stellenermächtigungen (Verlängerung zur kurzfristigen Unterstützung in der Corona-Pandemie, vgl. GRDrs 47/2022, und im Flüchtlingsbereich aufgrund des Krieges in der Ukraine, vgl. GRDrs 239/2022) sowie des Tarifabschlusses im Sozial- und Erziehungsdienst wird mit einer Unterschreitung des Planwertes in Höhe von 15,0 Mio. EUR auf Jahresende gerechnet, die hauptsächlich in Verzögerungen bei der Besetzung neu geschaffener Stellen begründet liegt.

Bei den Sach- bzw. Transferaufwendungen werden folgende Veränderungen prognostiziert:

Beim Klinikum ist laut erstem Quartalsbericht 2022 mit einem von 10,0 auf 40,0 Mio. EUR gestiegenem Verlustausgleich zu rechnen. Unter Berücksichtigung der über den Rettungsschirm des Landes erhaltenen Hilfen (rund 12,0 Mio. EUR) verbleibt noch eine Ergebnisverschlechterung in Höhe von 18 Mio. EUR, die aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren wäre. Weiterhin entstehen voraussichtlich zusätzlichen Mehraufwendungen in Höhe von 1,6 Mio. EUR, u. a. wegen gestiegenen Umzugskosten für Haus F (Verschlechterungen).

Mit GRDrs 162/2022 wurden Planungsmittel in Höhe von 13,0 Mio. EUR für den Interimsstandort der Oper in der Maker City beschlossen. Diese führen zu Mehraufwendungen in 2022; wegen der Finanzierung aus der davon-Position „Kulturelle Infrastruktur“ haben sie keine Auswirkung auf die weiter unten berichtete freie Liquidität zum Jahresende.

Das Ergebnis des Tarifabschlusses im Sozial- und Erziehungsdienst schlägt im Bereich der Förderung freier Träger mit Mehraufwendungen in Höhe von 4,6 Mio. EUR zu Buche. Aktuell wird eine finanzielle Deckung aus der Kita-Betriebskostenpauschale für möglich erachtet, weshalb hierfür keine Verschlechterung für das Gesamtergebnis 2022 prognostiziert ist.

Im folgenden Abschnitt zur Entwicklung bei den Sozialen Leistungen werden die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs (Flüchtlingszuzug) zunächst ausgeklammert (vgl. hierzu weiter unten):

Im Bereich des SGB II (Jobcenter) werden wegen einer geringeren Zahl an Bedarfsgemeinschaften als geplant Minderaufwendungen in Höhe von 21,2 Mio. EUR erwartet. Im Rahmen der Leistungsbeteiligung des Bundes werden hierdurch voraussichtliche Mindererträge in Höhe von 16,2 Mio. EUR prognostiziert.

Im Bereich der SGB IX und XII (Sozialamt) entstehen voraussichtlich Minderaufwendungen in Höhe von 26,2 Mio. EUR (Ansatz 333,9 Mio. EUR), die zu einem großen Teil auf die Hilfen zur Pflege zurückzuführen sind. Bei den laufenden Zuweisungen (Erstattungen) wird mit entsprechenden Mindererträgen von 5,2 Mio. EUR gerechnet.

Bei den sonstigen Transfererträgen führen die Mehrerträge aus Rückzahlungen für Sozialleistungen (beim Jobcenter und beim Sozialamt) in Höhe von 7,0 Mio. EUR sowie aus den Kostenersätzen für die Hilfen zur Erziehung bzw. die Hilfen für junge Volljährige (beim Jugendamt) in Höhe 1,0 Mio. EUR zu prognostizierten Verbesserungen von insgesamt 8,0 Mio. EUR. Voraussichtliche Mindererträge in Höhe von 10,4 Mio. EUR bei den Kostenerstattungen im Bereich der Jugendhilfe werden wegen Bindung von Kapazitäten durch UMA verzeichnet werden (Verschlechterung); die Erstattungen können zeitversetzt in Folgejahren abgerechnet werden.

Per Saldo ergibt sich damit eine Verbesserung von 23,6 Mio. EUR beim Zuschussbedarf der sozialen Leistungen (ohne Flüchtlinge).

Zuzug ukrainischer Flüchtlinge

Im Bereich der Sozialen Leistungen entstehen voraussichtliche Mehraufwendungen zum einen im Bereich SGB II (beim Jobcenter) in Höhe von 31,3 Mio. EUR. Dem stehen die erwartete Leistungsbeteiligung des Bundes mit Mehrerträge von 27,7 Mio. EUR gegenüber. Zum anderen werden beim Sozialamt insbesondere aufgrund des AsylbLG Mehraufwendungen in Höhe von 21,9 Mio. EUR prognostiziert sowie Mehrerträge bei der Bundeserstattung für die Grundsicherung in Höhe von 3,8 Mio. EUR.

Bei den Gebühren und Entgelten ergeben sich voraussichtlich Mehrerträge in Höhe von rund 1,0 Mio. EUR bei den Benutzungsgebühren für Flüchtlingsunterkünfte.

Für die Anmietung von Objekten für die Flüchtlingsunterbringung fallen hochgerechnet auf das Jahresende Mehraufwendungen in Höhe von 23,6 Mio. EUR an. Für Wachdienste in Unterkünften und am Hauptbahnhof sind 2,3 Mio. EUR zusätzlich zu finanzieren.

Bei den sonstigen Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen führen neben anderen Maßnahmen zum Beispiel der Einsatz von Fremdpersonal bei der Ausländerbehörde sowie die Einrichtung von Stellwänden in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle zu weiteren Verschlechterungen (1,4 Mio. EUR).

Mehraufwendungen in Höhe von 5,0 Mio. EUR entstehen voraussichtlich für die soziale Betreuung und Hausorganisation in den Flüchtlingsunterkünften. Für die Schutzunterkunft Rosensteinstraße (im Zusammenhang mit Corona) und anderen Maßnahmen entstehen Mehraufwendungen in Höhe von 0,3 Mio. EUR.


Energiepreissteigerungen

Für die im Zuge des Ukraine-Kriegs eingetretenen Energiepreissteigerungen rechnet die Finanzverwaltung mit Mehraufwendungen für die Energieträger Strom, Gas und Fernwärme in Höhe von 16,8 Mio. EUR bei den städtischen Ämtern (hierfür geplante Energiekosten 2022 insgesamt 48,5 Mio. EUR). Für die Eigenbetriebe und Beteiligungen werden rund 20,0 Mio. EUR prognostiziert, die für einen Ausgleich der Belastungen dort als Mehraufwand im Haushalt finanziert werden müssten.

Die allgemeine Preissteigerung (Inflation) und die Baupreissteigerungen im Speziellen stellen die LHS vor weitere aktuell noch nicht sicher bezifferbare finanzielle Belastungen.


Aus obiger Darstellung ergeben sich bei den ordentlichen Erträgen insgesamt erwartete Verbesserungen in Höhe von 184,8 Mio. EUR gegenüber der Planung. Der Großteil ergibt sich aus der prognostizierten Entwicklung bei der Gewerbesteuer (120,0 Mio. EUR). Bei den ordentlichen Aufwendungen sind es hingegen Verschlechterungen in Höhe von insgesamt 101,4 Mio. EUR.

Im Saldo ergeben sich Verbesserungen im Ergebnishaushalt in Höhe von 83,4 Mio. EUR gegenüber der Planung.

Das Defizit im Ordentlichen Ergebnis im Haushaltsjahr 2022 verbessert sich demnach von - 197,5 Mio. EUR auf voraussichtlich - 114,1 Mio. EUR.

Der Jahresfehlbetrag (Gesamtergebnis) wird mit - 107,6 Mio. EUR prognostiziert.


2. Finanzhaushalt

Die oben dargestellten Veränderungen sind in voller Höhe zahlungswirksam.

Der Zahlungsmittelbedarf bzw. -überschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit verbessert sich von - 17,1 Mio. EUR auf 66,3 Mio. EUR.

Im Investitionshaushalt werden für den Finanzzwischenbericht keine Änderungen bei den Ein- und Auszahlungen erwartet.

Ebenso entstehen voraussichtlich keine Veränderungen im Rahmen der Finanzierungstätigkeit. Kreditaufnahmen sind im Haushaltsjahr 2022 nicht veranschlagt.

Die Zahlungsbereitschaft der Stadtkasse war auch ohne die Aufnahme von Kassenkrediten gewährleistet. Die Liquidität ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert gut.


3. Deckungsreserve Sachaufwand

Für die Finanzierung von noch nicht bekannten Mehraufwendungen bei den Ämtern und Beteiligungen infolge von Corona wurde die Deckungsreserve (Teilplanansatz Sachaufwand) im Haushaltsplan 2022 um 20 Mio. EUR auf insgesamt 35 Mio. EUR erhöht.

Anträge auf Mittelbewilligung bzw. Vormerkungen liegen der Finanzverwaltung vor und werden aktuell geprüft bzw. sind zum Teil bereits genehmigt. Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass die zur Bewältigung der Pandemie reservierten Mittel auskömmlich sein werden.


4. Zusammenfassung und Ausblick

Es ergibt sich folgende Entwicklung der freien Liquidität:


Freie Liquidität zum 31.12.2021 lt. JA 2021 73,6 Mio. EUR
zahlungswirksame Veränderungen Finanzzwischenbericht 2022 + 96,4 Mio. EUR
Voraussichtliche freie Liquidität zum 31.12.2022 170,1 Mio. EUR


Die freie Liquidität zum Jahresende 2022 wird für den für dieses Jahr voraussichtlich notwendigen Nachtragshaushalt sowie für die Finanzierung der zahlreichen bereits begonnenen bzw. geplanten Maßnahmen und Investitionsvorhaben der Landeshauptstadt Stuttgart benötigt (z.B. könnte eine Kapitaleinlage in die SVV erfolgen, um Finanzierungsmittel, zur Erreichung der Klimaneutralität in Stuttgart bis 2035, bereitzustellen).
Die Anlage gibt einen nicht abschließenden Überblick von weiteren Maßnahmen mit den entsprechenden Finanzbedarfen soweit diese bekannt oder zumindest grob abschätzbar sind. Alleine durch die dargestellten Vorhaben ergibt sich in den nächsten Jahren ein zusätzlicher Finanzbedarf von über 4 Mrd. EUR. Dabei sind große Vorhaben, wie das Ziel der Klimaneutralität in Stuttgart bis 2035, noch nicht enthalten.


Darüber hinaus ist festzuhalten, dass weiterhin in den folgenden Jahren mit erheblichen Fehlbeträgen in den Ergebnishaushalten, keinen bzw. nur geringfügigen selbst erwirtschafteten Zahlungsmittelüberschüssen und einer Nettoneuverschuldung von 1,17 Mrd. EUR bis 2026 gerechnet wird. Diese Situation kann sich durch die aktuellen Entwicklungen und einer konjunkturellen Eintrübung in den Folgejahren sogar verschlimmern. Ziel muss daher sein, weitere zukünftige finanzielle Mehrbedarfe auf ein Mindestmaß zu beschränken und bei den anstehenden Vorhaben eine klare Priorisierung vorzunehmen. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart hat die Landeshauptstadt im Rahmen der Genehmigung der Haushaltssatzung aufgefordert, künftig Maßnahmen und Aufgaben auf ihre Unabweisbarkeit hin zu prüfen und klare Prioritäten zu setzen.





Thomas Fuhrmann
Bürgermeister


Anlage
1. Noch nicht finanzierte Investitionen bei der LHS












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Anlage 1 zur GRDrs 454_2022.pdf