Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
GRDrs 747/2022
Stuttgart,
11/03/2022


Tätigkeitsbericht der Zentralen Antikorruptionsstelle der Landeshauptstadt Stuttgart



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich30.11.2022

Bericht:


Historie der Zentralen Antikorruptionsstelle

Die Aufgabe der Korruptionsprävention wurde dem Amt für Revision erstmals mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 01.02.2007 übertragen, ohne dass hierfür zugleich eine Stelle geschaffen wurde.

Im Zuge der Reform der städtischen Rechnungsprüfungsordnung wurde im Mai 2012 die Organisationseinheit der Zentralen Antikorruptionsstelle (ZAKS) gegründet. Dieser Organisationseinheit wurde neben der Aufgabe der Korruptionsprävention noch die Entgegennahme von Hinweisen auf Korruption sowie die entsprechende Prüfung und Bewertung der eingehenden Hinweise übertragen. Zum Leiter der ZAKS wurde der stellvertretende Amtsleiter des Amts für Revision ernannt, welcher von verschiedenen Mitarbeiter*innen des Amts für Revision unterstützt wurde. ZAKS-Aufgaben wurden zusätzlich zu den originären Prüfungsarbeiten durchgeführt.

Mit dem Haushaltsplan 2018/2019 wurde für die ZAKS eine Stelle für eine*n Volljurist*in (A14) mit dem Aufgabenschwerpunkt der ZAKS-Fallprüfung und -bewertung geschaffen. Eine weitere Stelle für eine*n Sachbearbeiter*in (A13 gD) mit dem Aufgabenschwerpunkt der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen bei der LHS, insbesondere die Sensibilisierung und Schulung von Mitarbeiter*innen sowie die Öffentlichkeitsarbeit, wurde zum Haushaltsjahr 2020/2021 geschaffen. Mittlerweile besteht die Organisationseinheit ZAKS neben der Leitung (= stellvertretende Amtsleitung und Leitung Abteilung 14-3) und der stellvertretenden Leitung (= Sachgebietsleitung des Sachgebiets 14-3.3) daher aus 4 Mitarbeiter*innen.


Aufgaben der Zentralen Antikorruptionsstellen

Die Aufgaben der ZAKS sind in der städtischen Revisionsordnung (RevO) sowie der Dienstanweisung Anti-Korruption (DA-AK) festgelegt und können zwei Bereichen zugeordnet werden:

1. Aufgaben mit dem Ziel der Korruptionsprävention (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 i. V. m. § 8 Abs. 1 RevO; Nr. 2.4 DA-AK)

2. Aufgaben zur Korruptionsbekämpfung (§ 8 Abs. 1 RevO und Nr. 3 DA-AK).

Gemäß der DA-AK (vgl. Nr. 1.2 DA-AK) umfasst der Begriff Korruption nicht nur Bestechungsdelikte (§ 331 ff. StGB), sondern auch sogenannte „Begleitdelikte“ (z.B. Unterschlagung, Untreue, Betrug, Urkundenfälschung) sowie schuldhafte Pflichtverletzungen zulasten des Vermögens der Landeshauptstadt Stuttgart einschließlich ihrer Eigenbetriebe und Kommunalanstalten, auch wenn die Pflichtverletzungen keine Straftatbestände erfüllen (vgl. Nr. 1.2.2 DA-AK). Hierbei orientiert sich die DA-AK an der Definition der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Verhütung unrechtmäßiger und unlauterer Einwirkungen auf das Verwaltungshandeln und zur Verfolgung damit zusammenhängender Straftaten und Dienstvergehen (vgl. Nr. 2 Abs. 2 und 3 VwV Korruptionsverhütung und -bekämpfung).

Im Rahmen der Korruptionsprävention nimmt die ZAKS folgende Aufgaben wahr:







Folgende Aufgaben übernimmt die ZAKS im Bereich der Korruptionsbekämpfung für die LHS:


1. Präventionsarbeit der ZAKS

a. Schulungen

Der Fokus der Präventionsarbeit der ZAKS liegt in der Aufklärung und Schulung der Mitarbeiter*innen u.a. über das richtige Verhalten beim Thema Korruption sowie dem richtigen Umgang mit Geschenken oder sonstigen Vorteilen, die Mitarbeiter*innen im Zusammenhang mit ihrer Dienstausübung angeboten werden. Dies wird mit den Teilnehmer*innen an praktischen Fallbeispielen aus dem Arbeitsalltag erarbeitet. Bei den Führungskräften wird der Fokus zusätzlich auf die Ausgestaltung eines Internen Kontrollsystems, ordnungsgemäße Delegation und die Folgen von Organisationsverschulden gelegt.

Der Austausch in den Schulungen zeigt, dass es seitens der Teilnehmer*innen viele Fragen zu den genannten Themen gibt und Unsicherheiten bestehen. Im Nachgang zu Schulungen wenden sich die Teilnehmer*innen häufig mit Nachfragen / Beratungsanfragen an die ZAKS. Eine regelmäßige Aufklärung und Sensibilisierung ist daher für einen sicheren Umgang mit dem Thema Korruption bzw. Vorteilsannahme wichtig.

Bedingt durch die getroffenen Pandemie-Maßnahmen konnten die Schulungen in den letzten beiden Jahren zeitweise nicht in geplantem Umfang stattfinden. Aus diesem Grund wurden die Schulungen der Zentralen Antikorruptionsstelle auch als Online-Veranstaltungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden städtischen Infrastruktur angeboten und die Präventionsarbeit fortgesetzt werden. Insgesamt konnten von 01.01.2021 bis zum 31.10.2022 über 350 Personen (Führungskräfte, Mitarbeiter*innen, Azubis) geschult werden.

Das Schulungsangebot sowohl im Präsenz- als auch im Online-Format soll weiter ausgebaut werden, um eine deutlich größere Anzahl an Mitarbeiter*innen zu erreichen. Ebenso soll darüber hinaus – sobald das HPA eine entsprechende elektronische Plattform zur Verfügung stellt – ein E-Learning-Konzept entwickelt und allen Mitarbeiter*innen zur Verfügung gestellt werden.


b. Video zum Thema Verbot der Annahme von Vorteilen

Neben dem Schulungsangebot wurde im September 2020 im Solid auch ein dreiminütiges Video zum Thema Korruptionsprävention eingestellt, welches sich hauptsächlich mit dem Verbot der Annahme von Vorteilen befasst. Die wesentlichen Grundsätze der städtischen Dienstanweisung zu diesem Thema werden anschaulich und in einfacher Sprache erklärt. Dieses wurde unter anderem bei den Ansprechpersonen für Korruptionsprävention der einzelnen Ämter und Eigenbetriebe beworben und darum gebeten, es den Mitarbeiter*innen bekannt zu machen. Die Rückmeldungen hierzu waren bisher sehr positiv.

c. Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit hat die ZAKS mit Unterstützung von L/OB-K einen Flyer mit grundlegenden Informationen zur Arbeit der ZAKS, dem Thema Korruption sowie den Kontaktdaten der ZAKS sowie des Vertrauensanwalts entwickelt.


Dieser steht noch in fünf weiteren Sprachen (Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch, Farsi) zur Verfügung. Geplant sind zudem Übersetzungen in vier weitere Sprachen (Italienisch, Portugiesisch, Russisch und Ukrainisch).




Gemeinsam mit L/OB-K wurden zudem drei Cartoons im Postkartenformat entwickelt. Diese beschäftigen sich mit dem Thema Bestechungsversuche im Behördenalltag und sollen Mitarbeiter*innen sowie Bürger*innen mit Witz für das Thema Korruption sensibilisieren. Die Reihe soll in Zukunft noch erweitert werden.



Vorderseite der Postkarten:

Rückseite der Postkarten:


Das Informationsmaterial wird in den Schulungen verteilt, in den Ämtern ausgelegt und kann auf der Homepage heruntergeladen werden.

Geplant ist zudem den Internetauftritt der ZAKS noch zu verbessern. Unter anderem soll der bestehende FAQ mit zusätzlichen Informationen erweitert werden und es sollen ggf. kurze Informationsvideos – z. B. zum Hinweisgebersystem der LHS – zur Verfügung gestellt werden.

Zudem hat sich gezeigt, dass in einigen Bereichen das Thema Trinkgeld oder Geschenke von Bürger*innen noch eine große Rolle spielt. Nicht selten bringen dankbare Bürger*innen die städtischen Mitarbeiter*innen mit großzügig bemessenen Geschenken oder Trinkgeldern in schwierige Situationen. Hier gilt es zukünftig die Bürger*innen für den rechtlich erlaubten Rahmen mit Hilfe einer entsprechenden Informationskampagne zu sensibilisieren, um dies nicht alleine den betroffenen Mitarbeiter*innen zu überlassen.

2. Korruptionsbekämpfung durch die ZAKS

Im Bereich der Korruptionsbekämpfung wird die ZAKS ausschließlich aufgrund eines Hinweises tätig. Hinweise können der ZAKS als städtische Meldestelle für Korruptionsthemen direkt oder dem Vertrauensanwalt, Herrn Dr. Bernhard (Kanzlei Menold Bezler), gemeldet werden. Der Vertrauensanwalt kann dem*der Hinweisgeber*in auf Wunsch im Rahmen seiner anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht gegenüber der LHS Anonymität zusichern. Weitere Hinweisquellen der ZAKS ergeben sich aus Prüfungen des Amts für Revision sowie aus Medienberichten.

Die Prüfung der eingegangenen Hinweise erfolgt zweistufig. Zunächst wird eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt (vgl. Nr. 3.2 DA-AK). In dieser wird geprüft, ob der gemeldete Sachverhalt in den Zuständigkeitsbereich der LHS fällt und der Sachverhalt nachvollziehbar und schlüssig ist. An die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit werden jedoch nur geringe Anforderungen gestellt, um keine Hürden für Hinweisgeber aufzubauen.

Sofern der Hinweis als plausibel eingestuft wurde, schließt sich in zweiter Stufe eine ausführliche Sachverhaltsaufarbeitung und Prüfung möglicher rechtlicher Verstöße bzw. Pflichtverletzungen an. Das Prüfungsergebnis und eine entsprechende Handlungsempfehlung werden in einem Bericht zusammengefasst. Dieser wird über die Leitung des Referats Verwaltungskoordination, Kommunikation und Internationales (L/OB) dem Oberbürgermeister zur weiteren Veranlassung übergeben (vgl. Nr. 3.3.3 DA-AK).

Die Kompetenzen der ZAKS im Zusammenhang mit der Entgegennahme und Prüfungen von Hinweisen sind detailliert in der DA-AK geregelt (vgl. Nrn. 2.4 und 3 DA-AK). Der Vertrauensanwalt nimmt Hinweise lediglich entgegen und leitet diese bei Bestehen eines Anfangsverdachts mit einer eigenen kurzen Einschätzung hinsichtlich der Plausibilität und möglicher Rechtsverstöße an die ZAKS weiter (vgl. Nr. 2.5 DA-AK).


In den letzten drei Jahren sind insgesamt 46 Hinweise eingegangen. Davon wurden 18 Hinweise nach der Plausibilitätsprüfung weiter aufgearbeitet und geprüft.

Anzahl der eingegangenen Hinweise (2020 und 2021):
Eingang bei ZAKS
Eingang bei Vertrauensanwalt
Hinweiseingang gesamt
2020
12
6
18
2021
16
5
21
Anzahl der Prüfungen durch die ZAKS:
Prüfungen ZAKS
2020
7
2021
8
Diese Prüfungstätigkeit erweist sich aufgrund komplexer Sachverhalte oftmals als aufwendig und zeitintensiv. Gleichzeit liegt der Fokus nicht nur bei den im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahmen gegen die verdächtige Person, sondern auch in der Aufdeckung und Beseitigung von internen Defiziten in Verwaltungsabläufen, die ein Fehlverhalten ermöglichen bzw. begünstigen. Zur näheren Verdeutlichung zeigen die nachfolgenden Statistiken den Umfang der internen Aufarbeitung anhand zweier abstrahierten und anonymisierter Fälle.

Fall 1:
Hinweisquelle: Interner Hinweis
Prüfungszeitraum:Ca. 8 Monate (drei Einzelprüfungen mit Unterbrechungen)
Prüfungsumfang:Umfassende Prüfung von ca. 68 Einzelsachverhalten
Abschluss:Drei umfangreiche Prüfberichte sowie Folgeprüfungen aus abgeleiteten Themenkreisen in Bezug auf Interne Kontrollsysteme und die IT
Folgemaßnahmen:· Weiterführende strafrechtliche Verfolgung der Fälle durch die Strafverfolgungsbehörden

· Prüfung/Einleitung arbeits- bzw. dienstrechtlicher Folgemaßnahmen

· Prüfung zivilrechtlicher Folgemaßnahmen

· Aufdeckung internen Schwachstellen

· Umfassende Aufarbeitung und Beseitigung der aufgedeckten Schwachstellen

Fall 2:
Hinweisquelle: Anonymer interner Hinweis über den Vertrauensanwalt
Prüfungszeitraum:3 Monate
Prüfungsumfang· Umfassende Prüfung von ca. 41 Einzelsachverhalten

· 5 Befragungen

Abschluss:Umfangreicher Prüfbericht samt tiefergehender Darstellungen interner Kontrolldefizite sowie Verbesserungsmöglichkeiten
Ergebnis der Prüfung:· Ergreifung arbeits- bzw. dienstrechtlicher Folgemaßnahmen

· (Geplante) Aufarbeitung und Verbesserung interner Vorgänge/Prozesse sowie interner Regelungen durch die betroffenen Bereiche

· (Geplante) Maßnahmen zur Optimierung der Schriftlichkeit und Transparenz

· (Geplante) Maßnahmen zur Optimierung des internen Buchungswesens

· Behebung weiterer geringfügiger Kontrolldefizite

· Anstoß zu internen Sensibilisierungsmaßnahmen

Hat sich ein Korruptionsverdacht erhärtet, wird es in der Regel geboten sein, eine Strafanzeige zu stellen (zuständig hierfür ist Referat AKR bzw. das Rechtsamt) sowie seitens der betroffenen Verwaltungseinheiten die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um weitere Schäden für die LHS und die Allgemeinheit zu verhindern. Nach Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist es Aufgabe der ZAKS, deren Ermittlungen zu unterstützen.

Durch die Wahrnehmung ihrer Aufgaben leitet die ZAKS für die Landeshauptstadt Stuttgart somit einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit und Integrität der Verwaltung sowie zur Abwendung materieller und reputativer Schäden.

Zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen der ZAKS

1. Digitalisierung

In den kommenden Jahren wird auch bei der ZAKS das Thema Digitalisierung vorangetrieben:

Zum einen wird die Fallbearbeitung zukünftig mit Hilfe der Prüfungssoftware, die beim Amt für Revision Ende des Jahres 2022 eingeführt wird, gesteuert und dokumentiert werden. Ziel ist es in Zukunft auf Papierakten weitgehend zu verzichten. Für den Übergang wird es allerdings zusätzlich noch Vorgänge geben, die mittels Papierakten dokumentiert werden.

Zum anderen soll das Schulungskonzept überarbeitet werden. Neben den Präsenzschulungen soll es auch ein entsprechendes Angebot an Online-Schulungen sowie begleitendem Informationsmaterial zum Herunterladen geben. Auch ein E-Learning-Konzept soll erarbeitet werden. Mit diesem soll den Mitarbeiter*innen die Möglichkeit gegeben werden, bestimmte Themen mithilfe des E-Learning-Programms selbständig zu erarbeiten oder bei Bedarf nachzulesen.

2. Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen

In naher Zukunft werden zwei neue Gesetze erwartet, die die Compliance-Anforderungen an juristische Personen – einschließlich Kommunen – verändern werden.

a. Umsetzung der Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23.10.2019) in Deutschland

Am 16.12.2019 ist die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in Kraft getreten. Ziel der EU-Whistleblower-Richtlinie ist es,

· Verstöße aufzudecken und zu unterbinden,

· die Rechtsdurchsetzung zu verbessern, indem effektive, vertrauliche und sichere Meldekanäle eingerichtet und Hinweisgeber wirksam vor Repressalien geschützt werden,

· dass Hinweisgeber weder zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlich noch in Bezug auf ihre Beschäftigung haftbar gemacht werden können.

Zum 17. Dezember 2021 ist die Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern (2019/1937) verstrichen, ohne dass die Richtlinie bisher in Deutschland umgesetzt wurde. Ein Regierungsentwurf wurde im Bundeskabinett bereits verabschiedet und es wird erwartet, dass das nationale Umsetzungsgesetz (sog. Hinweisgeberschutzgesetz) entsprechend dem Entwurf in Deutschland im Herbst 2022 in Kraft tritt.

Die EU-Richtlinie sieht u.a. vor, dass Kommunen ab 10.000 Einwohner*innen und öffentliche Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter*innen ein internes Hinweisgebersystem für Beschäftigte einzurichten haben (sog. interne Meldestelle). Den Hinweisgeber*innen soll es möglich sein, sowohl Rechtsverstöße als auch die Aufdeckung von erheblichen Missständen melden zu können. Hierfür soll ein Hinweisgebersystem zur Verfügung stehen, das eine vertrauliche Abgabe eines Hinweises ermöglicht. Entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie sollen die hinweisgebenden Personen frei darin sein, für ihre Meldung entweder eine interne oder die externe vom Bund errichtete Meldestelle zu wählen. Der Regierungsentwurf sieht außerdem noch folgende wesentlichen Eckpunkte vor:

· Hinweisgeber*innen können alle Personen sein, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis über Verstöße erlangen (also auch städtische Bedienstete).

· In sachlicher Hinsicht werden sämtliche Meldungen über strafbewehrten Verstöße erfasst. Auch Hinweise über bußgeldbewehrte Verstöße, die dem Schutz von Leben, Leib und Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen, werden vom Schutzbereich umfasst.

· Die Identität der hinweisgebenden sowie der betroffenen Personen wird als besonders schützenswert eingestuft. Die internen und externen Meldestellen haben dies durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.

· Entsprechend der Richtlinie sind gegen die hinweisgebende Person gerichtete Repressalien verboten. Unter Repressalien werden u.a. Maßnahmen wie Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung, Rufschädigung oder Mobbing, verstanden. Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot besteht eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers/Dienstherrn. Die Beweislast obliegt zugunsten der hinweisgebenden Person dem Arbeitgeber/Dienstherrn (Beweislastumkehr).

· Wird entgegen den Vorgaben keine interne Meldestelle eingerichtet oder betrieben, droht ein Bußgeld bis zu 20.000 €. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot, die Verhinderung einer Meldung oder der darauffolgenden Kommunikation sowie die Ergreifung verbotener Repressalien können sogar mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 € belegt werden.

· Die interne Meldestelle hat die Aufgabe Meldungen im Anwendungsbereich des Gesetzes entgegenzunehmen und die Veranlassung geeigneter Folgemaßnahmen in die Wege zu leiten. Die interne Meldestelle ist nach dem Gesetzesentwurf verpflichtet, der hinweisgebenden Person den Eingang des Hinweises innerhalb von sieben Tagen zu bestätigen und innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung über die ergriffenen und geplanten Folgemaßnahmen zu geben.

Zur Umsetzung der Anforderungen der Whistleblower-Richtlinie bzw. des Hinweisgeberschutzgesetzes bei der Landeshauptstadt Stuttgart, insbesondere die Einrichtung einer entsprechenden internen Meldestelle, wurde eine städtische Arbeitsgruppe gegründet. Diese setzt sich aus Teilnehmern des Haupt- und Personalamts, des Amts für Revision (ZAKS), des Amts für Digitalisierung und IT, der Stadtkämmerei, des Rechtsamts und des Gesamtpersonalrats zusammen. Weitere beteiligte andere Bereiche (z.B. AKR-DSB/ISB, Eigenbetriebe) werden bei Bedarf hinzugezogen. Ziel der Arbeitsgruppe ist es einen Vorschlag zu erarbeiten, wo die interne Meldestelle angesiedelt werden kann und wie diese personell sowie mit sachlichen Mitteln ausgestattet sein muss.

b. Verbandssanktionengesetz

In Deutschland können bisher ausschließlich Individualpersonen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Verbände bzw. Unternehmen können hingegen lediglich auf Grundlage des Ordnungswidrigkeitenrechts belangt werden. Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von Leitungspersonen können zwar dazu führen, dass gegen die juristische Person gemäß § 30 OWiG eine Geldbuße von bis zu € 10 Mio. verhängt werden kann. Eine Sanktionierung der Organisation für straffällige Mitarbeiter*innen bleibt allerdings meist aus.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Deutschland daher aufgefordert, entsprechende Reformen des „Unternehmensstrafrechts“ einzuleiten. Daraufhin hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im April 2020 einen Referentenentwurf unter dem Titel „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ (Verbandssanktionengesetz) veröffentlicht, welcher im Oktober 2020 in den Bundestag eingebracht wurde. Gemäß diesem Entwurf sollte das Verbandsstrafrecht für juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, deren Tätigkeit auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, gelten. In sachlicher Hinsicht sollten sämtliche Straftaten mit Unternehmensbezug erfasst sein, vor allem Vermögens- und Steuerdelikte sowie Umweltdelikte und Straftaten gegen den Wettbewerb. Als Verbandssanktionen waren u. a. sehr hohe Geldsanktion vorgesehen. Der Entwurf sah aber auch Regelungen zur Milderung der zu verhängenden Sanktionen vor. Zum Beispiel die Verringerung des Sanktionsrahmens, wenn hinreichende Compliance-Maßnahmen eingeführt, interne Untersuchungen zur Aufklärung von Verbandstaten durchgeführt und mit den Verfolgungsbehörden vollumfänglich kooperiert wurde.

Allerdings wurde dieser Entwurf in der letzten Legislaturperiode in der damaligen Regierungskoalition nicht mehr behandelt. Die amtierende Regierungskoalition möchte dieses Thema jedoch wieder auf die Tagesordnung setzen. Sollte ein solches Verbandssanktionengesetz daher tatsächliche verabschiedet werden und Kommunen davon betroffen sein, müssten die internen Prozesse zur Aufklärung von Hinweisen sowie das städtische Compliance System, insbesondere die Maßnahmen zur Prävention von möglichen strafrechtlichen Verstößen, anhand der Anforderungen des Gesetzes überprüft werden.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Frank Nopper
Oberbürgermeister





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